1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Fachbeiträge » Archiv SI »

Abgrenzung der EG-Maschinenrichtlinie zur EG-Niederspannungsrichtlinie

Ausschlussverfahren erleichtert Vorgehenweise
Abgrenzung der EG-Maschinenrichtlinie zur EG-Niederspannungsrichtlinie

Das „ewig junge“ und stets kon­tro­vers disku­tierte The­ma der Zuge­hörigkeit von Maschi­nen zu den unter­schiedlichen europäis­chen EG-Richtlin­ien ist für die am Bin­nen­markt beteiligten Per­so­n­en ein­fach­er gewor­den. Der fol­gende Beitrag beschreibt die jet­zige Situation.

Die bish­erige Sit­u­a­tion, dass Über­schnei­dun­gen von EG-Richtlin­ien ins­beson­dere die Her­steller von elek­trischen Maschi­nen regelmäßig vor Schwierigkeit­en stell­ten, wurde mit der Veröf­fentlichung der EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42/EG entspan­nter. Die drin­gend notwendi­ge Abgren­zung zur EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie 2006/95/EG hat einige Unsicher­heit­en beseit­igt und gehört dem­nach zu den pos­i­tiv­en Neuerungen.
Neue Abgren­zungskri­te­rien
Musste die Zuord­nung zur jew­eili­gen EG-Richtlin­ie bish­er gefährdungs­be­zo­gen getrof­fen wer­den, geschieht dies nun durch Auss­chluss bes­timmter Pro­duk­t­gat­tun­gen elek­trisch­er Maschi­nen im Artikel 1 Absatz 2 der EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42/EG. Fol­gende elek­trische und elek­tro­n­is­che Erzeug­nisse fall­en nun inner­halb bes­timmter Span­nungs­gren­zen auss­chließlich unter den Anwen­dungs­bere­ich der EG-Nieder-spannungsrichtlinie:
  • für den häus­lichen Gebrauch bes­timmte Haushaltsgeräte
  • Audio- und Videogeräte
  • infor­ma­tion­stech­nis­che Geräte
  • gewöhn­liche Büromaschinen
  • Nieder­span­nungss­chalt­geräte und ‑steuerg­eräte (vgl. Abb. 2)
  • Elek­tro­mo­toren (vgl. Abb. 1)
Diese Liste wird erweit­ert durch nach­ste­hende Hochspannungsprodukte:
  • Schalt- und Steuergeräte
  • Trans­for­ma­toren
Erzeug­nisse der Mess‑, Steuer- und Regel­tech­nik (MSR-Geräte), die inner­halb der Span­nungs­gren­zen der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie betrieben wer­den, sind generell von der EG-Maschi­nen­richtlin­ie ausgenom­men. MSR-Geräte, die unter­halb dieser Span­nungs­gren­zen (DC: 75 – 1.500 V; AC: 50 – 1.000 V) arbeit­en oder als so genan­nte Ex-Geräte von der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie aus­geschlossen sind, erfüllen jedoch auch nicht die Maschi­nen­de­f­i­n­i­tion nach Artikel 2a) der EG-Maschi­nen­richtlin­ie und sind deshalb von ihr ausgenommen.
Sind MSR-Geräte als Sicher­heits­bauteile nach Artikel 2c) der EG-Maschi­nen­richtlin­ie vom Her­steller zum Schutz vor Gefahren durch eine Mas­chine vorge­se­hen, müssen sie die entsprechen­den Anforderun­gen aus dieser EG-Richtlin­ie ein­hal­ten. Das Gle­iche gilt für Hochspan­nungs­gen­er­a­toren sowie Haushalts­geräte, welche der Def­i­n­i­tion des Artikels 2a) der EG-Maschi­nen­richtlin­ie entsprechen und für den gewerblichen Ein­satz bes­timmt sind. Bei Haushalts­geräten, die sowohl als Arbeitsmit­tel (gewerblich) wie auch als Ver­braucher­pro­dukt (pri­vat) einge­set­zt wer­den kön­nen (soge­nan­nte Migra­tionspro­duk­te), entschei­det der Her­steller über die bes­tim­mungs­gemäße Ver­wen­dung inner­halb der Betrieb­san­leitung des Pro­duk­tes (vgl. Abb. 6 „Voraus­set­zun­gen für das Inverkehrbringen“).
