Der neu gegründete ASGA beschäftigt sich mit Fragen des Arbeitsschutzes, die von allgemeingesellschaftlicher Bedeutung für die Arbeit sind und nicht nur von einem oder zwei fachspezifischen Ausschüssen beantwortet werden können. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Identifizieren von Themen für eine zukunftsorientierte Ausrichtung des Arbeitsschutzes. Zusätzlich kommt ihm eine koordinierende Funktion der Arbeitsschutzausschüsse zu, um diese in ihrer Zielrichtung zu unterstützen. Daneben ist ein weiteres Kernanliegen des neu gegründeten ASGA, ein abgestimmtes und einheitliches Vorschriften- und Regelwerk voranzubringen.
Die Aufgaben der AS-Ausschüsse
Die Ermittlung und Erarbeitung von staatlichen Regeln – so stellt es das „Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz“ [1] im Jahr 2011 heraus – ist „eine quasi hoheitliche Aufgabe, die die staatlichen Ausschüsse staatsentlastend wahrnehmen“.
Dabei sind staatliche Regeln das rechtliche Instrument, um staatliche Arbeitsschutzvorschriften[2] zu konkretisieren. Die Ausschüsse beraten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu verschiedenen Fragen des Arbeitsschutzes, die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen ergeben.
Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellt auf ihrer Homepage [3] dieses Anliegen dar:
Für eine Vielzahl von Fragestellungen lässt sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) themenspezifisch von Fachleuten beraten.
Eine institutionalisierte Form von Beratung erfolgt durch die Ausschüsse nach den Verordnungen zum Arbeitsschutzgesetz (…).
Die Ausschüsse arbeiten mit dem Ziel eines einheitlichen Vorschriften- und Regelwerkes eng zusammen.
Die bereits etablierten fünf beratenden Ausschüsse (siehe unten) konkretisieren fachspezifisch die Anforderungen der Einzelverordnungen zum ArbSchG durch (technische und arbeitsmedizinische) Regeln. Diese staatlichen Regeln geben dem Arbeitgeber Hilfestellung an die Hand, bei deren Einhaltung er davon ausgehen kann, dass er die Anforderungen der jeweiligen Verordnung erfüllt (Vermutungswirkung). Zusätzlich orientieren sich auch Länder und Unfallversicherungsträger an den Regeln der staatlichen Arbeitsschutzausschüsse.
Grundlage für den Erfolg der Ausschüsse ist ihre pluralistische Zusammensetzung, die sicherstellt, dass die betroffenen gesellschaftlichen Gruppen eine gute fachliche Vertretung haben. In jedem Ausschuss sind daher alle für die Thematik wichtigen Akteure, also Vertreter der Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Länder, Unfallversicherungsträger und der Wissenschaft, eingebunden. Diese auf allen Entscheidungsebenen ausgewogene Besetzung sorgt dafür, dass die Arbeitsergebnisse der Ausschüsse – Regeln, Empfehlungen und Erkenntnisse – weithin akzeptiert und tatsächlich von der Praxis als wichtige Hilfestellung begrüßt werden.
Zusätzlich widmen sich die Ausschüsse – jedoch nur bezogen auf die jeweilige Einzelverordnung – auch übergreifenden Themenfeldern, wie zum Beispiel der Gefährdungsbeurteilung, die unter anderem sowohl in den Arbeitsstättenregeln (ASR V3) als auch in den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 400), Biostoffe (TRBA 400), Betriebssicherheit (TRBS 1111) sowie in den arbeitsmedizinischen Regeln (AMR 3.2) konkretisiert ist.
Warum der ASGA gegründet wurde
Das herausfordernde Aufgabenspektrum dieser beratenden Gremien sowie der bestehende Handlungs- und Erwartungsdruck an die Ausschüsse machten gerade in der SARS-CoV-2-Pandemie vielen Arbeitsschutzakteuren deutlich, welche Bedeutung dem Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen zukommt. Konfrontiert mit einer akuten Infektionsgefahr für die Beschäftigten durch SARS-CoV‑2 mussten betriebliche Prozesse aufrechterhalten und die Notwendigkeit erhöhter Schutzstandards für eine kontinuierliche und sichere Arbeit der Beschäftigten soweit wie möglich gewährleistet werden.
Auch wenn die grundsätzliche Gefahr einer Pandemie bekannt war und die Bedeutung von Pandemieplänen für Betriebe in den letzten Jahrzehnten immer wieder betont wurde, bestand der Bedarf, staatliche Regeln aufzustellen. Mit der am 20. August 2020 veröffentlichten und zwischen allen Ausschüssen sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, Unfallversicherungsträgern und Ländern abgestimmten, sehr detaillierten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel haben die beteiligten Ausschüsse unter Federführung des ASTA nachgewiesen, dass sie diesem Handlungsdruck gewachsen sind.
