Die deutsche Bauwirtschaft kommt auch Ende 2023 nicht aus dem Krisenmodus. Als Konsequenz auf Materialengpässe, Energiepreissteigerungen und Zinswende geraten beispielsweise Projektentwickler vermehrt unter Druck. Ein Thema, über das währenddessen zu wenig gesprochen wird: der Arbeitsschutz. Dieser darf nicht unter wirtschaftlichem Abschwung leiden.
Vor allem in der heutigen Zeit müssen sich Mitarbeiter in Firmen aller Größen auf ein Maximum an Arbeitsschutz verlassen können. Die deutsche Bauwirtschaft erlebt derzeit nach Jahren des Booms wirtschaftlich schwere Zeiten, sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich. Die Zahlen im Neubau brechen ein – und für das kommende Jahr ist mit Blick auf die weiter zurückgehenden Baugenehmigungen auf absehbare Zeit keine Besserung in Sicht.
Einbrechendes Neubaugeschäft gepaart mit stark steigenden Baukosten und signifikant gestiegenen Zinsen: Das ergibt eine wenig ermutigende Gemengelage gerade für viele mittelständische und große Projektentwickler in Deutschland. Mehrere Gesellschaften mussten daher schon ihr Aus vermelden.
Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass weitere Projektentwicklungsfirmen noch an die Nähe der oder schlimmstenfalls sogar in die Insolvenz rutschen. Gerade kleinere Entwickler, die schon in durchschnittlichen Marktzeiten aufs Geld schauen, müssen jetzt noch mehr auf ihre Ausgaben achten.
Sparen ist daher für etliche Marktteilnehmer eine dringende Notwendigkeit geworden. Doch es kann auch an der falschen Stelle gekürzt werden. Wenn es den „falschesten“ Bereich gäbe, wäre es sicherlich der des Arbeitsschutzes. Denn nichts sollte in Branchenunternehmen so wichtig sein, wie die Sicherheit der Beschäftigten bei ihrem Tagewerk, egal ob Kleinunternehmen oder Großkonzern.
Wie sicher das Arbeiten ist, hängt auch von der Firmengröße ab
Der neueste „Dekra Arbeitssicherheitsreport 2023“ zeigt allerdings: Wie sicher das Arbeiten in Unternehmen ist, hängt auch von der Firmengröße ab. Für den Report hat das Forsa-Institut rund 1500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt. Rund die Hälfte der Beschäftigten in Firmen mit weniger als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt dabei an, dass es keine regelmäßige Unterweisung für Arbeitsschutz und Brandschutz gibt – obwohl dies vorgeschriebene gesetzliche Pflicht ist.
Zum Vergleich: In großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gibt es bei 87 Prozent eine regelmäßige Unterweisung, mittelgroße Betriebe (50 bis 500 Mitarbeiter) kommen auf 69 Prozent, so die Untersuchung.
Je kleiner die Firma, desto höher also das potenzielle Unfallrisiko. Das unterstreichen auch die Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): Danach weisen Betriebe mit zehn bis 49 Beschäftigten die höchste Arbeitsunfallquote auf. Im statistischen Durchschnitt ereignen sich bei diesen Firmen 29,5 Unfälle pro 1000 Beschäftigte.
Bei den Großunternehmen sind es mit 17,7 Unfällen etwa halb so viel. Bedenklich: Unter den kleineren Firmen sind viele Bauunternehmen zu finden. Gerade hier gilt es auf dem Baugerüst, bei Leitungsarbeiten oder dem Transport Arbeitssicherheit prioritär zu behandeln.
Mit der nun begonnenen Insolvenzwelle unter den Projektentwicklern stellt sich insofern die fundamentale Frage: Wird oder kann in der Not zulasten der Arbeitssicherheit gespart werden? Klare Antwort: in keinem Fall. Hoher Kosten- und Zeitdruck dürfen nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz vernachlässigt wird.
Wenn die Verantwortung für Sicherheit und Qualität ungenau ausgeübt und nicht nachvollziehbar ist, sind Mängel und Arbeitsunfälle vorprogrammiert, die das jeweilige Projekt dann zusätzlich weit zurückwerfen. Insofern ist mangelnder Arbeitsschutz auch ein Stück weit ein wirtschaftliches Risiko.
Arbeitssicherheit elementar in Unternehmensphilosophie verankert
Unternehmen, die unter Kostendruck stehen, sollten an anderen Stellschrauben drehen: Einsparungen bei für den Unternehmenserfolg nicht entscheidenden Produkten ist die deutlich bessere Lösung. Etliche Unternehmen im Gebäudesektor haben daher bereits seit langem das Thema Arbeitssicherheit elementar in der Unternehmensphilosophie verankert.
Die Unfallhäufigkeit liegt in ausgewählten Firmen – wie beispielsweise Caverion Deutschland – bei 1,89 Arbeitsunfällen pro eine Million geleisteter Arbeitsstunden. Ein messbar geringes Risiko. Und damit nicht genug: Auch der Branchendurchschnitt von 32,37 in der Bauwirtschaft (2021), wird um gut das 17-Fache unterschritten.
Obwohl die Arbeitsunfallhäufigkeit daher – verglichen mit dem Branchendurchschnitt – bereits auf einem sehr niedrigen Niveau liegt, so bleibt das feste Ziel, die Zahlen noch weiter zu drücken, weiterhin bestehen. Denn jeder Unfall ist einer zu viel.
Nur was können Maßnahmen sein, um in Unternehmen ein Mehr an Arbeitssicherheit zu schaffen? Einer der ersten Schritte: eine eigenständige Abteilung für das Thema aufbauen und schulen. Grob fahrlässig wäre es hier, den Bereich kleinzureden und auf einige wenige Schultern zu verteilen.
Wer mehr Zeit im Vorfeld investiert und Mitarbeiter aufklärt, trägt maßgeblich dazu bei, Unfälle und teure Folgekosten zu verhindern. Auch eine klare digitale Dokumentation von Audits, Baustellen- und Objektchecks sowie Sicherheitsbegehungen hilft bei der Verhinderung von Arbeitsunfällen. Dokumentations-Tools für Arbeitssicherheit bringen dabei deutlich mehr Übersicht und Struktur als papiergestützte Dokumentationen, die zudem im Worst Case verloren gehen können.
Das beste Mittel im Kampf gegen Arbeitsunfälle ist und bleibt jedoch die Prävention. Die Spanne der Möglichkeiten reicht dabei von Newslettern über zielgruppengerechte Arbeitsschutzkampagnen, regelmäßige Sicherheitsbegehungen bis hin zu Sicherheitsschulungen vor Ort an der Baustelle.
Bei den Maßnahmen für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit ist Innovation und Kompromisslosigkeit gefragt. Daher gilt auch in Krisenzeiten: Security first – Vernachlässigung last.
Autor: Franz Wudy, Leiter Sicherheit & Gesundheit, Caverion Deutschland