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Spielen nach Norm

DIN EN 1176 sorgt für Sicherheit auf Spielplätzen
Spielen nach Norm

Tödliche Unfälle auf Spielplätzen sind lei­der trau­rige Real­ität. Im März 2010 blieb ein achtjähriges Mäd­chen in Ober­hausen mit seinem Fahrrad­helm in den Maschen ein­er Hänge­brücke hän­gen und stran­gulierte sich. Kinder müssen für die Gefahren, die auf Rutsche und Klet­terg­erüst lauern, sen­si­bil­isiert wer­den. Daneben helfen Nor­men, wie die DIN EN 1176, solche Tragö­di­en zu vermeiden.

Führt das Hän­gen­bleiben mit dem Fahrrad­helm in Öff­nun­gen an Spiel­geräten immer wieder zu schw­eren Unfällen, ist das Hän­gen­bleiben mit dem Kopf in den ver­gan­genen Jahren nicht mehr vorgekom­men, was sicher­lich auch dem gesteigerten Gefahren­be­wusst­sein geschuldet ist. Wertet man die teil­weise sehr wider­sprüch­lichen Sta­tis­tiken zu Spielplatzun­fällen aus, ergibt sich eine hohe Anzahl von Sturzun­fällen mit „Bagatellcharak­ter“. Ein Absturz aus größer­er Höhe mit tödlichem Aus­gang hat sich in jüng­ster Ver­gan­gen­heit nicht ereignet. Schwere Unfälle sind auf „tech­nis­ches Ver­sagen“ zurückzuführen.
Stran­gu­la­tio­nen mit Klei­derko­rdeln im Hals­bere­ich oder mit Schlüs­sel­bän­dern rang­ieren auf Platz eins dieser trau­ri­gen Liste. Es fol­gen Umstürze oder Zusam­men­brüche von morschen Spielplatzgeräten bzw. von nicht befes­tigten Fußball­toren. Deshalb müssen Spiel­geräte wit­terungs­beständig und dauer­haft sein. Hölz­er mit Bodenkon­takt soll­ten entwed­er resistent sein (Dauer­haftigkeit­sklasse 1 oder 2 nach DIN EN 350–2) oder chemisch geschützt wer­den (DIN 68800–3 oder 4). Beson­deres Augen­merk gilt der Kon­struk­tion: Ein­mastige Geräte führen beim Bruch ihres Standp­fos­tens unweiger­lich zur Katas­tro­phe. Höch­ste Ansprüche an deren Fes­tigkeit sowie regelmäßige Kon­trollen sind ein unbe­d­ingtes Muss.
Bei der Gestal­tung von Spielplätzen kommt der DIN EN 1176, die sich um Spiel­geräte und Boden im Fall­bere­ich küm­mert, eine tra­gende Rolle zu. Sie wurde 1998 im Zuge der „Har­mon­isierung“ von Nor­men inner­halb der EU ver­ab­schiedet, vom DIN (Deutsches Insti­tut für Nor­mung e.V.) in nationale Nor­men umge­set­zt und löste die bis dahin gültige DIN 7926 für Spielplatzgeräte ab. Let­ztere wurde für die Erar­beitung der DIN EN 1176 herange­zo­gen. Deshalb beste­hen zwis­chen der europäis­chen Norm und ihrem deutschen Vorgänger große Ähn­lichkeit­en in Sachen Inhalte und Gliederung.
Eine Beson­der­heit bei der Umset­zung der Norm in Deutsch­land ergab sich aus unter­schiedlichen juris­tis­chen Anforderun­gen an die Auf­sicht­spflicht für Kinder in der EU. Da diese Pflicht in Deutsch­land in zahlre­ichen Geset­zen geregelt ist und auch von der Recht­sprechung laufend einge­fordert wird, wurde als deutsche Abwe­ichung in der Norm fest­gelegt, dass alle Anforderun­gen der EN 1176, die sich auss­chließlich auf Kinder unter drei Jahren beziehen, nicht angewen­det wer­den müssen. Im Fol­gen­den wird nur auf die Anforderun­gen Bezug genom­men, die für Deutsch­land gültig sind.
