In vierzehn der sechzehn Bundesländer gibt es den gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. Ausnahmen sind Bayern und Sachsen. Fünf Arbeitstage (beziehungsweise sechs im Saarland) können jährlich bezahlt zur Weiterentwicklung genutzt werden. Bei Teilzeitbeschäftigten reduziert sich der Anspruch entsprechend ihres Beschäftigungsverhältnisses.
Wer ist berechtigt?
Berechtigt sind alle Arbeitnehmenden und Auszubildenden in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Dienst. Für Beamte gelten die Regelungen des Sonderurlaubs. Bisher nehmen allerdings nur ein bis zwei Prozent aller Arbeitnehmenden ihren Anspruch auf Bildungsurlaub wahr. Das mag unter anderem an den vielen Sonderregeln liegen, die von Bundesland zu Bundesland variieren, wie etwa
- eine mindestens vorausgegangene sechs- bis zwölfmonatige Beschäftigungsdauer im Unternehmen oder
- eine Begrenzung je nach Betriebsgröße beziehungsweise Zahl der Interessierten.
Warum Bildungsurlaub?
Für einen Bildungsurlaub, der oft auch Bildungsfreistellung genannt wird, sprechen viele gute Gründe: Bildungsurlaub …
- kann der beruflichen Weiterbildung, der politischen Bildung oder der persönlichen Entwicklung dienen
- schafft Abstand vom Arbeits- und Lebensalltag
- bedeutet selbstbestimmtes Lernen und Austausch mit anderen
- findet in entspannter Lernatmosphäre statt
- bietet Raum und Zeit für Erholung
- kann zur Stressbewältigung, Eigenständigkeit und Konfliktlösung beitragen
- macht Freude und fördert die Motivation
- unterstützt die Gesundheit und steigert die Lebenszufriedenheit
- gibt es in der Nähe, für jene, die lieber zu Hause übernachten möchten, aber auch an besonderen Orten und in Ferienzeiten, damit Familienmitglieder mitkommen können
Wie bekomme ich Bildungsurlaub?
Es liegt in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, den Beschäftigten Weiterbildung zu ermöglichen. Um den Bildungsurlaub an sich muss sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin jedoch selbst kümmern. Das beinhaltet:
- Gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub klären. Dabei ist das Bundesland entscheidend, in dem man arbeitet.
- Seminar oder Kurs mit offizieller Anerkennung auswählen. Über die Ausrichtung und den Inhalt entscheidet ausschließlich der Arbeitnehmende.
- Sich frühzeitig anmelden. Oft ist die Teilnehmerzahl begrenzt und es sollte zudem ausreichend Zeit für die Beantragung im Betrieb sein. Mit der Anmeldung kommt ein Vertragsverhältnis mit dem Bildungsträger zustande.
- Antrag auf Bildungsurlaub schriftlich beim Arbeitgeber einreichen. Das muss je nach Bundesland vier bis neun Wochen vor Beginn der Veranstaltung erfolgen. Dazu gehören auch Informationen des Bildungsträgers zum Seminar wie Seminarnummer, Zielgruppe, Zeiten, Lernziele und ‑inhalte.
- Abgabe des Antrags schriftlich bestätigen lassen.
Ablehnung möglich
Arbeitgeber haben gegebenenfalls das Recht, einen Antrag auf Bildungsurlaub abzulehnen – unter anderem aus folgenden Gründen:
- In einigen Bundesländern müssen Kleinunternehmen mit fünf – in anderen mit weniger als zehn – Mitarbeitenden keinen Bildungsurlaub gewähren.
- Wegen des Bildungsurlaubs können Fristen oder Abgabetermine im betrieblichen Ablauf nicht eingehalten werden.
- Es sind zu viele Kolleginnen und Kollegen krank oder im Urlaub.
Allgemeine betriebliche oder wirtschaftliche Gründe reichen allerdings nicht aus, um einen Antrag abzulehnen.
Wer bezahlt?
Die Zeit während des Bildungsurlaubs wird steuer- und arbeitsrechtlich genauso behandelt wie die sonstige Arbeitszeit. Der Arbeitgeber zahlt während des Bildungsurlaubs weiterhin den Lohn/das Gehalt.
Die Arbeitnehmenden übernehmen die Kosten für Seminargebühren, Fahrten und/oder Unterkunft sowie Verpflegung. Diese Ausgaben können als berufliche Weiterbildung bei der Einkommens- und Lohnsteuer geltend gemacht werden.
Welche Angebote gibt es?
Das Angebot der zertifizierten Anbieter ist groß und vielfältig. Wichtig ist, dass die Seminare oder Kurse staatlich anerkannt sowie inhaltlich und formal genehmigt sind. Sie müssen zudem allen Interessierten offenstehen sowie in der Regel fünf Tage dauern.
Allerdings müssen sie nicht zwingend etwas mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben. Denn Bildungsurlaub soll neben der beruflichen Weiterbildung auch politische Bildung ermöglichen oder Arbeitnehmende in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und stärken.
