Fragen Sie mal im Kollegenkreis herum, wer heute bereits getrackt wurde. Die meisten werden vermutlich die Stirn runzeln und mit „ähm, glaub nicht“ oder „weiß nicht genau“ antworten. Denn in vielen Köpfen tauchen beim Begriff Tracking Szenen auf, in denen Geheimagenten einem Bösewicht ein kleines Kästchen an verdeckter Stelle ans Fahrzeug klemmen. Oder clevere Polizisten versehen ein Diebesgut heimlich mit einem winzigen Sender, um später den Hehler zu überführen. Das sind beliebte Filmmotive, aber solche Bilder haben mit der Realität des Trackings im Jahr 2023 wenig zu tun.
Verfolgung und Ortung
Tracking bedeutet Verfolgen. Ein Tracking erfasst Informationen über die Bewegung und die Position eines Objektes in Raum und Zeit. Der Begriff Tracking ist jedoch nicht klar definiert oder auf eine bestimmte Technologie beschränkt. Tracking wird als Überbegriff für eine breite Palette ganz unterschiedlicher Verfahren genutzt, die das Ziel haben, Objekte zu orten, zu identifizieren oder ihre Bewegungsdaten zu erfassen. Bekannte Beispiele von Tracking-Anwendungen sind:
- die Jogging-App, die über die Zahl der Schritte oder die gelaufenen Kilometer informiert
- der Koffer, der sich bei Verlust per GPS-Tracker orten lässt
- die Paketnummer, die man bei der Sendungsverfolgung eingibt
- das GPS-Halsband eines Hundes
- der Trackball einer Maus, der feinste Bewegungen der Finger erfasst
- die Softwareschnipsel, die auf fast jeder Webseite unser Online-Verhalten verfolgen
- das Nachführen von Photovoltaikanlagen gemäß dem Stand der Sonne (Solartracking)
In unserer digitalisierten und vernetzten 4.0‑Welt ist es technisch einfach geworden, dass unzählige Geräte ständig Daten über ihre Benutzer oder ihre Umgebung sammeln. Das macht die sprachgesteuerte WLAN-Box genauso wie die smarte Türklingel, der Herzschrittmacher oder der intelligente Staubsauger-Roboter. All diese und noch viel mehr Anwendungen nutzen Verfahren, die im weitesten Sinne unter Tracking fallen.
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird mit Tracking jedoch meist die Ortung eines Objekts verstanden. Tracking hat dann das primäre Ziel, die aktuelle Position eines Gegenstandes oder eines Lebewesens zu bestimmen. Dabei gibt es für das zu verfolgende Objekt kaum Grenzen, alles kann getrackt werden: Schlüssel, Brillen, Brieftaschen, Smartphones, Rucksäcke, Pakete, Werkzeuge, Fahrzeuge, aber auch Haustiere und Menschen. Die globale Logistik und der Transport von Waren und Gütern wären ohne Tracking-Technologien kaum noch vorstellbar.
Unterschiedlichste Technologien
Als technische Basis für ein Tracking werden je nach Anwendung unterschiedliche Verfahren genutzt. Im Prinzip kann jede kontaktlose Möglichkeit zum Datenaustausch einem Tracking dienen, ob GPS, Bluetooth, Mobilfunk, NFC, RFID oder vergleichbare Technologien. Wenn zum Beispiel beim Überwachen eines Luftraums Radar zum Einsatz kommt, ist auch dies letztlich ein Trackingverfahren.
Durch die zunehmende Digitalisierung und Miniaturisierung elektronischer Komponenten und Sensoren sind die Tracking-Elemente im Lauf der Zeit immer kleiner geworden. Sie werden an Gegenständen befestigt, als Etikett aufgeklebt oder in den zu verfolgenden Gegenstand integriert. Beim Tracking von Lebewesen kann der Tracker am Körper oder an der Kleidung befestigt sein oder auch unter die Haut injiziert werden.
Ein Tracking bedarf jedoch nicht zwangsläufig eines physischen Senders in Form eines Transponders oder GPS-Chips. Ein Tracken kann auch – so zum Beispiel beim Voice-Tracking – akustisch über Stimmen, Klänge oder Geräusche erfolgen. Darauf beruht etwa das sogenannte Speaker-Tracking von cleveren Webkonferenz-Anwendungen. Dabei wechselt die Webcam von selbst, das heißt ohne Steuerung durch einen Bediener oder Regisseur, zwischen dem Vollbild der Teilnehmerrunde und dem jeweiligen Sprecher in Nahaufnahme.
