Im Jahr 2008 wurden den Unfallversicherungsträgern insgesamt 176.608 Wegeunfälle gemeldet. Dies ist ein Anstieg von 5,71 v.H. gegenüber dem Jahr 2007. Das Unfallrisiko je 1.000 Versicherungsverhältnisse hat sich damit 2008 mit 4,23 gegenüber 4,05 im Jahr 2007 leicht erhöht. Bei der Zahl der tödlichen Wegeunfälle ist allerdings ein Rückgang um 45 Fälle auf 458 zu verzeichnen. Der Gesetzgeber hat bereits im Jahr 1925 den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Wegeunfälle ausgedehnt und daran – trotz vieler Diskussionen gerade zu diesem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung – bis heute festgehalten.
Wegeunfälle sind Unfälle, die sich auf dem Weg zum oder von dem Ort der Tätigkeit ereignen. Gesetzlich geregelt ist dies in § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII. Versichert ist grundsätzlich nur der direkte Weg. Ein Umweg ist dann versichert, wenn er beispielsweise wegen besserer Straßenverhältnisse, der günstigeren Verkehrsführung oder aufgrund der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln angemessen ist. Die Wahl des Verkehrsmittels steht den Versicherten frei, man kann den Weg zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Rad, aber auch mit dem Motorrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen.
Wo beginnt und wo endet der Weg?
Der versicherte Weg beginnt mit dem Verlassen des häuslichen Wirkungskreises, d.h. mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes. Ein Unfall im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses ist somit nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Wird noch ein Stück des Weges auf dem Grundstück zurückgelegt, z.B. der Weg durch den Vorgarten, besteht für diesen Teil des Weges schon Versicherungsschutz. Wird noch die Garage aufgesucht, muss differenziert werden. Der Aufenthalt in der Garage selbst ist nicht versichert. Der Weg zur Garage ist nur dann versichert, wenn die Garage nicht über das Wohngebäude erreicht werden kann. Ist dies jedoch möglich – Verbindung zwischen Wohnhaus und Garage – besteht für den Weg zur Garage kein Versicherungsschutz. Der Weg endet mit dem Betreten des Betriebsgeländes, d.h. mit dem Durchschreiten des Betriebstors. Unfälle, die sich danach ereignen, sind bereits Arbeitsunfälle.
Abkommen vom direkten Weg
Bei Abweichungen vom direkten Weg aus privaten Interessen ist man grundsätzlich nicht versichert. Ausnahmen bestehen jedoch z.B. bei Fahrgemeinschaften (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 b SGB VII) oder auch bei Wegen zur Unterbringung von Kindern (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII).
Wenn mehrere Berufstätige gemeinsam ein Fahrzeug nutzen, um zur Arbeit hin oder nach Hause zu gelangen, spricht man von einer Fahrgemeinschaft. Die aufgrund der Fahrgemeinschaft entstehenden Umwege, z.B. durch das Abholen oder Bringen eines Mitfahrers, sind in den Unfallversicherungsschutz eingeschlossen. Nicht erforderlich ist, dass alle Mitfahrer im selben Betrieb arbeiten. Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für denjenigen, der an seinem freien Tag seine Mitfahrer zur Arbeit bringt oder abholt. Für die anderen ist der Versicherungsschutz gleichwohl gegeben.
Auch der Umweg über den Kindergarten, die Schule oder zu Pflegeeltern usw. ist vom Versicherungsschutz erfasst. Allerdings muss der Grund für die Unterbringung der Kinder in fremder Obhut auch in der Berufstätigkeit der Eltern liegen und die Wege müssen mit dem Weg zur Arbeit verbunden sein.
Was gilt bei Wegeunterbrechungen?
Erledigt der Versicherte auf dem Weg private Handlungen wie Einkäufe, Behördengänge oder Besuche, so besteht hierbei grundsätzlich kein Versicherungsschutz, es sei denn, die Unterbrechung ist geringfügig. Zu solchen geringfügigen Unterbrechungen zählen z.B. der Kauf einer Zeitung am Kiosk, ohne den öffentlichen Verkehrsraum zu verlassen. Wird jedoch ein Laden betreten, besteht kein Versicherungsschutz mehr. Wird der Weg wieder aufgenommen bzw. wie im Beispiel der Laden verlassen, lebt der Versicherungsschutz mit dem Erreichen des öffentlichen Verkehrsraumes wieder auf. Wird der Rückweg mehr als zwei Stunden unterbrochen, ist der restliche Weg nicht mehr versichert. Wird der Hinweg mehr als 2 Stunden unterbrochen, besteht Versicherungsschutz ab Ende der Unterbrechung.
