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Wenn PSA nicht getragen wird

Praxistipps für Sicherheitsbeauftragte
Wenn PSA nicht getragen wird

Wenn PSA nicht getragen wird
Foto: © Syda Productions - stock.adobe.com
Trotz ein­er Vielzahl von Vorschriften, ein­er gut entwick­el­ten Sicher­heit­stech­nik, hochw­er­tiger ergonomis­ch­er PSA sowie Aufk­lärungs- und Sicher­heit­skam­pag­nen zu ihrer Ver­wen­dung wird die benötigte Schutzaus­rüs­tung bisweilen nicht getra­gen. Offen­bar wer­den manche Beschäftigte von all diesen Vor­gaben und Maß­nah­men nicht erre­icht. Was bleibt Sicher­heits­beauf­tragten zu tun, wenn sie Mitar­bei­t­ende ohne PSA antreffen?

Neben der geset­zlichen Verpflich­tung, PSA zu ver­wen­den, gibt es in vie­len Unternehmen eigene, mit der Belegschaft abges­timmte Sicher­heit­sregeln mit selb­stverpflich­t­en­dem Charak­ter. Diese „Com­mit­ments“ besagen: „Wir tra­gen stets die richtige PSA bei unseren Tätigkeit­en“. Den­noch begeg­nen Sicher­heits­beauf­tragten auch hier Kol­legin­nen und Kol­le­gen, die diesen Grund­satz mis­sacht­en. Gibt es wom­öglich Gren­zen und Hin­dernisse für das Ein­hal­ten von Regeln, die wir übersehen?

Verschiedene Hemmschwellen

Oft beste­hen Hemm­schwellen, Kol­legin­nen und Kol­le­gen auf Fehlver­hal­ten wie „Schutzaus­rüs­tung nicht getra­gen“ aufmerk­sam zu machen. Trotz Selb­stverpflich­tungsregeln in der Kom­mu­nika­tion zu und über Sicher­heit ist es in den meis­ten Unternehmen immer noch üblich, in dieser Hin­sicht ein eher ambiva­lentes Feed­back zu senden: Das Nicht­tra­gen von PSA wird als Fehler angesehen.

Das Feed­back richtet sich dann oft gegen die Per­son in Form von Vor­wür­fen oder Kri­tik – allzu oft nach dem Mot­to: Der Schuldige wurde gefun­den und muss jet­zt dafür „büßen“.

In offe­nen Fehlerkul­turen ist jedoch ein anderes Feed­back erwün­scht, das sich nicht gegen eine Per­son richtet. Hier wird nicht nach „Schuld“ gesucht, hier wird das sichere Ver­hal­ten gefördert, das im betrieblichen All­t­ag als selb­stver­ständlich gel­ten soll. Dies ist ein­deutig ein besser­er Weg. Er erfordert jedoch ein anderes Ver­ständ­nis von Sicher­heit­skul­tur und der Ein­bindung der Sicherheitsbeauftragten.

Verhaltensbedingter Ansatz

Je nach Studie und Quelle sind zwis­chen 80 und weit über 90 Prozent aller Arbeit­sun­fälle ver­hal­tens­be­d­ingt. Sicher­heits­beauf­tragte set­zen zur Reduzierung von Unfal­lzahlen schon länger beim Ver­hal­ten an – ger­ade, wenn es um die Ver­wen­dung von PSA geht. Sie sprechen regelmäßig mit den Kol­le­gen über ihr PSA-Ver­hal­ten und ver­suchen, es mit ein­er pos­i­tiv­en Ver­stärkung in die richti­gen Bah­nen zu lenken.

Dazu wird eine angenehme Basis benötigt. „Wie man in den Wald hinein­ruft, so schallt es her­aus“ lautet ein Sprich­wort, das auch in diesem Kon­text beherzigt wer­den sollte. Es bedeutet: Nicht nur der Inhalt eines Gesprächs ist entschei­dend, son­dern auch dessen Form inklu­sive Ton­fall und Körpersprache.

