Brandfälle mit Lithium-Batterien nehmen zu. Gewiss ist dies nicht nur eine subjektive Wahrnehmung aufgrund von Medienberichten, in denen solche Schadensereignisse an die große Glocke gehängt wurden. Diese Entwicklung wurde stattdessen prognostiziert und ist auch nicht verwunderlich. Schließlich sind immer mehr Lithium-Batterien im Umlauf und Geräte werden zunehmend netzunabhängig mit Akkus betrieben.
Bestätigt wird diese Wahrnehmung hinzukommend durch das Institut für Schadenverhütung und ‑forschung (IFS): Die Spezialisten dieser Organisation des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) untersuchten eine Vielzahl von Bränden mit Lithium-Batterien auf ihre Brandursache.
In diesem Beitrag wird nicht näher darauf eingegangen, warum Lithium-Batterien oder Lithium-Akkus brennen können und was grundsätzlich dahintersteckt. Wer zum Beispiel den technischen Aufbau einer Lithium-Batterie oder die Ursachen für den Thermal Run-away noch einmal nachlesen möchte, wird auf die Ausgaben 1–2/2020 und 04/2021 verwiesen.
Technische Regeln geben Auskunft
Lithium-Batterien gelten zwar formell nicht als Gefahrstoff, sind jedoch innerbetrieblich als solcher zu behandeln – nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik. Im Kreise der Sicherheitsbeauftragten dürfte die TRGS 510 als „Technische Regel für Gefahrstoffe in ortsbeweglichen Behältern“ ein Begriff sein. Hier ist erstmals in der Neuausgabe von 2021 als wörtliche Erwähnung klar benannt, dass von Lithium-Batterien eine Brandgefahr durch Kurzschluss und damit eine produktspezifische Gefährdungserhöhung ausgeht. Zwar befindet sich der Fundort dieser Formulierung in Abschnitt 13.2 und damit in der Thematik der Zusammenlagerung. Deshalb zu behaupten, es seien nur Schutzmaßnahmen erforderlich, wenn Lithium-Batterien mit Gefahrstoffen zusammengelagert werden, ist aber nicht ganz richtig. Unterm Strich festgehalten – und damit nicht wegzudiskutieren – ist eben der Zusammenhang von Lithium-Batterien und der daraus resultierenden Brandgefahr. Auch wenn nicht, wie bei anderen Medien oder Gefahrstoffklassen, ausführliche Schutzmaßnahmen formuliert wurden, ist es sinnvoll, sich neben der Getrennt- oder Separatlagerung an weiteren Schutzmaßnahmen zu orientieren, die in dieser TRGS benannt werden – so zum Beispiel an den technisch/baulichen Kriterien für ein Gefahrstofflager.
Forderungen der Sachversicherungen
Bereits seit etwa zehn Jahren gibt es das VdS-Merkblatt „3103 – Lithium-Batterien“, was zuletzt 2019 aktualisiert wurde. Der vierseitige Text bildet für viele Sachversicherer die Basis für ihre Forderungen, vor allem bei Neuware. Hieraus ergeben sich abhängig von den Leistungskategorien einige allgemeine und spezifische Sicherheitsregeln, etwa zu Sicherheitsabständen, brandgeschützter Lagerung und Brandmelde- beziehungsweise Löschanlagen.
Gefährdungsbeurteilung ist wichtig
Pflicht ist auch die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung als zentrales Werkzeug im Arbeitsschutz. Diese ist nach Gefahrstoffverordnung (§ 6 GefStoffV), Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 BetrSichV), Arbeitsstättenverordnung (§ 3 ArbStättV) und Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG) ohnehin seit jeher gefordert. Die Notwendigkeit dafür ergab sich etwa durch entsprechende Gefahrenhinweise in den Bedienungsanleitungen oder Sicherheitshinweisen der Hersteller sowie den einschlägigen DGUV-Fachpublikationen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Wichtig ist zu verstehen, dass eine Gefährdungsbeurteilung nicht mit dem Bauchgefühl des Verantwortlichen erfolgt, sondern schriftlich ein systematischer Prozess vollzogen werden muss.
