1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Arbeitssicherheit » Schutzmaßnahmen » Brandschutz »

Brandschutz im Bestand

Von den Alten lernen
Brandschutz im Bestand

Beim Brand­schutz im Bestand tut sich was: Experten nehmen immer mehr Abstand von so genan­nten „Stan­dard­nach­weisen“ mit ihren starr for­mulierten Bauteilan­forderun­gen. Im Kom­men sind schutzzielo­ri­en­tierte Brand­schutzkonzepte, die – trotz unter­schiedlich­er Inhalte – ein ver­gle­ich­bares Sicher­heit­sniveau bieten.

Brand­schutzkonzept und Brandsicherheit
Bei den schutzzielo­ri­en­tierten Brand­schutzkonzepten sind Nach­weise, die auf ver­gle­ichen­den Beurteilungsver­fahren basieren, von jenen zu unter­schei­den, die auf den indi­vidu­ellen Einzell­fall eines Bauw­erks ver­schiedene Szenar­ien simulieren. Bei­des kann von inge­nieurgemäßen Berech­nungsmeth­o­d­en unter­stützt wer­den. Let­ztere dürften vor allem größeren beziehungsweise beson­ders wertvollen Gebäu­den auf Grund des rech­ner­ischen und damit auch finanziellen Aufwan­des bere­its vor­be­hal­ten sein. Vere­in­fachende und ver­bre­it­ete inge­nieurgemäße Nach­weise kön­nten hinge­gen bei ein­er Vielzahl von Gebäu­den in die Brand­schutzkonzepte ein­be­zo­gen werden.
Die konkreten brand­schutztech­nis­chen Schutzziele basieren auf den Eigen­schaften des Vorhan­de­nen und auf den gewoll­ten Nutzun­gen. Das darauf abges­timmte Brand­schutzkonzept ermit­telt den im jew­eili­gen Fall notwendi­gen vor­beu­gen­den und abwehren­den Brand­schutz – ohne Regelvor­gabe. Die Maß­nah­men des vor­beu­gen­den, abwehren­den und organ­isatorischen Brand­schutzes sind zur Bes­tim­mung der aus­re­ichen­den Brand­sicher­heit im direk­ten Zusam­men­hang miteinan­der festzule­gen – ein beson­ders wichtiger Aspekt bei der Ein­schätzung des wirk­lichen Gefahrenpotenzials.
Die Basis der Anwen­dung geeigneter Maß­nah­men bei der Sanierung oder denkmalpflegerischen Behand­lung von baulichen Anla­gen ist ein gebäude­ori­en­tiertes Brand­schutzkonzept, in dem alle örtlichen Gegeben­heit­en und geplanten oder vorhan­de­nen Nutzungsab­sicht­en vor­be­halt­los aufzulis­ten sind. Weit­er­hin muss eine kri­tis­che Über­prü­fung von Annah­men durch eine sys­tem­a­tis­che Unter­suchung mit dem Ziel der Erar­beitung ein­er Brandge­fährdungs­analyse erfolgen.
Umgang mit den Bestandskonstruktionen
Erschw­erend für die brand­schutztech­nis­che Beurteilung his­torisch­er Gebäudean­la­gen sind vielfältige Umstände: Fahrzeuge der Feuer­wehr haben erschw­erte Zufahrts­be­din­gun­gen; zu geringe Durch­fahrtshöhen oder ‑bre­it­en sind vorhan­den. Eine Löschwasser­bevor­ratung und ‑ver­sorgung oder eine Druck­er­höhung für eventuelle Sprin­kler­an­la­gen gibt es nicht. Weite Gebäudeaus­dehnun­gen mit fehlen­den Brand­ab­schnitts­bil­dun­gen und brennbare Mate­ri­alien erhöhen das Gefährdungspoten­zial, weil Ver­rauchun­gen erwartet wer­den müssen. Hinzu gesellen sich eingeschränk­te Ein­satzmöglichkeit­en frei­williger Feuer­wehren. Für muse­ale Nutzun­gen lassen sich die notwendi­gen Ret­tungswege und Trep­pen­räume oft­mals nicht ohne größere Sub­stanze­in­griffe schaf­fen. Ver­al­tete tech­nis­che Anla­gen run­den das vorzufind­ende brand­schutztech­nisch des­o­late Bild ab.
