Irgendwie ging mir schon länger im Kopf herum, dass ich Sie gerne mal in den Mittelpunkt unserer Zeitschrift stellen wollte. Üblicherweise lesen Sie in Sicherheitsingenieur fachliche Beiträge, Interviews oder Meldungen. Und das mit großem Interesse: Das Feedback ist meistens gut bis sehr gut und die Abozahlen stabil. Das freut uns besonders, denn sich vorwiegend über Abonnements zu finanzieren, ist heutzutage nicht ganz so einfach.
Kurz nachdem ich den Beitrag von Clara Röder zum Thema „Storytelling im Arbeitsschutz“ erhalten habe, kam mir der Gedanke: „Eine Geschichte zu erzählen hat doch jeder, jede Sifa, jeder Sicherheitsingenieur und jede Sicherheitsingenieurin.“ Kurzentschlossen, habe ich auf LinkedIn meine Follower gefragt, ob ein paar als „ganz normale Leserinnen und Leser“ für ein Kurz- interview zur Verfügung zu stehen. Und die Rückmeldung war wirklich hervorragend! Gesagt und getan: An diejenigen, die sich bei mir gemeldet haben, habe ich Interviewfragen geschickt. Einige der Kurzinterviews können Sie in dieser Ausgabe hier lesen. Weitere werden wir in den kommenden Ausgaben veröffentlichen. Ich finde die Bandbreite der Erfahrungen, Ansichten und Meinungen wirklich beeindruckend – besonders die hohe und sehr positive Motivation! Doch lesen Sie selbst.
Feedback können Sie mir gerne geben unter:
Prävention hat Vorteile für Alle
Lisa Bons, Manager Arbeitssicherheit International bei der DAW SE in Ober-Ramstadt. E‑Mail: lisa.bons@daw.de
www.daw.de
Was hat Sie zu einem Beruf im Arbeitsschutz bewegt und was motiviert sie tagtäglich sich dafür zu engagieren?
Durch meinen Vater, der selbst Sifa ist, bin ich bereits während meines Studiums zur Ingenieurin mit dem Thema Arbeitsschutz in Berührung gekommen. Als ich mich auf Anlagensicherheit spezialisierte und schließlich auch meine Abschlussarbeit im Bereich Arbeitsschutz schrieb, gab es immer wieder reichlich Fachgespräche am Familientisch über diverse Themen rund um Arbeitssicherheit. Oft berichtete mein Vater von schwierigen Diskussionen, wenn es um Verbesserung im Arbeitsschutz ging. So entstand bei mir der Eindruck, dass es im Arbeitsschutz oft aufgrund von fehlender Akzeptanz vorranging um Überzeugungsarbeit geht. Vielleicht war es genau das, was mich am Ende gereizt hat, den beruflichen Weg schlussendlich voll und ganz in Richtung Arbeitsschutz einzuschlagen. Denn nachdem ich mich ausführlich mit Arbeitssicherheit und den Vorteilen des proaktiven Einsatzes hierfür auseinandergesetzt hatte, war für mich klar, dass Arbeitsschutz viel mehr bewirkt als die Sicherheit eines Mitarbeiters. Für mich persönlich steht der Schutz des Mitarbeiters an erster Stelle, und genau damit motiviere ich mich auch. Ich bin froh, wenn ich Feierabend mache und keine Unfallmeldung eingegangen ist. Als Arbeitsschützer sieht man oftmals keinen sofortigen messbaren Erfolg, und von außen bekommt man meist wenig Lob für das Ergebnis, dass nichts passiert ist. Wenn es aber einen schwereren Unfall gab, dann werden die Stimmen laut.
Worin besteht Ihrer Meinung nach die Herausforderung als Arbeitsschützer?
Eine Herausforderung ist wahrscheinlich, sich immer wieder neu zu motivieren. Mein bisheriges Berufsleben hat mir gezeigt, dass es in der Praxis oft noch so ist, dass wir erst hinzugezogen werden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Sofort sollen wir dann mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wohingegen wir, wenn wir Präventionsarbeit leisten möchten, bildlich gesehen, auf Abstand gehalten werden. Hier heißt es, Durchhaltevermögen zeigen und hartnäckig sein. Umso wichtiger ist es, dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir generell mit unserer Arbeit die Gesundheit der Mitarbeiter schützen und fördern. Weiter finde ich aber auch schön, und davon bin ich auch überzeugt, dass unsere Arbeit den Erfolg und Profit des Unternehmens steigert. Damit meine ich nicht nur, dass die Arbeit als Arbeitsschützer beispielsweise hilft, Kosten zu vermeiden, die durch Ausfälle nach einem Arbeitsunfall entstehen, sondern dass wir auch proaktiv zu mehr Profit beitragen. Die Präventionsarbeit, die wir leisten und bei der wir die Führungskräfte unterstützen, kann nachweislich auch die Motivation der Mitarbeiter fördern, die Kommunikation von Fehlern verbessern, Verbesserungsvorschläge bewirken sowie Prozesse effektiv und effizient gestalten. Am Ende wird das Unternehmen so produktiver. Ich weiß, dass dies nur bedingt messbar gemacht werden kann. Trotzdem müssen wir uns das immer wieder bewusst machen.
