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Arbeitsmittel sicher verwenden

Betriebssicherheit
Arbeitsmittel sicher verwenden

Dipl.-Ing. Marlies Kittelmann, Dr.-Ing. Andreas Richter
Betrieb­ssicher­heit meint aus Sicht des Arbeitss­chutzes die sichere Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln durch die Beschäftigten bei ihrer Arbeit. Doch was bedeutet das konkret für die Prax­is? Welche Rechts­grund­la­gen gel­ten? Welche Tech­nis­chen Regeln sind zu beacht­en? Und wer ist für die Gewährleis­tung der Betrieb­ssicher­heit verantwortlich?

Die grundle­gende Recht­snorm für die Betrieb­ssicher­heit ist die Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (Betr­SichV). Sie regelt die Anforderun­gen an die Sicher­heit und den Schutz der Gesund­heit von Beschäftigten bei der Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln sowie an den Betrieb überwachungs­bedürftiger Anla­gen.

Arbeitsmit­tel sind bei der Arbeit einge­set­zte Anla­gen, Maschi­nen, Geräte und Werkzeuge. Das kön­nen Handw­erkzeuge und Geräte wie Ham­mer oder Leit­ern, aber auch hochau­toma­tisierte Arbeitsmit­tel wie Indus­trier­o­bot­er, autonome Flur­förderzeuge oder fer­ti­gung­stech­nis­che Anla­gen, beispiel­sweise in der Auto­mo­bilin­dus­trie, sein.

Zu den überwachungs­bedürfti­gen Anla­gen zählen zum Beispiel Aufzüge, Dampfkessel, Lager für brennbare Flüs­sigkeit­en, Druck­be­häl­ter­an­la­gen und Tankstellen. Die in der Betr­SichV enthal­te­nen Anforderun­gen an überwachungs­bedürftige Anla­gen schließen auch den Schutz ander­er Per­so­n­en im Gefahren­bere­ich ein. Die Sicher­heit überwachungs­bedürftiger Anla­gen wird zudem seit Juli 2021 mit einem sep­a­rat­en „Gesetz über überwachungs­bedürftige Anla­gen“ (ÜAnlG) geregelt.

Zurzeit wird an ein­er Verord­nung zum ÜAnlG gear­beit­et, die einen Anla­genkat­a­log mit konkretisieren­den Anforderun­gen enthält.

Technische Regeln

Die Anforderun­gen der Betr­SichV wer­den durch tech­nis­che Regeln für Betrieb­ssicher­heit (TRBS) konkretisiert. Der Auss­chuss für Betrieb­ssicher­heit (ABS) ermit­telt den Bedarf zur Konkretisierung der Betr­SichV und erar­beit­et die Regeln, die nach ein­er rechts­förm­lichen Prü­fung und Freiga­be durch das Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS) im gemein­samen Min­is­te­ri­al­blatt (GMBl) veröf­fentlicht werden.

Tech­nis­che Regeln sind nicht rechtsverbindlich. Bei der Anwen­dung der tech­nis­chen Regeln kann jedoch davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Anforderun­gen der Betr­SichV erfüllt sind. Hier greift die soge­nan­nte Ver­mu­tungswirkung. Darüber hin­aus wer­den im ABS Empfehlun­gen zur Betrieb­ssicher­heit (Empf­BS) zu wichti­gen Fragestel­lun­gen erar­beit­et. Sie sind abges­timmte Aus­sagen zu aktuellen Fra­gen der Betrieb­ssicher­heit. Tech­nis­che Regeln und Empfehlun­gen des ABS sollen dem Arbeit­ge­ber Hil­festel­lun­gen für die Gefährdungs­beurteilung sowie die Ermit­tlung der zu tre­f­fend­en Maß­nah­men geben.

1000er-Reihe der TRBS

Das Regel­w­erk des ABS enthält all­ge­meine, gefährdungs­be­zo­gene sowie spez­i­fis­che Regeln zu bes­timmten Arbeitsmit­teln. All­ge­meine Regeln find­en sich in der 1000er-Rei­he und behan­deln Sachver­halte, die Gültigkeit für das gesamte Regel­w­erk haben, sowie Ver­fahren­sregeln. Beispiele für diese Regeln: TRBS 1111 „Gefährdungs­beurteilung“ sowie die TRBS 1201 „Prü­fun­gen und Kon­trollen von Arbeitsmit­teln und überwachungs­bedürfti­gen Anlagen“.