Der Weg von und zum dritten Ort?
Das Gesetz bestimmt nicht, dass der Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit von der Familienwohnung aus angetreten werden muss oder dorthin zurückzuführen hat. Es ist auch denkbar, dass der Weg zur oder von der Arbeit von einem anderen Ausgangspunkt angetreten oder beendet wird als der eigenen Wohnung, z.B. von einem dritten Ort (Wohnung der Freundin/ des Freundes). Die Wege zum oder vom dritten Ort stehen dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen unmittelbaren Weg stehen und der Aufenthalt am dritten Ort mindestens zwei Stunden gedauert hat.
Beispiel für Wegeunfälle: „Nachtschicht“
A beendete gegen sechs Uhr seine Nachtschicht. Anschließend fuhr er in seine Wohnung. Er hielt sich dort zum Duschen und Frühstücken auf und fuhr anschließend weiter in Richtung der Wohnung seines Bruders, um dort zu schlafen, weil dies wegen der während der Tageszeit erfolgenden Bauarbeiten in seiner Wohnung nicht möglich war. Auf diesem Weg erlitt A gegen sieben Uhr einen Verkehrsunfall, an dessen Folgen er kurze Zeit später verstarb.
Versicherungsschutz besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit zu erreichen oder nach deren Beendigung zu verlassen. Die unfallbringende Fahrt des A stand nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Er befand sich auf dem Weg zwischen seiner Wohnung und der seines Bruders. Den Heimweg hatte er nicht lediglich unterbrochen, sondern mit Erreichen seiner Wohnung bereits beendet. Die Ankunft des A in seiner Wohnung beendete den mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg vom Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII, weil er vollständig in den Privatbereich zurückgekehrt war. Die Fahrt des W. von seiner Wohnung zu der seines Bruders konnte keinen (erneuten) Versicherungsschutz aufgrund der Rechtsprechung zum so genannten dritten Ort begründen. Dem dritten Ort als Ausgangs- oder Endpunkt des Weges von oder zur Arbeitsstätte ist begriffsnotwendig immanent, dass er anstelle der Wohnung des Versicherten und nicht – wie hier – zusätzlich aufgesucht wird (BSG Urteil vom 14.05.2009, B 2 U 11/08 R).
Beispiel „Dresden“
Am Unfalltag war A beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden in einem Rechtsstreit auf 14.00 Uhr als Zeuge geladen. Er war dort bis ca. 16 Uhr anwesend. Nach Abschluss des Gerichtstermins besuchte er den Dresdner Strietzelmarkt. Um 0.27 Uhr verunglückte A schwer.
Der Unfall, den A auf dem Weg von Dresden zu seinem Wohnort erlitten hat, ist kein versicherter Wegeunfall. Der A befand sich zwar zum Unfallzeitpunkt auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Gerichtsort Dresden und seiner Wohnung. Die versicherte Tätigkeit hatte er aber unterbrochen, um den Dresdner Strietzelmarkt zu besuchen. Dies war eine unversicherte Tätigkeit. Wird der Weg vom Ort der Tätigkeit durch unversicherte Tätigkeiten unterbrochen, endet der Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Heimreise wäre daher nur dann versichert gewesen, wenn er sie binnen zwei Stunden nach dem Ende seiner versicherten Tätigkeit, also bis 18.00 Uhr angetreten hätte. Dies konnte nicht festgestellt werden. Für Wege vom Ort der Tätigkeit ist vom BSG im Interesse einer gleichmäßigen und rechtssicheren Handhabung eine zeitliche Grenze von zwei Stunden festgelegt worden, bis zu der der Antritt oder die Fortsetzung des Weges (wieder) eine versicherte Tätigkeit ist. Wird die genannte Zeitgrenze dagegen überschritten, ist die versicherte Tätigkeit grundsätzlich endgültig beendet (BSG Urteil vom 27.10.2009, B 2 U 23/08 R).
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