Klarheit bei der Abgren­zung durch neuen Leit­faden zur 2006/42/EG
Im Leit­faden der Europäis­chen Kom­mis­sion zur EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42/EG (Guide to appli­ca­tion of Direc­tive 2006/42/EG – 1st Edi­tion, Decem­ber 2009) sind in den Para­grafen 63 bis 70 diverse Erk­lärun­gen zu den von der EG-Maschi­nen­richtlin­ie ausgenomme­nen Pro­duk­t­grup­pen gegeben. Der Leit­faden schafft dabei den Bezug zu den elek­trischen Pro­duk­ten, die in der Nor­men­rei­he DIN EN 60335 „Sicher­heit elek­trisch­er Geräte für den Haus­ge­brauch und ähn­liche Zwecke“ behan­delt werden.
Im § 64 des o.g. Leit­fadens zur EG-Maschi­nen­richtlin­ie wird die Pro­duk­t­gruppe „Haushalts­geräte“ definiert. Zu diesen häu­fig auch als „weiße Ware“ beze­ich­neten Erzeug­nis­sen gehören u.a.:
  • Geschirrspül­maschi­nen
  • Kaf­feeau­to­mat­en, Wasserkocher
  • elek­trische Küchen­mess­er und Dosenöffner
  • elek­trische (Back-)öfen
  • Toast­er und Mikrowellengeräte
  • Waschmaschi­nen, Trock­n­er (vgl. Abb. 3)
  • Kühlschränke und ‑truhen
  • Staub­sauger
  • Haartrock­n­er
Zu den Haushalts­geräten zählen jedoch keine Pro­duk­te, die z.B. zur Gartenpflege oder für Kon­struk­tions- bzw. Reparatur-arbeit­en benötigt wer­den wie:
  • elek­tr. Gartengeräte (Rasen­mäher, Heck­en­scheren, Häcksler)
  • Elek­trow­erkzeuge (Bohrmaschi­nen, (Ketten-)Sägen, Hobel, Fräs- und Schleifmaschinen)
Diese wer­den wie gewerblich genutzte Haushalts­geräte der EG-Maschi­nen­richtlin­ie zuge­ord­net. Die jew­eilige Zuord­nung soll und kann in erster Lin­ie jedoch immer nur der Her­steller vornehmen. Er muss im Rah­men des Pro­duk­tentste­hung­sprozess­es fes­tle­gen, für welche Ziel­gruppe bzw. bes­tim­mungs­gemäße Ver­wen­dung er sein Pro­dukt konzip­iert. Die nationalen Mark­tauf­sichts­be­hör­den sind gemäß Artikel 4 der EG-Maschi­nen­richtlin­ie zur Kon­trolle der Fes­tle­gun­gen berechtigt.
Dies gilt eben­so für die Pro­duk­t­gruppe der Büro­maschi­nen. Auch hier fällt im Zuge der Fes­tle­gung der bes­tim­mungs­gemäßen Ver­wen­dung die Entschei­dung, ob es sich bei einem Erzeug­nis noch um eine „ge-wöhn­liche“ Büro­mas­chine han­delt bzw. ab wann eine „ungewöhn­liche“ weil gewerblich genutzte oder leis­tungs­fähige Büro­mas­chine in Verkehr gebracht wird. Unter „gewöhn­lichen“ Büro­maschi­nen meint der § 67 der Leitlin­ie zur EG-Maschi­nen­richtlin­ie u.a.:
  • Kopier­er und Drucker
  • Per­son­al Computer
  • Akten­ver­nichter
  • Zeiche­nau­to­mat­en
  • Faxgeräte
  • kleine Bindegeräte
Elek­trisch betriebene Büromö­bel wiederum wer­den nicht der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie son­dern der EG-Maschi­nen­richtlin­ie zuge­ord­net. Auch hier unter­liegt die Zuord­nung möglicher­weise der Prü­fung durch die nationalen Marktaufsichtsbehörden.
Inner­halb des § 69 des Leit­fadens zur EG-Maschi­nen­richtlin­ie wird die richtlin­ien-spez­i­fis­che Zuord­nung von Elek­tro­mo­toren erläutert. Wie bei den MSR-Geräten fall­en Elek­tro­mo­toren dann in den Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie, wenn sie in den besagten Span­nungs­gren­zen für Gle­ich- und Wech­sel­strom betrieben wer­den. Außer­halb dieser Span­nungs­gren­zen sowie bei der Ver­wen­dung inner­halb ein­er explo­sion­s­ge­fährde­ten Atmo­sphäre erfol­gt wiederum die Zuweisung zum Anwen­dungs­bere­ich der EG-Maschi­nen­richtlin­ie bzw. der EG-Richtlin­ie 1994/9/EG (so genan­nte ATEX-95 bzw. ATEX-Produkt-Richtlinie).
