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Kleinstpartikel bergen Gesundheitsrisiko

Hautschutz ohne Seife
Neue Sicherheit bei der Arbeit mit kleinen Partikeln

Jana Mundus
Nicht nur in der Addi­tiv­en Fer­ti­gung kommt es zu Gesund­heit­srisiken durch winzige Met­all- oder Kun­st­stoff­par­tikel. Neben Atemwe­gen und Augen ist auch die Haut gefährdet. Forsch­er eines Dres­d­ner Start-ups entwick­eln ein Gel, das nicht nur Reste fein­er Pul­ver auf der Haut bindet. Viele Unternehmen verken­nen die Gefahr, die von Kle­in­st­par­tikeln ausgeht.

Die addi­tive Fer­ti­gung rev­o­lu­tion­iert die Pro­duk­tion­stech­nik. Immer mehr Indus­triezweige nutzen die Möglichkeit­en, die der 3D-Druck ihnen bietet – Met­allpul­ver for­men so etwa neue Bauteile für die Auto­mo­bilin­dus­trie, keramis­che Pul­ver indi­vidu­ell angepassten Zah­n­er­satz und pul­vrige Aus­gangsstoffe aus Kun­st­stoff kom­plizierte Struk­turen in Klein­serie. Kle­in­st­par­tikel bieten aber nicht nur Chan­cen, sie stellen auch eine Gesund­heits­ge­fahr für diejeni­gen dar, die mit ihnen arbeit­en. Für den Schutz vor Inhala­tion der Stäube existieren in Deutsch­land wichtige Sicher­heits­stan­dards. Aber es gibt zwei weit­ere Ein­fall­swege in den men­schlichen Kör­p­er: über die Haut und das Ver­dau­ungssys­tem. Das Dres­d­ner Start-up Derma­Purge hat nun eine Lösung für das Prob­lem entwick­elt – nicht nur für Anwen­der addi­tiv­er Ver­fahren, son­dern für alle Branchen, in denen Pul­ver und Par­tikel zum Ein­satz kommen.

Unsichtbare Kleinstpartikel

Mit dem bloßen Auge sind sie nicht zu erken­nen. Par­tikel mit ein­er Größe von unter 20 Mikrom­e­ter sind im Arbeit­sall­t­ag für den Men­schen unsicht­bar. Sie sind nicht nur Bestandteil von Metall‑, Kun­st­stoff- und Keramikpul­vern. Sie entste­hen auch beim Behan­deln von Ober­flächen durch Schleifen, Polieren, Bohren, Fräsen oder Sägen und find­en ihren Ein­satz zum Beispiel beim Com­poundieren von Kun­st­stof­fen. Lacke- und Far­ben­her­steller kom­men mit ihnen in Kon­takt. Phar­ma- und Kos­metikin­dus­trie wen­den sie an. Die Her­stel­lung von Ionen-Akkus funk­tion­iert nicht ohne sie. Trotz Arbeitss­chutz­maß­nah­men leg­en sich die feinen Par­tikel wie ein staubiger Film über­all ab: auf Klei­dung, Ober­flächen und eben auch auf der Haut.

Doch genau von dort lassen sie sich bish­er nur schlecht wieder ent­fer­nen. Je klein­er die Par­tikel und je hydrophober, desto weniger wirk­sam sind Wass­er und Seife gegen sie. „Seife hat sog­ar noch einen nachteili­gen Effekt“, erk­lärt Jonas Schu­bert, Geschäfts­führer von Derma­Purge. Wie auch Ten­side und Lösungsmit­tel greifen sie die natür­liche Haut­bar­riere an und spülen den schützen­den Talg aus den Poren. „Dadurch gibt es einen Wash-in-Effekt, das heißt die Par­tikel gelan­gen sog­ar noch bess­er durch die Haut in den Kör­p­er.“ Nicht zulet­zt kann das ver­mehrte Ver­wen­den von Seife auch zu Hau­tir­ri­ta­tio­nen und aller­gis­chen Reak­tio­nen führen – für Arbeit­nehmer und Arbeit­ge­ber gle­icher­maßen ein Prob­lem. Obwohl bere­its Richtlin­ien wie die Tech­nis­chen Regeln für den Umgang mit Gefahrstof­fen (TRGS 401) auf das Prob­lem mit Seife hin­weisen, gab es in der Prax­is bis­lang keine gute Alter­na­tive – bis jetzt.

