Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG-Arbeitsstoffkommission) hat die „MAK- und BAT-Werte-Liste 2009“ als Mitteilung 45 der Kommission veröffentlicht. In diesem Jahr fällt die große Anzahl neuer Werte auf, mit der die Grenzwertliste – was die Zahl der Eintragungen angeht – an Umfang zugenommen hat.
Herrn Dr. Ulrich Welzbacher Kleiststraße 18 53757 Sankt Augustin
Die Liste enthält in diesem Jahr insgesamt 38 Einträge, davon 22 Positionen bei den Luftgrenzwerten (MAK-Werte-Liste). Zusätzlich wurden bei den Luftgrenzwerten sechs Stoffe hinsichtlich ihrer Bewertung überprüft, ohne dass Änderungen erforderlich wurden.
Neue MAK-Werte
In der Liste der MAK-Werte wurden 11 Stoffe neu aufgenommen; dabei wurden für die Stoffe
- Di-n-butylphthalat,
- Hexamethylenbis(3-(3,5‑di-tert-butyl-4-hydroxyphenyl)propionat),
- Naphtha (Erdöl),
- Phenylzinnverbindungen,
- Stickstoffmonoxid sowie für
- Zink und seine anorganischen Verbindungen (je ein Wert für die alveolengängige und die einatembare Fraktion)
erstmals Grenzwerte für die Luft am Arbeitsplatz festgelegt. Die neuen Werte für Zink und seine anorganischen Verbindungen ersetzen den bisherigen MAK-Wert für Zinkoxid-Rauch (1 mg/m³ für die alveolengängige Fraktion), der gesonderte Eintrag zu Zinkchlorid-Rauch ist entfallen.
Zink ist zwar ein wichtiges Spurenelement (Bestandteil von Enzymen), das über die Nahrung aufgenommen wird; aktuelle Untersuchungen ergaben jedoch, dass die höchstzulässige unbedenkliche Konzentration von Zinkoxid-Rauch in der Atemluft am Arbeitsplatz deutlich niedriger liegt als bisher angenommen. Der neue Wert für die alveolengängige Fraktion liegt daher mit 0,1 mg/m³ um eine Größenordnung unter dem bisherigen Wert für Zinkchlorid-Rauch.
Parallel zum neuen Grenzwert für Stickstoffmonoxid wurde erstmals auch ein Grenzwert für den bereits vorhandenen Eintrag für Stickstoffdioxid festgelegt (in beiden Fällen 0,5 ml/m³ [ppm]). Beide Gase sind Hauptbestandteile der so genannten „nitrosen Gase“, die bei Verbrennungsvorgängen entstehen und daher zum Beispiel in Automobilabgasen vorkommen und auch ihren Anteil am Entstehen von saurem Regen haben.
Grenzwerte für Stickoxide werden seit vielen Jahren auch in der europäischen MAK-Kommission (SCOEL) diskutiert und sind dort heftig umstritten.
Weitere neue MAK-Werte gibt es für die bereits vorhandenen Einträge für Propionsäure und Triethanolamin. Der bisherige MAK-Wert für Cyclohexanol wurde ausgesetzt. Damit hat sich in diesem Jahr die Anzahl der MAK-Werte insgesamt um 8 erhöht.
Weitere Parameter bei Luftgrenzwerten
Bei den Kurzzeitwerten wurde
- einmal die Kategorie I (1) (Stickstoffdioxid),
- viermal die Kategorie I (2),
- zweimal die Kategorie I (4),
- viermal die Kategorie II (2) und
- einmal die Kategorie II (8) für Bariumverbindungen (ohne Änderung des MAK-Wertes, bisher Kategorie II (2))
vergeben. Dabei bezeichnet
- Kategorie I Stoffe, bei denen die lokale Reizwirkung grenzwertbestimmend ist oder atemwegssensibilisierende Stoffe und
- Kategorie II resorptiv wirksame Stoffe.
Die Zahl in Klammern hinter der Kategorie bezeichnet den zulässigen Überschreitungsfaktor, wobei eine solche Überschreitung höchstens viermal pro Arbeitsschicht (als Mittelwert für jeweils 15 Minuten) zulässig ist.