Neue Norm bringt wenig Neues
Gravierende Neuerun­gen find­en sich durch das Ein­führen der EN 1176 nur in weni­gen Bereichen:
  • Für die Bew­er­tung der Kopf­fang­stellen bei Leit­ern, Klet­terg­erüsten und Net­zen wur­den neue Maße einge­führt. Bis 1998 galt noch der Grund­satz: Öff­nun­gen müssen entwed­er klein­er als 12 cm oder größer als 20 cm sein. Zudem gal­ten die Anforderun­gen nur für hor­i­zon­tal liegende Öff­nun­gen ohne Leit­ern, hor­i­zon­tale Net­ze wur­den nicht berück­sichtigt. 1998 wur­den die Maße für die EN 1176 erweit­ert und für deren Über­prü­fung Son­den entwick­elt. Nun galt als unzuläs­siges Maß für eine Öff­nung 11 bis 23 cm. Zudem wurde der Anwen­dungs­bere­ich auf alle Öff­nun­gen, die mehr als 60 cm über ein­er Stand­fläche liegen, aus­gedehnt. Auch Leit­ern oder Hor­i­zon­tal­net­ze wer­den nun von der Anforderung erfasst.
  • Für die Prü­fung von Hals­fang­stellen wur­den erst­mals Anforderun­gen fest­gelegt, zusät­zlich wurde ein Prüfkör­p­er entwickelt.
  • Die Prü­fung nach Fang­stellen für Klei­derko­rdeln wurde einge­führt. Nach­dem erst in Skan­di­navien und dann auch in Deutsch­land tragis­che Unfälle bekan­nt wur­den, entwick­elte der europäis­che Nor­me­nauss­chuss eine einiger­maßen repro­duzier­bare Prüfmeth­ode, um das Hän­gen­bleiben im Rutsch­enein­sitz, im Bere­ich von Rutschstan­gen oder auch bek­let­ter­baren Däch­ern zu ver­hin­dern. Wegen der Schwere der Unfälle führte diese Anforderung in der Norm auch dazu, dass schon beste­hende Spiel­geräte über­prüft und gegebe­nen­falls nachgebessert wurden.
  • Die Aus­dehnung des Sicher­heits­bere­ich­es wurde für Fall­höhen über 150 cm ver­größert. Während in der DIN 7926 der Sicher­heits­bere­ich für alle Fall­höhen gle­ich­mäßig mit min­destens 150 cm gefordert wurde, mussten nach der EN 1176 die Abmes­sun­gen nach ein­er Formel berech­net wer­den: Die Aus­dehnung des Sicher­heits­bere­ich­es beträgt Zwei­drit­tel der Fall­höhe plus 50 cm. Das ergibt bei der max. zuläs­si­gen Fall­höhe von 300 cm einen Sicher­heits­bere­ich von 250 cm. Neu ist die Aufteilung des Sicher­heits­bere­ich­es in Teil­bere­iche. So spricht die Norm jet­zt von Fall­raum, Auf­prall­fläche und Freiraum. Diese Aufteilung mit unter­schiedlichen Anforderun­gen führt in der Prax­is oft zu Schwierigkeiten.
  • Die Anforderung an die stoßdämpfend­en Eigen­schaften des Bodens wur­den neu definiert, beson­ders die Ein­führung der HIC-Meth­ode (Head Injury Cri­te­ri­on) zur Bes­tim­mung der Stoßdämp­fung führte zu ein­er Neube­w­er­tung der kün­stlichen Boden­beläge. Um die juris­tis­chen Unsicher­heit­en bezüglich der wit­terungs­be­d­ingten Verän­derun­gen von Natur­ma­te­ri­alien wie Sand, Kies oder Rasen zu ver­mei­den, wurde für Deutsch­land eine Bodentabelle einge­führt. Die soll dem Anwen­der oder Plan­er Gele­gen­heit geben, ein passendes Boden­ma­te­r­i­al zu wählen, ohne jedes Mal einen aufwendi­gen Nach­weis führen zu müssen.