Gesundheit, Ergonomie, Sicherheit
So vielgestaltig wie die Tracking-Verfahren sind auch deren Einsatzziele. Oft wird Effizienz als wichtigstes Ziel genannt, etwa wenn Transporte, Logistikprozesse oder Produktionsabläufe mithilfe von Trackingtechnologien optimiert werden sollen. Doch nicht selten stehen auch Sicherheitsaspekte im Vordergrund, etwa beim Tracking zum Diebstahlschutz, bei der elektronischen Fußfessel oder beim Weglaufalarm eines Hundehalsbandes.
Nicht wenige Tracking-Anwendungen haben einen engen Bezug zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zum Beispiel:
- Gesundheit
Typisch sind die inzwischen weit verbreiteten Fitness-Apps, die auf dem Handy die spazierten, gejoggten, geradelten oder geschwommenen Strecken aufzeichnen, auswerten und das Training optimieren. Smartwatches verfügen zudem über Sensoren für Vitalparameter und raffinierte Zusatzfunktionen. Psychologen warnen jedoch davor, dass ein solches „Self-Tracking” auch zur Manie werden kann. Denn die anfängliche Faszination, die eigene sportliche Leistung anhand von Zahlen und Statistiken zu erfassen und zu visualisieren, kann zur Belastung umschlagen, sich selbst ständig optimieren zu wollen.
- Ergonomie
Trackingverfahren erlauben es, Bewegungsmuster am Arbeitsplatz zu analysieren und hinsichtlich ergonomischer Aspekte auszuwerten. Ob das manuelle Handhaben von Lasten oder das Montieren über Kopf mit Unterstützung durch ein Exoskelett – digitale Bewegungsdaten können zur menschengerechten Planung und Gestaltung von Arbeitsprozessen beitragen. Als Motion Capture bezeichnet wurden solche Verfahren ursprünglich für die Filmindustrie entwickelt: Virtuelle Figuren werden am Computer mit den Bewegungsdaten eines echten Menschen versehen, was einen Eindruck von Echtheit schafft, der – zumindest bislang – mit künstlicher Intelligenz nicht erreichbar war.
Ein ähnliches Motion-Tracking ist essenziell für die meisten Anwendungen aus dem Bereich der virtuellen (VR) oder erweiterten Realität (AR). Um zum Beispiel das Bekämpfen eines Brandes per Datenbrille in simulierten Feuerszenarien zu trainieren, ist eine Tracking-Technik nötig, welche die Bewegungen des Brillenträgers in Echtzeit erfasst und auswertet.
- Unfallverhütung
Intelligente, WLAN-vernetzte und GPS-getrackte Arbeitsschuhe könnten zum Beispiel Bewegungsmuster auswerten, vor Gefahrenstellen warnen oder sich mit den ebenso getrackten Staplern abstimmen, um Kollisionen von Mensch und Maschine zu verhindern. Nicht neu ist, dass berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen (BWS) an Maschinen die Position des Maschinenbedieners erfassen und dafür sorgen, dass die gefährliche Bewegung stoppt, sobald ein Sicherheitsabstand unterschritten wird. Auch in der kollaborativen Robotik, das heißt wenn Mensch und Roboter Hand in Hand arbeiten, müssen ständig Position und Bewegungen verfolgt werden, um Kollisionen zu vermeiden.
Ein solches Orten von Personen und Maschinen in Arbeitsumgebungen muss jedoch nicht auf ein konkretes und begrenztes Umfeld wie den Gefahrenbereich einer Presse oder eines Rührwerks beschränkt bleiben. Hier gibt es viele Szenarien, bei denen das Orten von Personen auch dem Arbeitsschutz zugutekommen kann. Ein Beispiel: Ereignet sich in einem Unternehmen mit vielen Gebäuden und großem Freigelände ein Störfall, könnte eine Software in Sekundenbruchteilen nicht nur erfassen, welcher Servicetechniker sich gerade in der kürzesten Distanz befindet oder von wo das erforderliche Werkzeug oder Ersatzteil am schnellsten erreichbar ist. Auch Ersthelfer und Betriebssanitäter samt Rettungstragen, Defibrillatoren etc. könnten in einem solchen System zentral erfasst werden. Wenn Tracking dazu führt, dass vorhandene Ressourcen, ob Mensch oder Material, gezielter angefordert und eingesetzt werden, kann dies – konsequent weitergedacht – auch Unfallfolgen vermindern oder gar Leben retten.
