Im neuen Jahr starten wir mit einer neuen Serie zum Thema „Sicherheit zu Hause, in Sport und Freizeit“. Die Rubrik informiert darüber, welche Gefahren in der Gartenarbeit und beim Renovieren lauern oder welche Unfälle für den Fußball und Wintersport typisch sind. Für Kinder steckt das traute Heim voller heimtückischer und mitunter tödlicher Fallen, die entschärft werden sollten.
Nadine Röser
Stress am Morgen, wer kennt das nicht. Das Kind ist angezogen, gewaschen, die Kindergartentasche ist gepackt. Zeit, sich der eigenen Pflege zu widmen. Doch das Bad ist besetzt, also werden die Butterbrote geschmiert und schnell noch ein Kaffee überbrüht. Da klingelt das Telefon, die erste Besprechung auf der Arbeit ist gekänzelt, zu viele Kollegen sind krank. Plötzlich ein markdurchdringender Schrei aus der Küche. Auf dem Boden sitzt das eineinhalbjährige Kind, sein Gesicht ist abgewandt. Vor ihm liegen in Kaffee getränke Scherben. Jetzt dreht sich die Kleine um, ihre Augen sind mit nassem Kaffeepulver bedeckt, die Wangen erröten sich zusehends. Der Vater packt das Mädchen, stellt es in die Dusche und lässt kaltes Wasser laufen. Aufatmen, die Verbrühung scheint nicht so schlimm zu sein. Dann die Entwarnung im Krankenhaus, das Augenlicht hat keinen Schaden genommen, die Verbrennungen sind ersten Grades.
Vergiftungen und Verätzungen
Diese Momente des Schreckens kennen leider viele Eltern. Verbrennungen und Verbrühungen sind bei Kleinkindern unter fünf Jahren die zweithäufigste Unfallursache (siehe Interview „Paulinchen war allein zu Haus…“). Doch die eigenen vier Wände bergen weitaus mehr Gefahren. Mit der zunehmenden Beweglichkeit des Kindes steigt beispielsweise auch das Risiko, dass es mit giftigen oder ätzenden Substanzen in Berührung kommt. Spätestens mit den ersten Bewegungsversuchen müssen Reinigungs- und Pflegemittel, Medikamente sowie Alkohol und Zigaretten möglichst kindersicher verstaut werden. Außerdem sollten:
- giftige Zimmerpflanzen an höher gelegenen Orten stehen,
- Reinigungsmittel und andere ätzende Substanzen wegen der Verwechslungsgefahr nie in Getränke- oder Essbehälter gefüllt werden,
- Medikamente wegen des Nachahmungseffekts nie in Anwesenheit von Kindern eingenommen werden.
Ersticken
Kinder sind neugierig und kommen auf die seltsamsten Ideen, die für Erwachsene nur schwer nachvollziehbar sind. Plastiktüten sind zum Beispiel begehrte Objekte. Sie eignen sich nicht nur zum Verstauen der persönlichen Dinge wie Bauklötze, Puzzleteile oder Bilderbücher, sondern werden auch über den Kopf gezogen. Dabei können sich die Beutel aber leicht vor Mund und Nase legen und festsaugen. Dann ist die Erstickungsgefahr groß. Weitere Gefahrenquellen sind:
- Kordeln an Anoraks, Kapuzen oder Pullis; beim Spielen auf dem Spielplatz können sich die Bänder in den Geräten verfangen und für Kinder zu Galgenstricken werden,
- kleinteiliges Spielzeug, das in den Mund gesteckt und verschluckt wird,
- Truhen, Wandschränke oder Kühlschränke, in denen sich Kinder gerne verstecken,
- Federbetten und dicke Kissen, in die Säuglinge einsinken, von denen sie sich aber nicht selbständig befreien können,
- große Essensstücke, die von den Kindern hastig und unzerkleinert hinuntergeschluckt werden; als besonders gefährlich gelten Erdnüsse.
