Offen und modern, eine Kommunikationszone mit Launchbereich, Konferenztisch und Besprechungsmöglichkeiten im Stehen, rundum verglaste Büros – so präsentiert sich der neu gestaltete Flügel der Hauptverwaltung, in dem Marco Reis arbeitet. Rund 50 Mitarbeiter sind hier untergebracht. Für etwa die Hälfte versieht der 39-jährige Florstädter das Amt des Sicherheitsbeauftragten. Im neuen Verwaltungsgebäude eine vergleichsweise überschaubare Aufgabe: „Die Räumlichkeiten hier sind schon alle sehr sicher konzipiert“, sagt Reis. Natürlich dürften die Fluchtwege nicht durch Kisten verstellt werden. Zu vermeiden seien zudem typische Stolperfallen wie Kabel oder offene Schubladen. „Durch Stolpern, Stürzen oder Ausrutschen kommt es zu den meisten Unfällen“, weiß der Sibe. Doch auch dieses Risiko ist beherrschbar. „Eigentlich ist nur unser Pflasterverbrauch hoch“, resümiert Reis leicht ironisch. „Die Kollegen schneiden sich an Papieren oder beim Öffnen von Päckchen und Paketen.“
Mehr Gefährdungen in den Kernbereichen
Das sieht in den Kernbereichen der OVAG-Gruppe schon etwas anders aus. Die verschiedenen Unternehmen im Verbund kümmern sich um die Energieversorgung. Strom, Gas, Wärme und erneuerbare Energien werden über sie geliefert. Die OVAG Netz GmbH sorgt für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des Energieversorgungsnetzes. Vom hessischen Lauter bis Frankfurt und Hirzenhain bis Butzbach werden die Bürger außerdem von der OVAG mit Wasser versorgt. Darüber hinaus betätigt sich die OVAG im Kommunalmanagement und die Verkehrsgesellschaft Oberhessen mbH, die zur OVAG-Gruppe gehört, organisiert, finanziert und entwickelt den öffentlichen Nahverkehr in Oberhessen weiter. Da gibt es also deutlich gefährlichere Aufgaben als in der Verwaltung am Stammsitz in Friedberg. Vor allem beim Umgang mit Strom kann ein Unfall auch tödlich enden.
„Wir haben einen!“
Trotzdem oder gerade deswegen nimmt Marco Reis sein Engagement als Sibe sehr ernst. Der gelernte Industriekaufmann mit Etappen in der Finanzbuchhaltung und der Energiebeschaffung ist aktuell in der Projektsteuerung als Koordinator zuhause. „Ich verstehe mich als Dolmetscher zwischen IT und Handel.“ Als der Chef der Energiebeschaffung vor 20 Jahren per Mail anfragte, wer sich vorstellen könne, Sibe zu werden, schrieb der überzeugte Feuerwehrmann, der heute auch Brandschutzbeauftragter ist, spontan zurück: „Ich mach’ das, wenn sich kein anderer findet.“ Worauf nahezu postwendend eine Rundmail Marco Reis zum neuen Amtsinhaber erklärte. „Wir haben einen gefunden!“ lautete die frohe Botschaft – obendrein jemand mit passendem Hintergrund: Durch seine Erfahrung als Feuerwehrmann war Reis bereits generell für Gefahren sensibilisiert.
Mängel im Brandschutz beseitigt
Im neuen Bürokomplex sind Gefahrenherde allerdings fast nicht mehr existent. Hohe Schränke, in denen Sachen untergebracht sind, gibt es nicht mehr, sodass auch niemand auf Stühle steigt, um dranzukommen. „Und klar, in der Weihnachtszeit sind Kerzen immer ein heikles Thema“, verweist Reis auf einen potenziellen Brandherd. Ein etwas anders gelagerter Vorfall vor fünf Jahren offenbarte Verhältnisse im Brandschutz und im Verhalten der Beschäftigten im Brandfall, die der resolute Enddreißiger so nicht hinnehmen wollte. „Durch das verschmorte Netzteil eines Servers wurde Feueralarm ausgelöst. Die Räumung der Büros, das Auffinden der Fluchtwege und Feuerlöscher – alles lief chaotisch“, erinnert sich Reis. Als Brandschutzbeauftragter habe er daraufhin Beschwerde eingereicht. In der Folge wurden Schulungen angeboten, die sich nicht allein auf eine Präsentation stützten, sondern die Beschäftigten aktiv miteinbezogen. „Die neuen Rettungswege wurden begangen und es wurde jedem persönlich gezeigt, wo die Feuerlöscher hängen.“ Dabei wurden die Mitarbeiter auch auf die drei Defibrillatoren im Gebäude aufmerksam gemacht.