Wie lässt sich nun ein Gespräch mit einem ver­hal­tensori­en­tierten Ansatz begin­nen – etwa, wenn jemand ohne Schutzbrille angetrof­fen wird? Ein möglich­er Ein­stieg wäre: „Mir ist aufge­fall­en, dass du deine Schutzbrille nicht trägst. Ich mache mir Gedanken über deine Sicher­heit. Darf ich fra­gen, warum du sie nicht trägst?“

Je nach Per­son und Sit­u­a­tion kön­nen das auch schwierige Gespräche wer­den. Auch ihre beson­dere Stel­lung macht es für Sicher­heits­beauf­tragte nicht ein­fach, diese Art von „Aufk­lärungs­ge­sprächen“ zu führen. Bei all ihren Hand­lun­gen soll­ten sie fol­gende Punk­te im Hin­terkopf behalten:

  • Nie­mand möchte sich bewusst verletzen.
  • Sicher­heits­beauf­tragte sind nicht weisungs­befugt. Sie soll­ten ihre rechtliche Posi­tion ken­nen und entsprechend agieren, sich beispiel­sweise nicht als Führungskraft aufspielen.
  • Men­schen han­deln nicht immer logisch und reagieren auf gute beziehungsweise richtige Hin­weise und Argu­mente nicht automa­tisch mit Begeis­terung und Akzeptanz.
  • Die Auf­gabe der Sicher­heits­beauf­tragten ist es, Kol­legin­nen und Kol­le­gen anzus­prechen beziehungsweise auf etwas aufmerk­sam zu machen. Es kommt vor, dass sich jemand nicht richtig ver­standen und manch­mal sog­ar ange­grif­f­en fühlt. Es ist jedoch auch Teil ihrer Auf­gabe, damit gut beziehungsweise gekon­nt umzuge­hen. Dies hil­ft ihnen auch, der gedanklichen „Morala­pos­tel/Besser­wiss­er-Spi­rale“ zu entkommen.

 

PSA nicht getragen: Plakat aus der BAUZ, der Präventionszeitung der BG RCI, zum Thema Augenschutz
Plakat aus der BAUZ, der Präven­tion­szeitung der BG RCI, zum The­ma Augen­schutz.
Foto: © BAUZ.net

Wann sollten Sibe handeln?

In der Regel gibt es keine fest­gelegten Eskala­tion­sstufen, wann was passieren muss. Es sind stets indi­vidu­elle sit­u­a­tive Entschei­dun­gen, wenn Sicher­heits­beauf­tragte andere auf ihre nicht getra­gene PSA ansprechen beziehungsweise diesen Umstand wahrnehmen. Auch der per­sön­liche Werkzeugkas­ten an Hand­lungsmöglichkeit­en und ‑optio­nen bezieht sich immer auf die Beson­der­heit­en der han­del­nden Per­so­n­en und die vorge­fun­de­nen betrieblichen Situationen.

Wichtig: Hier agieren Men­schen mit Men­schen. Das läuft nicht immer richtig oder falsch, son­dern wird eher als erfol­gre­ich oder nicht erfol­gre­ich beziehungsweise hil­fre­ich oder nicht hil­fre­ich emp­fun­den. Die jew­eils gewählten realen Hand­lung­sop­tio­nen müssen nicht zwangsläu­fig the­o­retisch unter­mauert oder „päd­a­gogisch wertvoll“ sein.

Trotz allem: Die stärk­sten Werkzeuge von Sicher­heits­beauf­tragten sind das Gespräch beziehungsweise der per­sön­liche Kon­takt. Grund­sät­zlich zählt: gut zuhören, ausre­den lassen, Ver­ständ­nis auf­brin­gen und sich in die Posi­tion des anderen zu ver­set­zen. Sicher­heits­beauf­tragte soll­ten sich immer fra­gen, warum sich eine Per­son so ver­hält, wie sie sich ver­hält, um ziel­gerichtet agieren zu können.