Zwei (Neu-)Einträge erhalten in der diesjährigen Liste die Anmerkung Sh für Sensibilisierung bei Hautkontakt:
- p‑Aminoazobenzol und
- N‑Cyclohexyl-2-benzothiazylsulfen-amid,
die im übrigen ausschließlich dem Abschnitt IV (sensibilisierende Stoffe) zugeordnet sind (keine weitere Einstufung).
Dreimal wurde die Anmerkung H für Gefährdung durch Hautkontakt vergeben, und zwar für
- Chrom(VI)-Verbindungen (Änderung)
- Diethylsulfat (Änderung) sowie für
- Phenylzinnverbindungen (Neueintrag).
Krebserzeugende Stoffe, Keimzellmu-tagene und Schwangerschaftsgruppen
Hohes Interesse genießen immer wieder die neuen Einträge und Änderungen bei den krebserzeugenden Stoffen, Keimzellmutagenen und Schwangerschaftsgruppen.
Am bedeutendsten ist in diesem Jahr wohl die Umstufung von Chrom(VI)-Verbindungen (Chromate, einatembare Fraktion; mit Ausnahme von Barium- und Bleichromat) von krebserzeugend Kategorie 2 (krebserzeugend im Tierversuch) nach Kategorie 1 (krebserzeugend beim Menschen). Außerdem wurden Chromate als Keimzellemutagene Kategorie 2 (Keimzellmutagene, deren Wirkung anhand einer erhöhten Mutationsrate unter den Nachkommen exponierter Säugetiere nachgewiesen wurde) eingestuft.
Die Neuaufnahme von Dichloressigsäure (und ihrer Salze) erfolgte ausschließlich hinsichtlich der Einstufung als krebserzeugend Kategorie 3A (Stoffe mit geringem kanzerogenem Potenzial, für die jedoch keine hinreichenden Informationen vorliegen, um einen MAK- oder BAT-Wert abzuleiten).
Die beiden Neuaufnahmen
- Di-n-butylphthalat und
- Phenylzinnverbindungen
wurden als krebserzeugend Kategorie 4 (krebserzeugende Stoffe mit geringem Wirkungspotenzial und nicht-genotoxischem Wirkungsmechanismus) eingestuft; für beide Stoffe wurden dementsprechend auch MAK-Werte festgelegt.
Phenol wurde (unter Beibehaltung der bisherigen Einstufungen) als Keimzellmutagen Kategorie 3B eingestuft; Phenol ist damit ein Stoff, für den aufgrund seiner gentoxischen Wirkungen in somatischen Zellen von Säugetieren in vivo (Tierversuche an lebenden Säugetieren) ein Verdacht auf eine mutagene Wirkung in Keimzellen abgeleitet werden kann.
Bei den Schwangerschaftsgruppen wurde siebenmal die Kategorie C für Stoffe ver-geben, bei denen eine fruchtschädigende Wirkung bei Einhaltung des MAK- und BAT-Wertes nicht befürchtet zu werden braucht. Diese Zuordnung erfolgte für die Neuaufnahmen
- Di-n-butylphthalat,
- Hexamethylenbis(3-(3,5‑di-tert-butyl-4-hydroxyphenyl)propionat),
- Phenylzinnverbindungen,
- Zink und seine anorganischen Verbindungen (beide Fraktionen)
sowie für die bestehenden Einträge
- Phosphorwasserstoff (bisher Gruppe D – die vorliegenden Daten reichen für eine Einstufung in eine der Gruppen A, B oder C nicht aus) und
- Propionsäure (bisher ohne MAK-Wert – Abschnitt IIb).
Die Schwangerschaftsgruppe D (die vorliegenden Daten reichen für eine Einstufung in eine der Gruppen A, B oder C nicht aus) wurde in diesem Jahr fünfmal vergeben, und zwar für
- Bariumverbindungen (bisher ohne Schwangerschaftsgruppe),
- Naphtha (Erdöl) (Neuaufnahme),
- Stickstoffdioxid (bisher ohne MAK-Wert und ohne Schwangerschaftsgruppe),
- Stickstoffmonoxid (Neuaufnahme) und
- Triethanolamin (bisher lediglich Verweis auf Abschnitt IV „Sensibilisierende Stoffe“).
