„Wo gehobelt wird, da fallen Späne“. Dieses Sprichwort trifft auch auf den Maschinen- und Anlagenbau zu. Der Umsatz in diesem Bereich hat sich von 161 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 226 Milliarden Euro in 2017 gesteigert – ein Zuwachs von rund 40% in nur acht Jahren.1 Nach dem ersten Halbjahr des Jahres 2018 rechnet der Branchenverband VDMA auch für 2018 mit einem erneuten Umsatzplus.
Diese positive Entwicklung bei den deutschen Maschinenbauern hat aber auch eine Kehrseite. In vielen Betrieben sind die Bücher so gut gefüllt, dass es immer schwieriger wird, Lieferzeiten einzuhalten. Zum einen gestaltet sich die Suche nach Fachkräften schwierig, zum anderen haben sich auch bei Zulieferern die Lieferzeiten teils deutlich erhöht. In den Betrieben wird unter hohem Druck gearbeitet, um Liefertermine einhalten zu können. Fehler bleiben dabei nicht aus und können Ursache von Streitigkeiten zwischen Lieferanten und Kunden sein.
Erfahrungsgemäß geht es dabei um folgende Probleme: Eine Maschine entspricht nicht den Erwartungen, die Leistungsdaten werden nicht erfüllt, es kommt zu Ausfällen, die Verfügbarkeit ist ungenügend, Schnittstellen zu anderen Maschinen- und Anlagenteilen funktionieren nicht, es gibt Qualitätsprobleme oder die Prozessstabilität stellt sich nicht ein. Auch ein erhöhter Verschleiß und Wartungsaufwand nach der Inbetriebnahme führt oft zu unschönen Auseinandersetzungen.
Ein weiterer Bereich umfasst die Themen Maschinensicherheit, CE-Konformität und Dokumentation. Häufig entsprechen ausgelieferte Maschinen nicht den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und den relevanten C‑Normen, oder Sicherheitsfunktionen erreichen nicht die geforderten Performance Level.
Gerade im Sondermaschinenbau werden oft Maschinen als unvollständige Maschinen ausgeliefert und der Lieferant überlässt das Konformitätsbewertungsverfahren mit der Risikobeurteilung, sei es bewusst oder unbewusst, dem Kunden. Dabei werden Risiken der unvollständigen Maschine oft nur unzureichend dokumentiert und der Stand der Technik ungenügend berücksichtigt. Die Überraschung ist nicht selten groß, wenn Anlagen und Maschinen nicht in Betrieb gehen können, da diese sicherheitstechnische Mängel aufweisen.
Eine sehr große Bedeutung kommt dabei dem Lasten- und Pflichtenheft und den Einkaufs- und Bestellbedingungen zu. Je präziser hier vorgearbeitet wird, desto seltener kommt es später zu Auseinandersetzungen mit teils sehr hohen Folgekosten.
Kommt es zu Auseinandersetzungen, sind die Fronten oft derart verhärtet, dass alles auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinausläuft.
Die prozessuale Auseinandersetzung und deren Risiken
Zum Glück hat Deutschland eine sehr gut funktionierende Justiz. Auf diese können die Parteien bei der Durchsetzung ihrer vertraglichen Vereinbarungen vertrauen.
Streitigkeiten zwischen Lieferanten und Kunden werden vor den Kammern für Handelssachen an den Landgerichten ausgetragen. Dort stehen besonders qualifizierte Richter zur Verfügung. Die Anzahl der erledigten Verfahren sank hier von rund 51.000 Verfahren im Jahr 2005 auf rund 33.000 im Jahr 2015 und korrespondierend damit auch die Anzahl neuer Fälle.2 Trotz dieses Rückgangs um circa 35 Prozent ist die Belastung der einzelnen Richter jedoch unverändert hoch, da deren Zahl ebenfalls gesunken ist. Die Verweildauer bis zu einem Urteil lag je nach Bundesland zwischen 10 und 19 Monaten im Jahr 2016.3
Nicht unerheblich sind auch die Verfahrenskosten, die vom Streitwert abhängen. Diese stellen für beide Parteien ein hohes Gesamtkostenrisiko dar. Bei einem Streitwert von 200.000 Euro beträgt das Prozessrisiko etwa 19.000 Euro, zuzüglich weiterer Kosten. Sehr häufig werden Sachverständigengutachten eingeholt oder es sind Zeugenentschädigungen zu zahlen, die die Kosten deutlich erhöhen können.