Sie arbeiten nicht als Sifa in einem Betrieb, sondern auf globaler Ebene im Arbeitsschutz. Was ist das Schöne daran?
Richtig. Nachdem ich sowohl lokal wie auch global im Arbeitsschutz Erfahrung gesammelt habe, koordiniere ich seit September bei der DAW SE das Thema international. Eine solche zusätzliche globale Arbeitsschutzorganisation in einem großen Unternehmen bringt viele Vorteile mit sich. Neben dem Schaffen eines einheitlichen Berichtwesens bezüglich Vorfällen kann so ein Netzwerk gebildet werden, um „Best Practice“ auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Zudem kann mit unternehmensweiten Standards der Arbeitsschutz international auf ein einheitliches hohes Niveau gebracht werden, teilweise noch höher als die landesspezifischen Anforderungen. Das Schöne an meiner Rolle ist, dass ich durch meine Arbeit den Kollegen an den einzelnen Standorten helfen kann, sich kontinuierlich im Arbeitsschutz zu verbessern. Ich bilde eben dieses genannte Netzwerk, kann mein Wissen und Erfahrungen weitergeben, Werkzeuge entwickeln und damit Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsalltag erleichtern.
Was kann man hinsichtlich Arbeitssicherheit in der Industrie noch verbessern? Was wünschen Sie sich?
Welche Vorteile proaktiver Einsatz für den Arbeitsschutz mit sich bringt, haben viele Unternehmen bereits erkannt und sich schon entsprechend ausgerichtet oder sind gerade dabei. Dieser Wandel in der Industrie freut mich. Dennoch gilt es, hier weiter zu machen und diese Entwicklung durch Kommunikation, Information und noch mehr Aufklärungsarbeit zu fördern. Wenn das richtige Verständnis der Bedeutung von Arbeitssicherheit in der Unternehmensleitung geschaffen wurde und von dort Unterstützung kommt, ist der nächste Schritt, die Führungskräfte mit ins Boot zu holen. Und hier kommen wir zu einem Punkt, bei dem wir meines Erachtens in der Industrie noch Nachholbedarf haben. Viele Führungskräfte sind im Bereich Arbeitsschutz zu wenig ausgebildet beziehunsweise sind sich ihrer Verantwortung und Pflichten nicht bewusst. Das soll kein Vorwurf sein. Im Gegenteil, ich glaube, dass wir hier noch zu wenig Aufklärungsarbeit leisten. Die Führungskräfte müssen richtig und auch verpflichtend geschult werden. Sie müssen wissen, wie sie ihren Zuständigkeitsbereich sicher organisieren, und dafür müssen sie vorbereitet werden und entsprechende Werkzeuge an die Hand bekommen. Gelingt dies, entsteht eine „Win-win-Situation“, sodass die Beschäftigten einen sicheren Arbeitsplatz haben und die Führungskräfte rechtssicher aufgestellt sind. Prävention hat Vorteile für Alle.
Deutschland spielt noch in der „HSE-Kreisliga“
Sicherheitsingenieur Foad Masarwa ist ein Fachmann für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt (HSE) mit mehr als 21 Jahren internationaler Erfahrung in Europa, Asien, Afrika, im Nahen Osten und in den USA. Er besitzt eine progressive Einstellung zu seiner Arbeit und zur Lösung von Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf HSE-Fragen. Er ist mit einer Vielzahl von HSE-Konzepten, Praktiken und Verfahren vertraut, die sowohl mit Raffinerien, Chemieanlagen, petrochemischen Anlagen, Gasanlagen, Kraftwerken, Lebensmittelanlagen, der pharmazeutischen Industrie, der O&G‑Industrie als auch mit der Inbetriebnahme und dem Betrieb verbunden sind. Durch den Einsatz in zahlreichen Ländern ist Foad Masarwa mit verschiedenen Kulturen vertraut und spricht zudem fließend Arabisch, Deutsch, Hebräisch und Englisch.
