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Unfall an Umformmaschine

Schmiedehammer schlägt Hand ab
Unfall an Umformmaschine

Unfall an Umformmaschine
Foto: © Akarawut - stock.adobe.com
Arbeit­en an Umfor­m­maschi­nen sind gefährlich, deshalb müssen hier neben tech­nis­chen Sicher­heits­maß­nah­men auch Ver­hal­tensan­forderun­gen strikt einge­hal­ten wer­den. Son­st sind schwere Ver­let­zun­gen möglich, wie dieser Unfall in einem Schmiede­un­ternehmen zeigt.

In dem kleinen Schmiede­un­ternehmen wer­den unter­schiedliche Schmiede­pressen (Häm­mer) und andere Umfor­m­maschi­nen zur Her­stel­lung von ver­schiede­nen Rohlin­gen einge­set­zt. Da über­wiegend Klein­se­rien auf Kun­de­nan­forderun­gen hergestellt wer­den, ist sehr viel manuelle Tätigkeit an den Maschi­nen erforder­lich. Aus tech­nol­o­gis­chen Grün­den sind sie als Umfor­m­grup­pen ange­ord­net, an denen meis­ten zwei – bei größeren Bauteilen auch drei – Beschäftigte arbeiten.

Diese Mitar­bei­t­en­den müssen sehr gut aufeinan­der einge­spielt sein, damit die Arbeit fehler- und unfall­frei ablaufen kann. Die einge­set­zten Maschi­nen sind zum Teil rel­a­tiv alt (Bau­jahr vor 1995) und entsprechen somit nicht in jedem Fall der EU-Maschi­nen­richt­line beziehungsweise der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung. Ein Teil der Maschi­nen wurde mit neuen Sicher­heit­sein­rich­tun­gen nachgerüstet.

Die Umfor­m­gruppe, bei der es zu dem schw­eren Unfall kam, beste­ht aus einem Induk­tion­sofen zum Erwär­men der Werk­stücke, einem Ober­ham­mer, in dem die Rohform hergestellt wird, einem Gesenkschmiede­ham­mer mit Dop­pelge­senk zur Fer­tig­for­mung sowie zwei Exzenterpressen.

Let­ztere dienen zur Ent­fer­nung der Schmiede­grate sowie zur weit­eren Bear­beitung der Werk­stücke, zum Beispiel zum Lochen. An dieser Umfor­m­gruppe waren zwei Beschäftigte tätig, ein­er als Ham­mer­führer und ein­er als Schmied. Let­zter­er legte die Teile in die jew­eilige Mas­chine ein und beförderte sie nach dem Ent­nehmen zur nächsten.

Kein eingespieltes Team

Am Unfall­t­ag war hier ein neues Team im Ein­satz, was bish­er noch nie zusam­mengear­beit­et hat­te und somit keine Erfahrun­gen miteinan­der und der auszuführen­den Arbeit hat­te. Da er die betr­e­f­fend­en Arbeit­sprozesse am zen­tralen Bedi­en­pult der Umfor­m­gruppe aus­löst, sind die Hand­lun­gen des Ham­mer­führers maßge­blich. Dazu muss er die entsprechen­den Infor­ma­tio­nen vom Schmied bekom­men. Bei eingear­beit­eten Teams funk­tion­iert das meist mit weni­gen Kom­man­dos oder sog­ar non­ver­bal durch Blickkontakte.

Unfall mit Schwerlastböcken

Der Unfall ereignete sich an dem großen Gesenkschmiede­ham­mer beim Bear­beit­en des drit­ten Werk­stücks in der Schicht. Der Schmied hat­te das vor­bear­beit­ete Werk­stück aus der ersten in die zweite Gesenk­form umgelegt, um den im Ober­ham­mer vorge­formten Knüp­pel in die erste Form des Dop­pelge­senks mit der Zange einzule­gen. Als Tren­n­mit­tel mussten noch Säge­späne mit der Hand über die Werk­stücke einge­bracht werden.