Technologiebedingte Gefährdungserhöhungen
Das Besondere am „Gefahrstoff“ Lithium-Batterie ist, dass sich seine Gefährlichkeit erhöht, wenn aus geprüfter Neuware nach Handling und Gebrauch eine Batterie mit Defekt/Beschädigung resultiert oder es sich bisweilen sogar nur um einen Prototyp handelte. Je nach Umstand oder Umgebung müssen die Schutzmaßnahmen deshalb hochgefahren werden können. Eine Analogie findet sich im Gefahrstoffrecht: Wenn aus „Öl bekannter Herkunft“ unbeabsichtigt durch entzündbare Zugaben ein gefährlicheres „Öl unbekannter Herkunft“ wird und damit eine ganz andere Gefahrenklasse mit Brand- und Explosionsschutz auf den Plan ruft (TRGS 509, DGUV‑I 209–007).
Fahrlässigkeit im Umgang mit Lithium-Batterien
Während vor Gericht in Urteilen bei privaten Konsumentinnen und Konsumenten nach Fehlern und einem Brandfall mit Lithium-Batterien noch ein Auge zugedrückt werden kann, wird in der Arbeitswelt aufgrund der Gesetze und anerkannten Regeln ein anderer Maßstab angelegt. Dies bezieht sich unter anderem auf die Unterweisungspflicht oder die Gefährdungsbeurteilung. Einem Verantwortlichen mit der Einstellung „Da passiert schon nichts“ wird schnell eine „bewusste Fahrlässigkeit“ unterstellt. Spannend wird es vor Gericht, wenn es einen Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Mitarbeitenden und der Brandursache gibt, weil durch Brandermittler die Lithium-Batterie als Auslöser zweifelsfrei geklärt werden konnte. Gerade dann, wenn die Sorgfaltspflichtverletzung als grobe Fahrlässigkeit offensichtlich ist beziehungsweise nachgewiesen werden kann.
Gültigkeit des Versicherungsschutzes
Solch ein Brandfall wird dann nicht nur im Strafrecht (StGB), sondern auch im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu klären sein. Ein Betrieb sollte sich daher grundsätzlich in Sachen Lithium-Batterien mit seinem Sachversicherer abstimmen. Bei der Einlagerung von Lithiumbatterien handelt es sich um eine nach § 23 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelte anzeigepflichtige Gefahrerhöhung, sodass deren Anzeigenpflicht zu einer gesetzlichen Obliegenheit zählt. Auch ohne Schaden kann der Versicherer hier handeln – etwa durch eine fristlose Kündigung (§ 24 „Kündigung wegen Gefahrerhöhung“) oder mittels Prämienerhöhung (§ 25 „Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung“). Ist die nicht angezeigte Gefahrerhöhung ursächlich für einen Schaden beziehungsweise dessen Ausmaß, kann der Versicherer in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers seine Leistung kürzen oder verweigern (§ 26 „Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung“). Gegenüber dem Sachversicherer „Nichts sagen“ oder „Nichts machen“ ist also keine Lösung.
Ganzheitliche Herangehensweise
Das für die Sicherheit verantwortliche Fachpersonal sollte sich im eigenen Betrieb die Situationen und Prozesse im Zusammenhang mit Lithium-Batterien genau anschauen und bei Bedarf zeigen lassen. Jeder Betrieb ist anders, sei es die grundsätzliche Ausrichtung nach der Geschäftstätigkeit, den organisatorischen Abläufen oder räumlichen Gegebenheiten. Nur in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise lassen sich Handlungsbedarfe erkennen und die jeweiligen Beschäftigten konkret sensibilisieren. Brandauslöser ist immer nur eine Lithium-Batterie.
Nachfolgend drei Beispiele, die jeder Sicherheitsbeauftragte im Blick haben sollte:
- Ladeplätze im gewerblichen Bereich: Die meisten Brandfälle ereignen sich während des Ladevorgangs. Daher ist es wichtig, die Ladeplätze in der Fertigung oder der Werkstatt zu kennen und auf ihre Eignung zu prüfen. In jedem Fall muss ein unbeaufsichtigtes Laden vermieden werden. Können die anerkannten Sicherheitsempfehlungen eingehalten werden oder muss technisch mit Akku-Sicherheitsprodukten wie etwa einem auf Batteriebrand geprüften Ladeschrank nachgebessert werden?
- Umgang mit mobilen Endgeräten: Einen Betrieb ohne Laptops oder Geschäftshandys gibt es heutzutage nicht mehr. Für jedes mobile Endgerät der Mitarbeitenden einen brandgeschützten Büroarbeitsplatz vorzuschreiben, wäre allerdings vermessen. Der Fokus sollte deswegen auf Zwischenfällen wie etwa aufgeblähten Batterien (sogenannten Lithium-Polymer-Bauweisen) oder plötzlichen Defekten bei den Akkus liegen. Wissen die Mitarbeitenden, dass aufgeblähte Akkus brandgefährlich sind? Gibt es Handlungsanweisungen für den Notfall? Steht der IT-Abteilung eine Box für die brandgeschützte Aufbewahrung zur Verfügung?
