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Gelebter Arbeitsschutz – von Anfang an

Projekt zum sicheren Start ins Berufsleben
Gelebter Arbeitsschutz – von Anfang an

Gelebter Arbeitsschutz – von Anfang an
Foto: © auremar - stock.adoe.com
Im Ver­gle­ich zu älteren Mitar­bei­t­en­den ist die Unfal­lquote bei jun­gen Beschäftigten hoch. Präven­tives Ver­hal­ten sollte dem­nach frühzeit­ig erlernt und dazu in die betriebliche Aus­bil­dung inte­gri­ert wer­den. Doch wie gelingt dies möglichst erfol­gre­ich? In einem Forschung­spro­jekt wur­den Auszu­bildende aktiv in den Arbeits- und Gesund­heitss­chutz (AGS) einge­bun­den. Auf diese Weise ent­standen zwei Check­lis­ten, Gestal­tungsempfehlun­gen und ein Workshop-Konzept.

Ziel des Forschung­spro­jek­ts „J‑AGS“ – Jugend-Arbeits- und Gesund­heitss­chutz – war es, geeignete Strate­gien zum Erwerb von Schlüs­selkom­pe­ten­zen für gesund­heits­gerecht­es beziehungsweise gesund­heits­förder­lich­es Arbeit­en in der betrieblichen Aus­bil­dung zu erproben. Im Kern ging es darum, die Auszu­bilden­den für Arbeitssicher­heit und Gesund­heit zu sen­si­bil­isieren und ihre Eigen­ver­ant­wor­tung für den Arbeits- und Gesund­heitss­chutz zu fördern – durch direk­te Ein­bindung der Berufseinsteiger/innen und ihrer betrieblichen Ausbilder/innen. Das Pro­jekt wurde von der Beruf­sgenossen­schaft Han­del und Waren­l­o­gis­tik (BGHW) finanziert und von der Arbeits­gruppe Wis­sen-Denken-Han­deln der TU Dres­den in Koop­er­a­tion mit einem Pilo­tun­ternehmen umgesetzt.

Hin­ter­grund für das von der Beruf­sgenossen­schaft geförderte Forschung­spro­jekt ist, dass in den Branchen Han­del und Waren­l­o­gis­tik junge Beschäftigte – Berufsanfänger/innen und Auszu­bildende – im Ver­gle­ich mit anderen Alters­grup­pen die höch­sten Unfal­lquoten aufweisen. Auch branchenüber­greifende Unfall­sta­tis­tiken und Unter­suchun­gen weisen auf ein erhöht­es Risiko für Arbeit­sun­fälle und Ver­let­zun­gen in der Gruppe der jun­gen Beschäftigten hin.

Kompetenzen frühzeitig erwerben

Als Ursachen hier­für wer­den in der Lit­er­atur häu­fig die man­gel­nde Beruf­ser­fahrung und eine fehler­hafte Wahrnehmung beziehungsweise Ein­schätzung von arbeits­be­d­ingten Gefahren aufge­führt. Das heißt, Risiken wer­den aus Man­gel an Erfahrung nicht erkannt
beziehungsweise nicht richtig eingeschätzt. Ein Schlüs­sel zum Erler­nen arbeits- und gesund­heitss­chutzgerecht­en Ver­hal­tens in der Beruf­saus­bil­dung liegt dem­nach in der Bewusst­seins­bil­dung für Gefährdun­gen und der Sen­si­bil­isierung für Arbeitss­chutz und Gesund­heit. Dabei spielt der frühzeit­ige Erwerb von AGS-Schlüs­selkom­pe­ten­zen für gesund­heits­gerecht­es beziehungsweise ‑förder­lich­es Arbeit­en eine zen­trale Rolle. Um diese Kom­pe­ten­zen zu erwer­ben beziehungsweise ein­set­zen zu kön­nen, ist die arbeits- und gesund­heits­gerechte Gestal­tung der betrieblichen Beruf­saus­bil­dung eben­so notwendig.

Diskussionen, Befragungen, Workshops

Für die Umset­zung des Forschungsvorhabens wurde eine bre­ite Meth­o­d­en­vielfalt genutzt, die an den spez­i­fis­chen Bedürfnis­sen der Ziel­gruppe anset­zte. Neben Analy­sen des inter­na­tionalen Forschungs­standes und Sta­tis­tiken zum Unfallgeschehen junger Beschäftigter aus den Branchen Han­del und Waren­l­o­gis­tik wur­den sowohl Bege­hun­gen vor Ort, Fokus­grup­pendiskus­sio­nen mit den AGS-Beteiligten als auch Online-Befra­gun­gen und Work­shops mit den Auszu­bilden­den durchge­führt. Auf diese Weise wur­den diese aktiv in den AGS ihrer Beruf­saus­bil­dung einge­bun­den und erhiel­ten so die Möglichkeit, eigene Gestal­tungsvorschläge zur Verbesserung anzubringen.

Wo besteht Handlungsbedarf?