Par­al­lele Anwen­dung der EG-Richtlinien
Ziel der Ver­hand­lun­gen zur EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42/EG war, die par­al­lele Anwen­dung aller Anforderun­gen der EG-Maschi­nen­richtlin­ie und der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie möglichst auszu-schließen. Dazu wur­den neue Abgren­zungs- bzw. Zuord­nungskri­te­rien für elek­trische Pro­duk­te fest­gelegt. Trotz­dem wollte man elek­trische Gefahren von Maschi­nen, die unter die EG-Maschi­nen­richtlin­ie fall­en, auch weit­er­hin vor dem Hin­ter­grund der Schutzziele der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie betra­cht­en. Hierzu regelt der Anhang I Nr. 1.5.1 der EG-Maschi­nen-richtlin­ie 2006/42/EG:
„1.5.1. Elek­trische Energieversorgung
Eine mit elek­trisch­er Energie ver­sorgte Mas­chine muss so kon­stru­iert, gebaut und aus­gerüstet sein, dass alle von Elek­triz­ität aus­ge­hen­den Gefährdun­gen ver­mieden wer­den oder ver­mieden wer­den kön­nen. Die Schutzziele der Richtlin­ie 73/23/EG (Neu: 2006/95/EG) gel­ten für Maschi­nen. In Bezug auf die Gefährdun­gen, die von elek­trischem Strom aus­ge­hen, wer­den die Verpflich­tun­gen betr­e­f­fend die Kon­for­mitäts-bew­er­tung und das Inverkehrbrin­gen und/oder die Inbe­trieb­nahme von Maschi­nen jedoch auss­chließlich durch die vor­liegende Richtlin­ie geregelt.“
Die sicher­heit­stech­nis­chen Anforderun­gen hin­sichtlich der von der elek­trischen Ausstat­tung der Mas­chine aus­ge­hen­den Gefährdun­gen sind somit mit Hil­fe der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie zu entwick­eln. Alle weit­eren Maß­nah­men definieren sich im Zuge des Kon­for­mitäts­be­w­er­tungsver­fahrens über die EG-Maschinenrichtlinie.
Schlussfol­gerun­gen
Die im Zuge der neuen EG-Maschi­nen-richtlin­ie 2006/42/EG vorgenomme­nen Abgren­zun­gen, ins­beson­dere diejeni­gen zur EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie, wer­den sich bewähren müssen. Ins­ge­samt aber soll­ten die vorgenomme­nen Änderun­gen den Her­stellern elek­trisch­er Geräte einen verbesserten Ansatz zur Durch­führung des Kon­for­mitäts­be­w­er­tungsver­fahrens liefern. Die bish­erige, rein phänomen­be­zo­gene Ver­fahrensweise nach Art. 1 Abs. 5 der alten EG-Maschi­nen­richtlin­ie 98/37/EG ist Geschichte. Jedoch kann bei der Bew­er­tung der pri­vat­en oder gewerblichen Benutzung elek­trisch­er Erzeug­nisse eben diese sub­jek­tive Fes­tle­gung auch weit­er­hin nicht gän­zlich unterbleiben. Viele Übergänge, z.B. bei Haushalts­geräten und Büro­maschi­nen sind fließend und erfordern ein pro­duk­t­be­zo­genes und kun­de­nori­en­tiertes Han­deln. Die Entschei­dung, welche europäis­che Richtlin­ie auf der EG-Kon­for­mität­serk­lärung des elek­trischen Pro­duk­tes erscheint, muss im Pro­duk­tentste­hung­sprozeß getrof­fen wer­den. Kommt es zur Anwen­dung der EG-Maschi­nen­richtlin­ie 2006/42/EG, so ist die Nen­nung der EG-Nieder­span­nungsrichtlin­ie nicht erforder­lich. Elek­trische Pro­duk­te, welche sich jedoch der EG-Richtlin­ie 2006/95/EG zuord­nen lassen, sind auss­chließlich nach ihr zu erk­lären (vgl. Abb. 4und 5).
Autoren
Dipl.-Ing.
Gün­ter Geißler
Dipl.-Ing.
Alois Hün­ing
Maschi­nen­bau- und­Met­all-Beruf­sgenossen­schaft, Fach­stelle Maschinensicherheit
Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de