Hammerschlag zu früh ausgelöst

Bed­ingt durch die geringe Erfahrung miteinan­der löste der Ham­mer­führer am Bedi­en­pult den Ham­mer­schlag aus, obwohl der Schmid mit sein­er Hand noch im Gesenk war. Dabei wurde dem Schmied die rechte Hand abge­tren­nt und diese im Gesenk zer­quetscht. Im Kranken­haus kon­nte nur noch eine Ver­sorgung des Arm­s­tumpfs erfol­gen. Der verun­fallte Beschäftigte war damit nicht mehr in der Lage, die bish­erige Tätigkeit auszuführen und musste auf ein neues Arbeits­feld umgeschult werden.

Fehlende Schutzeinrichtungen

Im Rah­men der Unfal­lun­ter­suchung wurde fest­gestellt, dass die Maschi­nen nicht den Min­dest­forderun­gen des Anhangs 1 der Betrieb­ssicher­heitsverord­nung entsprachen. Auch die in der ehe­ma­li­gen Unfal­lver­hü­tungsvorschrift „Kraft­be­triebene Arbeitsmit­tel“ (VBG 5) gestell­ten Sicher­heit­san­forderun­gen waren nur zum Teil erfüllt.

Zusät­zlich wären auch die in der Beruf­sgenossen­schaftlichen Regel „Betreiben von Arbeitsmit­teln“ (BGR 500) in Kapi­tel 2.7 „Schmiede­häm­mer und Fall­w­erke“ aufge­lis­teten Sicher­heits­maß­nah­men zu beacht­en gewe­sen, ins­beson­dere die Aus­rüs­tung der Häm­mer und Pressen mit Schutzein­rich­tun­gen, die die Aus­lö­sung des Ham­mer­schlags oder des Pressen­hubs bei Ein­griff in den Arbeit­sraum ver­hin­dern oder stop­pen. Solche Sicher­heit­sein­rich­tun­gen kön­nen zum Beispiel Licht­git­ter vor dem Arbeit­sraum oder Schutzgit­ter mit Ver­riegelungs­funk­tion sein.

Organisatorische Mängel

Es trat­en aber auch gravierende organ­isatorische Män­gel in der Arbeitss­chut­zor­gan­i­sa­tion des Unternehmens zutage. So waren die Gefährdungs­beurteilun­gen nur sehr all­ge­mein gehal­ten, es gab keine aktuellen und auf die jew­eili­gen Tätigkeit­en aus­gelegten Betrieb­san­weisun­gen und auch keine tätigkeits­be­zo­ge­nen Unterweisungen.

Schnittver­let­zung im Gesicht

Ins­beson­dere waren in den Gefährdungs­beurteilun­gen die notwendi­gen Nachrüs­tun­gen der „Alt­maschi­nen“ an die Min­destanforderun­gen des Anhang 1 Betrieb­ssicher­heitsverord­nung nicht betra­chtet und somit auch keine Maß­nah­men im Unternehmen aus­gelöst wor­den. Für den Ein­streu des Tren­n­mit­tels Säge­späne sollte zudem eine Schaufel zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Hände aus dem Gefahrbere­ich herauszuhalten.

Pflicht zur Nachrüstung

In Unternehmen sind noch sehr viele Maschi­nen mit Bau­jahren vor dem 01.01.1995 mit unter­schiedlich­er Herkun­ft und damit unter­schiedlichen Sicher­heits­stan­dards im Ein­satz. Die notwendi­gen Anforderun­gen an die Min­dest­sicher­heit solch­er Maschi­nen wur­den bere­its 1997 in der Arbeitsmit­tel­be­nutzerverord­nung (AMBV) beschrieben.

Die Betreiber standen in der Pflicht, bis zum 30.06.1998 eine Über­prü­fung und gegebe­nen­falls eine notwendi­ge Anpas­sung der Min­dest­sicher­heit­san­forderun­gen gemäß dem Anhang zur AMBV durchzuführen. Seit 2002 bein­hal­tet der Anhang 1 Betr­SichV diese Min­destanforderun­gen, die im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung des Arbeitsmit­tels durch den Betreiber zu prüfen und bei Erforder­nis nachzurüsten sind.


Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicher­heitsin­ge­nieur VDSI
SIMEBU Thürin­gen GmbH
 
Foto: © Foto­stu­dio City Col­or Mun­schke, Weimar

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