Herr Zuther, was empfinden Sie, wenn Sie auf Ihrem Mountainbike einen Abhang herunterfahren – in einem steilen, scheinbar unpassierbaren Gelände?
Steile und für mich schwere, also für Nicht-Biker unpassierbare Stellen, sind gar nicht mehr mein Hauptziel. Das betrifft eher zwei andere Fraktionen der Biker: die Bike-Bergsteiger und die Trialer. Mein bevorzugtes Terrain fordert mich zwar, aber es lässt noch ein recht hohes Maß an Fahrdynamik zu. Wenn dann alles einigermaßen klappt, empfinde ich Ruhe; wenn alles sehr gut klappt, empfinde ich Glück – und zwar so sehr, dass ich es fast mit Händen greifen kann.
Wie viel Training braucht es, um solche Abfahrten zu meistern, und welche Ausrüstung gehört dazu?
Die Anforderungen beim Mountainbiken sind ganz grob beschrieben: Kondition, Kraft und Motorik. Je nach Spielart in unterschiedlicher Gewichtung. Wie in den meisten Sportarten lassen sich diese Fertigkeiten (fast) unendlich trainieren. Ab ein bis zwei mehr als zweistündigen Fahrten pro Woche ist so etwas wie eine Entwicklung möglich. Explizites Üben (also nicht nur einfach durch den Wald radeln) sind für eine Entwicklung unabdingbar. Fahrtechnikkurse können einem dabei die Lern- und Übungsinhalte liefern.
Was die Schutzausrüstung angeht: Helm ist Pflicht! Punkt. Brille: Ich kenne niemanden, der ohne durch den Wald fährt. Knieprotektoren: Trägt jeder, der beim Mountainbiken in irgendeiner Form seinen Schwerpunkt auf die Abfahrt legt. Ab dann beginnen die individuellen Kompromisse, die sich aus dem bevorzugten Terrain, den persönlichen Vorlieben, der Sturzwahrscheinlichkeit und den möglichen Folgen ergeben. Ich trage beispielsweise gelegentlich auch einen Fullface-Helm, Handschuhe, Ellenbogenschützer und/oder einen Rückenprotektor.
Mountainbike ist nicht gleich Mountainbike: Was ist Ihr Spezialgebiet und wie viel Technik steckt in Ihrem Rad? Mit einer eigenen Erfindung zur Verbesserung der Reifen haben Sie die technische Weiterentwicklung zudem selbst vorangetrieben – worum ging es dabei genau?
Ich fahre inzwischen ein Bike, wie es am ehesten bei Enduro-Rennen anzutreffen ist – ohne jedoch selbst an diesen Rennen teilzunehmen. Die Leistungsfähigkeit und Komplexität der Fahrwerkstechnik, also der Gabel und Hinterradfederung, hat dabei einen Level erreicht, der selbst viele meiner Sportkollegen überfordert. Spezialisierte Hobbyfahrer wie ich fahren exakt dieselbe Technik, wie sie in den World-Cups und der WM eingesetzt wird, von einzelnen wenigen Prototypen einmal abgesehen. Das ist, soweit ich weiß, in keinem anderen (Fahr-)Sport üblich.
Das muss sich aber alles finden. Beim ersten Bike sollte man nicht dem Irrtum erliegen, dass es – trotz Fachberatung – gleich das passende sein wird. Da man ja selbst noch unreif ist, kann man noch gar nicht wissen, wohin einen die eigenen Interessen, Talente und Ressourcen führen. Später muss man eigentlich immer über sein erstes Bike schmunzeln. Das fällt leichter, wenn es nicht so viel gekostet hat. Mein Tipp für Anfänger lautet deshalb: lieber erst mal nicht so viel Geld ausgeben.
Was meine Erfindung angeht: Bis mein Innenreifen auf den Markt kam, lag zwischen Reifenprofil und Felge nur eine einzige Luftkammer und man musste einen Kompromiss zwischen Reifenhaftung und Komfort auf der einen Seite sowie Durchschlagschutz auf der anderen Seite finden. Diese Situation habe ich verbessert, aber natürlich auch komplizierter gemacht.
Manch ein Wanderer fühlt sich durch die Radfahrer im Wald gestört. Was ist Ihre Meinung dazu?
Der Radfahrer ist der Schnellere. Deshalb hat er gegenüber wandernden Mitmenschen sein Verhalten so anzupassen, dass sich diese nicht von ihm überrollt, also nicht durch ihn gestört oder gar gefährdet fühlen. Mit der Anwesenheit und Passage des Radfahrers müssen Wanderer allerdings grundsätzlich leben. Beides, also Rücksichtnahme und Toleranz, lassen sich aus der Kinderstube ableiten – nur manche haben Schwierigkeiten damit.
Steckbrief
- Geboren 1968 in Mannheim
- fährt seit 33 Jahren Mountainbike
- war einer der ersten im Odenwald, die dieser Sportart nachgegangen sind
- erhielt den Red Dot Award für die Entwicklung eines Reifens mit doppelter Luftkammer