- Personenschutz
Trackingsysteme sind unerlässlich für Alleinarbeiter. Als Personen-Notsignal-Anlagen lösen sie im Notfall willensabhängig oder autonom einen Alarm aus und zeigen einer Leitwarte an, wo sich der Alleinarbeitende befindet. Diese Systeme werden immer ausgefeilter. Auch können die Tracking-Module mit Sensoren ausgestattet werden, welche Umgebungsbedingungen erfassen wie Temperatur, Helligkeit oder Luftfeuchte. Andere Tracker registrieren – analog einer Smartwatch – die Vitalparameter ihres Trägers wie die Herz- und Atemfrequenz oder die Körperhaltung. Hier ermöglicht das Tracking ein Frühwarnsystem, indem es physische Belastungen, Müdigkeit, Bewegungslosigkeit oder einen Sturz erkennt und Alarm auslöst. Auch die Module zum Erfassen giftiger Gase oder anderer Gesundheitsgefährdungen werden immer kleiner und leistungsfähiger. In komplexeren Anwendungen ist das Tracking nur ein Bestandteil vielfältiger und leistungsfähiger Überwachungstechnologien, die mehr und mehr durch künstlich intelligente Software gesteuert und ausgewertet werden.
- Zutrittssteuerung
Tracking kann genutzt werden, um die Zutrittsrechte zu sicherheitsrelevanten Bereichen zu steuern und unbefugten Personen den Zugang zu verweigern. Dies kann mit weiteren Anforderungen verknüpft werden. So förderte die DGUV zum Beispiel schon vor mehr als 10 Jahren ein Forschungsprojekt, das untersuchte, inwiefern das Kontrollieren der PSA auf Vollständigkeit mithilfe von RFID automatisiert und mit einer Zugangskontrolle verbunden werden kann.
- Inklusion
Beim Eye-Tracking werden die Blickrichtungen, Blickbewegungen und der Lidschluss (Blinzeln) erfasst und analysiert. Mit etwas Übung lassen sich auf diese Weise berührungslos Computer nutzen, Geräte bedienen und Arbeitsprozesse steuern. Die technischen Möglichkeiten im 4.0‑Zeitalter erweitern sich und eröffnen neue Chancen für Menschen mit Einschränkungen, auch im Arbeitsleben. Gerade bei solchen Anwendungen kann der Grundsatz realisiert werden, dass sich die Technik dem Menschen anpassen sollte und nicht umgekehrt.
Datenschutz und Datenhoheit
Die faszinierenden Einsatzmöglichkeiten von Trackingtechnologien dürfen nicht zu einem unbedarften Umgang damit führen. Gegen die Verfahren an sich ist aus Arbeitsschutzgründen wenig einzuwenden, ein Tracking führt in der Regel zu keinen akuten Verletzungsgefahren. Die DGUV selbst empfiehlt Apps zur Bewegungsförderung, mit denen Bildschirmarbeiter und Vielsitzer ihre Trainingseinheiten tracken und mit anderen online teilen können. Doch wer hinterfragt angesichts all dieser mannigfachen Verführungen in einer digitalen und vernetzten Welt schon, ob er das auch wirklich will?
Ob man seine privaten Gesundheitsdaten mit Freunden teilt, in den eigenen vier Wänden einen Sprachassistenten nutzt oder sich gegen ein Online-Tracking durch Cookies wehrt, ist jeweils eine persönliche Entscheidung. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber am Arbeitsplatz Tracking-Verfahren einsetzt. Hier tauchen viele Fragen auf, die den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte betreffen, zum Beispiel:
- Auf welche Weise werden Mitarbeitende geortet und welche Parameter werden dabei erfasst?
- Wo werden diese Daten gespeichert und auf welche Weise, zum Beispiel anonym oder verschlüsselt?
- Wer hat Zugriff auf die gesammelten Trackingdaten?
- Wem gehören die Daten, inwiefern dürfen sie weiterverarbeitet oder verkauft werden?