Ertrinken
Planschen ist bei Jungs und Mädchen sehr beliebt. Doch auch hierbei sollte Vorsicht die Mutter der Weisheit sein. Auch wenn das Kind nur „beinahe“ ertrinkt, kann es infolge des Sauerstoffmangels bleibende Behinderungen davon tragen. Kinder haben einen anderen Körperschwerpunkt als Erwachsene und ertrinken daher leichter. Geraten Babys mit dem Kopf unter Wasser verlieren sie die Orientierung und können sich aus eigener Kraft nicht retten. Bis zum Alter von 15 Monaten kann ein Kleinkind in Wassertiefen von zehn Zentimetern ertrinken, wenn es mit dem Gesicht hineinfällt. Folgende Sicherheitsvorkehrungen sind deshalb zu treffen:
- Kleinkinder nie unbeobachtet in der Badewanne lassen,
- Gartenteiche und Schwimmbecken am besten mit einem festen Zaun und einem verschließbaren Zugang sichern,
- Regentonnen mit festen Deckeln versehen,
- Zugänge zu Nachbargrundstücken sichern,
- Planschbecken nur mit wenig Wasser füllen.
Stromunfälle
„Gabel, Messer, Schere, Licht – sind für kleine Kinder nicht“, schrieb der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts in dem bekannten Kinderbuch „Struwelpeter“. In Zeiten der Elektrifizierung ließe sich noch der Strom als Tabu hinzufügen. Stromunfälle sind vermeidbar, wenn Sie gewisse Regeln einhalten:
- Verwenden Sie nur technisch einwandfreie Elektrogeräte und Stromkabel,
- Achten Sie beim Kauf von Elektrogeräten auf Qualitätssiegel wie das Prüfzeichen „Geprüfte Sicherheit“, (GS)
- Elektrokabel sollten möglichst fest verlegt oder durch Möbel versteckt sein,
- Versehen Sie Steckdosen, auch Mehrfachsteckdosen, mit Kindersicherungen,
- Ziehen Sie nach Gebrauch des Elektrogerätes immer sofort den Netzstecker und räumen Sie das Gerät weg.
Fallen und Stürzen
Stolperfallen gibt es in Haus und Wohnung zuhauf und Stürze können mitunter sehr folgenreich sein. Deshalb ist es ratsam, für ausreichend Licht und Ordnung zu sorgen. Durchgangsbereiche wie Flure dürfen nicht zur Lagerhaltung genutzt werden und Elektrokabel sollten nicht quer im Raum liegen. Außerdem gilt:
- Krabbelkinder von steilen und hohen Treppen fernhalten – gegebenenfalls durch Anbringung eines Schutzgitters,
- Kleinkinder schrittweise an das Treppensteigen heranführen,
- auf lose Teppichläufer verzichten; bei Holz‑, Stein- oder Metalltreppen sind verklebte Rutschhemmer sinnvoll,
- bei Böden auf das Bohnern verzichten,
- verschüttete Flüssigkeiten wegen der Rutschgefahr sofort aufwischen,
- im „Lauflern-Alter“ der Kinder scharfkantige Möbel an den Ecken abpolstern,
- rutschfeste Hausschuhe für Kinder,
- Teppiche mit einer rutschhemmenden Unterlage versehen.
Auf ihren Entdeckungstouren nutzen Krabbelkinder herausgezogene Schubladen, Regalbretter und Tischdecken als Steighilfen. Deshalb tun Eltern gut daran, wenn sie:
- auf Tischendecken verzichten bzw. diese mit Klammern befestigen,
- Schubladen mit Sicherungshaken gegen das Herausziehen sichern,
- Regale an der Wand befestigen.
Paulinchen war allein zu Haus…
Verbrennungen und Verbrühungen bei Kindern
Die Initiative Paulinchen e.V. unterstützt Eltern von brandverletzten Kindern und beantwortet Fragen zu thermischen Verletzungen. SB-Redakteurin Nadine Röser sprach mit der Vereinsvorsitzenden Adelheid Gottwald über Gefahrenquellen und Präventionsmaßnahmen.