Die Ein­führung der EN 1176 zeigt ein grund­sät­zlich­es Prob­lem bei der Ein­führung von europäis­chen Nor­men auf – die Urfas­sung ist Englisch. Erst nach der Fer­tig­stel­lung des Papiers wird die Norm in die jew­eili­gen Sprachen über­set­zt, wobei die Über­set­zer möglichst wort­ge­treu arbeit­en. Im Falle der EN 1176 sind viele For­mulierun­gen enthal­ten, die wenig intu­itiv erfass­bar sind: So heißt es z. B.: „Bei anderen als leicht zugänglichen Geräten“ statt „schw­er zugänglich“ oder „nicht leicht zugänglich“ zu ver­wen­den. Zudem wird in den Nor­men fast nir­gend­wo erläutert, was das jew­eilige Schutzziel ein­er Anforderung ist. So find­en sich unter­schiedliche Inter­pre­ta­tio­nen wieder, die dem ursprünglichen Gedanken der Norm nicht mehr entsprechen. Eine Erläuterung der Grund­la­gen hil­ft aber, die Anforderun­gen sit­u­a­tions­be­d­ingt richtig anzuwenden.
Die Ein­führung der Prüfkör­p­er für Kopf, Hals und Fin­ger erle­ichtert bei unregelmäßi­gen oder flex­i­blen Öff­nun­gen die Bew­er­tung, ver­leit­et aber auch dazu, nur noch dem Ergeb­nis des Prüfkör­pers zu glauben. Eine Ver­i­fizierung des Resul­tats find­et sel­ten statt. Dabei kön­nen auch Öff­nun­gen, die den Prüfkör­pertest beste­hen, Gefahren aufweisen. Eben­so kön­nen Öff­nun­gen als sich­er betra­chtet wer­den, die bei der Prü­fung mit den Prüfkör­pern durch­fall­en. Beson­ders betrof­fen hier­von ist die Sch­ablone zum Testen von Hals­fang­stellen (teil­weise umschlossene und V‑förmige Öff­nun­gen). Die Anwen­dung dieser Meth­ode führt sehr häu­fig zu diskutablen Resul­tat­en, die mit der Neu­fas­sung der EN 1176 im Jahre 2008 noch zugenom­men haben. Wenige Anwen­der sind in der Lage, die Anforderun­gen aus diesem Teil der Norm sich­er zu bewerten.
Neben Geräten wie Wasser­rutschen oder Fußball­toren zählen Ausstat­tungs­ge­gen­stände nicht zu den Spiel­geräten. Dazu gehören u. a. Bäume, Bänke und Tis­che. Auch die Ausstat­tung mit Felsen, Fin­d­lin­gen und die Gelän­de­mod­el­lierung fällt nicht unter den Gel­tungs­bere­ich der EN 1176. Natür­lich kann man viele der tech­nis­chen Ein­rich­tungs­ge­gen­stände sicher­heit­stech­nisch bew­erten, allerd­ings kön­nen die Anforderun­gen der EN 1176 nur als Analo­gie ver­wen­det werden.
Zugangs­fil­ter sind sinnvoll
Die Erken­nt­nisse aus der Unfall­forschung zeigen, dass die Sicher­heit vom Spielver­hal­ten abhängt. Ein Spielplatz muss Her­aus­forderun­gen bein­hal­ten, die einen lan­gan­hal­tenden Spiel­reiz aus­lösen. Lang­weilige Spiel­si­t­u­a­tio­nen erzeu­gen häu­fig eine vol­lkom­men uner­wartete Nutzung der Anlage, mit teils unkalkulier­baren Risiken. Zudem sollte sich die Pla­nung auf einen Alters­bere­ich konzen­tri­eren. Wegen der unter­schiedlichen Spielak­tiv­itäten von Klein‑, Vorschul- oder Schulkindern ist eine gemein­same alter­süber­greifende Nutzung nur schw­er möglich. Ein wichtiges Instru­ment in der Pla­nung von Risiken ist die Ver­wen­dung von Zugangsfiltern.
Dabei wer­den die Zugänge so aus­gewählt, dass nur jemand mit aus­re­ichen­der Gewandtheit die anspruchsvolle Spiel­si­t­u­a­tion erre­icht. Alle anderen schaf­fen den Zugang nicht oder wer­den so ver­langsamt, dass Auf­sichtsper­so­n­en in das Geschehen ein­greifen kön­nen. Diese Fil­ter kön­nen abgestuft wer­den, ange­fan­gen von der recht ein­fachen Leit­er über bewegliche Net­ze bis hin zu senkrecht­en Kletterstangen.
