Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) sollen den Tragenden vor Risiken schützen. Die durchgeführte Tätigkeit ist mit einem gewissen Risiko verbunden, das mit anderen Maßnahmen nicht weiter reduziert werden kann. Um dennoch ohne Schädigung auszukommen, wird auf die Verlässlichkeit und den Schutz durch PSA gesetzt. Dieses Prinzip ist seit langem erfolgreich.
Was sind smarte PSA?
Natürlich wird auch im Bereich PSA geforscht und entwickelt. Immer häufiger wird dabei von „smarten“ oder „intelligenten“ PSA gesprochen. Mit dem Einsatz neuer Materialien oder meistens elektronischer Komponenten sollen smarte PSA das Schutzniveau weiter erhöhen. Neue Materialen könnten zum Beispiel helfen, bestimmte PSA komfortabler zu machen. Protektoren für Gelenke sind oft steif und damit bei normalen Bewegungen hinderlich. Smartes stoßdämpfendes Material kann beim Laufen weich und flexibel sein. Wenn aber der Schutz gefordert ist, also beim Stoß, ändern sich seine Eigenschaften und die dämpfende Wirkung entfaltet sich.
Integrierte Sensoren
Im zweiten Fall ist es die Kombination aus bekannten, klassischen Schutzausrüstungen und Sensoren, Detektoren, Kabeln und weiteren Elementen, die die neue, smarte PSA bildet. Ein eingängiges Beispiel ist schon seit längerem auf Messen zu finden: smarte PSA für Feuerwehrleute. In die Feuerwehrschutzkleidung werden verschiedene Sensoren integriert. Sie messen Körperfunktionen wie Herzschlagfrequenz, Blutdruck und Körperkerntemperatur. Damit lassen sich Aussagen über die Einsatzfähigkeit der Person treffen, was bisher so direkt nicht möglich ist. Weitere Sensoren überwachen die Umgebung. So können giftiges Gas detektiert oder Temperaturen gemessen werden. Es werden aber auch Informationen zum Zustand der Schutzkleidung aufgenommen. Damit lassen sich die Reinigung und die Wartung verbessern. Dies alles sind Informationen, mit deren Hilfe der Schutz der Einsatzkräfte und die Brandbekämpfung optimiert werden können.
Smarte PSA ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass sie in gewissem Maß mit der Umgebung interagiert beziehungsweise auf die Umgebungsbedingungen reagiert. So in etwa lautet auch der derzeitige Definitionsvorschlag im europäischen Normungsgremium: Smarte PSA ist „PSA, die eine beabsichtigte und nutzbare Reaktion […] auf Veränderungen in ihrer Umgebung/Umwelt […] zeigt.“
Große Herausforderungen
Das alles hört sich sehr gut an. Es ist aber auch sehr komplex. Damit smarte PSA tatsächlich zu einem höheren Schutzniveau führt, sind alle Beteiligten gefordert. Meist sind es elektronische Komponenten, die den smarten Teil ausmachen. Elektrik und Elektronik kommen bisher im PSA-Bereich wenig, insbesondere bei Schutzkleidung so gut wie gar nicht vor. Damit stehen die Hersteller und ebenso die Prüfhäuser vor der großen Herausforderung „Elektronik zu lernen“.
Wie beschrieben, ist smarte PSA nicht einfach der Zusammenbau von zum Beispiel einer Schutzjacke und einigen elektrischen Komponenten wie Kabeln, Sensoren und Batterie. Die Kombination ist eine PSA und muss als Ganzes die Anforderungen der PSA-Verordnung erfüllen. Dazu gehört es, dass die PSA selbst kein Risiko für den Tragenden darstellen darf. Es reicht nicht, zertifizierte und entsprechend gekennzeichnete elektrische Komponenten einzukaufen und in die zertifizierte (klassische) PSA einzubauen. Das Endprodukt muss als Kombination geprüft werden. Neben den PSA-relevanten Test gehören dazu auch elektrische Sicherheit und Aspekte wie Oberflächentemperatur, Batteriesicherheit und ebenso Auswirkungen der elektromagnetischen Felder und die elektromagnetische Verträglichkeit.