Ebenfalls im Zeitraum der SARS-CoV-2-Pandemie trat am 20. Dezember 2020 das Arbeitsschutzkontrollgesetz [4] in Kraft. Das regelte nicht nur die Kontrolle der Betriebe in der Fleischindustrie, sondern machte zudem den Weg für einen neuen Ausschuss im Arbeits- und Gesundheitsschutz frei, verbunden mit der Ermächtigung zur Regelsetzung (§ 24a ArbSchG): den Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (ASGA) [5]. Das ArbSchG setzt damit die rechtlichen Leitplanken für die strategische Ausrichtung des ASGA.
Dieser neue, themen- und damit ausschussübergreifend agierende Ausschuss hat unter anderem die Aufgabe, arbeitsschutzspezifische Themen direkt auf Basis des Arbeitsschutzgesetzes zu konkretisieren. Mit dem ASGA wurde somit ein neues Format geschaffen, durch das die allgemein gehaltenen Anforderungen des ArbSchG unmittelbar mit Regeln und Empfehlungen konkretisiert werden können.
Er entwickelt arbeitsschutzrechtliche Regeln (ASGA-Regel) unter direkter Beteiligung der thematisch betroffenen Ausschüsse durch mandatierte Personen in der jeweiligen Projektgruppe.
Die Notwendigkeit dafür lässt sich am bereits genannten Beispiel der Gefährdungsbeurteilung darstellen:
Stand 2023 gibt es verschiedene staatliche Regeln der jeweiligen Ausschüsse zu diesem Thema, die die Anforderungen der spezifischen Einzelverordnung konkretisieren. Unternehmen bewegen sich allerdings in einem komplexen betrieblichen Umfeld und müssen gleichzeitig diese Regeln der jeweiligen Einzelverordnungen beachten. Ein besser aufeinander abgestimmtes, einheitliches Regelwerk soll künftig dem Anspruch gerecht werden können, den Unternehmen praxistaugliche Hilfestellung anzubieten.
Die Arbeit des ASGA zielt darauf ab, die Kohärenz des staatlichen Regelwerks zu verbessern und wird daher mit seiner Arbeit helfen, in ausgewählten übergreifenden Themenfeldern einer Fragmentierung des Regelwerks entgegenzuwirken. Mit der Aufgabe, übergreifende Regeln zu entwickeln, ist zugleich auch die Herausforderung verbunden, geeignete Regeltypen (ASGA-Regeln) zu definieren. Dabei bindet der Steuerkreis die Ausschussvorsitzenden der Fachausschüsse in die Arbeit des ASGA ein und gibt ihnen die Möglichkeit, frühzeitig an der Gestaltung der Projektskizze für eine ASGA-Regel mitzuwirken.
Im Fokus stehen dabei Themenfelder, die aktuelle, aber vor allem künftige Herausforderungen der Arbeitswelt der Beschäftigten betreffen. Unter anderem sind dies die Themenfelder „Psychische Belastungen bei der Arbeit“ und die „Auswirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt“. Diese Themen können nicht fachspezifisch einem der oben genannten Ausschüsse zugeordnet werden, sondern betreffen die gesamte Arbeitswelt.
Müssen die Unternehmen die Arbeitsschutzmaßnahmen, die das staatliche Regelwerk vorgeben, berücksichtigen?
Neben der erläuterten strategischen Herausforderung, für diese Themenfelder Ziele, Kompetenzen und Sachverstand der Ausschüsse so zu bündeln, dass sowohl alle fünf + eins Ausschüsse als auch alle im ASGA vertretenen Bänke die zu treffenden Entscheidungen gemeinsam tragen können, ist es von zentraler Bedeutung, dass die neuen ASGA-Regeln durch ihre Veröffentlichung Vermutungswirkung entfalten. Das bereits zitierte Leitlinienpapier führt dazu aus:
Die Vermutungswirkung bedeutet, dass Arbeitgeber, die adäquate Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem staatlichen Regelwerk angewendet haben, davon ausgehen können, dass damit die Anforderungen der jeweiligen Verordnung rechtssicher erfüllt werden. Vor diesem Hintergrund müssen die Regeln staatlicher Ausschüsse eine angemessene inhaltliche Tiefe und hohe Qualität aufweisen.