Früher wur­den Spielplätze in den Kom­munen häu­fig von Ver­wal­tungsmi­tar­beit­ern geplant. Mit zunehmender Spezial­isierung der Bauämter und Bauhöfe ging diese Auf­gabe an spezial­isierte Land­schaft­sar­chitek­ten über. Teil­weise übernehmen auch Her­steller die Detailpla­nung für eine Kom­mune, wenn im Vor­feld ein Grobkonzept erstellt wurde. Lediglich große Kom­munen beschäfti­gen eigene Pla­nungs­fach­leute. Fest ste­ht, dass nur beim Ein­satz von Spezial­is­ten eine vernün­ftige, span­nende, anspruchsvolle und her­aus­fordernde Spielplatzgestal­tung erre­icht wer­den kann. Die Erfahrung der ver­gan­genen zwölf Jahre zeigt, dass die Betreiber von Spielplätzen großen Wert auf die Ein­hal­tung der Nor­men leg­en. Das Bewusst­sein ist v. a. bei den kom­mu­nalen Ein­rich­tun­gen, den Schulen und den Kindergärten aus­geprägt. Einen Nach­holbe­darf haben hinge­gen pri­vate Betreiber. Ihnen fehlt zum Teil das Wis­sen über notwendi­ge Maß­nah­men, um Spielplätze sich­er betreiben zu kön­nen. Auf die Schu­lung von Haus­meis­tern zur Sachkunde vor Ort wird oft verzichtet. Wegen des fehlen­den Spezial­wis­sens wer­den dann Gefahren­quellen nicht erkan­nt, obwohl Abhil­fe in vie­len Fällen ein­fach zu bew­erk­stel­li­gen wäre.
Der Geset­zge­ber lässt es dem Betreiber offen, wie er die Verkehrssicher­heit auf seinem Gelände sich­er stellt. Ein geset­zlich­er Zwang, eine Prü­fung durch einen Drit­ten vornehmen zu lassen, beste­ht nicht. Jedoch ist die Abnahme ein­er Spielein­rich­tung mit vie­len Vorteilen ver­bun­den: Sowohl Betreiber als auch Plan­er und Erbauer kön­nen bei der Über­gabe sich­er sein, ihre Pflicht erledigt zu haben. Bei Mei­n­ungsver­schieden­heit­en zwis­chen den han­del­nden Parteien kann so eine Hand­lungsempfehlung aus­ge­sprochen wer­den, die Rechtssicher­heit erzeugt. Beson­ders im Falle eines Unfall­es kann durch die „TÜV-Abnahme“ der Vor­wurf der groben Fahrläs­sigkeit sehr schnell entkräftet werden.
TÜV SÜD Prod­uct Ser­vice GmbH

Ergänzende Normen
DIN 18034: kommt bei der Pla­nung des Gelän­des und der Ein­friedung zum Schutz vor Gefahren­quellen zum Zug
Beim Ein­satz von Sport­geräten sind fol­gende Nor­men von Bedeutung:
EN 14974: Skateanlagen
EN 748: Fußballtore
EN 749: Handballtore
EN 15312: Multisportanlagen
EN 1270: Basketball
EN 14960: Auf­blas­bare Spielgeräte
EN 1069: Wasser­rutschen ab 2 m
Für Spielplätze in Kindergärten und Schulen stellen die Unfal­lka­ssen weit­ere Regel­w­erke auf, die teils als verbindliche Regel (SR), teils als empfehlende Infor­ma­tion (SI) Anwen­dung finden:
GUV-SR S2: Kindertageseinrichtungen
GUV-SR 2002: Kindergärten – Bau und Ausrüstung
GUV-SI 8014: Natur­na­he Spiel­räume GUV-SI 8082: Seil­gärten in Kitas und Schulen
GUV-SI 8465: Eine Boul­der­wand für unsere Schule
GUV-SI 8013: Klet­tern in der Schule
Für einige Spiel­bere­iche, wie die Dirt-Bike-Anla­gen, existieren keine Sicher­heit­sregeln. In diesen Fällen soll­ten Risikobe­w­er­tun­gen erstellt werden.
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