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Brandgefahr durch Lithium-Batterien

Lithium-Batterien
Das „B“ steht für Brandgefahr

Andreas Schneider
In den ver­gan­genen Monat­en wur­den Sicher­heits­beauf­tragte sicher­lich schon von vie­len Seit­en damit kon­fron­tiert, dass von Lithi­um-Bat­te­rien /-Akkus eine Brandge­fahr aus­ge­ht. Im besten Fall sind sie dies­bezüglich auch bere­its selb­st in ihrem Betrieb tätig gewor­den. Das in diesem Zusam­men­hang wichtige Basiswis­sen für Sicher­heits­beauf­tragte wird im Fol­gen­den kom­pakt aufbereitet.

Brand­fälle mit Lithi­um-Bat­te­rien nehmen zu. Gewiss ist dies nicht nur eine sub­jek­tive Wahrnehmung auf­grund von Medi­en­bericht­en, in denen solche Schadensereignisse an die große Glocke gehängt wur­den. Diese Entwick­lung wurde stattdessen prog­nos­tiziert und ist auch nicht ver­wun­der­lich. Schließlich sind immer mehr Lithi­um-Bat­te­rien im Umlauf und Geräte wer­den zunehmend net­zun­ab­hängig mit Akkus betrieben.

Bestätigt wird diese Wahrnehmung hinzuk­om­mend durch das Insti­tut für Schaden­ver­hü­tung und ‑forschung (IFS): Die Spezial­is­ten dieser Organ­i­sa­tion des Gesamtver­bands der deutschen Ver­sicherungswirtschaft (GDV) unter­sucht­en eine Vielzahl von Brän­den mit Lithi­um-Bat­te­rien auf ihre Brandursache.

In diesem Beitrag wird nicht näher darauf einge­gan­gen, warum Lithi­um-Bat­te­rien oder Lithi­um-Akkus bren­nen kön­nen und was grund­sät­zlich dahin­ter­steckt. Wer zum Beispiel den tech­nis­chen Auf­bau ein­er Lithi­um-Bat­terie oder die Ursachen für den Ther­mal Run-away noch ein­mal nach­le­sen möchte, wird auf die Aus­gaben 1–2/2020 und 04/2021 verwiesen.

Technische Regeln geben Auskunft

Lithi­um-Bat­te­rien gel­ten zwar formell nicht als Gefahrstoff, sind jedoch inner­be­trieblich als solch­er zu behan­deln – nach aktuellem Stand von Wis­senschaft und Tech­nik. Im Kreise der Sicher­heits­beauf­tragten dürfte die TRGS 510 als „Tech­nis­che Regel für Gefahrstoffe in orts­be­weglichen Behäl­tern“ ein Begriff sein. Hier ist erst­mals in der Neuaus­gabe von 2021 als wörtliche Erwäh­nung klar benan­nt, dass von Lithi­um-Bat­te­rien eine Brandge­fahr durch Kurz­schluss und damit eine pro­duk­t­spez­i­fis­che Gefährdungser­höhung aus­ge­ht. Zwar befind­et sich der Fun­dort dieser For­mulierung in Abschnitt 13.2 und damit in der The­matik der Zusam­men­lagerung. Deshalb zu behaupten, es seien nur Schutz­maß­nah­men erforder­lich, wenn Lithi­um-Bat­te­rien mit Gefahrstof­fen zusam­men­ge­lagert wer­den, ist aber nicht ganz richtig. Unterm Strich fest­ge­hal­ten – und damit nicht wegzud­isku­tieren – ist eben der Zusam­men­hang von Lithi­um-Bat­te­rien und der daraus resul­tieren­den Brandge­fahr. Auch wenn nicht, wie bei anderen Medi­en oder Gefahrstof­fk­lassen, aus­führliche Schutz­maß­nah­men for­muliert wur­den, ist es sin­nvoll, sich neben der Getren­nt- oder Sep­a­rat­lagerung an weit­eren Schutz­maß­nah­men zu ori­en­tieren, die in dieser TRGS benan­nt wer­den – so zum Beispiel an den technisch/baulichen Kri­te­rien für ein Gefahrstofflager.