Während der Verfahrensdauer sind zudem die Mitarbeiter stark gebunden und stehen für ihre eigentliche Arbeit nur eingeschränkt zur Verfügung. Es muss den Anwälten zugearbeitet, Schriftsätze gelesen und beantwortet und zu technischen Fragestellungen recherchiert und Stellung genommen werden. Diese verdeckten Kosten übersteigen das gerichtliche Prozessrisiko oft erheblich.
Hinzu kommt, dass bis zu einem Urteil oft eine Behebung der Streitpunkte an der Maschine ganz unterbleibt – also die Inbetriebnahme sich weiter verzögert. Besonders schwierig wird es, wenn es um Streitigkeiten bezüglich der Sicherheit einer Maschine geht, da eine Inbetriebnahme mit fehlenden oder unzureichenden Sicherheitseinrichtungen nicht zulässig ist. Das heißt, die Maschine steht und wird in der Regel gegen das Ingangsetzen gesichert. Besonders für Kunden, die Fertigungskapazitäten fest eingeplant haben und nun auf Alternativen angewiesen sind, ist das schmerzhaft.
Beteiligung von Sachverständigen im Gerichtsverfahren
Häufig geht einem Rechtsstreit die Einholung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen voraus, der als unabhängige Instanz eine Beweisaufnahme im Auftrag einer Partei durchführt. Dies dient dem Anwalt als Grundlage für entsprechende Forderungsschreiben an die Gegenseite.
Nicht selten wird auch die Gegenseite einen eigenen Sachverständigen hinzuziehen, sofern Zweifel an den Feststellungen des Gutachtens bestehen oder bestimmte Aspekte nicht ausreichend berücksichtig worden sind.
Bei diesen Gutachten handelt es sich jedoch um Privatgutachten der jeweiligen Partei, die aufgrund der Befangenheit des Sachverständigen vor Gericht nur sehr begrenzt herangezogen werden können.
Kommt es zu einer Klage, hat sich das Gericht neben dem Vertragsrecht auch mit sehr technischen Details auseinanderzusetzen. Trotz sehr guter Ausbildung der Richter wird im Verhandlungsverlauf daher oft ein weiterer unabhängiger Gerichtssachverständiger einbezogen, um die für das Verfahren wichtigen Sachfragen unabhängig zu klären. Die folgende Prozessentwicklung ist oft langwierig, und bereits aus prozesstaktischen Gründen besteht bei einer Partei häufig gar kein Interesse, ein Verfahren wirklich zügig zu beenden.
Alternativ bieten die Gerichte auch sogenannte Schiedsgutachterverfahren an. Hierbei werden rechtliche Streitigkeiten einzelner Rechts- und Tatsachenfragen verbindlich durch ein neutrales Gutachten durch einen Sachverständigen geklärt und abschließend durch das Gericht entschieden. „In einer boomenden Wirtschaft wie zur Zeit, in der Partner ihre Zusammenarbeit zu beider Nutzen fortsetzen und keine zeitlichen und personellen Ressourcen für die Streitaustragung bereitstellen wollen, werden Streitfälle möglichst einvernehmlich geregelt, und zwar gerade nicht unter der Einschaltung von Anwälten oder Gerichten.“, so der Vorsitzende Richter Martin Ihle am Landgericht Heilbronn.4
Mediation oder Schlichtung durch einen Sachverständigen?
In bestimmten Fällen ist auch eine Vermittlung zwischen den Parteien im Rahmen einer Mediation möglich. Bei diesem Verfahren wird ein Mediator auf Grundlage geeigneter Methoden der Gesprächsführung tätig und versucht, den Beteiligten zu einer eigenen Lösung zu verhelfen. Den rechtlichen Rahmen dazu bildet das 2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz. Dieses Verfahren wird in der Wirtschaft allerdings bisher wenig genutzt. Möglicherweise weil ein alleiniger methodischer Ansatz zur Lösung oft nicht ausreicht.