Argumente entkräften

Wie und wom­it bekom­men Sicher­heits­beauf­tragte ihr Gegenüber zu pack­en? Sibe brin­gen dafür einiges mit: Moti­va­tion und das kol­le­giale Ver­hält­nis, Ver­trauen und den Wun­sch beziehungsweise die Hoff­nung auf eine pos­i­tive Verän­derung bei den Kol­le­gen. Zunächst soll­ten sie ver­suchen, in einem per­sön­lichen Gespräch die vorge­bracht­en Gründe gegen das Tra­gen der PSA mit lösung­sori­en­tierten Argu­menten zur Akzep­tanz­er­höhung zu entkräften. Auf die fol­gen­den beispiel­haften Mitar­beit­er­ar­gu­mente gegen PSA kön­nten sie zum Beispiel so reagieren:

  • Die Schutzbrille lag zu weit weg.
  • „Ich finde es gut, dass du so ehrlich und direkt antwortest. In vie­len Fällen ist wie hier Bequem­lichkeit das Motiv. Gut, dass du es erkan­nt hast und nun entsprechend gegen­s­teuern kannst.“
  • Die Schutzbrille passte nicht über meine Alltagsbrille.
  • Ich habe die Schutzbrille getra­gen, aber trotz­dem kam es zu ein­er Augen­ver­let­zung, weil sie nicht richtig anlag.“
  • Ich kon­nte durch die Brille schlecht sehen, habe sie deshalb abgenom­men und ohne sie weitergearbeitet.
  • „Es gibt eine große Auswahlmöglichkeit an Pro­duk­ten für eine Vielzahl von Anwen­dungs­fällen. Da ist bes­timmt auch für dich etwas dabei. Ich nehme gerne gemein­sam mit dir Kon­takt zur Sifa, dem Werk­sarzt oder Vorge­set­zten auf.“
  • „Mod­erne Schutzbrillen sind in aller Regel bequem, leicht und beschla­gen kaum. Sie bieten zudem einen guten Schutz. Hil­fe und Rat geben dir gern die Sifa, der Werk­sarzt oder dein Vorgesetzter.“

 

Auf nonverbale Zeichen setzen: Beispielsweise beim Vorbeigehen mit einer Schutzbrille winkenAuf nonverbale Zeichen setzen: Beispielsweise beim Vorbeigehen mit einer Schutzbrille winken
Auf non­ver­bale Zeichen set­zen: Beispiel­sweise beim Vor­beige­hen mit ein­er Schutzbrille winken.
Foto: Iry­na — stock.adobe.com

Generelle Ablehnung

In nahezu allen unter­sucht­en Betrieben mit Augen­ver­let­zun­gen war eine Schutzbrille vorhan­den, die zum Unfal­lzeit­punkt jedoch nicht getra­gen wurde. Dazu passt das Zitat eines befre­un­de­ten Sicher­heits­beauf­tragten: „Es sind doch eigentlich mündi­ge Mitar­beit­er – und trotz­dem ver­hal­ten sie sich wie Kinder, wenn es um PSA geht.“

Aus mein­er Erfahrung beruht die Nich­tan­wen­dung von PSA oft auf genereller Ablehnung: Es wird wohl immer Mitar­bei­t­ende geben, die Anforderun­gen bezüglich Arbeitssicher­heit ken­nen, diese aber nicht umset­zen wollen. Hin­ter diesem „nicht wollen“ steckt jedoch keines­falls böse Absicht. Wie schon erwäh­nt: Nie­mand ver­let­zt sich absichtlich.

Doch wie kommt man diesem „nicht wollen“ bei? Bei allen anderen Beweg­grün­den ist es ein­fach­er, gute Lösungsmöglichkeit­en zu find­en (siehe nach­fol­gende Tabelle 1). Die Punk­te „nicht wis­sen“ und „nicht kön­nen“ lassen sich durch Schu­lun­gen, Train­ings, Unter­weisun­gen etc. beheben.

Kommt also das Argu­ment „Ich war mir der Gefährdung mein­er Augen durch die Arbeit nicht bewusst“, soll­ten Sicher­heits­beauf­tragte in diese Rich­tung denken und aktiv wer­den. Beim Aspekt „nicht wollen“ geht es hinge­gen um eine Bewusst­seins- oder Motivationsfrage.

Tabelle 1: Es gibt verschiedene kommunikative Möglichkeiten, wenn Kolleginnen oder Kollegen ihre PSA (wiederholt) nicht tragen. Für eine passende Reaktion muss zunächst der Grund für das beobachtete Verhalten feststehen, um entsprechend reagieren zu können.
Tabelle 1: Es gibt ver­schiedene kom­mu­nika­tive Möglichkeit­en, wenn Kol­legin­nen oder Kol­le­gen ihre PSA (wieder­holt) nicht tra­gen. Für eine passende Reak­tion muss zunächst der Grund für das beobachtete Ver­hal­ten fest­ste­hen, um entsprechend reagieren zu können.

