„Junger Mann, Du hast Dein Leben noch vor Dir und möchtest doch bestimmt Deine Finger und Augen behalten.“ Mit Worten wie diesen macht Stephan Englisch seine Auszubildenden darauf aufmerksam, warum bestimmte Schutzmaßnahmen beim Umgang mit den Maschinen und Werkzeugen eingehalten werden müssen – etwa wenn jemand an der Formatkreissäge die Spanschutzhaube nicht auf Werkstück-Dicke eingestellt hat oder vergisst, am Schleifbock die Schutzbrille aufzusetzen. Ein freundliches Anstupsen, gemixt mit etwas Strenge, so erreicht der Sicherheitsbeauftragte, dass alle die Vorgaben dann doch beherzigen. Englisch ist Reha-Ausbilder im Bereich Holz am Standort der Kolping Akademie in Donauwörth – eine Aufgabe, die besonderes pädagogisches Feingefühl erfordert. Denn es gilt, den richtigen Ton gegenüber Auszubildenden zu treffen, die etwas anders sind als andere.
Hauptaufgabe: Die Reha-Ausbildung
„Im Lernen beeinträchtigte oder verhaltensauffällige Jugendliche kommen bei einer regulären Ausbildung mit betrieblicher Praxis und Berufsschule normalerweise nicht zurecht“, erklärt der 49-Jährige. „Bei uns werden solche Jungen und Mädchen angemessen betreut und auf einen sogenannten Fachpraktiker-Beruf vorbereitet, indem sie zum Beispiel an einer Reha-Ausbildung zum Schreiner oder zum Fachpraktiker für Holzbearbeitung teilnehmen.“ Um ihnen dies zu ermöglichen, arbeiten hier speziell geschulte Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Lehrkräfte mit sozialpädagogischem Personal zusammen.
In den hauseigenen Werkstätten und Betriebsbereichen der Bildungseinrichtung können benachteiligte junge Menschen unter anderem auch den Maler-Beruf erlernen, eine Ausbildung in den Bereichen Metall oder Bau absolvieren oder sich auf Tätigkeiten in der Gastronomie vorbereiten. Neben der Reha-Ausbildung gibt es am Standort Donauwörth der Kolping Akademie außerdem den Bereich der Erwachsenenbildung. Hier finden sowohl Umschulungen für Menschen statt, die zum Beispiel nach einem Arbeitsunfall wieder ins Berufsleben einsteigen möchten, als auch Fort- und Weiterbildungen für Arbeitssuchende. Darüber hinaus umfasst das Angebot Sprach- und Integrationskurse für Erwachsene und Kinder mit Migrationshintergrund.
Mit Rat und Tat in allen Bereichen
In seiner Funktion als Sicherheitsbeauftragter ist Stephan Englisch für den gesamten Standort mit seinen rund 100 Mitarbeitenden zuständig – also für alle sieben Gewerke inklusive dem Hauswirtschaftsbereich und der Verwaltung. Bei Letzterer sind seine Aufgaben – genauso wie bei der Erwachsenenbildung – vergleichsweise überschaubar. Hier treten kaum Gefährdungen auf, es ist keine PSA nötig und die Arbeitsstätten erfüllen alle Anforderungen, so auch in Sachen Beleuchtung und Ergonomie. Der Aufwand beschränkt sich folglich auf die regelmäßigen Prüfungen. Komplizierter ist es in den Bereichen, in denen handwerklich gearbeitet wird, obendrein mit unerfahrenen Auszubildenden. „Das ist nicht immer einfach, weil jedes Gewerk natürlich eigene Gefahrenpotenziale mit sich bringt. Deswegen legen wir Wert auf einen guten Austausch beim Arbeitsschutz.“