- Einsatz von E‑Bikes: Vermehrt kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem E‑Bike zur Arbeit – erst recht, wenn ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber ein E‑Bike-Leasing anbietet. Die enthaltenen E‑Bike-Akkus werden aus Gründen des Diebstahlschutzes oder zur Vermeidung von Temperatureinflüssen von den Beschäftigten in vielen Fällen unbemerkt mit ins Gebäude gebracht. Oft sogar, um sie zu laden. Hier empfiehlt es sich, das Thema in der Brandschutzordnung Teil B zu regeln.
Transport von Lithium-Batterien als Gefahrgut
Lithium-Batterien sind Gefahrgut auf der Straße und unterliegen strengen Transportvorschriften (ADR). Alle am Transportprozess beteiligten Personen müssen unterwiesen sein und – wichtig – die Grenzen ihres Aufgabenfelds beziehungsweise ihrer Befugnisse kennen. Relevant ist etwa die 100 Wattstunden (Wh)-Grenze bei Lithium-Ionen-Akkus. Unterhalb dieser Kapazität wird von vereinfachten Anforderungen profitiert (SV 188). Allerdings sind Akkus mit einer größeren Kapazität als 100 Wh ein geregeltes Gefahrgut der Klasse 9 und dementsprechend ein Fall für „Profis“. Auch muss klar sein, dass die ADR-Handwerkerregelung (ADR 1.1.3.1.c) nur einen schmalen Grat für das Erlaubte darstellt.
Ein Beispiel: Kann ein neuer oder intakter gebrauchter Laptop-Akku (in der Regel kleiner 100 Wh) noch problemlos transportiert werden, sieht dies bei einem defekten oder beschädigten Laptop-Akku schon ganz anders aus (SV 376). In diesem Fall muss er nach dem Gefahrgutrecht wie ein größerer Akku behandelt werden, inklusive der damit verbundenen Anforderungen nach einer speziellen zugelassenen Gefahrgutverpackung mit nicht brennbarer Innenausstattung (etwa P908). Diese Unterscheidung ist umso wichtiger, weil die ADR-Handwerkerregelung nicht mehr greift oder wenn der Transport über einen Dienstleister erfolgen soll. Im Klartext bedeutet das für Sicherheitsbeauftragte: Auch wenn er nicht mit einem Gefahrgutbeauftragten gleichzusetzen ist, sollte er diese Fallstricke kennen und sie ins Unternehmen tragen.
Gemeinsame Aktivitäten
Das Thema „Brandgefahr durch Lithium-Batterien“ kann also als Teamarbeit zwischen Sicherheitsbeauftragten, Brandschutzbeauftragten und Gefahrgutbeauftragten verstanden und – wenn vorhanden – auch um (Werk-)Feuerwehr, Gefahrstoffbeauftragte und (Hochvolt-)Techniker ergänzt werden. Wird ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet, sollte immer die positive Wirkung berücksichtigt werden, dass ein Akku-Sicherheitsprodukt im Betrieb – egal ob Brandschutzschränke, feuerfeste Boxen oder Brandschutzcontainer – die Mitarbeitenden laufend an die Gefahrenpotenziale erinnert.
Existenzschutz steht im Vordergrund
Die Eintrittswahrscheinlichkeit für den Thermal Runaway einer Lithium-Batterie mag abhängig von der Situation als gering eingestuft werden. Unstrittig ist aber, dass das Schadensausmaß erheblich sein kann. Aus Eigeninteresse sollte also der Existenzschutz im Vordergrund stehen. Daher ist es unklug, darauf zu verweisen, die Aufregung um Lithium-Batterien sei überzogen, und sich auf den Lücken in den Vorschriften zu Umgang und Lagerung auszuruhen. Am Ende möchte keiner bezüglich dieser aktuellen Thematik vor Gericht als weiterer Präzedenzfall herhalten.
Konkrete Lösungsvorschläge
Teil 2 des Beitrags in einer der nächsten Ausgaben greift neue Fachveröffentlichungen und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse auf, die in Kürze erscheinen. Daraus abgeleitet werden konkrete Lösungsvorschläge als Unterstützung für die Arbeit der Sicherheitsbeauftragten.
Autor:
Andreas Schneider
Produktmanager bei CEMO GmbH