Kleinstpartikel schaden dem Körper

Die Kle­in­st­par­tikel also ein­fach auf der Haut lassen? Das ist keine gute Option. Ins­ge­samt 400- bis 800-mal greift sich der Men­sch über den Tag ins Gesicht, befördert die feinen Teilchen damit auch in den Mund. Gelan­gen sie oral oder über die Haut in den Kör­p­er, kön­nen sie dort nur schw­er wieder abge­baut wer­den. Sie kön­nen sich in Orga­nen und Lym­ph­drüsen anlagern und sam­meln sich in Blut­ge­fäßen. Das kann innere Blu­tun­gen aus­lösen, Entzün­dun­gen verur­sachen, zu ver­min­dert­er Frucht­barkeit führen und im schlimm­sten Fall auch Kreb­serkrankun­gen aus­lösen. Selb­st dann, wenn die ein­drin­gen­den Stoffe eigentlich als nicht kreb­ser­re­gend gel­ten. „Die Größe der ange­lagerten Par­tikel spielt eben eine entschei­dende Rolle“, unter­stre­icht Schubert.

Jonas Schu­bert ist kein Medi­zin­er, son­dern Chemik­er. Doch in den ver­gan­genen Jahren haben sich er und sein Kol­lege Max Schnepf inten­siv mit den Fol­gen der Ver­wen­dung von Kle­in­st­par­tikeln auseinan­derge­set­zt. Aus­gangspunkt dafür war ein Vor­fall im Labor. Eine stu­den­tis­che Kol­le­gin am Leib­niz-Insti­tut für Poly­mer­forschung Dres­den kam trotz Schutz­maß­nah­men vor ein paar Jahren mit flu­o­reszieren­den Nanopar­tikeln in Hautkon­takt. Seife und Wass­er bracht­en keinen Erfolg, wed­er Arbeitss­chutzbeauf­tragte noch der Gift­notruf hat­ten einen Ratschlag, wie die Par­tikel wieder ent­fer­nt wer­den kön­nen. Also began­nen Schu­bert und Schnepf, nach der Arbeit selb­st zu forschen. So ent­stand das erste Pro­dukt des später zusam­men mit Felix Klee gegrün­de­ten Unternehmens Derma­Purge: nano-ex. Die Paste bindet selb­st die kle­in­sten Nanopar­tikel, sodass diese nicht mehr in die Haut ein­drin­gen kön­nen. Nach dem Ver­wen­den lassen sich die gebun­de­nen Par­tikel ganz ein­fach mit kaltem Wass­er abspülen.

Neues Produkt entfernt Pulverrückstände effektiv

Durch ihre Entwick­lung stießen die Grün­der auch auf andere Her­aus­forderun­gen, für die noch keine effek­tive Lösung existierte. „Es gibt sehr viele Indus­triezweige, die heute mit Pul­vern und Par­tikeln arbeit­en“, erk­lärt Schnepf. Dabei sei vie­len aber gar nicht bewusst, wie klein die Teilchen wirk­lich sind, mit denen sie hantieren. „Die Angaben von Pul­ver­her­stellern beispiel­sweise sind oft irreführend für den Arbeitss­chutz.“ Sie tre­f­fen oft­mals Aus­sagen zum Vol­u­men­mit­tel­w­ert an Par­tikeln. Bei Her­stel­lung, Trans­port oder beim Ver­wen­den entste­hen aber deut­lich kleinere Teilchen, die gesund­heits­ge­fährdend sind. Das Derma­Purge-Pro­dukt pow­der-ex begeg­net dem Problem.

Wie schon bei nano-ex basiert die Funk­tion­sweise auf dem Binden der Par­tikel auf der Haut, die dann ein­fach mit kaltem Wass­er abspül­bar sind. Möglich machen das Schicht­si­likate, die die Par­tikel umschließen. Eben­falls enthal­ten ist Aktivkohle, die dem Pro­dukt eine schwarze Farbe ver­lei­ht. Ger­ade für die gründliche Reini­gung ein guter Zusatzef­fekt. So sehen Anwen­der ganz ein­fach, ob sie beim Benutzen auch keine Stelle vergessen.