Vorteilhafter, sofern es überwiegend um die Klärung von Tatsachenfragen und weniger um Rechtsfragen geht, kann daher die gemeinsame Beauftragung eines technisch versierten Sachverständigen durch die Parteien sein. Dieser kann dann als unabhängiger Schlichter außergerichtlich tätig werden. Im Gegensatz zur Mediation, bei der ausschließlich die „Parteien die Experten ihres Konfliktes“5 sind, erfolgt hier die Schlichtung zusammen mit dem Sachverständigen als externen und neutralen Experten. Das hat den großen Vorteil, dass dieser im Verfahren auch selbst konkrete technische Lösungsvorschläge einbringen kann. Voraussetzung für diesen Weg ist auch hier die Verhandlungsbereitschaft und Motivation der Parteien, den Konflikt tatsächlich einvernehmlich beilegen zu wollen.
Dieses Vorgehen stellt eine schnelle und erheblich kostengünstigere Lösung sein. Ähnlich wie bei der Mediation handelt sich um eine unverbindliche Möglichkeit der Konfliktlösung, die bis zuletzt freiwillig bleibt und von beiden Seiten jederzeit abgebrochen werden kann. Den Parteien steht im Gegensatz zu einem verbindlichen Schiedsgutachten, immer noch der Klageweg offen.
Ein Beispiel aus der Praxis für eine außergerichtliche Schlichtung finden Sie weiter unten.
Ablauf der Streitschlichtung
Zu Beginn eines solchen Verfahrens wird der Sachverständige versuchen, dem Konflikt die Schärfe zu nehmen. Er selbst wird sich dann ein genaues Bild von den streitgegenständlichen Punkten machen. Je größer dabei die Transparenz der Parteien ist, desto schneller kann dieser Prozess erfolgen. Hierbei hat der Sachverständige zu jeder Zeit den Interessen beider Parteien die gleiche Bedeutung beizumessen und die Balance zwischen Distanz und Nähe zu wahren. Der Integrität des Sachverständigen kommt daher eine hohe Bedeutung zu.
Sobald sich der Sachverständige in der Lage sieht, die Streitpunkte zu beurteilen, wird er gemeinsam mit den Parteien versuchen, diese zu bewerten und bei den Parteien ein gegenseitiges Verständnis für die Positionen des anderen zu erlangen.
In einem nächsten Schritt wird versucht, Lösungsansätze zu allen Streitpunkten zu erarbeiten. Dem Sachverständigen kommt hierbei die Aufgabe zu, objektiv und sachbezogen Lösungsvorschläge der Parteien zu bewerten. Dies impliziert die Machbarkeit, die Kosten und auch die Zeitachse für eine Umsetzung. Darüber hinaus wird er aber auch aufgrund seiner Erfahrungen eigene Lösungsansätze einbringen. Gibt es mehrere Lösungsoptionen, ist es Aufgabe des Sachverständigen, diese zu beurteilen, zu bewerten und vor dem Hintergrund aller Streitpunkte einzuordnen.
Darüber hinaus obliegt ihm die Moderation zwischen den Parteien. Dies ist besonders bei Parteien mit sehr unterschiedlichen Verhandlungsstilen wichtig. Mit Sensibilität für die Menschen und Emotionen, den Interessen und realistischen Möglichkeiten kann der Sachverständige nachvollziehbare Kriterien für faire Lösungen erarbeiten und dabei persönliche Probleme der Beteiligten von der Sachlage trennen.
Anschließend wird der Sachverständige eine Vereinbarung ausarbeiten, die einen Gesichtsverlust der Parteien vermeidet und im Einklang mit den bisherigen Grundsätzen, Handlungsweisen und Äußerungen der Parteien steht.
Auf Basis dieser Vereinbarung kann es dann zu einem sachbezogenen Verhandeln kommen und idealerweise zu einer abschließenden Vereinbarung, die technische, kommerzielle und weitere relevante Rahmenbedingungen zur Beendigung des Konfliktes enthält. Sofern diese Vereinbarung von beiden Seiten akzeptiert wird, kann auch die Umsetzung einer solchen Vereinbarung durch den Sachverständigen begleitet werden.
Die Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens sind sehr hoch, da auf Grundlage von Sachthemen lösungsorientiert gearbeitet wird.