Seinen Ausbildungsbereich Holz deckt er selbst ab, angefangen von der Beurteilung der Gefährdungen bis hin zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen und Unterweisung. Hier können vor allem die schnelldrehenden Maschinen mit bis zu 10.000 Umdrehungen pro Minute schwere Verletzungen verursachen – nicht nur durch abgetrennte Finger. „Es kann zum Beispiel auch zu einem Rückschlag kommen, wenn ein Holzstück sich verklemmt und hinten wieder rausschießt. Außerdem besteht eine Gefährdung durch Einzug. Deswegen benötigen unsere Kursteilnehmenden bei diesen Arbeiten enganliegende Kleidung und müssen auf Schmuck verzichten. An der Säulenbohrmaschine dürfen zudem lange Haare nicht offen getragen werden.“
Externe Sifa zur Unterstützung
Wenn Stephan Englisch doch mal nicht mehr weiter weiß, kontaktiert er die für den Standort beauftragte Fachkraft für Arbeitssicherheit, die extern von der Firma AST Safety aus Blaustein bei Ulm kommt. „Das ist vor allem bei den Gewerken hilfreich, in denen ich nicht selbst ausbilde, weil meine Expertise dort ihre Grenzen hat. Doch natürlich gibt es dort die jeweiligen Ausbilder und Meister, die mit den Arbeitsabläufen, Maschinen und Werkzeugen vertraut sind und auch wissen, mit welchen typischen Gefährdungen zu rechnen ist.“
Allerdings sind diese Kollegen und Kolleginnen nicht ganz so vertraut mit den Anforderungen im Arbeitsschutz. Deswegen unterstützt der Sicherheitsbeauftragte alle bei diesen Aufgaben, begutachtet ihre Gefährdungsbeurteilungen und ergänzt diese, wenn es notwendig ist. Bei Rundgängen hat er Arbeitsstätten stets mit im Blick und weist darauf hin, wenn etwa im Bereich Metall am Schleifbock der Abstand zwischen Werkstück und Schleifstein nicht stimmt, bei den Malern die Prüfung der Gerüste ansteht oder es in der Küche mal wieder an der Zeit ist, die Absaugungen zu kontrollieren.
Die dort ausbildenden Kollegen und Kolleginnen ermuntert er, bei Fragen jederzeit auf ihn zuzukommen. So passiert es öfter, dass er angesprochen wird: „Stephan, mir ist nicht ganz klar, was alles in den Erste-Hilfe-Kasten gehört“ oder „Ich habe gerade ein Problem mit einer Drehmaschine, weil sie nach dem Einstecken sofort losläuft.“ Oft hat er direkt eine Lösung parat, und falls nicht, genügt ein Anruf bei der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Diese ist auch anwesend bei den jährlichen kleinen Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (ASA) mit Gefährdungsbeurteilung, die es an jedem der sechs Bildungsstandorte der Kolping Akademie in der Diözese Augsburg gibt – auch an den beiden Förder-Berufsschulen in Neu-Ulm und Donauwörth, der Internationalen Kolping-Pflegeschule in Kempten sowie in den beiden Hotels, die ebenfalls zum Geschäftsbereich der Kolping Akademie gehören.
An all diesen Stellen gibt es mindestens einen Sicherheitsbeauftragten, insgesamt sind es zwölf. Um sich auch einmal untereinander austauschen zu können, kommen die Sicherheitsbeauftragten aller Akademie-Standorte ebenfalls einmal im Jahr zu einer eigenen Sitzung zusammen.