Industrie setzt auf Sicherheit

Mehrere Indus­triekun­den wen­den pow­der-ex bere­its an. Die mawe-presstec GmbH aus dem rhein­land-pfälzis­chen Hatzen­bühl etwa ist Spezial­ist für Blechver­ar­beitung, 3D-Met­all­druck, Laser­schweißen sowie Werkzeug­bau. „Bish­er hat­ten wir nach dem Hän­de­waschen mit Seife immer noch das Gefühl, dass Pul­ver auf den Hän­den zurück­ge­blieben ist“, schildert Geschäfts­führer Mar­co Wer­ling. Mit dem neuar­ti­gen Pro­dukt fühlten sich die Hände nun vol­lkom­men sauber an. Bei Pro­to­labs, einem weltweit agieren­den Her­steller von kun­den­spez­i­fis­chen Pro­to­typen und in Klein­se­rien­fer­ti­gung pro­duzierten Teilen, sucht­en die Ver­ant­wortlichen lange nach ein­er geeigneten Lösung für die effek­tive Reini­gung. „Für uns ste­ht Arbeitss­chutz immer an erster Stelle, wenn wir mit Pul­vern arbeit­en“, sagt Philipp Alt­mut­ter, Bere­ich­sleit­er Met­all-Lasersin­tern. „Wir sind daher froh, dass pow­der-ex auch Par­tikel von der Haut waschen kann, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind.“ Ein Umstand, den auch Stephan Dry­haus vom Qual­itäts­man­age­ment der ACMOS Chemie GmbH unter­stre­icht. „Wir waren über­rascht davon, wie klein die Poly­mer­par­tikel sind, mit denen unsere Kol­le­gen arbeit­en.“ Da diese nicht bioab­baubar sind, könne eine orale Auf­nahme oder eine Auf­nahme durch die Schleimhäute langfristige Schä­den im Kör­p­er verur­sachen. „Dass wir hier in der Hautreini­gung nachziehen, stand außer Frage.“

Das pos­i­tive Kun­den­feed­back motiviert das Dres­d­ner Team – und sorgt für Neues. Im Ange­bot hat Derma­Purge mit pak-ex seit eini­gen Monat­en auch ein Pro­dukt, mit dem Feuer­wehrleute die kreb­ser­re­gen­den Rest­stoffe aus dem Bran­drauch von der Haut bekom­men. Die Ideen der Forsch­er gehen jedoch noch weit­er. Das Team arbeit­et bere­its an der Entwick­lung von Reini­gungsmöglichkeit­en nach ein­er Kon­t­a­m­i­na­tion mit chemis­chen Kampf­stof­fen oder radioak­tiv­en Stof­fen. „Wir denken auch über ein Kos­metikpro­dukt nach, das den Fein­staub von der Haut ent­fer­nt“, sagt Schu­bert. Für Men­schen in Mil­lio­nen­städten wäre das eine große Hilfe.


„Gefahr einer Aufnahme über die Haut ist vielen nicht präsent“

Mit-Grün­der Felix Klee hat in Gesprächen mit Unternehmen in den ver­gan­genen Jahren immer wieder erfahren, wie wichtig ein Sen­si­bil­isieren für das The­ma Kle­in­st­par­tikel ist. Sein Faz­it: „Für das Einat­men der Stoffe existieren im Arbeitss­chutz bere­its weitre­ichende Vorschriften. Dass die orale und die Auf­nahme über die Haut jedoch eben­so prob­lema­tisch sind, ist vie­len schlichtweg nicht präsent. Je nach Typ der Schutzhand­schuhe gelan­gen die Par­tikel etwa ganz leicht durch das Gewebe. Die sehr dicht­en Chemikalien­schutzhand­schuhe brin­gen jedoch ein anderes Prob­lem mit sich. Sie sind dünn, reißen schneller, wie uns Kun­den in der Bear­beitung von schar­fkanti­gen Met­all­w­erk­stück­en oft berichten.“

Klee betont auch die Rolle des Hautschweißes: „Das Schwitzen im Hand­schuh begün­stigt nach dem Ausziehen sog­ar ein Ein­drin­gen der Stoffe. Schweiß macht die Haut durch­läs­siger, beim Ausziehen verteilte Par­tikel haben es so noch ein­fach­er, in den Kör­p­er zu gelan­gen. Und dann gibt es natür­lich viele Tätigkeit­en mit drehen­den Werkzeu­gen, bei denen Schutzhand­schuhe gar nicht getra­gen wer­den dürfen.“ 

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