Daraus folgt, dass Arbeitgeber zwar vom untergesetzlichen Regelwerk abweichende Maßnahmen treffen können, diese aber mindestens gleichwertig sein müssen, um den Schutzzielen und Anforderungen der jeweiligen Einzelverordnung beziehungsweise des ArbSchG gerecht zu werden.
Welche Aufgabe greift der ASGA auf?
Der Gesetzgeber reagiert mit der Einrichtung des ASGA nicht nur auf die komplexeren Herausforderungen einer künftigen Arbeitswelt, sondern auch auf die gestiegenen Anforderungen an die Ausschussarbeit, allen voran die damit verbundenen erheblichen personellen Ressourcen. Dieser Abstimmungsprozess verlangt neben gut abgestimmten Prozessen, die von allen Ausschüssen und Bänken akzeptiert werden, vor allem ein gemeinsames Interesse, diesen angestoßenen Veränderungsprozess aktiv und konstruktiv mitgestalten zu wollen.
Die damit einhergehenden, zu erwartenden Diskussionen werden vielfältig sein und viel Zeit in Anspruch nehmen. Sie reichen von Fragen zum notwendigen fachlich-inhaltlichen Abstimmungsbedarf über die erforderliche Art der zu erarbeitenden ASGA-Regeln und die Konsequenzen für die Arbeit der anderen Ausschüsse bis hin zu Fragestellungen, ob und wenn ja, welche Auswirkungen die neuen ASGA-Regeln auf die Arbeit aller Akteure der Arbeitsschutzcommunity haben werden.
Die Erarbeitung und Verabschiedung von ASGA-Regeln soll, wie bisher in der Ausschussarbeit erfolgreich praktiziert, im Konsens der beteiligten Bänke und – je nach Regeltyp – der beteiligten fachspezifischen Ausschüsse, praktiziert werden. Diese Koordinierungsaufgabe ist ein weiterer wesentlicher Aufgabenschwerpunkt des ASGA.
Der ASGA hat sich für seine erste Amtszeit (bis 2025) ein Arbeitsprogramm gegeben, welches die ausschussübergreifende Erarbeitung von Regeln für die nachfolgenden Themenfelder aufführt:
- Gefährdungsbeurteilung (die Projektgruppe wurde eingerichtet und hat unter der Leitung der Länder (NRW) die Arbeit aufgenommen)
- Psychische Belastungen (die Projektgruppe wird, ebenfalls unter der Leitung der Länder (Sachsen-Anhalt), die Arbeit in der zweiten Jahreshälfte 2023 aufnehmen)
- Effiziente und zeitgemäße Unterweisungen (die Einsetzung der Projektgruppe ist für 2024 geplant)
- Ortsflexible Bildschirmarbeit außerhalb von Arbeitsstätten (der Zeitpunkt der Einsetzung der Projektgruppe ist offen)
- Auswirkungen des Klimawandels auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (der Zeitpunkt der Einsetzung der Projektgruppe ist offen)
Die begrenzten personellen Ressourcen der Bänke werden durch die schrittweise Einsetzung der Projektgruppen berücksichtigt.
[1] http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/leitlinien-arbeitsschutz.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 16.03.2023.
[2] Die gesetzliche Ermächtigung zur Einrichtung staatlicher Ausschüsse ist in § 18 Abs. 2 des ArbSchG verankert.
[3] https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsschutz/Arbeitsschutzausschuesse/arbeitsschutzausschuesse.html Abruf am 16.03.2023.
[4] Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) vom 22. Dezember 2020, BGBl. Teil 1, Nr. 67 vom 30. Dezember 2020.
[5] Der ASGA setzt sich zusammen aus 15 Mitgliedern und Stellvertretern vonseiten der öffentlichen und privaten Arbeitgeber, Gewerkschaften, Landesbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und weiterer geeigneter Personen, insbesondere aus der Wissenschaft.
Aufgaben des ASGA gemäß § 24a ArbSchG
Begründung zu § 24a ArbSchG (Auszug):
Der Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit ist notwendig, weil die Arbeitsschutzverordnungen nur einen Teil der allgemeinen Vorgaben des ArbSchG abdecken und außerdem auf ihren jeweiligen Bereich beschränkt sind.
Der neue Ausschuss soll übergreifende Aufgaben wahrnehmen und das ArbSchG konkretisieren, sofern Arbeitsschutzverordnungen keine spezielle Regelung enthalten.
Nur auf diese Weise kann eine umfassende Beratung des BMAS zu allen Fragen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sichergestellt, ein abgestimmtes Regelwerk und damit im Ergebnis ein optimaler Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten erreicht werden.