In diesem Zusam­men­hang ist der Gefahrbe­griff näher zu präzisieren. Zu unter­schei­den ist zwis­chen den juris­tis­chen Begrif­f­en ein­er „konkreten“, damit wird die reale beze­ich­net, und ein­er „abstrak­ten“ Gefahr, die mit der poten­ziellen iden­tisch ist. Let­ztere entste­ht aus der Rechtsver­let­zung, ein­er Nichtübere­in­stim­mung mit dem gel­tenden Recht. Zur Ver­mei­dung ein­er solchen Gefahren­lage hat der Geset­zge­ber Vorschriften erlassen oder tech­nis­che Regeln (Nor­men, Richtlin­ien) einge­führt. Zu den tech­nis­chen Regeln ist anzumerken, dass eine Abwe­ichung von diesen zuläs­sig und nicht geson­dert zu beantra­gen ist, wenn das Schutzziel ander­weit­ig erre­icht wird. Hier trifft jedoch die Beweis­las­tumkehr zu. Ander­er­seits gilt bei der Befol­gung der „Einge­führten Tech­nis­chen Baubes­tim­mungen“ und von all­ge­mein anerkan­nten Regeln der Tech­nik, dass keine poten­zielle Gefahr vorliegt.
Eine konkrete (reale) Gefahr beste­ht aus juris­tis­ch­er Sicht immer dann, wenn mit der Schädi­gung von Leben und Gesund­heit zu rech­nen ist und diese mit hoher Wahrschein­lichkeit erwartet wer­den muss. Sie liegt aber nicht vor, wenn ein Abwe­ichen von Vorschriften, die der Sicher­heit dienen, fest­gestellt wird. Die Einzelfal­l­entschei­dung über das Vor­liegen ein­er realen Gefahr bedarf immer ein­er konkreten Gefährdungs­analyse. Es han­delt sich bei einem beste­hen­den Gebäude nicht darum, jede Einze­lan­forderung im Brand­schutz entsprechend den gülti­gen Rechtsvorschriften und Einge­führten Tech­nis­chen Baubes­tim­mungen zu erfüllen (Abwehren poten­zieller Gefahren), son­dern durch das Beseit­i­gen real­er Gefährdun­gen ein Sicher­heit­sniveau zu schaf­fen, das den Grund­satz­forderun­gen zum Schutz von Leben und Gesund­heit gerecht wird. Somit müssen auch in beste­hen­den baulichen Anla­gen für jede Nutzung­sein­heit zwei Ret­tungswege zur Ver­fü­gung ste­hen, anderen­falls liegt eine reale Gefahr vor.
His­torische Brand­schutz­maß­nah­men allein sind heute nicht mehr als aus­re­ichende Garantie der Schutzziele gemäß der Lan­des­bauord­nung oder den Son­der­bau­vorschriften anzuse­hen. Es existieren aus ver­gan­gener Zeit aber viele sin­nvolle Vorschläge für wirkungsvolle Maß­nah­men über geeignete Ver­hal­tensregeln in vom Feuer gefährde­ten Bauw­erken. Um ein beste­hen­des baulich­es Gefüge und sein Trag­w­erk ein­schließlich sein­er Qual­itäten wirk­lichkeit­snah ein­schätzen zu kön­nen, ist ein Rück­griff auf die zu sein­er Bauzeit gültig gewe­se­nen Regeln oder Nor­men empfehlenswert. Dadurch kann das zur Errich­tungszeit vere­in­barte Sicher­heit­sniveau und ‑konzept ver­standen und nachemp­fun­den wer­den. Zugle­ich treten Quellen zu Tage, die Auskun­ft über die mögliche Leis­tungs­fähigkeit und die zu berück­sichti­gen­den Schwächen im Brand­fall geben. In der Analyse bish­eriger Pla­nungsver­läufe und deren wiederkehren­der Prob­leme wur­den durch den Autor Methodiken für die geeignete Hand­lungsweise beim Umgang mit dem Brand­schutz bei beste­hen­den Gebäu­den erar­beit­et (s. Abb. 3). Diese basieren auf den gewonnenen Erken­nt­nis­sen zum geeigneten und unangemesse­nen Umgang mit beste­hen­den Gebäu­den bzw. Bau­denkmalen. Voraus­set­zung für vernün­ftige Abläufe ist das erforder­liche „Hinein­denken“ in die Erfordernisse der jew­eils schein­bar einan­der gegenüber­ste­hen­den han­del­nden Seite. Es bedarf des gegen­seit­i­gen Ver­ständ­niss­es – ohne des sofor­ti­gen „Über­laufens“ oder des „Aufgebens“ der eige­nen Posi­tion – und des wirk­lichen Bestrebens, sich ver­ste­hen zu wollen.
Erforder­liche Brand­schutz­maß­nah­men und Ingenieurmethoden
Wenn brand­schutztech­nis­che Vorschriften, die für die Errich­tung eines Neubaus gel­ten, bei beste­hen­den Gebäu­den nicht befol­gt wer­den kön­nen, dann sind zur gle­ichrangi­gen Erfül­lung der betr­e­f­fend­en Forderun­gen „Ersatz­maß­nah­men“ zu konzipieren.