Kreative PSA-Auswahl
Gemeinsam mit Stephan Englisch wählen die Teams in den Ausbildungswerkstätten auch geeignete Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) aus. Hier gilt es ebenfalls, die verschiedenen Gefährdungen bei den einzelnen Gewerken zu berücksichtigen, sodass die Bandbreite der benötigten Ausrüstungsteile groß ist, wie der Sicherheitsbeauftragte erläutert. „In der Küche ist eine ganz andere PSA erforderlich als in den Bereichen Holz, Metall, Bau oder bei den Malern, die unter anderem auch ein komplettes Anseilsortiment zum Schutz vor Absturz benötigen. Hinzu kommt, dass zum Beispiel wir Schreiner in der Ausbildungswerkstatt mit Sicherheitsschuhen der Kategorie S2 auskommen, aber wenn unsere Auszubildenden zu Unternehmen ins Betriebspraktikum geschickt werden, müssen sie natürlich S3 tragen.“
Wie kreativ die Teams bei der Lösungsfindung im Arbeitsschutz sind, zeigte sich auch zu Beginn der Corona-Pandemie: Als die FFP2-Masken überall rar wurden, bekamen auch sie einen akuten Mangel zu spüren. „Wir benötigen solche Masken aber auch, um unsere Absaugung in der Holzwerkstatt reinigen zu können“, sagt Stephan Englisch. „Also mussten wir uns anderweitig behelfen und sind auf FFP3-Masken mit Ausatemventil umgestiegen.“ Diese waren noch zu bekommen, weil sie sich als Schutz vor dem Virus nicht eignen. „Wir konnten umso besser damit atmen, zum Schutz vor dem Corona-Virus durfte dann aber immer nur eine Person reinigen.“
Von Anfang an involviert
Stephan Englisch ist ein „alter Hase“ in Sachen Arbeitsschutz. Bereits seit 1996 ist er Sicherheitsbeauftragter bei der Kolping Akademie, in die er 1994 einstieg. „Dazu kam es, weil ich technisch versiert bin und mein Chef mich deshalb für dieses Amt vorgeschlagen hat.“ So war er auch schon mit dabei, als die ersten Betriebsanweisungen entstanden, und begleitet seither die Entwicklung der internen Sicherheitskultur. Um diese zusätzliche Aufgabe wahrnehmen zu können, nahm er an einer Sibe-Ausbildung der VBG in Lautrach teil. Der hauptberufliche Schreinermeister qualifizierte sich zusätzlich für die Reha-Ausbildung, als Tischler-Schreiner-Maschinenkurs-Ausbilder (TSM-Ausbilder), Stapler-Ausbilder, Ersthelfer und Brandschutzhelfer.
Zunehmend Respekt erworben
Mit seiner fast dreißigjährigen Erfahrung in der Rolle des Sicherheitsbeauftragten zollen ihm die Kolleginnen und Kollegen entsprechend Respekt. „Einige sehen mich auf der Arbeitsschutzebene fast schon als Vorgesetzten, obwohl ich nicht weisungsbefugt bin“, stellt Stephan Englisch lächelnd fest. Trotzdem kam es schon vor, dass jemand nicht sofort auf ihn hören wollte. Zum Beispiel vor einigen Jahren, als ein Kollege ein Stromkabel mit Lüsterklemme im Boden umgehend fachgerecht reparieren lassen sollte, dieses aber unterließ, „weil die Sicherung schon abgeschaltet war“. Kurz darauf drang Bohröl ein und löste den Schutzschalter aus. „Da hat es der Kollege eingesehen, und gleich darauf war alles fachgerecht gemacht – so wie es sich gehört.“ Inzwischen kommen solche „Schreckmomente“ aber nicht mehr vor. „Das freut mich natürlich.“
Umgang mit Kursteilnehmenden
Auch bei der Ausbildung und Betreuung der Kursteilnehmenden spielt der Arbeitsschutz natürlich eine Rolle. Hier stößt Stephan Englisch aber nicht auf Widerstand, denn als Ausbilder ist er hier tatsächlich auch der Vorgesetzte. „Meine Lehrlinge wissen genau: ‚Okay, jetzt habe ich einen Fehler gemacht und der Herr Englisch steht schon neben mir. Na, dann bin ich mal neugierig auf meinen ‚Anschiss‘“, sagt er augenzwinkernd. Wirklich Ärger mit ihm bekommt aber niemand, vielmehr fordert der Ausbilder in solchen Situationen freundlich dazu auf, zu überlegen, wo der Fehler liegt. „Dann kommen sie auch selbst darauf“, stellt er fest. „Oft höre ich dann, dass der oder die Auszubildende die Aufgabe möglichst schnell erledigen wollte.“ Ruhig, aber bestimmt erklärt er dann, dass so etwas die eigene Gesundheit kosten kann und es daher auch Zeit für Schutzmaßnahmen geben muss. Und die gesetzlichen Anforderungen müssen ohnehin von allen eingehalten werden.
