An einer Bushaltestelle sollte eine neue Überdachung im Wartebereich montiert werden. Dazu wurden auf die vorhandene Stahl-Tragkonstruktion Holzplatten aufgebracht, die in den Endbereichen rund geschnitten werden sollten. Um einen Absturz der auf dem Dach arbeitenden Beschäftigten zu vermeiden, waren am Tragwerk Auffangnetze als Randsicherung vorhanden. Diese Netze waren mit Tragarmen an den Stahlträgern des Tragwerks befestigt. Zum Anklemmen der Tragarme wurden sogenannte „Flanschklemmen“ verwendet.
Beim Schneiden der letzten Ausrundung an der Überdachung verlor der Beschäftigte plötzlich den Halt und stürzte mit dem Auffangnetz auf die darunterliegende Pflasterfläche. Er zog sich dabei schwere Verletzungen im Bereich des Kopfes und der Wirbelsäule zu. Die Folgen waren eine sehr lange Arbeitsunfähigkeit sowie ein notwendiger Berufswechsel, da eine weitere Tätigkeit als Dachdecker nicht möglich war.
Die Unfallursachen
Die Unfalluntersuchung ergab, dass eine der Flanschklemmen nicht ordnungsgemäß befestigt war und sich bei der Belastung durch den in das Auffangnetz fallenden Beschäftigten vom Stahlträger löste. Somit war die Schutzwirkung der Absturzsicherung nicht mehr gegeben.
Wie kam es zu diesem Fehler? Bei Tätigkeiten im Bereich von Absturzkanten in einer Höhe ab zwei Metern sind immer geeignete Absturzsicherungen vorzusehen. Entsprechend den Vorgaben zu Sicherheitsmaßnahmen sind dabei kollektiv wirkende Schutzmaßnahmen zu bevorzugen. Bei Arbeiten an Dächern sind Gerüste mit einer Dachfanglage die geeignetste Variante. Allerdings muss hierzu eine sichere Aufstellfläche für das Gerüst vorhanden sein.
Weil im vorliegenden Fall aber noch an den Bodenflächen unterhalb der Überdachungen gearbeitet wurde, kam als Schutzmaßnahme eine Randsicherung mit Netzen zum Einsatz. Damit sollte auch ein Herabfallen von Material oder Werkzeugen auf die darunterliegenden Bereiche verhindert werden. Derartige Randsicherungen erfordern dafür geeignete und sichere Befestigungspunkte. Die Hersteller bieten hierfür unterschiedlichste Lösungen, meistens mit Klemmsystemen, an.
Fester Sitz schwer überprüfbar
Das Problem: Bei diesen Systemen, die nur kraftschlüssig an ein Konstruktionsbauteil angebunden werden, kann nur sehr schwer der korrekte Festsitz und damit die Aufnahme der bei einem Fall entstehenden Kräfte geprüft werden. Kleinste Unebenheiten oder das nicht korrekte Verspannen der Klemmen kann zum plötzlichen Ablösen der Klemmung und damit zum Versagen des gesamten Auffangsystems führen. Besser sind hier Systeme, die form- und kraftschlüssig mit der Unterkonstruktion verbunden werden, so zum Beispiel über Schraubverbindungen mit definiertem Anzugsmoment und selbsthemmenden Schrauben oder Muttern.
Obligatorisch: Prüfung und Freigabe
Der Aufbau einer Randsicherung muss gemäß der Aufbau- und Verwendungsanleitung des Herstellers erfolgen und nach Kontrolle durch eine befähigte Person zur Nutzung freigegeben werden, zum Beispiel durch ein Freigabeprotokoll. Zudem müssen solche Auffangsysteme regelmäßig auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Dazu gehört auch die Kontrolle der Befestigung der Tragkonstruktion auf sicheren und festen Sitz. Auch das ist die Aufgabe von dazu ausgebildeten und befähigten Personen. Werden Auffangsysteme während der Standzeit auch nur teilweise demontiert, um beispielsweise andere Arbeiten in diesem Bereich auszuführen, so muss nach erneuter Montage ebenfalls eine Prüfung durch eine dazu befähigte Person durchgeführt und eine erneute Freigabe zur Nutzung vorgenommen werden.
Nutzende Personen müssen sich zudem vor der Aufnahme ihrer Tätigkeiten in solchen abgesicherten Bereichen davon überzeugen, dass die Absturzsicherungen in Ordnung und vor allem freigegeben sind. Die eigenmächtige Veränderung von Absturzsicherungen durch die Nutzenden ist nicht zulässig, da sie zum Versagen des Sicherungssystems führen kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es in solchen Arbeitsbereichen geeignete Aufstiege zu den Arbeitsstellen, zum Beispiel in Form von Treppentürmen, gibt.
Autor: Dipl.-Ing. Ulf‑J. Schappmann
Sicherheitsingenieur VDSI
SIMEBU Thüringen GmbH