Forderungen der Sachversicherungen

Bere­its seit etwa zehn Jahren gibt es das VdS-Merk­blatt „3103 – Lithi­um-Bat­te­rien“, was zulet­zt 2019 aktu­al­isiert wurde. Der vier­seit­ige Text bildet für viele Sachver­sicher­er die Basis für ihre Forderun­gen, vor allem bei Neuware. Hier­aus ergeben sich abhängig von den Leis­tungskat­e­gorien einige all­ge­meine und spez­i­fis­che Sicher­heit­sregeln, etwa zu Sicher­heitsab­stän­den, brandgeschützter Lagerung und Brand­melde- beziehungsweise Löschanlagen.

Gefährdungsbeurteilung ist wichtig

Pflicht ist auch die Durch­führung ein­er Gefährdungs­beurteilung als zen­trales Werkzeug im Arbeitss­chutz. Diese ist nach Gefahrstof­fverord­nung (§ 6 Gef­Stof­fV), Betrieb­ssicher­heitsverord­nung (§ 3 Betr­SichV), Arbeitsstät­ten­verord­nung (§ 3 Arb­StättV) und Arbeitss­chutzge­setz (§ 5 Arb­SchG) ohne­hin seit jeher gefordert. Die Notwendigkeit dafür ergab sich etwa durch entsprechende Gefahren­hin­weise in den Bedi­enungsan­leitun­gen oder Sicher­heit­shin­weisen der Her­steller sowie den ein­schlägi­gen DGUV-Fach­pub­lika­tio­nen der Beruf­sgenossen­schaften und Unfal­lka­ssen. Wichtig ist zu ver­ste­hen, dass eine Gefährdungs­beurteilung nicht mit dem Bauchge­fühl des Ver­ant­wortlichen erfol­gt, son­dern schriftlich ein sys­tem­a­tis­ch­er Prozess vol­l­zo­gen wer­den muss.

Technologiebedingte Gefährdungserhöhungen

Das Beson­dere am „Gefahrstoff“ Lithi­um-Bat­terie ist, dass sich seine Gefährlichkeit erhöht, wenn aus geprüfter Neuware nach Han­dling und Gebrauch eine Bat­terie mit Defekt/Beschädigung resul­tiert oder es sich bisweilen sog­ar nur um einen Pro­to­typ han­delte. Je nach Umstand oder Umge­bung müssen die Schutz­maß­nah­men deshalb hochge­fahren wer­den kön­nen. Eine Analo­gie find­et sich im Gefahrstof­frecht: Wenn aus „Öl bekan­nter Herkun­ft“ unbe­ab­sichtigt durch entzünd­bare Zugaben ein gefährlicheres „Öl unbekan­nter Herkun­ft“ wird und damit eine ganz andere Gefahren­klasse mit Brand- und Explo­sion­ss­chutz auf den Plan ruft (TRGS 509, DGUV‑I 209–007).

Fahrlässigkeit im Umgang mit Lithium-Batterien

Während vor Gericht in Urteilen bei pri­vat­en Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten nach Fehlern und einem Brand­fall mit Lithi­um-Bat­te­rien noch ein Auge zuge­drückt wer­den kann, wird in der Arbeitswelt auf­grund der Geset­ze und anerkan­nten Regeln ein ander­er Maßstab angelegt. Dies bezieht sich unter anderem auf die Unter­weisungspflicht oder die Gefährdungs­beurteilung. Einem Ver­ant­wortlichen mit der Ein­stel­lung „Da passiert schon nichts“ wird schnell eine „bewusste Fahrläs­sigkeit“ unter­stellt. Span­nend wird es vor Gericht, wenn es einen Kausalzusam­men­hang zwis­chen dem Fehlver­hal­ten des Mitar­bei­t­en­den und der Bran­dur­sache gibt, weil durch Bran­der­mit­tler die Lithi­um-Bat­terie als Aus­lös­er zweifels­frei gek­lärt wer­den kon­nte. Ger­ade dann, wenn die Sorgfalt­spflichtver­let­zung als grobe Fahrläs­sigkeit offen­sichtlich ist beziehungsweise nachgewiesen wer­den kann.