- Können die erhobenen Daten genutzt werden, um die Arbeitsleistung des Einzelnen zu messen?
- Wie wird geregelt, ob und welche Daten das Unternehmen verlassen, zum Beispiel in Richtung Versicherer, Krankenkassen, Behörden oder Werbevermarkter?
- Wann werden die Daten wieder gelöscht?
- Hat jeder die Möglichkeit, seinen eigenen Datenauszug anzufordern und einzusehen?
Sicherheitsbeauftragte werden solche Fragen aus dem Kollegenkreis kaum allein klären können. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und die offene Kommunikation mit den verantwortlichen Vorgesetzten, den Datenschutzbeauftragten und gegebenenfalls auch mit den Anbietern der Trackingtechnologien ist unbedingt notwendig. Auch der Betriebs- beziehungsweise Personalrat hat hier eine wichtige Rolle. Niemand muss beim Thema Tracking in Panik verfallen, aber Ängste und Vorbehalte dürfen auf keinen Fall ausgeklammert werden und auf alle Fragen zum Umgang mit den erfassten Daten sollte es eindeutige Antworten geben.
Schutzengel oder Stressfaktor?
Über die Datenschutzaspekte hinaus sollte bei Trackingverfahren trotz aller Vorteile stets hinterfragt werden, was diese Technik mit dem getrackten Menschen macht. Der Chef, der dank GPS-Tracking mobiler Arbeitsplätze in Echtzeit sieht, wo welches Fahrzeug unterwegs ist, muss keine Kontrollanrufe mehr tätigen. Doch was empfindet ein Außendienstler oder Monteur dabei? Überwacht zu werden, kann zweifellos das Gefühl von Sicherheit verstärken. Aber das Gefühl ständigen Kontrolliert- und Verfolgtwerdens – genau das ist das Kernelement von Tracking – kann auch umschlagen zu einem Stressfaktor.
Bewusstmachen sollte man sich auch, dass der Mensch und seine Arbeitsleistung durch Trackingmethoden austauschbarer werden. Ein Beispiel dazu: Kannte man früher noch „seinen“ Postboten – und der Postler seine Klientel, die Fahr- und Laufwege usw. – so ist dank GPS und Navi heute jeder Postmitarbeiter überall einsetzbar. Eine gute Ortskenntnis als notwendige Qualifikation ist weggefallen. Für das Personalmanagement und die Einsatzplanung ist dies zweifellos ein riesiger Vorteil, doch empfinden das auch die Mitarbeitenden vor Ort so?
Wenn in digital vernetzten Produktionsumgebungen immer mehr Prozesse – und damit auch die Aktionen und das Verhalten der Beschäftigten – sensorüberwacht sind und elektronisch erfasst werden, kann dies zweifellos die Effizienz beflügeln. Aber es kann auch zur Arbeitsverdichtung beitragen. Ein Echtzeit-Tracking von Waren, Produkten und Transporten wird nebenbei die Optionen zur Arbeitskontrolle intensivieren. Wenn dann noch neue Arbeitsmittel wie Datenbrillen oder Exoskelette dazu kommen oder in der Nachbarabteilung die Kollegen bereits durch Kommissionierroboter ersetzt wurden, werden Verunsicherung, Ängste und psychische Belastungen zunehmen. Sicherheitsbeauftragte sind gut beraten, sich dem Thema Tracking aktiv zu stellen, sich ein Grundverständnis anzueignen, in der eigenen Arbeitsumgebung kritische Fragen zu stellen und sich eine gesunde Skepsis zu bewahren.
War es in früheren Kulturen den Göttern vorbehalten, vom Himmel oder Olymp aus auf die Erde zu blicken, alles zu sehen und den Menschen auf Schritt und Tritt zu „tracken“, so schafft das heute ein kleines Gerät für wenige Euro. Und genau wie in Religion und Mythen kann das Orten und Verfolgen die Rolle eines Schutzengels erfüllen, aber auch zur Bedrohung werden. Hier gibt es keine Pauschalrezepte, um psychischen Fehlbelastungen vorzubeugen. Denn es spielen technische Aspekte mit gesellschaftlichen Trends und individuellen Eigenheiten zusammen. Entscheidender Faktor für eine emotionale Belastung durch Tracking am Arbeitsplatz ist nicht zuletzt, welchen Stellenwert Vertrauen und Transparenz in der Unternehmenskultur haben.