Ergonomische Ausstattung
In der Hauptverwaltung gibt es ein- bis zweimal jährlich arbeitssicherheitstechnische Fachgespräche zwischen den Sicherheitsbeauftragten. Bei diesen Zusammenkünften werden gute und schlechte Erfahrungen miteinander ausgetauscht, um daraus zu lernen. Viermal im Jahr treffen sich zudem gewählte Sicherheitsbeauftragte von allen Konzerngesellschaften zum Austausch mit der Betriebsärztin und der Geschäftsführung. Das Management von der OVAG Gruppe meint es ernst mit der Gesundheit seiner Mitarbeiter: In aktiven Pausen können diese Kurse besuchen, die vom Arbeitgeber angeboten werden, oder Übungen im Sitzen machen. Wer Lust hat, kann Yoga- oder spezielle Rückenkurse besuchen. Angeboten werden auch Massagen, die allerdings selbst bezahlt werden müssen. Alle Büros im Neubau sind mit höhenverstellbaren Schreibtischen ausgestattet. „Und wir haben super Stühle fürs dynamische Sitzen“, fügt Reis hinzu, der das selbst viel nutzt.
Lob für die Ausbilder
30 bis 40 Unfälle pro Jahr registriert die OVAG-Gruppe im Schnitt, aber das sind meist Wegeunfälle. Oder eben, wenn jemand im Betrieb gestolpert ist und vorsorglich zum Arzt geht. Verletzungen beziehungsweise ein höheres Verletzungsrisiko beobachtet Reis sonst eher bei den Mitarbeitern von Fremdfirmen. Besonders bei den Fensterputzern hat er oft ein ungutes Gefühl. Lobend erwähnt er die Ausbilder der OVAG, die jährlich rund 20 Lehrlinge unter ihre Fittiche nehmen. „Sie achten sehr genau auf den korrekten Umgang mit Maschinen und somit auf die Sicherheit ihrer Schützlinge.“
Guter Draht zur Betriebsärztin
Als Sibe pflegt Reis auch einen guten Kontakt zur Betriebsärztin Dr. Doris Fritsch. Sie ist bei allen Gesprächen zur Arbeitssicherheit und Betriebsversammlungen dabei. Ihre Informationen verbreitet sie auch übers Intranet. So können immer mehr Mitarbeiter für eine Grippeimpfung gewonnen werden. „Aber es sind immer noch wenige“, bemerkt Reis. Alle drei Jahre können die Beschäftigten zudem zur Augenuntersuchung gehen.
Während die Zahl der Mitarbeiter in bestimmten Bereichen abnimmt, wächst die Zahl der Beschäftigten in seiner Gruppe. Der Stellenabbau resultiert vor allem aus der fortschreitenden Digitalisierung: Was früher im Sektor Wasser- und Stromleitungen von drei bis vier Planzeichnern entworfen wurde, erledigt heute eine Person digital am Computer. Zum Stellenaufbau hingegen kommt es aufgrund von ständig neuen Verordnungen des Gesetzgebers. „Die geforderten neuen intelligenten Messsysteme beim Kunden sind heute sicherer als ein Banktresor“, nennt Reis ein Beispiel. Sie müssen nicht mehr abgelesen werden. Die Werte werden automatisch übertragen. Oder in der Elektromobilität. Da will die Bundesregierung Fortschritte sehen. Und es geht voran: Die OVAG hat in den Städten und Gemeinden des Versorgungsgebiets mindestens eine Säule aufgebaut und betreibt sie. Insgesamt sind es 64 Säulen.
Nicht belehren, sondern helfen
Als Sibe möchte Reis seine Kollegen nicht belehren, sondern Hilfestellung leisten, damit keine Unfälle passieren. Lachend fügt er hinzu: „Meine Gegenwart löst in der Regel bei den Kollegen schon einen kleinen Ruck aus.“ Reis ist es wichtig, immer für sie da zu sein und von allen als Sibe akzeptiert zu werden. Auch als Brandschutzbeauftragter macht er auf mögliche Gefahren aufmerksam. Nach knapp drei Jahrzehnten bei der Feuerwehr weiß Reis, was alles passieren kann, wie es zu verhindern ist, und wie man bei Gefahren umsichtig handelt. Bei den Brandbekämpfern hat er beispielsweise auch den Umgang mit Kettensägen gelernt.
Gewusst-wie: Mit dem Bau seines Eigenheims ist Reis fast fertig. Hier wurde selbstverständlich auch mit Sicherheitsschuhen, Schutzbrille und Gehörschutz gearbeitet. Um allgemein fit zu bleiben, nutzt der sicherheits- und gesundheitsbewusste Florstädter den Trainingsraum bei der Feuerwehr. Und wenn das Haus irgendwann ganz fertig ist, wird er vor der Arbeit auch wieder schwimmen gehen. Das hat er sich fest vorgenommen.
Steckbrief
- Marco Reis
- 39 Jahre
- Gelernter Industriekaufmann
- Aktuelle Position: Koordinator in der Projektsteuerung
- Sicherheitsbeauftragter seit 2000
- Branche: Energieversorgung
OVAG
Die OVAG ist ein Serviceunternehmen rund um die Themen Wasser, Strom, Gas und Wärme. Das Unternehmen gehört zum Verbund der OVAG-Gruppe.
- rund 220 Mitarbeiter in der Hauptverwaltung in Friedberg (Hessen)
- breites Spektrum an Produkten – von Strom und Wärme über Wasser und Verkehr bis hin zu Gas, kommunale Services und Energieberatung
- Versorgungsgebiet von mehreren tausend Quadratkilometern
- rund 210.000 Kunden
- www.ovag.de