Für n‑Octylzinnverbindungen wurde aufgrund neuer Informationen in diesem Jahr die Schwangerschaftsgruppe B vergeben, der Stoffe zugeordnet werden, bei denen mit einer fruchtschädigenden Wirkung nach den vorliegenden Informationen auch bei Einhaltung des MAK- und BAT-Wertes gerechnet werden muss. Bei der Neuaufnahme dieses Stoffes im vergangenen Jahr war noch die Schwangerschaftsgruppe C (keine fruchtschädigende Wirkung bei Einhaltung des MAK- und BAT-Wertes) vergeben worden.
Biologische Werte
Bei den biologischen Werten gibt es in diesem Jahr insgesamt 16 Einträge, davon
- 4 neue Stoffe oder Stoffgruppen,
- 6 neue BAR-Werte zu bereits bestehenden Einträgen sowie
- 6 Änderungen bestehender Werte (davon zwei Korrekturen von Neu-Einträgen aus dem Vorjahr).
Neue BAR-Werte
Herausragendes Merkmal der Neuerungen bei den biologischen Werten ist in diesem Jahr die Aufnahme von insgesamt 10 Biologischen Arbeitsstoff-Referenz-Werten (BAR-Werten). Solche Werte waren im vergangenen Jahr erstmals in die Liste aufgenommen worden; sie sind keine Grenzwerte, sondern geben die Hintergrundbelastung eines Stoffes im Körper bei der „Normalbevölkerung“ an, d.h. die Belastung von Erwachsenen im berufsfähigen Alter, die bei ihrer Arbeit dem betreffenden Stoff nicht ausgesetzt sind.
Der Vergleich dieser „Hintergrundbelastung“ mit einer gemessenen Belastung am Arbeitsplatz – beispielsweise beim Biomonitoring im Betrieb – ergibt, ob bzw. in welchem Ausmaß ein Mensch am Arbeitsplatz einen Stoff aufgenommen hat. Dies hat insbesondere für krebserzeugende Stoffe Bedeutung, da hierfür bisher keine Grenzwerte abgeleitet werden können, die sicher vor ihrer gefährlichen Wirkung schützen.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für Raucher häufig andere (höhere) Werte gelten; ein entsprechender Hinweis wurde bei den neuen BAR-Werten für Acrylnitril und o‑Toluidin aufgenommen.
Neu aufgenommen in die Liste der biologischen Grenzwerte wurden die Positionen
- Bariumverbindungen, löslich,
- Nickel und seine Verbindungen,
- o‑Toluidin sowie
- 2,4‑Toluylendiisocyanat.
Bei den ersten drei Positionen wurden jeweils neue BAR-Werte aufgenommen, für 2,4‑Toluylendiisocyanat konnte aufgrund der Datenlage derzeit ein solcher Wert nicht festgelegt werden. Es liegt jedoch eine Dokumentation in den „Arbeitsmedizinisch-toxikologischen Begründungen für BAT-Werte, BLW und BAR“ vor.
Bei den bisher bereits enthaltenen Positionen
- Acrylnitril (Zahlenwert),
- Benzidin und seine Salze (Dokumentation),
- Beryllium und seine anorganischen Verbindungen (Zahlenwert),
- 2‑Naphthylamin (Dokumentation),
- 2,4‑Toluylendiamin (Dokumentation) und
- Vinylchlorid (Zahlenwert)
wurden Angaben zu BAR-Werten hinzugefügt, wobei in der Hälfte der Fälle ein solcher Wert zahlenmäßig festgestellt werden konnte; in den anderen Fällen gibt es in den Arbeitsmedizinisch-toxikologischen Begründungen lediglich entsprechende Dokumentationen.
Somit wurden in diesem Jahr 6 weitere quantitative BAR-Werte der Liste hinzu-gefügt. Bei den beiden im Vorjahr erstmals aufgenommenen BAR-Werten für
- Chrom und seine Verbindungen und
- 2,4,6‑Trinitrotoluol (und Isomeren in technischen Gemischen)
wurde in diesem Jahr der Probenahmezeitpunkt (Expositionsende bzw. Schichtende) ergänzt, der im letzten Jahr bei der Erstaufnahme offenbar vergessen worden war.
