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Sehr geehrter Herr Berge,
natürlich meine ich den Inhalt meines Artikels ernst. Ich meine den Inhalt aller meiner Glossen ernst. Wo käme ich auch hin, wenn dem nicht so wäre?
Aber „Ernst“ beiseite: Ihr engagierter Leserbrief zeigt mir, dass ich den eigentlichen Gegenstand meiner Brandschutz-Glosse – nämlich meine Kritik am Umgang mit den zu schützenden Menschen – gut verpackt und somit hoffentlich bei vielen anderen Leserinnen und Lesern zum Nachdenken angeregt habe. Selbstverständlich geht es im Arbeits‑, Brand- und Gesundheitsschutz in erster Linie um den Menschen, und nicht (oder nur sehr selten) um die eigentliche Arbeitsstätte oder das Bauwerk, in dem sich die Personen aufhalten oder später einmal aufhalten sollen. Leider haben viele Verantwortliche, angefangen bei den Politikern bis hin zu den Bauherren und den Arbeitgebern, den Menschen in ihren Betrachtungen mittlerweile völlig vergessen. Nur so ist aus meiner Sicht die Aussage von Klaus Wowereit zu verstehen, der bei den geplanten Brandschutzeinrichtungen des Flughafens Berlin-Brandenburg lapidar von „state of the art“ spricht und sich (natürlich unausgesprochen) fragt, ob es nicht auch einfacher hätte geplant werden können. Vielleicht hätte es einfacher geplant werden können. Vielleicht gab es aber auch einen guten Grund für hohe Anforderungen an den Brandschutz, nämlich die Fluggäste und sämtliche Beschäftigten, die sich im zukünftigen Flughafen aufhalten sollen. Der Flughafenbrand von Düsseldorf sollte eigentlich allen Verantwortlichen dahingehend die Augen geöffnet haben, doch die Brandkatastrophe mit 17 Toten liegt mittlerweile fast 17 Jahre zurück. So etwas gerät dann schon mal „schnell“ in Vergessenheit.
Genau wie der Berliner Oberbürgermeister sehen mittlerweile viele Verantwortliche Auflagen im Arbeits‑, Brand- und Gesundheitsschutz als reine Schikane an und betrachten die geplanten Schutzmaßnahmen völlig losgelöst von den damit zu schützenden Menschen. Und so werden diese Punkte, gerade bei Bauvorhaben, auf irgendwelchen Checklisten abgehakt, die ausgefüllten Unterlagen irgendwo eingereicht und dann wird mit feuchten Händen (jeder Tag kostet bereits Geld) auf die heiß ersehnte Baugenehmigung gewartet. Kommt die Baugenehmigung dann, gilt sie bei den Verantwortlichen als Freifahrtschein für alle möglichen und (noch mehr) unmöglichen Aktionen. Es wird dabei völlig außer Acht gelassen, dass die Baubehörde lediglich einen formalen Rechtsvorgang bearbeitet hat. Soweit öffentlich-rechtliche Vorschriften im Genehmigungsverfahren geprüft wurden, bedeutet eine erteilte Baugenehmigung nur, dass das Bauvorhaben mit den geprüften Vorschriften im Einklang steht. Mit anderen Worten: Für die korrekte Ausführung des Brandschutzes und die Einhaltung sämtlicher Arbeits‑, Brand- und Gesundheitsschutzregelwerke ist und bleibt der Bauherr in vollem Umfang verantwortlich. Spätestens jetzt sollte die enge Zusammenarbeit mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit einsetzen und natürlich erst Recht mit allen weiteren Fachleuten, die zum Teil sogar schon vorher benötigt wurden (z.B. bei der Erstellung eines Brandschutzkonzeptes).
Wenn das Thema nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen, was mich zum Anfang meiner Antwort zurückbringt. Humor ist tatsächlich eine ernste Sache, was ganz besonders für das Schreiben einer Glosse im Arbeits‑, Brand- und Gesundheitsschutz gilt. Humor ist aber zugleich auch „[…] der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“, wie Joachim Ringelnatz einst sagte. Und der Kragen müsste zumindest uns Fachleuten im Arbeits‑, Brand- und Gesundheitsschutz im Hinblick auf die Baukatastrophe in Berlin-Brandenburg mit einem lauten Knall platzen – und nicht nur dort.
Ihr
Heiko Mittelstaedt
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