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Klettermaxe vertrauen sich

Sicherheit im Schulsport
Klettermaxe vertrauen sich

Bloß nicht nach unten guck­en. Den näch­sten Griff erre­ichen, nur noch wenige Zen­time­ter. Die anderen feuern an. Jet­zt mit Kraft hochziehen und – abgerutscht. Aber nichts passiert. Die unten haben pri­ma gesichert. Klet­tern als Schul­sport stellt hohe Anforderun­gen an Sicher­heitsvorkehrun­gen, Klet­ter­wandbeschaf­fen­heit und Unter­richts- gestal­tung. Also auch an Schulleitung und Lehrer. Wie das alles unter einen Hut zu brin­gen ist, zeigt die Mit­telpunk­tschule in Trebur.

Mit­telpunk­tschule Tre­bur Her­rn Jür­gen Moock Damm­str. 8 65468 Trebur

Als ich auf die Schü­ler­gruppe zus­teuerte, war ich aufgeregt. Neugierige Blicke empfin­gen mich. Mit leicht geröteten Wan­gen, den Ruck­sack ungeduldig am Arm baumel­nd, trip­pel­ten die Schüler vor der Sporthalle hin und her, bis sie in den Umk­lei­den unter Getöse ver­schwan­den. Als ich die Halle betrat, immer noch mit flauem Gefühl in der Magenge­gend, waren die Schüler der siebten Klasse bere­its dabei, sich ihre Klet­ter­gurte überzus­treifen. Sieben Meter sollte es in die Höhe gehen, auch für mich, gesichert von zwei Schülern.
Klet­tern darf im Sportun­ter­richt nur an kün­stlichen Klet­ter­wän­den durchge­führt wer­den. Der Sicher­heit­saspekt ste­ht dabei an erster Stelle. Die Mon­tage der Klet­ter­wand darf nur durch eine sachkundi­ge Per­son erfol­gen und muss der Norm DIN EN 12 572 für kün­stliche Klet­ter­an­la­gen entsprechen. „Anforderun­gen und Auf­gaben an ein der­ar­tiges Pro­jekt sind umfassend“, spricht Fach­lehrer Jür­gen Moock aus Erfahrung. Er set­zte das Klet­ter­wand-Pro­jekt an der Haupt- und Realschule in Tre­bur in die Tat um.
Sicher­heit großgeschrieben
Jet­zt füllt das Gejohle und Gejauchze der Schüler die Sporthalle. Klick, klick, schnap­pen hier und dort die Kara­bin­er zu. Es geht beina­he hek­tisch zu. Über­all tönen die Rufe nach dem Lehrer. Moock soll am lieb­sten zeit­gle­ich bei allen Schülern über­prüfen, ob die Sicherungsknoten richtig sitzen. Denn das hat der Sport- und Erd­kun­delehrer, der auch über eine Lehrberech­ti­gung für das Klet­tern ver­fügt, seinen Schüt­zlin­gen zur Auflage gemacht: „Kein­er set­zt den Fuß in die Klet­ter­wand, ehe ich die Sicherung kon­trol­liert habe.“ Und es gibt auch keinen, der das wagt. Zu groß ist die Befürch­tung, etwas falsch zu machen und den Fre­und oder die Fre­undin in Gefahr zu brin­gen. Erst wenn Moock abnickt, dass der Knoten richtig geknüpft ist, der Kara­bin­er zugeschraubt und die Kam­er­aden­sicherung richtig einge­hängt ist, geht es los.
Vor dem Bau der Klet­ter­wand galt es die Sta­tik zu über­prüfen und das Ein­ver­ständ­nis des Schul­trägers einzu­holen. Eben­so musste die finanzielle Frage gek­lärt sein. Für die Finanzierung kam die Schule selb­st auf, unter­stützt von der Jugend­förderung der Gemeinde Tre­bur. Moock, selb­st begeis­tert­er Klet­ter­er, kämpfte sich durch einen Dschun­gel an Aufla­gen und Erlassen, um die Sicher­heit­san­forderun­gen zu erfüllen. Das Risiko, bei Abnahme der Wand durch einen Sachver­ständi­gen, z.B. TÜV oder PIMA (Pri­vates Inge­nieur­büro für Mobilen Arbeits- und Brand­schutz), in