Gültigkeit des Versicherungsschutzes

Solch ein Brand­fall wird dann nicht nur im Strafrecht (StGB), son­dern auch im Ver­sicherungsver­trags­ge­setz (VVG) zu klären sein. Ein Betrieb sollte sich daher grund­sät­zlich in Sachen Lithi­um-Bat­te­rien mit seinem Sachver­sicher­er abstim­men. Bei der Ein­lagerung von Lithi­um­bat­te­rien han­delt es sich um eine nach § 23 ff. Ver­sicherungsver­trags­ge­setz (VVG) geregelte anzeigepflichtige Gefahrerhöhung, sodass deren Anzeigenpflicht zu ein­er geset­zlichen Obliegen­heit zählt. Auch ohne Schaden kann der Ver­sicher­er hier han­deln – etwa durch eine frist­lose Kündi­gung (§ 24 „Kündi­gung wegen Gefahrerhöhung“) oder mit­tels Prämiener­höhung (§ 25 „Prämiener­höhung wegen Gefahrerhöhung“). Ist die nicht angezeigte Gefahrerhöhung ursäch­lich für einen Schaden beziehungsweise dessen Aus­maß, kann der Ver­sicher­er in Abhängigkeit vom Ver­schuldens­grad des Ver­sicherungsnehmers seine Leis­tung kürzen oder ver­weigern (§ 26 „Leis­tungs­frei­heit wegen Gefahrerhöhung“). Gegenüber dem Sachver­sicher­er „Nichts sagen“ oder „Nichts machen“ ist also keine Lösung.

Ganzheitliche Herangehensweise

Das für die Sicher­heit ver­ant­wortliche Fach­per­son­al sollte sich im eige­nen Betrieb die Sit­u­a­tio­nen und Prozesse im Zusam­men­hang mit Lithi­um-Bat­te­rien genau anschauen und bei Bedarf zeigen lassen. Jed­er Betrieb ist anders, sei es die grund­sät­zliche Aus­rich­tung nach der Geschäft­stätigkeit, den organ­isatorischen Abläufen oder räum­lichen Gegeben­heit­en. Nur in ein­er ganzheitlichen Betra­ch­tungsweise lassen sich Hand­lungs­be­darfe erken­nen und die jew­eili­gen Beschäftigten konkret sen­si­bil­isieren. Bran­daus­lös­er ist immer nur eine Lithium-Batterie.

Nach­fol­gend drei Beispiele, die jed­er Sicher­heits­beauf­tragte im Blick haben sollte:

  • Lade­plätze im gewerblichen Bere­ich: Die meis­ten Brand­fälle ereignen sich während des Lade­vor­gangs. Daher ist es wichtig, die Lade­plätze in der Fer­ti­gung oder der Werk­statt zu ken­nen und auf ihre Eig­nung zu prüfen. In jedem Fall muss ein unbeauf­sichtigtes Laden ver­mieden wer­den. Kön­nen die anerkan­nten Sicher­heit­sempfehlun­gen einge­hal­ten wer­den oder muss tech­nisch mit Akku-Sicher­heit­spro­duk­ten wie etwa einem auf Bat­teriebrand geprüften Lade­schrank nachgebessert werden?
  • Umgang mit mobilen Endgeräten: Einen Betrieb ohne Lap­tops oder Geschäft­shandys gibt es heutzu­tage nicht mehr. Für jedes mobile Endgerät der Mitar­bei­t­en­den einen brandgeschützten Büroar­beit­splatz vorzuschreiben, wäre allerd­ings ver­messen. Der Fokus sollte deswe­gen auf Zwis­chen­fällen wie etwa aufge­bläht­en Bat­te­rien (soge­nan­nten Lithi­um-Poly­mer-Bauweisen) oder plöt­zlichen Defek­ten bei den Akkus liegen. Wis­sen die Mitar­bei­t­en­den, dass aufge­blähte Akkus brandge­fährlich sind? Gibt es Hand­lungsan­weisun­gen für den Not­fall? Ste­ht der IT-Abteilung eine Box für die brandgeschützte Auf­be­wahrung zur Verfügung?
  • Ein­satz von E‑Bikes: Ver­mehrt kom­men Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er mit einem E‑Bike zur Arbeit – erst recht, wenn ein Unternehmen als attrak­tiv­er Arbeit­ge­ber ein E‑Bike-Leas­ing anbi­etet. Die enthal­te­nen E‑Bike-Akkus wer­den aus Grün­den des Dieb­stahlschutzes oder zur Ver­mei­dung von Tem­per­a­ture­in­flüssen von den Beschäftigten in vie­len Fällen unbe­merkt mit ins Gebäude gebracht. Oft sog­ar, um sie zu laden. Hier emp­fiehlt es sich, das The­ma in der Brand­schut­zord­nung Teil B zu regeln.