Als ein Ergeb­nis des Pro­jek­ts wur­den zwei Check­lis­ten erar­beit­et. Check­liste 1 wird von den Auszu­bilden­den aus­ge­füllt. Sie dient dazu, die Sit­u­a­tion des Arbeits- und Gesund­heitss­chutzes in der Beruf­saus­bil­dung aus ihrer Sicht zu ermit­teln. Check­liste 2 stimmt inhaltlich mit Check­liste 1 übere­in, richtet sich jedoch an die Ausbilder/innen. Bei­de Lis­ten greifen jew­eils fünf AGS-The­men­bere­iche mit jew­eils drei AGS-Aspek­ten auf. Diese Ansatzpunk­te wur­den in Anlehnung an das Konzept der Arbeits­fähigkeit aus­gewählt, das der finnis­che Wis­senschaftler Juhani Ilmari­nen zusam­men mit dem deutschen Arbeitsmedi­zin­er Jür­gen Tem­pel entwick­elt hat und unter dem Namen „Haus der Arbeits­fähigkeit“ bekan­nt ist (siehe Kas­ten auf Seite 33). Das ermöglichte eine über­sichtliche Struk­turierung der Fra­gen und Inhalte.

Empfehlungen für Maßnahmen

Bei­de Check­lis­ten dienen dazu, Hand­lungs­be­darfe sowie Inter­ven­tion­ss­chw­er­punk­te im AGS am Aus­bil­dungsplatz sicht­bar zu machen. Damit wird eine Grund­lage zur Ableitung ganzheitlich­er AGS-Maß­nah­men geschaf­fen. In Unter­stützung dazu enthält eine im Rah­men des Pro­jek­ts entwick­elte Broschüre für jedes aufge­führte The­ma Maß­nah­men-Empfehlun­gen, so etwa zum Punkt Par­tizipa­tion (siehe Kas­ten unten).

Workshop zur Kompetenzförderung

Vor dem Hin­ter­grund der Erken­nt­nisse aus der Online-Befra­gung und den Fokus­grup­pendiskus­sio­nen wurde zudem ein Work­shop-Konzept entwick­elt, das an der betrieblichen Aus­bil­dungssi­t­u­a­tion anset­zt und die Verbesserung des gelebten Arbeitss­chutzes in der Beruf­saus­bil­dung nach­haltig unter­stützt. Die Auszu­bilden­den wer­den im Work­shop für ein gesund­heits­be­wusstes Han­deln sen­si­bil­isiert, um die täglichen Her­aus­forderun­gen in der Aus­bil­dung gesund und leis­tungs­fähig bewälti­gen zu kön­nen. Sie erhal­ten die Möglichkeit, eigene Erfahrun­gen zur Arbeitssicher­heit und Gesund­heit zu disku­tieren sowie eigene Vorschläge zur Gestal­tung des betrieblichen AGS anzubrin­gen. Das Vorge­hen bein­hal­tet somit sowohl die Förderung von Arbeits- und Gesund­heitss­chutzkom­pe­ten­zen als auch die Opti­mierung der AGS-Gestaltung.

Unmittelbares Feedback gewünscht

Im Rah­men des Work­shops kön­nen also von Auszu­bilden­den konkrete Präven­tions­be­darfe und Präven­tion­s­maß­nah­men erar­beit­et wer­den. Die Auszu­bilden­den des Pilo­tun­ternehmens lobten beispiel­sweise, dass es für Rück­mel­dun­gen feste Ter­mine, so zum Beispiel vor dem Wech­sel in eine neue Abteilung, gibt. Den­noch wün­scht­en sie sich auch im Arbeit­sall­t­ag, das heißt unmit­tel­bar bei der Aus­führung der Arbeit­stätigkeit­en, ein Feed­back. Denn wenn sie nicht direkt auf Fehler hingewiesen wür­den, hät­ten sie die Befürch­tung, dass dies zum Beispiel zu Ver­let­zun­gen führen könne. Zur Verbesserung schlu­gen die Auszu­bilden­den mehr direk­tes Feed­back im Arbeit­sall­t­ag und sofor­tige Rück­mel­dung bei Fehlern vor.

Erfolgsfaktor aktive Beteiligung

Die Erprobung des entwick­el­ten Ansatzes im Pilo­tun­ternehmen zeigte, dass die aktive Beteili­gung von Auszu­bilden­den am betrieblichen AGS ein geeignetes Vorge­hen zur Sen­si­bil­isierung ihres Gefährdungs- und Gesund­heits­be­wusst­seins darstellt. Die inten­sive Beschäf­ti­gung mit den betrieb­sspez­i­fis­chen AGS-Bedin­gun­gen ermöglichte zudem, geeignete Gestal­tungsempfehlun­gen zur Verbesserung des AGS in der Beruf­saus­bil­dung abzuleit­en. Dabei wurde deut­lich, dass nicht nur der geringe Erfahrungss­chatz der jun­gen Men­schen Grund für die erhöhte Unfall­ge­fahr ist. Vielmehr spie­len Aspek­te der Arbeit­sauf­gabe und der Arbeit­sor­gan­i­sa­tion wie zum Beispiel Infor­ma­tion­slück­en und Zeit­druck eben­falls eine wichtige Rolle. Auch daran soll­ten sich die Gestal­tungs­maß­nah­men zur Verbesserung der Sit­u­a­tion orientieren.