Was motiviert Sie, sich als Sicherheitsingenieur zu engagieren? Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Ich sehe meinen Job eher als Berufung, und da ist es ganz einfach, Motivation zu finden. Ein Teil dieser wichtigen globalen Bewegung in Richtung einer neuen HSE-Generation zu sein, das ist wahnsinnig spannend für mich. Ich habe außerdem unglaublich viel Freude daran, mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenzuarbeiten, denn sie ermöglichen mir differenzierte Einblicke in die verschiedenen Ebenen der Unternehmen. Diese Impressionen und Verhaltensmuster kann ich als „Mediator“ sozusagen bündeln, um die entsprechenden Gedankenprozesse dann für andere im Arbeitsalltag nachvollziehbar zu machen.
Wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Es kann durchaus schwierig bis sehr schwierig sein, verschiedene festsitzende Denkmuster oder Routinen in Unternehmen und am Arbeitsplatz aufzulösen und die Menschen aufzufordern, Dinge bewusst zu „verlernen“, die sie jahrelang jeden Tag getan haben. Und das auch noch jeder einzelnen Person im Unternehmen zu vermitteln ist schwierig, aber nicht unmöglich.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen?
Anders als zu erwarten wäre, ist Deutschland hinsichtlich der Arbeitssicherheit ein Entwicklungsland. Es gibt so viele Punkte, an denen man eigentlich im gesamten deutschsprachigen Raum unbedingt arbeiten sollte, um zumindest mit den anderen internationalen Mitspielern mithalten zu können. Während Deutschland noch in der „HSE-Kreisliga“ spielt, ist zum Beispiel Irland schon in der Champions League der Arbeitssicherheit.
Ein wichtiger Punkt, der viel zu häufig übersehen wird, ist zum Beispiel die aktive Integration der Führungskräfte (leader) in die Gestaltung von Arbeitssicherheitsprozessen. Die Sicherheitsfachkräfte können ja nicht allein den Arbeitsschutz garantieren. Es ist genauso wichtig, dass Führungskräfte auf allen Ebenen bestimmte „skills“ haben, um eine neue Generation der nachhaltigen Arbeitssicherheit zu schaffen. Dazu gehört:
- technisches Hintergrundwissen besitzen
- emotionale Intelligenz
- Sinnvermittlungsfähigkeit
- gute Fragen stellen, anstatt Instruktionen verteilen
- aufmerksam zuhören und reflektieren
- Mitarbeitern direkt am Arbeitsplatz begegnen
Eine Führungskraft sollte mit dem Mitarbeiter arbeiten. Sie sollte keine autoritäre Position einnehmen, sondern eher eine dienstleistende und helfende. Ein „guter Einfluss“ ist nun mal die bessere Autorität. Natürlich muss dann auch durch den Arbeitgeber eine Plattform für solche Änderungen geschaffen werden. Das kostet zwar Zeit und Geld, ist rückblickend aber unglaublich wichtig für die Dynamik des gesamten Unternehmens.
Wie sieht so eine Plattform aus? Was können Unternehmen tun, um Ihre Punkte bestmöglich in den Arbeitsalltag zu integrieren?
Meiner Meinung nach sind informelle „Mini-Coachings“ direkt am Arbeitsplatz, in der Pause beim Kaffee trinken, im Aufzug etc. am effektivsten. Ich sehe das als multidimensionale Herangehensweise an das Thema Arbeitssicherheit und finde, es sollte nicht nur auf die Umsetzung der Gesetzgebung durch die HSE-Standards beschränkt werden. Im Idealfall sollte man die Mitarbeiter so konditionieren, dass sie untereinander auf Fehler hinweisen und sich so gegenseitig schützen. Dabei ist ein Klima der gegenseitigen Fürsorge zu schaffen, damit solche Fehlerhinweise nicht als Tadel und Vorwurf aufgefasst werden. Um das zu ermöglichen, kann das Unternehmen zum Beispiel positive Psychologie – zu diesem Thema kann ich Ihnen die Bücher von Dr. Nico Rose ans Herz legen – praktizieren: Das Melden von guten und von schlechten Ereignissen wird gleichermaßen begrüßt und sollte regelmäßig ermöglicht werden. Man kann dazu zum Beispiel eine App nutzen. Die Auswertung der Meldungen wird deutlich einfacher, und man kann dem Benutzer auch Feedback geben. Jeder weiß, wie wichtig ein positives Mindset und Vertrauen sind, und dass sie die Arbeitsatmosphäre ungemein beeinflussen.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Nein, leider nicht. Es musste natürlich ein adäquater Schutz vor dem Corona-Virus gesichert werden, um Unternehmen nachhaltig aufrechterhalten zu können. Diese Aufgabe wurde in vielen Unternehmen den Sicherheitsfachleuten übertragen. Jedoch mangelte es durch den rasanten Verlauf der Pandemie ganz klar an Zeit für Aufklärung und Transparenz, wodurch der Ruf der Arbeitssicherheit eher gelitten hat. In der Praxis hat sich aber auch gezeigt, dass HSE sehr viele effiziente Tools bereithält, auf die während der Pandemie zurückgegriffen werden konnte. Vielleicht kommt die Wertschätzung ja erst, wenn die Pandemie vorbei ist.