Anreize zum Motivwechsel setzen

In der Erk­lärung von Ver­hal­ten nehmen Motive eine zen­trale Rolle ein. Dahin­ter ste­ht das Bedürf­nis nach ein­er bes­timmten Sache oder einem bes­timmten Zus­tand. Diese wer­den angestrebt, weil sie angenehme emo­tionale Kon­se­quen­zen, soge­nan­nte „Affek­te“, mit sich brin­gen. Men­schen unter­schei­den sich dadurch, wie wichtig ihnen ver­schiedene Motive sind. Man unter­schei­det zudem explizite Motive (eigene Bedürfnisse, Wün­sche und Ziele) und implizite Motive (Prä­gun­gen im frühen beziehungsweise vor­sprach­lichen Kindesalter).

Anhand ihrer per­sön­lichen Motive lässt sich das Ver­hal­ten von Men­schen am besten erk­lären. Bes­timmte Sit­u­a­tions­fak­toren, also das aktuelle unmit­tel­bare Umfeld im Moment des Ver­hal­tens, sprechen die per­sön­lichen Motive an. Oft braucht es also einen spez­i­fis­chen Anreiz, um noch schlafende Motive zu wecken.

In Tabelle 1 wer­den primär leicht erkennbare Motive genan­nt, die hin­ter ein­er Ablehnung steck­en kön­nen. Aus diesen Motiv­en lassen sich Kri­te­rien für die Lösung ableit­en. Die Kun­st beste­ht darin, per­sön­liche Motive wie etwa man­gel­nder Tragekom­fort, Bequem­lichkeit, Unter­schätzung der Gefährdung oder Behin­derung bei der Arbeit­saus­führung zu erken­nen und gezielt „schlafende“ Bedürfnisse als Motive für eine Ver­hal­tensän­derung zu adressieren.

Ein Beispiel: Wenn jemand etwas nicht kann oder nicht wahrn­immt, dann ist es ein guter Anreiz, die Neugi­er auf dieses Unbekan­nte als Motiv zu weck­en. Diese wird dann durch eine Schu­lung, ein Train­ing einen Work­shop oder ein Sem­i­nar befriedigt. Auf diese Weise erset­zt die Freude an der neuen Her­aus­forderung und per­sön­lichen Weit­er­en­twick­lung das zunächst vor­rangige Motiv „nicht können“.

Ein weit­eres Beispiel: Erleben Mitar­bei­t­ende das Tra­gen von PSA als Belas­tung oder Behin­derung und sehen deshalb aus Bequem­lichkeits­grün­den davon ab, wer­den die Gründe für das Tra­gen der PSA zunächst immer dem Bedürf­nis nach kör­per­lichem Wohlbefind­en unter­ge­ord­net. Hier kön­nte das noch schlafende Bedürf­nis nach mehr Sicher­heit als Motiv adressiert wer­den, um die per­sön­liche Motiv-Hier­ar­chie zu verän­dern, denn nach dem sozialpsy­chol­o­gis­chen Mod­ell des Psy­cholo­gen Abra­ham Maslow, der soge­nan­nten „Bedürfnispyra­mide“, hat jed­er Men­sch ein mehr oder weniger aus­geprägtes Bedürf­nis nach Sicherheit.

Wenn dies gelingt, über­lagert das geweck­te Sicher­heits­bedürf­nis kün­ftig das ursprünglich dom­i­nante Motiv der kör­per­lichen Bequem­lichkeit: „Ich erkenne jet­zt, dass ich aus rein­er Bequem­lichkeit zu wenig auf mich achte. Das tut mir nicht gut und ich will mich nicht weit­er gefährden.“

 

PSA nicht getragen: Auch ein nonverbaler Fingerzeig kann dazu ermuntern, die Schutzbrille aufzusetzen
Auch ein non­ver­baler Fin­gerzeig kann dazu ermuntern, die Schutzbrille aufzuset­zen.
Foto: Iry­na — stock.adobe.com

Wen habe ich vor mir?