Projekt ausgerollt

Im Pilo­tun­ternehmen wur­den diese wichti­gen Aspek­te gemein­sam mit dem J‑AGS-Pro­jek­t­team der TU Dres­den her­aus­gear­beit­et. Die Umset­zung und Nach­haltigkeit der daraus resul­tieren­den Gestal­tungs­maß­nah­men wurde durch die Mitwirkung der aus­bilden­den Per­so­n­en und weit­eren AGS-Beteiligten im Unternehmen gesichert. Das Pilo­tun­ternehmen übertrug das Vorge­hen zudem auf weit­ere Nieder­las­sun­gen, um auch dort den AGS von Auszu­bilden­den zu stärken. Langfristig sollen dadurch Arbeit­sun­fälle und Beruf­serkrankun­gen von jun­gen Beschäftigten ver­mieden und damit ver­bun­dene Kosten für Aus­fal­lzeit­en ver­ringert wer­den. Für die Über­tra­gung des Vorge­hens auf andere Unternehmen wer­den sowohl die Check­lis­ten und die Gestal­tungsempfehlun­gen als auch das Hand­lungskonzept zur Durch­führung eines AGS-Work­shops durch die BGHW bereitgestellt.

Auch Nicht-Auszubildende einbinden

Wichtig bleibt zu erwäh­nen, dass die Analyse der Sekundär­dat­en aus den Branchen Han­del und Waren­l­o­gis­tik zeigte, dass unter den jun­gen Beschäftigten Nicht-Auszu­bildende ein höheres Unfall­risiko aufweisen als Auszu­bildende. In der Gruppe der Nicht-Auszu­bilden­den sind beson­ders viele ger­ingfügig Beschäftigte, die möglicher­weise auf­grund ihrer begren­zten Arbeit­szeit nur ungenü­gend in die betriebliche AGS-Kom­mu­nika­tion einge­bun­den sind. Diese Ergeb­nisse ver­weisen darauf, dass nicht nur Auszu­bildende, son­dern auch Per­so­n­en in anderen Beschäf­ti­gungsver­hält­nis­sen aktiv am AGS beteiligt wer­den soll­ten. So starten alle Berufsanfänger/innen sich­er ins Berufsleben.

 

Autoren: Ste­fanie Hobrack-Zsche­ich, BGHW

Anne Step­u­tat-Rätze, TU Dresden

Dr. Ulrike Pietrzyk, TU Dresden


Ausgangspunkt für die Checklisten

Die Check­lis­ten für betriebliche Auszu­bildende und Ausbilder/innen ent­standen in Anlehnung an das Konzept der Arbeits­fähigkeit (Ilmari­nen & Tem­pel, 2002): Die vier The­men­bere­iche Arbeit, Werte, Kom­pe­tenz und Gesund­heit wur­den um den Bere­ich Sicher­heit ergänzt. Zu jedem Kom­plex wer­den drei Aspek­te abge­fragt, sodass ins­ge­samt 15 Fra­gen zu beant­worten sind.

Quelle: Abschluss­bericht des J‑AGS-Pro­jek­ts der TU Dres­den: Pietrzyk U. et al. (2019): „Start ins Beruf­sleben mit arbeits- und gesund­heitss­chutzgerechtem Ver­hal­ten – (Jugend-)Arbeits- und Gesund­heitss­chutz (J‑AGS) bei Auszu­bilden­den und Prax­isaus­bildern der Branche Han­del und Warenlogistik“


Gestaltungstipps zum Thema Partizipation

Die Auszu­bilden­den bericht­en, dass sie nicht die Möglichkeit haben, sich aktiv in The­men des Arbeits- und Gesund­heitss­chutzes einzubrin­gen. Die emp­fohle­nen Maß­nah­men zur Verbesserung dieses Aspek­ts lauten:

  • Durch­führung der Auszu­bilden­den-Work­shops entsprechend dem Hand­lungskonzept für Ausbilder/innen in der Branche Han­del und Warenlogistik
  • Aktive Ein­bindung durch Über­tra­gung von Auf­gaben zum The­ma AGS (zum Beispiel Beteili­gung an Arbeit­splatzbege­hun­gen und an der Gefährdungsbeurteilung)
  • Auszu­bilden­den-Vertre­tung in den ASA-Kreis aufnehmen (mit Rota­tion der Vertre­tungsper­so­n­en, damit alle Berufseinsteiger/innen die Arbeit und Inhalte kennenlernen)
  • Erste-Hil­fe-Kurse

Quelle: Broschüre „Arbeits- und Gesund­heitss­chutz in der Aus­bil­dung. Beispiele für Gestaltungsempfehlungen“

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