Spannend, vielfältig und abwechslungsreich
Andreas Bedrunka berät mit seinem Ingenieurbüro Bedrunka (München, www.andreasbedrunka.com) Unternehmen im Bereich Arbeitssicherheit, Brandschutz, Umwelt- und Energiemanagement.
Was motiviert Sie, sich als Sicherheitsingenieur/Fachkraft für Arbeitssicherheit zu engagieren?
Meine Mission ist es, den Vorschriftendschungel der Arbeitssicherheit ins Praktische zu übersetzen und pragmatische und individuell passende Lösungen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu finden. Das ist die Grundlage dafür, dass die Belegschaft Arbeitsschutzmaßnahmen akzeptiert und nicht nur als „nervig“ empfindet.
Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Besonders die Vielfalt der Themen, mit denen ich inhaltlich betraut bin, macht meine Arbeit abwechslungsreich. Außerdem finde ich es spannend, immer wieder neue Firmen und die jeweiligen Unternehmenskulturen kennenzulernen.
Und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Genau diese Themenvielfalt erfordert ein breites Wissen, wobei es gleichzeitig nötig ist, bei allen Vorschriften auf dem Laufenden zu bleiben – von psychischen Belastungen über Explosionsschutz bis hin zu Brandschutz. Meine Hauptaufgabe ist es daher, meine fachliche Kompetenz ständig weiterzuentwickeln, denn bei jedem Unternehmen lernt man etwas Neues, das man beim nächsten Kunden anwenden kann.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen? Was wünschen Sie sich?
Für mich wäre es wünschenswert, dass Vertreter der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft vermehrt Kontrollen durchführen, bevor sich in den Betrieben ein Unfall ereignet. Aus meiner Erfahrung hören und sehen meine Kunden erst etwas von der GWA/BG, wenn ein schwerer Arbeitsunfall passiert ist und werden dann mit langen To-do-Listen mit engen Deadlines konfrontiert. Dieses Vorgehen trägt dazu bei, dass Arbeitssicherheit in vielen Firmen vor allem als lästige Vorschrift angesehen wird, bei deren Nichteinhaltung Strafen drohen, anstatt als sinnvolle Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Diese Tendenz lässt sich auf jeden Fall beobachten, es braucht aber auch eine klarere Unterstützung seitens des Gesetzgebers. Die Politik überlegt sich gerade in sehr kleinen Abständen neue Regeln und Vorgehensweisen. Das macht es herausfordernd, jederzeit auf Basis des neusten Stands zu beraten. Ein Beispiel ist die 3G-Regel am Arbeitsplatz: Nach der Einführung vergingen Tage, bis sich eine erste offizielle Stelle zu den mit der Durchsetzung verbundenen Datenschutzauflagen äußerte. Meistens sind wir als SiFas die erste Anlaufstelle für diese Fragen aus Unternehmenssicht.
Das Feuer für den Arbeitsschutz weiter entfachen
Thomas Mackenstein
T & C MACKENSTEIN GbR, Gesellschafter und Fachkraft für Arbeitssicherheit
Was motiviert Sie, sich als Fachkraft für Arbeitssicherheit zu engagieren?