Daraus fol­gt: Wer Men­schen zu ein­er Ver­hal­tensän­derung motivieren möchte, sollte bei ihren Ein­stel­lun­gen oder Motiv­en anset­zen, denn bei­de steuern das Ver­hal­ten. Sicher­heits­beauf­tragte soll­ten sich also wie beschrieben zunächst fra­gen, wen sie vor sich haben und bei welch­er Tätigkeit sie die Per­son ger­ade antr­e­f­fen. Sie selb­st befind­en sich stets in ein­er Sit­u­a­tion von Frei­willigkeit und ohne Zwang. Das ist bei ihrem Gegenüber wom­öglich nicht so.

Positive und negative Verstärker

Eine andere Hand­lungsmöglichkeit beste­ht in pos­i­tiv­en oder neg­a­tiv­en Ver­stärk­ern. Ein pos­i­tiv­er Ver­stärk­er ist ein Reiz, der die gewün­schte Reak­tion attrak­tiv­er macht. Somit erhöht sich die Wahrschein­lichkeit für eine Wieder­hol­ung des richti­gen Ver­hal­tens. Ein pos­i­tiv­er Ver­stärk­er kön­nte zum Beispiel eine in Aus­sicht gestellte Beloh­nung sein: „Wenn du die Brille stets trägst, kannst du bei der Ver­losung unter allen nach­weis­lichen Ver­wen­dern einen Gutschein für dein pos­i­tives Ver­hal­ten und deine Vor­bild­funk­tion gewinnen.“

Ein neg­a­tiv­er Ver­stärk­er sta­bil­isiert das gewün­schte Ver­hal­ten, indem eine uner­wün­schte Nach­wirkung aus­bleibt. Wichtig: Es han­delt sich hier­bei nicht um eine Bestra­fung! Ein Beispiel für einen neg­a­tiv­en Ver­stärk­er wäre: „Wenn ich sehe, dass du die Brille regelmäßig trägst, komme ich nicht wieder vor­bei und nerve dich mit meinen Fra­gen oder Ratschlägen.“

 

Drastische Darstellungen können dabei helfen, die möglichen Folgen von nicht getragener PSA zu verinnerlichen
Drastis­che Darstel­lun­gen kön­nen dabei helfen, die möglichen Fol­gen von nicht getra­gen­er PSA zu verin­ner­lichen.
Foto: Publicdomainvectors.org

Die Motivationskeule

Wenn man anderen auf die Sprünge helfen möchte, die aus ein­er inneren Überzeu­gung etwas tun beziehungsweise nicht tun, ist das stets eine Her­aus­forderung. Um auf sie ein­wirken zu kön­nen, soll­ten Sicher­heits­beauf­tragte nach Motiv­en, Anreizen oder Ver­stärk­ern suchen, die bei ihnen wirk­sam sind beziehungsweise erfol­gre­ich oder hil­fre­ich sein könnten.

Doch viele Sicher­heits­beauf­tragte ken­nen auch das: Sie klären auf, disku­tieren, ver­suchen zu überzeu­gen, motivieren und nutzen Aspek­te der Lernpsy­cholo­gie. Alle Hin­dernisse, die Arbeitssicher­heitsvor­gaben einzuhal­ten, wur­den aus­geräumt. Und den­noch kommt es zu kein­er Ver­hal­tensän­derung. In dieser Sit­u­a­tion hil­ft dann wohl nur noch eins: die „Moti­va­tionskeule“.

Von Anreizen war bere­its die Rede. Vom Wort­stamm her steckt darin das Verb reizen. Eine Per­son zu reizen bedeutet, sie entwed­er zu ein­er bes­timmten Reak­tion zu ver­lock­en oder sie ganz ein­fach in Aufre­gung zu ver­set­zen. Die fol­gen­den Beispiele zum Klas­sik­er „ohne Schutzbrille im Ein­satz“ kön­nen mit etwas Kreativ­ität und Fan­tasie auch auf andere Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tun­gen über­tra­gen wer­den. Sie stam­men aus eige­nen Erfahrun­gen und den Bericht­en von befre­un­de­ten Sicher­heits­beauf­tragten. Bei der Ver­wen­dung dieser Prax­is­tipps ohne erhöht­en päd­a­gogis­chen Anspruch ist allerd­ings „Fin­ger­spitzenge­fühl“ gefragt:

  • Nur auf non­ver­bale Zeichen set­zen: beim Vor­beige­hen auf die Augen zeigen oder mit ein­er Schutzbrille winken.
  • Anlei­he aus dem Film Casablan­ca: „Kennst du den berühmtesten Trinkspruch aus der Filmwelt? In ‚Casablan­ca‘ sagt Rick – Humphrey Bog­a­rt – zu Ilsa – Ingrid Bergman – ‚Ich schau dir in die Augen, Kleines!‘ Ich möchte diesen Satz für dich ergänzen: Ich schau dir in die Augen und sehe keine Schutzbrille.“
  • Die schwarze Augen­klappe: Einem Mitar­beit­er, der trotz wieder­holter pos­i­tiv­er Ansprache/Motivation keine Schutzbrille trägt, eine schwarze Augen­klappe reichen mit den Worten: „Bitte schön, die brauchst du bald“. Im real zugrun­deliegen­den Fall entwick­elte sich daraufhin zunächst ein kri­tis­ches Gespräch. Zu guter Let­zt tauschte der Betrof­fene jedoch die Augen­klappe frei­willig gegen die eben­falls mit­ge­brachte Schutzbrille. Alter­na­tiv kann auch der Sicher­heits­beauf­tragte selb­st die Augen­klappe tra­gen und das Gespräch suchen nach dem Mot­to: „Das ging bei mir wohl doch ins Auge.“
  • Einen sarkastisch einge­färbten Witz zu den ungeschützten Augen machen: „Hast ja zwei – wozu bei­de nutzen.“ oder „Bald kannst du dauer­haft eins zukneifen.“
  • Speziell für Fußball­fans „Dann musst du dir den Scheiß, den deine Mannschaft spielt, nicht mehr zu 100 Prozent ansehen.“
  • Drastis­che Plakate: Aus­sagekräftige Poster zum Augen­schutz in Arbeit­splatznähe so aufhän­gen, dass sie nicht zu überse­hen sind. In anderen Län­dern ste­hen hier­für ten­den­ziell stärkere Schock­mo­tive zur Verfügung.
  • Authen­tis­che Darstel­lung: Einen zuvor am Auge ver­let­zten Kol­le­gen zur Unter­stützung mit­nehmen und zusam­men mit ihm das offene Gespräch suchen.
  • Sto­ry­telling: Die trau­rige Sto­ry vom Vater mit den dauer­haft ver­let­zten Augen erzählen, der sein neuge­borenes Kind nicht mehr sehen kon­nte, weil er vor der Geburt nicht acht­sam genug zu sich selb­st war und nun blind ist. Die Botschaft dahin­ter: Schä­den an den Augen durch Fremd­kör­p­er, Gefahrstoffe oder durch optis­che, elek­trische und ther­mis­che Gefährdun­gen sind nicht sel­ten irre­versibel und führen zu viel Leid.
  • Frage der Evo­lu­tion: „Kennst du das Dar­win Prinzip: ‚Wer nicht hören will, muss fühlen‘ oder ‚Ler­nen durch Schmerz‘? Die Klu­gen im Arbeitss­chutz wer­den gesund mit bei­den Augen weiterleben.“

Führungskraft einschalten

Hil­ft alles nichts, müssen sich Sicher­heits­beauf­tragte ab einem gewis­sen Zeit­punkt Ver­stärkung holen, sprich, „die höhere Spielka­rte besor­gen, um einen Stich zu lan­den“. Bewusst dauer­haftes Mis­sacht­en von PSA-Vorschriften ist ein Fall für die zuständi­ge Führungskraft mit ihren weit­er­re­ichen­den Werkzeu­gen und Kom­pe­ten­zen. Dann geht es nicht mehr über die Schiene „als Kol­lege rate ich dir“.


Autor: Carsten Magiera
Sicherheitsingenieur
Sachver­ständi­ger für Arbeitssicher­heit, Arbeits- und Gesundheitsschutz
Koor­di­na­tor für Sicher­heit und Gesundheit
 
Foto: pri­vat
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