2000er-Reihe der TRBS

Die 2000er-Rei­he bildet die gefährdungs­be­zo­ge­nen Regeln. Diese geben Hil­festel­lung bei der Ermit­tlung sowie Bew­er­tung von Gefährdun­gen. Darüber hin­aus unter­stützen sie beim Ableit­en von Schutz­maß­nah­men. Zu dieser Rei­he gehört zum Beispiel die TRBS 2111 „Mech­a­nis­che Gefährdun­gen“. Spez­i­fis­che Regeln für Arbeitsmit­tel und überwachungs­bedürftige Anla­gen bilden die 3000er-Reihe.

3000er-Reihe der TRBS

Das sind zum Beispiel die TRBS 3121 „Betrieb von Aufzugsan­la­gen“ und TRBS 3146/TRGS 746 „Orts­feste Druck­an­la­gen für Gase“. Texte sind auf den Web­seit­en der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin (BAuA) ver­füg­bar. Die BAuA nimmt die Geschäfts­führung des ABS wahr und wirkt fach­lich bei der Erar­beitung des Regel­w­erks mit.

Für Betriebssicherheit verantwortlich

Ver­ant­wortlich für die Erfül­lung der Betr­SichV ist der Arbeit­ge­ber. Er kann sich dabei von fachkundi­gen Per­so­n­en unter­stützen lassen und ihm obliegende Auf­gaben über­tra­gen, zum Beispiel Auf­gaben im Rah­men der Durch­führung der Gefährdungs­beurteilung. Die Fachkunde erre­ichen die zuständi­gen Per­so­n­en durch eine entsprechende fach­liche Beruf­saus­bil­dung und ‑erfahrung. Eine zeit­nah aus­geübte beru­fliche Tätigkeit im Arbeit­sum­feld schafft die notwendi­ge Exper­tise und die Teil­nahme an Fort­bil­dungs­maß­nah­men gewährleis­tet, dass die Fachken­nt­nisse aktuell gehal­ten werden.

Bei überwachungs­bedürfti­gen Anla­gen, an denen keine Beschäftigten arbeit­en, bleibt der Betreiber für den Schutz ander­er Per­so­n­en im Gefahren­bere­ich dieser Anla­gen ver­ant­wortlich. Ein Beispiel dafür sind Aufzugsan­la­gen in Wohnan­la­gen, wenn diese gewerblichen oder wirtschaftlichen Zweck­en dienen.

Gefährdungsbeurteilung

Zen­trale Anforderung der Betr­SichV ist die Gefährdungs­beurteilung. Diese bezieht sich auf die Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln durch die Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit und die Ableitung erforder­lich­er Arbeitss­chutz­maß­nah­men. Die tech­nis­che Regel TRBS 1111 „Gefährdungs­beurteilung“ konkretisiert die Anforderun­gen der BetrSichV.

Die Gefährdungs­beurteilung soll bere­its vor Auswahl und Beschaf­fung von Arbeitsmit­teln begonnen wer­den. Dabei ist die Eig­nung der Arbeitsmit­tel für die jew­eili­gen Arbeit­sauf­gaben unter Beach­tung der vom Her­steller vorge­se­henen bes­tim­mungs­gemäßen Ver­wen­dung sicherzustellen. Der Arbeit­ge­ber trägt auch Ver­ant­wor­tung dafür, dass die zur Ver­fü­gung gestell­ten und ver­wen­de­ten Arbeitsmit­tel den für sie gel­tenden Pro­duk­t­sicher­heitsvorschriften entsprechen. So müssen beispiel­sweise Maschi­nen im Anwen­dungs­bere­ich der Europäis­chen Maschi­nen­richtlin­ie mit dem CE-Zeichen gekennze­ich­net sein und über eine EU-Kon­for­mität­serk­lärung ver­fü­gen. Darüber hin­aus muss eine Betrieb­san­leitung seit­ens des Her­stellers mit­geliefert wer­den. Weit­erge­hende Infor­ma­tio­nen dies­bezüglich enthält die Empf­BS 1113 „Beschaf­fung von Arbeitsmitteln“.

Bei der Gefährdungs­beurteilung sind sowohl Gefährdun­gen zu berück­sichti­gen, die bei der Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln durch die Arbeitsmit­tel selb­st auftreten kön­nen, zum Beispiel Lärme­mis­sio­nen, aber auch Gefährdun­gen aus den Arbeit­sumge­bungs­be­din­gun­gen. Dazu zählen zum Beispiel Hitze, Nässe, Beleuch­tung und Gefährdun­gen durch Arbeits­ge­gen­stände, an denen Tätigkeit­en mit Arbeitsmit­teln durchge­führt wer­den, wie Gefährdun­gen durch Instand­hal­tungsar­beit­en an oder unter ange­hobe­nen Fahrzeugen.