Zusammenfassung
Kommt es zwischen Lieferanten und Kunden zu Streitigkeiten, werden oft Anwälte und Gerichte mit der Klärung betraut. Alternativ können auch Mediation oder Schiedsgutachten zu einer Lösung führen.
Weniger bekannt ist die außergerichtliche Schreitschlichtung durch einen Sachverständigen. Dieser Weg hat den Vorteil, dass durch den Sachverständigen auch eigene Lösungsvorschläge, insbesondere technischer Art, eingebracht werden können. Voraussetzung ist jedoch, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zu einer Einigung gegeben ist. Darüber hinaus ist ein solches Verfahren in der Regel deutlich günstiger, weniger risikobehaftet und schneller abgeschlossen als ein gerichtliches Verfahren. Die Grenzen eines solchen Ansatzes liegen dort, wo das Vertragsrecht eine größere Rolle spielt als technische Sachthemen.
2 http://presse.beck.de/social-media/rechtsstandort-deutschland-schrumpfender-marktanteil-der-staatlichen-gerichte.aspx
3 Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Berliner Tabelle 2016 E (https://www.dr-riemer.de/verfahrenslaufzeiten-der-justiz/)
4 Neue Juristische Wochenschrift (NJW-aktuell), Heft 11/2018, S. 10
5 Schlieffen, Katharina Gräfin von; Ponschab, Reiner; Rüssel, Ulrike; Harms, Torsten (2006): Mediation und Streitbeilegung, Verhandlungstechnik und Rhetorik. Berlin: BMV
Praxisbeispiel für eine außergerichtliche Schlichtung
Ein Unternehmen hat eine amerikanische Spezialschleifmaschine erworben. Nach ersten Fertigungsversuchen im Probebetrieb fiel auf, dass einige Sicherheitsfunktionen nicht der Maschinenrichtlinie und den relevanten Normen entsprachen.
Das Unternehmen hatte zwar in den USA einen guten Berater bezüglich Maschinensicherheit hinzugezogen, allerdings die Maßnahmen aus der Risikobewertung nur unzureichend umgesetzt. Der Bereich Arbeitssicherheit im deutschen Unternehmen erteilte daraufhin keine Freigabe, verweigerte die Abnahme und sperrte die Maschine.
Es stellte sich heraus, dass das ursprüngliche Sicherheitskonzept nicht ohne erheblichen konstruktiven Aufwand realisierbar war. Aus diesem Grund zog man in Erwägung, den Mangel und die Kosten für den Produktionsausfall gerichtlich geltend zu machen und sogar vom Kauf zurückzutreten, obwohl die Maschine die zugesicherte Leistung an sich erbrachte.
Stattdessen entschloss man sich, den Versuch einer Schlichtung mit Hilfe eines Sachverständigen zu unternehmen. Nachdem gegenseitig die Positionen dargestellt wurden und die Interessen geklärt waren, konnte mit den Parteien ein alternatives Sicherheitskonzept erarbeitet werden, das ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet, wenn auch anders als ursprünglich vereinbart. Nach rund vier Monaten konnte das neue Sicherheitskonzept durch den Sachverständigen und die Abteilung Arbeitssicherheit freigegeben und eine finanzielle Einigung zwischen beiden Parteien erzielt werden. Eine gerichtliche Auseinandersetzung hätte nach deutlich längerer Zeit und höheren Kosten vielleicht zu einer Rückabwicklung geführt. Das deutsche Unternehmen hätte eine Neubestellung tätigen müssen mit der Folge, dass es einen deutlich längeren Produktionsausfall gegeben hätte.
Autor: Dr. Michael Loddoch
Dr. Michael Loddoch ist seit 2005 als Sachverständiger für Mess- und Fertigungstechnik im Bereich Anlagen- und Maschinenbau tätig. Er ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter e.V. und erstellt Schadens‑, Ursachen und Wertgutachten.
Weitere Tätigkeitsfelder sind die Ausarbeitung von Sicherheitskonzepten für neue und älteren Anlagen, Durchführung von EG-Konformitätsbewertungsverfahren (CE) und die funktionale Sicherheit von Produkten. Zu seinen Kunden gehören industriellen Auftraggeber, Gerichte, Aufsichtsbehörden und Versicherungen.
E‑Mail: mail@loddoch.com