BAT-Werte
Drei bestehende BAT-Werte wurden ab-gesenkt:
- BAT-Wert für Cyclohexan von 170 auf 150 mg/g Kreatinin,
- BAT-Wert für 2‑Propanol von 50 auf 25 mg/l halbiert,
- BAT-Wert für Toluol im Vollblut von 1 mg/l auf 600 µg/l und im Urin von bisher 3 auf nunmehr 1,5 mg/l abgesenkt.
Für Methämoglobinbildner wurde eine neue Fußnote mit einem Hinweis zur Beurteilung der Werte eingefügt.
Bei den Expositionsäquivalenten für krebserzeugende Arbeitsstoffe (EKA) und bei den Biologischen Leitwerten (BLW) gibt es in diesem Jahr keine Änderungen.
Weiteres Vorgehen – Arbeitsweise der DFG-Senatskommission und des AGS
Aus der Praxis wird immer wieder die Frage gestellt, warum man sich überhaupt mit den Grenzwerten aus der DFG-MAK-Liste befassen sollte, wo diese doch keine rechtliche Bedeutung haben.
Der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) und die DFG-Senatskommission hatten 2005 eine engere Zusammenarbeit als zuvor vereinbart. Danach hat auch die DFG-Kommission ihre Arbeitsweise und die Praxis der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse modifiziert:
Nach der alljährlichen Veröffentlichung der neuen MAK-Werte-Liste im Juli eines jeden Jahres haben alle betroffenen und interessierten Kreise bis zum Ende des Jahres Gelegenheit, zu den Neuerungen Stellung zu nehmen. Dabei geht es allerdings ausschließlich um wissenschaftliche Stellungnahmen. Fragen der praktischen Umsetzung von neuen oder abgesenkten Grenzwerten werden hierbei nicht berücksichtigt. Solche Fragen werden vielmehr im Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) beraten, wenn er im nächsten Jahr über die Aufnahme neuer oder geänderter Grenzwerte in die TRGS 900 „Luftgrenzwerte“ oder geänderter Stoffbewertungen in die TRGS 905 „Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe“ beschließt.
Wenn die Übernahme neuer oder geänderter Grenzwerte in die TRGS 900 in der Praxis Probleme bereitet, wird der AGS auch hierüber beraten und z.B. passende Präventionsmaßnahmen vorschlagen, erforderlichenfalls auch spezielle Präventionsprogramme auflegen.
Aus alledem ergibt sich, dass es auch für die betrieblichen Praktiker von Bedeutung ist, sich schon beizeiten mit den neuen Vorschlägen der DFG auseinander zu setzen und ggf. im eigenen Betrieb zu überprüfen, ob die neuen Werte eingehalten werden können. Sollte dies offensichtlich nicht möglich sein, sollte frühzeitig mit den Technischen Aufsichtsdiensten, z.B. der Unfallversicherung Kontakt aufgenommen werden, um nach geeigneten Lösungen zu suchen. Dort wird man erforderlichenfalls dann auch den AGS einschalten.
Weitere Informationen:
Alle Neuaufnahmen und Änderungen im Einzelnen können auf der Internetseite der DFG unter der Adresse:
www.dfg.de/aktuelles_presse/reden_stellungnahmen/download/mak2009.pdf nachgelesen werden.
Über die Internet-Seite der DFG besteht Zugang zu einer englischsprachigen (kostenpflichtigen) Online-Version der aktuellen MAK-Werte-Liste (www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/mrwhome/104554790/HOME); die gedruckte Fassung (mit CD-ROM) kann beim Wiley-VCH-Verlag, Boschstrasse 12, D‑69469 Weinheim, Telefon 06201/606–0, Fax 06201/606–328, E‑Mail: info@wiley-vch.de oder im Buchhandel käuflich erworben werden.
Autor:
Dr. Ulrich Welzbacher, Sankt Augustin E‑Mail: Autor@Gefahrstoffinformation.de
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