Erforder­liche Schutz­maß­nah­men kön­nen ins­beson­dere aus TRBS 1111, aus den vor­liegen­den gefährdungs­be­zo­ge­nen Regeln (2000er-Rei­he) und spez­i­fis­chen Regeln für Arbeitsmit­tel und überwachungs­bedürftige Anla­gen (3000er-Rei­he) abgeleit­et werden.

Prüfungen von Arbeitsmitteln

Im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung sind auch Art und Umfang der erforder­lichen Prü­fun­gen von Arbeitsmit­teln sowie Fris­ten der wiederkehren­den Prü­fun­gen zu ermit­teln (§ 3 Absatz 6 Betr­SichV). Fern­er muss der Arbeit­ge­ber fest­set­zen und fes­tle­gen, welche Voraus­set­zun­gen die zur Prü­fung befähigten Per­so­n­en erfüllen müssen, die von ihm mit Prü­fun­gen von Arbeitsmit­teln zu beauf­tra­gen sind. Weit­ere Infor­ma­tio­nen dazu enthal­ten die TRBS 1201 und TRBS 1203.

Dokumentationspflicht

Arbeit­ge­ber müssen die Ergeb­nisse der Gefährdungs­beurteilung doku­men­tieren. Erforder­liche Angaben inner­halb der Doku­men­ta­tion sind mindestens:

  • bei der Ver­wen­dung der Arbeitsmit­tel auftre­tende Gefährdungen,
  • zu ergreifende Schutzmaßnahmen,
  • wie die Anforderun­gen der Betr­SichV einge­hal­ten wer­den, wenn von den Tech­nis­chen Regeln abgewichen wird,
  • Art und Umfang der erforder­lichen Prü­fun­gen und die Fris­ten der wiederkehren­den Prü­fun­gen und
  • das Ergeb­nis der Über­prü­fung der Wirk­samkeit der Schutzmaßnahmen.

Die Doku­men­ta­tion darf sowohl schriftlich als auch in elek­tro­n­is­ch­er Form vorgenom­men wer­den. TRBS 1111 Anhang 2 enthält Empfehlun­gen für die Doku­men­ta­tion der Ergeb­nisse der Gefährdungs­beurteilung mit aus­gewählten Beispielen.

Unterweisung und Anweisungen

Bevor Beschäftigte Arbeitsmit­tel erst­ma­lig ver­wen­den, hat der Arbeit­ge­ber seinen Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­ern aus­re­ichende und angemessene Infor­ma­tio­nen anhand der Gefährdungs­beurteilung in ein­er für sie ver­ständlichen Form und Sprache zur Ver­fü­gung zu stellen. Das bet­rifft unter anderem Infor­ma­tio­nen über vorhan­dene Gefährdun­gen bei der Ver­wen­dung von Arbeitsmit­teln, erforder­liche Schutz­maß­nah­men sowie Ver­hal­tensregelun­gen und Maß­nah­men bei Betrieb­sstörun­gen, Unfällen und zur Ersten Hil­fe bei Not­fällen. Hinzuk­om­mend sind tätigkeits­be­zo­gene Unter­weisun­gen durchzuführen. Außer­dem sind schriftliche Betrieb­san­weisun­gen für die Ver­wen­dung des Arbeitsmit­tels gemäß § 12 Absatz 2 Betr­SichV in ein­er für die Beschäftigten ver­ständlichen Form und Sprache an geeigneter Stelle zur Ver­fü­gung zu stellen.

Vollzug der Anforderungen

Für den Vol­lzug der Anforderun­gen gemäß Betr­SichV sind die zuständi­gen Arbeitss­chutzbe­hör­den der Bun­deslän­der ver­ant­wortlich. Die Leitlin­ien zur Betr­SichV (LV 35) dienen dabei sowohl als Hand­lung­shil­fe für staatliche Arbeitss­chutzbe­hör­den als auch als Hil­festel­lung für Arbeit­ge­ber bei der Erfül­lung der Forderun­gen der Betriebssicherheitsverordnung.


Dipl.-Ing. Marlies Kittelmann
Dipl.-Ing. Mar­lies Kit­tel­mann; Foto: © BAuA

Autorin:
Dipl.-Ing. Mar­lies Kittelmann

Wis­senschaftliche Mitar­bei­t­erin bei der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin (BAuA)
 
 
 
 
 
 
 
Dr.-Ing. Andreas Richter
Dr.-Ing. Andreas Richter; Foto: © Uwe Voelkn­er / Fotoa­gen­tur FOX

Autor:

Dr.-Ing. Andreas Richter,
Wis­senschaftlich­er Mitar­beit­er bei der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin (BAuA)
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