Zum einen liegt meine Motivation im Erfolg derjenigen, die ich berate und betreue. Wenn der Kunde durch meine Beratungsleistung ein positives Erlebnis hat, bin ich zufrieden und motiviert. Zum anderen motiviert mich das Feuer, welches in mir brennt. Immer wieder stelle ich fest, dass wir beim Arbeits- und Gesundheitsschutz noch so viel Luft nach oben haben. Moderne Betriebe sprechen von Arbeitsschutz 4.0, aber in vielen Unternehmen sind wir noch bei Arbeitsschutz 0.5. So lange sich das nicht ändert und in den Köpfen der Menschen kein Kulturwechsel stattfindet, werde ich versuchen, das Feuer für den Arbeitsschutz weiter zu entfachen.
Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Das schönste an der Tätigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit ist der Umgang mit dem Menschen. Zu erfahren, welche Beweggründe es gibt, warum eine Tätigkeit durchgeführt und eine andere gelassen wird. Durch die Gespräche vor Ort kann man die Hintergründe beleuchten und die Einstellung der Mitarbeiter*innen besser verstehen.
Und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Im Bereich der Kleinst- und Kleinbetriebe sind die Unternehmer*innen von den gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorgaben oft überfordert. Um diese Unternehmen nicht zu verlieren, konzentriere ich mich bei meiner Arbeit auf das Wesentliche. Im ersten Schritt ist oftmals Aufklärung angesagt. Erst wenn die verantwortliche Person ihre Aufgaben und Pflichten kennt und sich mit diesen identifiziert, kann man zum zweiten Schritt übergehen. Dieser erste Schritt wird häufig übergangen, dabei ist er so wichtig. Genau so wichtig ist das „aktive Zuhören“ durch mich, als externen Berater. Ich muss die Bedürfnisse und Herausforderungen meines Kunden genau kennen, um ihn vollumfänglich beraten zu können. Im zweiten Schritt kommen wir zur Umsetzung, erst hier fängt meine wirkliche Beratungsleistung an.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen? Was wünschen Sie sich?
Mehr Unterstützung der Kleinst- und Kleinunternehmer durch die Aufsichtsbehörden und Unfallversicherungsträger. Das kann aber nur gelingen, wenn ihnen die Möglichkeit und mehr Dienstposten gegeben wird.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Ob er nachhaltig an Wertschätzung gewonnen hat, kann man heute noch nicht absehen, aber zur Zeit steht er mehr in der Öffentlichkeit als vorher. Wir haben seit Pandemiebeginn große Schritte nach vorn gemacht. Allein im Bereich „Homeoffice“ wären wir ohne die Pandemie nicht halb so weit. Wir müssen jetzt dran gehen, diesen Fortschritt zu sichern und das „Morgen“ in Angriff nehmen.
Menschen kennenlernen
Oliver Goldbach
Ingenieurbüro O. Goldbach. Sicherheitsingenieur, Brandschutzbeauftragter, Gefahrstoffbeauftragter, Hygiene- und Infektionsschutzbeauftragter für Veranstaltungen
oliver.goldbach@ib-goldbach.de
Was motiviert Sie, sich als Sicherheitsingenieur zu engagieren?
Die Chance, Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen kennenzulernen, Menschen vor persönlichem Schaden zu schützen, Unternehmer bei der Weiterentwicklung ihres Betriebes zu unterstützen.
Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Die Vielfältigkeit, wenn Firmen aus unterschiedlichen Bereichen betreut werden.
Und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
In der Masse der Vorschriften die richtige beziehungsweise die aktuelle anzuwenden.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen? Was wünschen Sie sich?
Im Moment wird dem Unternehmer sehr viel Verantwortung zugeschrieben. Er wird allerdings nur unzureichend vor Mitarbeitern geschützt, die sich bewusst „dumm“ verhalten. Ein Beispiel: Warum muss ich MitarbeiterInnen unterweisen, wie Kaffee gekocht wird? Das gehört zum täglichen Leben, da weiß ich auch, dass der Kaffee heiß ist. Warum muss ich hier auch noch eine Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisung erstellen? Dies führt dazu, dass der Unternehmer den Aufwand scheut, die klügeren MitarbeiterInnen sich verschaukelt fühlen, wenn er es doch macht und die Ignoranten sich freuen, weil sie den Arbeitgeber verklagen können, wenn sie sich verletzt haben. Mir fehlt hier eine sinnvolle Unterscheidung zwischen notwendigen und übertriebenen (überflüssigen) Anforderungen.
Die Kontrolle bei Auftraggebern ist nicht gewährleistet. Es wird immer der billigste Anbieter genommen. Und wo wird dann das Geld gespart? Beim Arbeitsschutz. Da der Auftraggeber froh ist Geld zu sparen, wird bei der Ausführung beim Arbeitsschutz weggesehen.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Meiner Erfahrung nach nicht. Die Unternehmer, die sich vorher schon mit HSE beschäftigt haben, haben die Maßnahmen in ihren Betrieben eingebunden. Wer HSE vorher nicht beachtet hat, hat es auch weiterhin nur rudimantär gemacht und wird nach der Pandemie die Maßnahmen wieder einstellen.
