Nahezu die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland arbeitet in einem Büro. Und dort, aber auch an einigen anderen Arbeitsplätzen, sitzen die Beschäftigten überwiegend. Sie bewegen sich kaum und nehmen über eine lange Zeit immer die gleiche Haltung ein. Dazu kommen oft lange Anfahrtswege zur Arbeitsstelle. Auch in ihrer Freizeit sitzen die Deutschen immer mehr, sei es vor dem Fernseher oder dem Computer.
Das hat gesundheitliche Folgen wie chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, ein erhöhtes Risiko für Typ-II-Diabetes und Muskel-Skelett-Beschwerden, aber auch psychische Effekte wie depressive Verstimmungen oder Antriebsarmut – denn Bewegung hilft auch beim Stressabbau.
Dabei muss man nicht zum Leistungssportler werden, schon kleine Bewegungseinheiten bewirken viel. So verweist der IGA-Wegweiser „Bewegte Arbeitswelt“ auf eine Studie, die zeigte, dass tägliche Bewegungskurzeinheiten von zwei Minuten Schulterbeschwerden bei Büroangestellten effektiv vermindern. Soll neben der Schulter- auch die Nacken- und Rückenmuskulatur gestärkt werden, wird ein Training von zehn Minuten, mindestens zweimal pro Woche, empfohlen. Auch mobile Arbeitsstationen, wie sogenannte Deskbikes, haben positive Effekte auf Körper und Psyche, wie eine Praxisstudie des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) und der Deutschen Sporthochschule Köln gezeigt hat. Sicherheitsbeauftragte können sich in ihrem Unternehmen für die Anschaffung solch mobiler Arbeitsstationen aussprechen, ebenso wie für Gesundheitskurse oder bewegte Arbeitspausen. Unabhängig davon kann jeder Einzelne sich um mehr Bewegung kümmern. Leichter fällt es vielen, wenn Kollegen sich gegenseitig motivieren.
Mehr Bewegung im Arbeitsalltag verschafft zum Beispiel:
- Ein Spaziergang in der Mittagspause.
- Treppe steigen statt den Aufzug zu nehmen.
- Regelmäßig vom Schreibtisch aufstehen und beispielsweise zum Drucker gehen.
- Statt Mails zu schreiben oder zu telefonieren den Weg zum Kollegen nehmen um etwas zu besprechen.
- Den Arbeitsweg ganz, oder teilweise, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen.
- Besprechungen im Stehen.
Interview: „Gemeinsamkeit hilft“
Sicherheitsbeauftragter fragte Sportwissenschaftlerin Dr. Susanne Kobel von der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin des Universitätsklinikums Ulm nach den Auswirkungen von langem Sitzen und wie man sich zu mehr Bewegung motivieren kann.
- Warum ist längeres Sitzen schädlich für den Körper?
Da ist zum einen die meist ungesunde Körperhaltung. Viele stellen ihren Stuhl nicht richtig ein und sitzen dadurch nicht optimal. Wenn man lange in den Computer schaut und eine Tastatur verwendet, die sich nicht ausreichend verschieben lässt, verspannt sich leicht die Schulter-Nackenmuskulatur. Das Zweite: Beim Sitzen zirkuliert das Blut nicht so gut, es staut sich in den Beinen, was eine Thrombose begünstigen kann. Außerdem wird das Herz-Kreislaufsystem kaum beansprucht und der Kalorienverbrauch ist sehr niedrig. Das kann zu Übergewicht führen, zu erhöhten Blutfett- und Blutzuckerwerten. Das Risiko, an Krankheiten wie Diabetes zu erkranken, steigt.
- Was kann man jemandem raten, der im Beruf lange Zeit sitzt? Was soll er während der Arbeit machen?
Auch Stehpulte sind nicht die ideale Lösung. Denn auch langes Stehen ist nicht gesund, wie jede Haltung, die lange eingenommen wird. Das Beste ist: Sitzen mit vielen Bewegungs-Pausen. Ideal ist es, jede halbe Stunde aufzustehen und für fünf bis zehn Minuten zu gehen. Das lässt sich vielleicht nicht immer verwirklichen, aber man sollte auf jeden Fall nie länger als eine Stunde sitzen. Wenigstens kann man Bein-Gymnastik während des Sitzens machen, oder sich angewöhnen, beim Telefonieren aufzustehen.
- Und in der Freizeit: einen Ausgleich schaffen und sich viel bewegen?
Wenn man acht Stunden nur gesessen hat und danach dann eine Stunde Sport macht, hilft das nicht die lange Sitzzeit wettzumachen. Wenn man aber die acht Stunden Sitzen durch Bewegung zwischendurch auf sieben Stunden reduzieren kann, hat das deutlich positive Effekte auf die Gesundheit. Am wichtigsten ist es, lange Sitzphasen zu unterbrechen. Wer natürlich morgens im Bus sitzt und dann bei der Arbeit, tut schon etwas Gutes, wenn er eine Haltestelle früher aussteigt und zu Fuß geht.
- Wie kann sich jemand motivieren, dem es schwer fällt sich zu mehr Bewegung aufzuraffen? Und wie kann man andere motivieren?
Gemeinsamkeit hilft. Wenn sich mehrere etwas vornehmen, stachelt man sich gegenseitig an. Wie man Menschen motiviert, die sich gar nicht bewegen wollen, ist natürlich die Millionen-Dollar-Frage. Manchmal zeigen Schnupper-Angebote eine Wirkung. Das kann zum Beispiel die aktive Pause sein. Sie muss gar nicht offiziell durch das Betriebliche Gesundheitsmanagement veranlasst werden. Kollegen können sich auch selbst organisieren und im Büro Übungen machen oder nach dem Essen noch eine Runde spazieren gehen. Man kann mit kleinen Dingen anfangen, dann wird mehr Bewegung allmählich zur Gewohnheit.