Lösungen für Sprachbarrieren
Eine Herausforderung beim Umgang mit den Auszubildenden sind nicht selten Sprachbarrieren, denn es sind auch Geflüchtete und andere Jugendliche mit Migrationshintergrund dabei. Diese bringen die unterschiedlichsten Sprachen mit, beherrschen aber mitunter nur wenig Deutsch. Insofern waren Lösungen zum Verstehen der Unterweisungen und der aushängenden Betriebsanweisungen gefragt.
Stephan Englisch brachte das Thema bei der zuständigen Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) auf den Tisch. Gemeinsam wurde daraufhin entschieden, vieles anhand von Bildern zu erklären. In seinem Ausbildungsbereich hängen deshalb von der BG zur Verfügung gestellte Plakate, auf denen Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bildlich dargestellt sind. „Außerdem haben wir einige auf Schildern gezeigte Gefährdungen stichpunktartig in die Sprachen der Auszubildenden übersetzen lassen.“ Mit Bildsprache zu arbeiten ist nichts gänzlich Neues für die Ausbilder. „Aufgrund unserer Erfahrung mit Reha-Jugendlichen, unter denen sich auch manchmal Hörgeschädigte befinden, sind wir bereits darin geschult.“
Zwei Brände eingedämmt
Konnte der Sicherheitsbeauftragte in so vielen Jahren schon einmal einen schweren Unfall verhindern? „Das weiß ich nicht, weil bei uns noch nie etwas Schlimmes passiert ist und sich daher kaum sagen lässt, wie viel unsere Maßnahmen dazu beigetragen haben“, entgegnet er. Er kann jedoch von zwei Schadensereignissen berichten, die glimpflich abliefen, wozu er als Brandschutzhelfer aktiv beigetragen hat. „Einmal ist in einem Unterrichtsraum ein Feuer ausgebrochen, weil eine alte Leuchtstoffröhre defekt war. Wir konnten diesen Entstehungsbrand zum Glück gut eindämmen. Das ist schon zwanzig Jahre her, diese Lampen wurden natürlich längst ausgetauscht.“ Ein anderes Mal kam es in der Küche zu einem technischen Defekt, wodurch sich eine Kipppfanne an einem Fleck auf 1.000 Grad erhitzte. „Auch da bin ich rechtzeitig zum Löschen dazugekommen und gemeinsam konnten wir verhindern, dass sich der Brand ausweitete.“
Längst hat sich Stephan Englischs Blick für Gefährdungen auch auf den privaten Bereich ausgeweitet. „Man nimmt das schon mit nach Hause. Inzwischen trage ich meine Sicherheitsschuhe sogar beim Rasenmähen“, schmunzelt er.
Die Kolping Akademie
Die Kolping Akademie eröffnet Jugendlichen und Erwachsenen seit mehr als fünfzig Jahren neue Perspektiven. Getreu dem Motto „Der Mensch im Mittelpunkt“ kümmern sich die Teams der Bildungsstandorte um die Qualifizierung und Fortbildung von Erwachsenen, die Ausbildung und Förderung von Jugendlichen und um die Betreuung und Integration von Migrantinnen und Migranten.
- Insgesamt 740 Beschäftigte an 21 Bildungsstandorten in Bayerisch-Schwaben, dem Allgäu und Oberbayern
- www.die-kolping-akademie.de
Steckbrief
- Stephan Englisch
- 49 Jahre
- Beruf/Qualifikation: Schreinermeister, TSM-Ausbilder der BGHM, Stapler Ausbilder, Ersthelfer, Brandschutzhelfer
- Sicherheitsbeauftragter seit 1996
- Branche: Bildungswesen
„Jedes Gewerk bringt eigene Gefahrenpotenziale mit sich. Deswegen legen wir Wert auf einen guten Austausch beim Arbeitsschutz.“
„Inzwischen trage ich meine Sicherheitsschuhe sogar beim
Rasenmähen“