Bewusstsein für Sicherheit schaffen
Ralph Egger
Mit seinem Unternehmen „Egger-Arbeitssicherheit“ unterstützt er Unternehmen in Österreich als Sicherheitsfachkraft und beim Aufbau einer Sicherheitskultur.
Was motiviert Sie, sich als Sicherheitsfachkraft zu engagieren?
Ich will jeden Tag dazu beitragen, dass die Sicherheit am Arbeitsplatz einen noch höheren Stellenwert bekommt. Ich will der „Auslöser“ sein, der andere dazu veranlasst, sich sicher zu verhalten und gesund zu bleiben. Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wenn mir das gelingt.
Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Das Erfolgserlebnis, wenn es mir gemeinsam mit Kunden gelungen ist, ein Bewusstsein für Sicherheit bei den Mitarbeitern und Führungskräften geschaffen zu haben.
Und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Aus meiner Sicht klar bei der Entwicklung einer Sicherheitskultur in den Unternehmen. Arbeitssicherheit ist Teamsport. Alle müssen mitziehen. Geschäftsführung, Teamleiter, Mitarbeiter. Potenzial sehe ich hier bei kleinen und mittleren Unternehmen. Es gibt öfters noch „den Verantwortlichen für Sicherheit“. Da muss ein Umdenken her. Daran arbeite ich jeden Tag. Und es macht Spaß.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen? Was wünschen Sie sich?
Arbeitsschutz hat manchmal noch das Image vom Kostentreiber, der keinen Nutzen bringt. Dass das nicht stimmt, wissen wir. Ich wünsche mir, dass die Gesundheit und das Leben an erster Stelle stehen. Ich wünsche mir, dass unsere Auszubildenden in der Berufsschule mehr über Sicherheit am Arbeitsplatz lernen. Ich wünsche mir, dass uns Menschen die eigene Gesundheit mehr wert ist.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Ich hoffe. Wir sehen momentan, dass es keinen Fachkräftebaum gibt, den wir schnell mal rütteln, und schon sitzen die passenden Mitarbeiter da. Es ist wichtig, Fachkräfte im Betrieb zu halten. Wertschätzend ist, wenn den Unternehmen die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter wichtig ist. Das wirkt sich positiv auf das Image aus und dadurch wird das Unternehmen interessanter am Stellenmarkt.
Mit Menschen auf Augenhöhe kommunizieren
Peter Kleinz
Gründer und Inhaber von ABG Beratung Peter Kleinz Sifa, BSB, SiGeKo und FM
Was motiviert Sie, sich als Fachkraft für Arbeitssicherheit zu engagieren?
Durch meine Arbeit Menschen im Beruf vor vermeidbaren Unfällen zu schützen und zur Gesunderhaltung beizutragen. Das Unternehmen vor unnötigen Kosten und Verlusten zu bewahren .
Was ist das Schöne an dieser Aufgabe?
Meist tolle Zusammenarbeit mit Menschen an der Basis des Unternehmens . Mit Menschen auf Augenhöhe kommunizieren, Systeme analysieren und Gefahren darin erkennen und Lösungen dafür finden. An rückläufigen Unfallzahlen beteiligt zu sein.
Und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Ein vernünftiges Sicherheitsbewusstsein auf allen Ebenen im Unternehmen zu etablieren . Alte schlechte Gewohnheiten aus den Köpfen zu entfernen.
Wie überall, gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Was könnte generell besser im Arbeitsschutz bei uns laufen? Was wünschen Sie sich?
Akzeptanz für den Arbeitsschutz in der Führungsebene aufbauen. Und das Verständnis dafür zu etablieren, dass die Arbeitssicherheit kein reiner Kostenfaktor ist . Ebenso Akzeptanz auf der Mitarbeiterebene dafür schaffen, dass Arbeitsschutz nicht Behinderung oder Schikane der Mitarbeiter ist.
Hat der Bereich HSE/Arbeitssicherheit im Laufe der Corona-Pandemie nachhaltig an Wertschätzung gewonnen?
Das denke ich eher nicht, zu viele zusätzliche Maßnahmen waren umzusetzen, was meist auf sehr wenig Gegenliebe stößt.