Zu den Angeboten zählen Sprach- oder Computerkurse ebenso wie Seminare aus den Bereichen Psychologie, Gesundheit, Ökologie, Umwelt und vieles mehr. Einige Bundesländer erlauben auch die Teilnahme an zertifizierten Veranstaltungen im Ausland. Das kann dann zum Beispiel „Wandern in der Algarve“ sein oder ein „Intensivkurs Spanisch“ in Valencia.
Nach dem Bildungsurlaub
Am Ende des Bildungsurlaubs gibt es eine Teilnahmebestätigung. Diese gilt als Nachweis und ist umgehend nach Rückkehr an den Arbeitsplatz beim Arbeitgeber einzureichen.
Drei Fragen an Ute Zumkeller
Die eigenen Ziele fokussieren
Den Kopf frei bekommen und sich auf sich selbst besinnen. Auch dazu bietet sich Bildungsurlaub an. Ute Zumkeller, zertifizierte Trainerin und Coach für intuitives Bogenschießen, erklärt, wie man sich mit Pfeil und Bogen besser kennenlernen kann.
Intuitives Bogenschießen hört sich exotisch an. Warum eignet es sich als Bildungsurlaub?
Intuitives Bogenschießen ist leicht zu erlernen. Manche haben als Kind schon einmal aus einer Haselrute und einem Stück Schnur einen Bogen gebaut und damit experimentiert. Andere denken bei der Anmeldung zum Kurs an Abenteuer, frische Luft und ein spielerisches Kopfabschalten.
In der Weise, wie ich Bogenschießen anleite, ist es Persönlichkeitsentwicklung. Es geht um die Auseinandersetzung mit sich selbst. Der Bewegungsablauf des Bogenschießens kann dabei spiegeln, welche Fragen die Teilnehmenden gerade beschäftigen oder welche Haltung sie zu einem bestimmten Thema – zum Beispiel auf ihrer Arbeit – haben.
Sie lernen sich zu fokussieren und erfahren: Wie viel Kraft benötige ich, um dem Pfeil die nötige Energie auf dem Weg zu seinem Ziel mitzugeben? Oder wie gehe ich damit um, wenn ich die Scheibe verfehle? Bedeutet das auch, dass ich mein Ziel nicht erreiche? Oder wie reagiere ich zum Beispiel als Führungskraft, wenn meine Mitarbeitenden ihre Ziele nicht erreichen?
Was erwartet die Teilnehmenden beim intuitiven Bogenschießen?
Kurz und knapp gesagt: Viel draußen sein. Ruhe. Fokussierung auf sich selbst. Teil einer Gruppe sein. Intensive Gespräche und Austausch über die eigenen beruflichen oder privaten Themen. Ganzheitliches Erleben. Und ich gebe Anregungen, wie sich das, was mit dem Bogen erlebt wird, auf den Alltag übertragen lässt.
Meine Angebote finden immer an besonderen Orten statt, die Kraft und Energie ausstrahlen, eine ruhige Unterkunft und leckere Verpflegung bieten. Das kann ein Kloster oder eine ehemalige Schule sein. Das Bogenschießen an sich erfolgt in der Natur, in wunderschönen Landschaften.
Für wen ist intuitives Bogenschießen als Bildungsurlaub geeignet?
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einmal Abstand vom Beruf und der täglichen Routine möchten und jenseits der gewohnten Umgebung etwas Neues erlernen wollen. Es nehmen aber auch Menschen daran teil, die Bogenschießen bereits kennen und ihr Können vertiefen oder unter einem neuen Aspekt ausprobieren wollen.
Für sie ist es spannend, mit dem immer gleichen Bewegungsablauf zu experimentieren. Beim Bildungsurlaub „Intuitives Bogenschießen“ macht man seine individuelle Erfahrung mit Pfeil und Bogen und erlebt sich gleichzeitig als Teil einer Gruppe. Das macht den Mehrwert aus.
Linktipps
- InfoWeb Weiterbildung, Bildungsurlaub in Deutschland unter www.iwwb.de Bildungsurlaub
- Interaktive Karte mit den jeweiligen Bestimmungen zur bezahlten Freistellung nach Bundesland unter www.kursfinder.de/ratgeber/bildungsurlaub-14199
Finanzielle Unterstützung vom Land
Um die Kosten für Arbeitgeber zu begrenzen beziehungsweise aufzufangen, gibt es zum Beispiel …
- in Rheinland-Pfalz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einen pauschalierten Erstattungsanspruch für die Lohnkosten (§ 8 Bildungsfreistellungsgesetz Rheinland-Pfalz).
- in Mecklenburg-Vorpommern auf Antrag 55 Euro pro Tag für berufliche und 110 Euro für politische Weiterbildung beziehungsweise für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten als Erstattung vom Land.
Yoga-Kurs ist Bildungsurlaub
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschied 2019, dass ein fünftägiger Kurs der Volkshochschule mit dem Titel „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“ mit seinen Inhalten geeignet sei, den Umgang mit beruflichem Stress zu trainieren und gegen Burnout vorzubeugen.
Aufgrund des didaktischen Konzepts des Kurses sah es das Gericht als gegeben an, dass ein Ziel des Bildungsurlaubs, Beschäftigte gegen den ständigen und zunehmend schnelleren sozialen und technischen Wandel zu stärken, gegeben sei.
Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. April 2019 (Az.: 10 Sa 2079/18)