ent­täuschte Gesichter zu blick­en, wollte er keines­falls einge­hen. „Die Liste war lang. Es gab viel zu beacht­en: Verord­nun­gen über die Beschaf­fen­heit der Wand, Berück­sich­ti­gung von Prall- und Fallschutzvor­rich­tun­gen, Gewährleis­tung von Sturzraum, Wartungspläne, Vorschriften für die Mate­ri­al­nutzung und ‑ver­wen­dung, Schutz gegen unbeauf­sichtigtes Klet­tern“, zählt der Päd­a­goge einige Beispiele sein­er Vorar­beit auf – tatkräftig unter­stützt durch Schulleit­er Sven Holzhauer und Kollegen.
Hin­auf und hinab, hin­auf und hinab. Emsig erk­lim­men die Jugendlichen die Wand. Immer wieder sind sie gefordert, wenn der eine oder andere abrutscht und ins Seil saust. Die Sich­ern­den sind sich ihrer Ver­ant­wor­tung dur­chaus bewusst. Als Alexan­der Wörl, ein Schüler, der über­legt auch neben der Schule im Vere­in zu klet­tern, die Wand besteigt, beobacht­en die bei­den sich­ern­den Mäd­chen seine Bewe­gun­gen genau und ziehen immer wieder das Seil stramm. „Am Anfang war ich schon ein biss­chen ängstlich, aber das ging schnell vor­bei“, schildert Julia Bär ihre Erleb­nisse. Mitschü­lerin Cari­na Claus pflichtet ihr bei: „Dann ist es ein­fach nur toll so hoch zu klet­tern. Oben angekom­men, ist man richtig stolz.“ Dem Großteil der Schüler war der Klet­ter­sport fremd, mal abge­se­hen von ein­er Klassen­fahrt, auf der erste Erfahrun­gen im freien Gelände gesam­melt wurden.
Große Unter­stützung
In den Herb­st­fe­rien 2008 fiel der Startschuss zum Bau. Unzäh­lige Helfer stell­ten ihre Kräfte ehre­namtlich zur Ver­fü­gung. „Die Hil­fs­bere­itschaft hat mich stark beein­druckt, das war enorm“, freut sich Moock über die Ein­satzbere­itschaft. Kol­le­gen, Eltern, Schüler und die „Treww­er­er“, ein Vere­in von Handw­erk­ern begeis­terten sich für das Pro­jekt. Fach­fir­men stifteten Mate­r­i­al, und der örtliche Bauhof stellte die Arbeits­bühne zur Ver­fü­gung. Die Vielzahl der Beteiligten hat es über­haupt erst ermöglicht, dass die sieben Meter hohe und acht Meter bre­ite Wand plus zwei große Klet­terele­mente inner­halb von drei Wochen zu ein­er Erfol­gssto­ry wurde. Vier Seilschaften kön­nen gle­ichzeit­ig an der Wand ihre Klet­terkün­ste unter Beweis stellen. „Wir haben rund 800 Löch­er gebohrt, das kostete schon ganz schön Kraft, hat aber auch unglaublich viel Freude gemacht“, bringt es Moock auf den Punkt. Nur an die Sicherungssys­teme ließ er doch lieber Fach­fir­men. „Diese Absicherung war mir sehr wichtig, sicher­heit­srel­e­vante Dinge haben ober­ste Pri­or­ität. Schließlich hän­gen da am Schluss die Schüler dran“, argu­men­tiert er.
„Haaaaaalt“, don­nert es durch die Halle. „Hier muss noch jemand beim Sich­ern helfen“, ermah­nt Moock die Siebtk­lässler. „Gesichert wird ein klet­tern­der Schüler immer durch zwei sein­er Mitschüler, das beze­ich­net man auch als redun­dantes Sich­ern oder Hin­ter­sich­ern.“ Eifrig springt Alexan­der Wörl her­bei und übern­immt den Part. Er erk­lärt, dass es beim Sich­ern ganz wichtig sei, nicht auf dem Seil zu ste­hen, da das son­st sehr gefährlich wer­den könne. Und sein Lehrer unter­stre­icht: „Die richtige Ein­weisung in die Nutzung der Mate­ri­alien ist mit das Wichtig­ste für die Schüler und deren Sicherheit.“