Transport von Lithium-Batterien als Gefahrgut

Lithi­um-Bat­te­rien sind Gefahrgut auf der Straße und unter­liegen stren­gen Trans­portvorschriften (ADR). Alle am Trans­port­prozess beteiligten Per­so­n­en müssen unter­wiesen sein und – wichtig – die Gren­zen ihres Auf­gaben­felds beziehungsweise ihrer Befug­nisse ken­nen. Rel­e­vant ist etwa die 100 Wattstun­den (Wh)-Grenze bei Lithi­um-Ionen-Akkus. Unter­halb dieser Kapaz­ität wird von vere­in­facht­en Anforderun­gen prof­i­tiert (SV 188). Allerd­ings sind Akkus mit ein­er größeren Kapaz­ität als 100 Wh ein geregeltes Gefahrgut der Klasse 9 und dementsprechend ein Fall für „Profis“. Auch muss klar sein, dass die ADR-Handw­erk­er­regelung (ADR 1.1.3.1.c) nur einen schmalen Grat für das Erlaubte darstellt.

Ein Beispiel: Kann ein neuer oder intak­ter gebrauchter Lap­top-Akku (in der Regel klein­er 100 Wh) noch prob­lem­los trans­portiert wer­den, sieht dies bei einem defek­ten oder beschädigten Lap­top-Akku schon ganz anders aus (SV 376). In diesem Fall muss er nach dem Gefahrgutrecht wie ein größer­er Akku behan­delt wer­den, inklu­sive der damit ver­bun­de­nen Anforderun­gen nach ein­er speziellen zuge­lasse­nen Gefahrgutver­pack­ung mit nicht brennbar­er Innenausstat­tung (etwa P908). Diese Unter­schei­dung ist umso wichtiger, weil die ADR-Handw­erk­er­regelung nicht mehr greift oder wenn der Trans­port über einen Dien­stleis­ter erfol­gen soll. Im Klar­text bedeutet das für Sicher­heits­beauf­tragte: Auch wenn er nicht mit einem Gefahrgut­beauf­tragten gle­ichzuset­zen ist, sollte er diese Fall­stricke ken­nen und sie ins Unternehmen tragen.

Gemeinsame Aktivitäten

Das The­ma „Brandge­fahr durch Lithi­um-Bat­te­rien“ kann also als Tea­mar­beit zwis­chen Sicher­heits­beauf­tragten, Brand­schutzbeauf­tragten und Gefahrgut­beauf­tragten ver­standen und – wenn vorhan­den – auch um (Werk-)Feuerwehr, Gefahrstoff­beauf­tragte und (Hochvolt-)Techniker ergänzt wer­den. Wird ein Sicher­heit­skonzept aus­gear­beit­et, sollte immer die pos­i­tive Wirkung berück­sichtigt wer­den, dass ein Akku-Sicher­heit­spro­dukt im Betrieb – egal ob Brand­schutzschränke, feuer­feste Box­en oder Brand­schutz­con­tain­er – die Mitar­bei­t­en­den laufend an die Gefahren­poten­ziale erinnert.

Existenzschutz steht im Vordergrund

Die Ein­trittswahrschein­lichkeit für den Ther­mal Run­away ein­er Lithi­um-Bat­terie mag abhängig von der Sit­u­a­tion als ger­ing eingestuft wer­den. Unstrit­tig ist aber, dass das Schaden­saus­maß erhe­blich sein kann. Aus Eigen­in­ter­esse sollte also der Exis­ten­zschutz im Vorder­grund ste­hen. Daher ist es unklug, darauf zu ver­weisen, die Aufre­gung um Lithi­um-Bat­te­rien sei über­zo­gen, und sich auf den Lück­en in den Vorschriften zu Umgang und Lagerung auszu­ruhen. Am Ende möchte kein­er bezüglich dieser aktuellen The­matik vor Gericht als weit­er­er Präze­den­z­fall herhalten.

Konkrete Lösungsvorschläge

Teil 2 des Beitrags in ein­er der näch­sten Aus­gaben greift neue Fachveröf­fentlichun­gen und aktuelle wis­senschaftliche Erken­nt­nisse auf, die in Kürze erscheinen. Daraus abgeleit­et wer­den konkrete Lösungsvorschläge als Unter­stützung für die Arbeit der Sicherheitsbeauftragten.


Andreas Schneider
Andreas Schnei­der; Foto: © privat

Autor:
Andreas Schneider
Pro­duk­t­man­ag­er bei CEMO GmbH

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