Stets ist im Vor­feld nach den tat­säch­lichen, ange­blich nicht gewährleis­tungs­fähi­gen Eigen­schaften eines Bauw­erkes zu fra­gen. Ein Ver­gle­ich der­sel­ben mit denen für Neubaut­en geforderten ermöglicht Aus­sagen zur tat­säch­lich erforder­lichen Brand­sicher­heit. Geschieht das, dann kann analysiert wer­den, ob und warum Defizite des Brand­schutzes ohne Aus­gle­ich, d. h. auf dem Wege der Abwe­ichung ohne weit­ere Maß­nah­men, oder durch Ein­satz von zusät­zlichen Maß­nah­men zu tolerieren sind.
Es han­delt sich darum, dem Sinn der Vorschrift für die konkreten örtlichen Ver­hält­nisse zu entsprechen, nicht aber deren wörtliche For­mulierung zu befol­gen. Die Auswer­tung von Abwe­ichun­gen, die bei beste­hen­den Gebäu­den gegeben sind, und von den jew­eili­gen kom­pen­sieren­den Maß­nah­men, ergibt eine mögliche Grund­la­gen­er­mit­tlung, die für eine Vielzahl beste­hen­der Gebäude zutrifft. Es gibt allerd­ings ver­schiedene Kom­bi­na­tion­s­möglichkeit­en, die für den Einzelfall konkret abges­timmt wer­den können.
Bere­its seit län­ger­er Zeit beste­ht zudem die Möglichkeit, die Dien­lichkeit kom­pen­sieren­der Maß­nah­men mit Hil­fe von Meth­o­d­en des Brand­schutzin­ge­nieur­we­sens nachzuweisen. So kön­nen mit­tels wis­senschaftlich anerkan­nter Ver­fahren Nach­weise erfol­gen, dass für vorgegebene bzw. erforder­liche Zeiträume die vorhan­de­nen Ret­tungswege aus­re­ichend benutzbar bzw. wirk­same Löschar­beit­en möglich sind oder die Stand­sicher­heit aus­gewählter Bauteile gewährleis­tet ist.
Die in den sicher­heit­stech­nisch erforder­lichen Zeiträu­men einzuhal­tenden Sicher­heit­skri­te­rien, die entwed­er der Begrün­dung ein­er Abwe­ichung oder dem Nach­weis der geeigneten Maß­nahme dienen kön­nen, sind auf­grund anerkan­nter Kri­te­rien des Brand­schutzes objekt- und schutzziel­be­zo­gen festzule­gen. Sie kön­nen u. a. fol­gende Kri­te­rien betreffen:
  • Ein­hal­tung ein­er im Brand­schutzkonzept vorgegebe­nen rauchar­men Schicht
  • Ein­hal­tung der Tragfähigkeit unter den ermit­tel­ten Tem­per­aturbe­las­tun­gen für einzelne Bauteile und die gesamte Tragkonstruktion
  • Ein­hal­tung erforder­lich­er Evakuierungszeiten
Als Meth­o­d­en des Brand­schutzin­ge­nieur­we­sens kom­men derzeit ins­beson­dere fol­gende in Frage, die jew­eils zum Nach­weis der aus­re­ichen­den Brand­sicher­heit des aufgestell­ten Brand­schutzkonzeptes genutzt werden:
  • Brand­sim­u­la­tio­nen als sog. „design fire“ anstelle von nor­mgerecht­en Prüfungen
  • Brand- und Rauchversuche
  • Beurteilung des Brand­ver­hal­tens von Bauteilen und Tragwerken
  • Per­so­n­en­stro­m­analy­sen
Um die bauauf­sichtliche Akzep­tanz der Anwen­dung von inge­nieurgemäßen Nach­weisen für den Nach­weis der Brand­sicher­heit verbessern zu kön­nen, ist aktuell die Nor­mungstätigkeit zu den „Brand­schutzin­ge­nieurver­fahren“ beim DIN begonnen wor­den. Es ist dabei vorge­se­hen, die Grund­sätze für die Auf­stel­lung von Nach­weisen mit Meth­o­d­en des Brand­schutzin­ge­nieur­we­sens zu definieren. Expliz­it sollen diese Regelun­gen auch für beste­hende Gebäude gel­ten. Das Ziel ist es dabei, sich vom Erfüllen fest vorgegeben­er Bauteilan­forderun­gen zu lösen und anstelle dieses inge­nieurgemäße, schutzzielo­ri­en­tierte Nach­weise treten zu lassen. Es soll dabei weniger darum gehen, wiederum starre Anforderun­gen zu definieren, son­dern stattdessen die richtige und angemessene Vorge­hensweise zu beschreiben und zu regeln, mit der fol­gerichtig eine vertret­bare Brand­sicher­heit ermit­telt und nachgewiesen wer­den kann.
¹Ge­bur­tig, G., Brand­schutz im Bestand: Holz, Stuttgart 2009, S. 212.
Autor
Dr. Gerd Gebur­tig Inhab­er der Pla­nungs­gruppe Gebur­tig, Prüfin­ge­nieur für Brand­schutz E‑Mail: pla­nungs­gruppe. geburtig@arcor.de
Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de