Wie viele Kinder erleiden jährlich Verbrennungen, die stationär behandelt werden müssen?
Gottwald: Jährlich verbrennen oder verbrühen sich allein in Deutschland ungefähr 6000 Kinder so schwer, dass sie stationär behandelt werden müssen.
In welchem Alter sind Kinder besonders gefährdet?
Gottwald: Bei Kleinkindern unter fünf Jahren sind Verbrennungen und Verbrühungen die zweithäufigste Unfallursache. 80 Prozent dieser Unfälle geschehen in Küche und Bad.
Was sind die typischen Gefahrenquellen im Haus?
Gottwald: Kinder verbrühen sich durch heiße Flüssigkeiten. Besonders gefährlich sind daher herabhängende Kabel von Wasserkochern oder Töpfe beziehungsweise Tassen mit heißen Flüssigkeiten, die zu nahe am Tischrand stehen. Heißes Wasser, dass aus Wasserhähnen fließt , stellt ebenfalls eine große Gefahr dar. Lampen, die mit Tüchern abgehängt werden, Kerzen, Heizdecken, offenes Feuer in Kaminen – all das sind Gefahren für einen Hausbrand. Ungesicherte Steckdosen können Stromunfälle verursachen, wenn Kinder mit Gegenständen darin herum stochern.
Wie können Verbrennungen von Kindern vermieden werden?
Gottwald: Wenn man Kinder hat, sollte man unbedingt das Haus, beziehungsweise die Wohnung mit Rauchmeldern ausstatten. Im Ernstfall bleibt so mehr Zeit für die Rettung. Die örtliche Feuerwehr gibt Tipps, wie und wo man Rauchmelder anbringt. Außerdem sollte man die Sicherheitsmaßnahmen dem Alter des Kindes anpassen. Also immer mal wieder durch die Wohnung gehen und prüfen, was das Kind durch seine Größe und sein Alter schon erreichen kann. Sobald das Kind mit dem Krabbeln beginnt, sollten Steckdosensicherungen installiert werden. Richtet sich das Kind auf, ist ein Herdschutzgitter ratsam.
Gibt es Angaben über die psychischen Leiden, an denen Kinder aufgrund gravierender Hautverbrennungen erkranken?
Gottwald: Ein Verbrennungs- oder Verbrühungsunfall traumatisiert nicht nur das verletzte Kind sondern die ganze Familie. In den Wochen und Monaten nach dem Unfall können bei den Kindern Schlafstörungen, Rückfall in Kleinkindphasen, Ängste oder Alpträume auftreten. Manchmal kommt es infolge des traumatischen Erlebens zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Wie sieht Ihre Präventionsarbeit aus?
Gottwald: Paulinchen-Initiative für brandverletzte Kinder e.V. warnt seit 1997 mit verschiedenen Kampagnen. Die Aktion Paulinchen Broschüre „So schützen Sie Ihr Kind vor Verbrennungen und Verbrühungen“ gibt wertvolle Tipps und kann kostenlos bestellt werden. Mit den Präventions-Kampagnen „Sicher grillen ohne Spiritus“, „Brennende Neugier“ und „Vorsicht mit heißen Flüssigkeiten“ warnt Paulinchen e.V. eindruckvoll vor unterschiedlichen Gefahren durch Feuer und heiße Flüssigkeiten. Das Material wird von Feuerwehren zur Brandschutzerziehung oder von vielen anderen Organisationen, Institutionen zur Prävention eingesetzt und kann von jedermann zum präventiven Einsatz im persönlichen Umfeld bestellt werden.
Weitere Infos unter www.paulinchen.de Kontakt über info@paulinchen.de Tel.: 040/529 50 666 oder die kostenlose Paulinchen-Hotline 0800 0 112 123
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