Für die Sicherung der Klet­ter­er ist nur Bergsportaus­rüs­tung zuläs­sig, welche das CE-Zeichen mit ein­er Num­mer trägt (z.B. CE 01479). Wie die Broschüre der Unfal­lka­sse und des Deutschen Alpen­vere­in (siehe Kas­ten Seite 23) informiert, muss die Klet­ter­aus­rüs­tung vor jed­er Benutzung ein­er Sicht- und Funk­tion­sprü­fung durch die Lehrkraft unter­zo­gen wer­den. Bei den Anseil­gurten müssen die Ver­schluss-Sys­teme und tra­gen­den Nähte intakt sein, bei den Klet­ter­seilen der Man­tel, bei den Kara­bin­ern die Schnap­per, und ihr Ver­schluss muss leicht­gängig sein.
Ver­trauen aufbauen
„Durch das Klet­tern haben sich manche mein­er Fre­und­schaften verän­dert, sind bess­er gewor­den“, strahlt Schü­lerin Cari­na Claus über das ganze Gesicht. Und Julia Bär geht es ähn­lich. Sie freut sich auch über die Erfolge ihrer Fre­undin­nen: „Als meine Fre­undin, die viel Angst hat­te, weil sie klein und zier­lich ist, die Wand ganz hochk­let­terte, war ich ziem­lich stolz auf sie.“ Es sei auch egal wie man ausse­he, ob dünn oder weniger dünn, klet­tern und sich­ern könne jed­er, zieht die Zwölfjährige Bilanz. „Durch das gegen­seit­ige Sich­ern erfahren die Schüler, dass sie sich auf ihren Part­ner ver­lassen kön­nen und ler­nen gle­ichzeit­ig Ver­ant­wor­tung für andere zu übernehmen. Für die Fair­ness untere­inan­der set­zt das Klet­tern viele pos­i­tive Impulse“, ist Moock überzeugt. Seine Klet­ter­maxe bestäti­gen das. Cari­na freut sich darüber, dass sie zu eini­gen Mitschülern aus der Klasse jet­zt mehr Ver­trauen habe. „Bei manchen ist das vorher nicht da gewesen.“
Klet­tern in der Schule soll bei den Schülern Ver­trauen auf­bauen, eigen­ver­ant­wortlich­es Han­deln fördern und das Selb­st­be­wusst­sein stärken. Die Unter­richts­gestal­tung ist dabei von großer Bedeu­tung. Ver­schiedene Klet­ter­spiele ste­hen zur Auswahl, um unter­schiedliche Aspek­te zu schulen. Im motorischen Bere­ich schult der Klet­ter­sport koor­di­na­tive Fähigkeit­en, ins­beson­dere den Gle­ichgewichtssinn. Im psy­cho-physis­chen Bere­ich gelan­gen Schüler an ihre Leis­tungs­gren­zen und erlan­gen so eine bessere Selb­stein­schätzung. Im Klet­ter­sport sind psy­chis­che Stärken wie Mut, Wil­len­skraft, Selb­stver­trauen, Konzen­tra­tion und Entschlossen­heit gefragt. Auch der sozial-kom­mu­nika­tive Bere­ich kommt nicht zu kurz. Inner­halb der Seilschaften entste­ht ein direk­ter Interaktionszusammenhang.
Allmäh­lich macht sich Erschöp­fung bre­it. Verabre­dun­gen für den Nach­mit­tag sind Gesprächsstoff, als die ersten Schüler sich Rich­tung Umk­lei­den trollen. Ich hoffe, sie haben vergessen, dass ich auch die Wand hoch sollte. Denkste! Ich bin dran, Gurt an, Knoten gebun­den, von Lehrer und Schülern kon­trol­lieren lassen und Fuß in die Wand. Alexan­der und seine Mitschü­lerin passen genau auf. Allmäh­lich beruhi­gen sich meine Knie, das leichte Zit­tern verebbt, Meter um Meter klet­tere ich höher, unter Ans­porn von unten – geschafft. Ich lass mich ins Seil fall­en und die Schüler lassen mich langsam runter. Ver­trauen? Na klar!

3‑K-Kontrolle erhöht Sicherheit

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• Knoten richtig geknüpft!
• Kara­bin­er zugeschraubt!
• Kam­er­aden­sicherung richtig eingehängt!
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