Umfassende Informationen nötig
Ebenso sind die Verwender gefordert, sich auf das neue Vermögen der smarten PSA einzustellen. Sie müssen informierte Nutzer sein; benötigen also ausführliche Informationen über die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der neuen Produkte. Hinweise zur Bedienung, Nutzung, Reinigung und Wartung sind notwendig. All diese Informationen sollten durch den Hersteller schon bei der Auswahl geeigneter PSA zur Verfügung gestellt werden. Dass sie beim Kauf mitgeliefert werden, versteht sich von selbst. Wie bisher gilt selbstverständlich, dass die Verwender die smarte PSA nach den Herstellervorgaben nutzen sollten. Für alle Beteiligten wäre es von Vorteil, wenn die Nutzer ihre Erfahrungen und insbesondere Anregungen zur Optimierung der smarten PSA an den Hersteller melden würden. Da der Sektor noch sehr jung ist, sind Hinweise aus der Praxis äußerst wichtig für die Verbesserung der Produkte.
Normung noch am Anfang
Der PSA-Bereich ist verwöhnt von Normen. Nicht nur die Hersteller, auch die gewerblichen Anwender wissen zu schätzen, dass die Qualität der PSA durch Normen sichergestellt wird. Zum Beispiel werden nicht einfach Sicherheitsschuhe bestellt, sondern Sicherheitsschuhe nach DIN EN ISO 20345. Im Falle der smarten PSA läuft das derzeit leider noch nicht so einfach. Es gibt noch keine Normen. Einkäufer können sich nicht an Normen orientieren und stehen noch recht allein da bei der Einschätzung der Qualität der smarten PSA. Bei Fragen hilft es nur, in den Dialog mit dem Anbieter, sei es der Händler oder direkt der Hersteller, zu treten und die Performance und Möglichkeiten der neuen Produkte zu besprechen.
Beispiel leuchtende Warnkleidung
Die Lücke in der Normung wird geschlossen werden. Aber bis dahin wird noch viel Zeit vergehen. Auch hier wird deutlich, dass smarte PSA neue Produkte sind. Die Normungsgremien – hier arbeiten unter anderem auch Hersteller und Prüfhäuser mit – stehen vor der gleichen Herausforderung, erst einmal die neue Technik kennenlernen zu müssen. Ein Beispiel hierfür ist ein Normprojekt für aktiv leuchtende Warnkleidung. Seit Anfang 2018 arbeitet bei DIN ein Gremium von Anwendern, Herstellern, Prüfhäusern und Arbeitsschutz an einer Vornorm, die sicherheitstechnische Anforderungen für eine Kombination aus klassischer Warnkleidung und selbstleuchtenden Elementen (zum Beispiel LEDs) aufstellt. Es ist noch nicht einmal smarte PSA, da das Licht per Hand eingeschaltet wird und sich nicht von allein bei Dämmerung zuschaltet. Aber die oben beschriebenen Herausforderungen sind immer präsent. Der elektrische Teil der Norm ist gänzlich neues Terrain für die bisherigen „Textiler“.
Hilfreiche „Pfadfinder“
Anforderungen und zugehörige Testmethoden aufzustellen, mit denen alle Beteiligten einverstanden sind und von denen sie meinen, dass sie zu einem sicheren Produkt führen, ist kein einfaches Unterfangen. Auch wenn es aufwändig ist, diese Arbeiten sind sehr wertvoll. Sie sind eine Art Pfadfinder und werden sehr hilfreich sein für künftige Normen zu smarter PSA. Auf europäischer Ebene sind ebenfalls erste Normprojekte in Arbeit. Es gibt Vorschläge zu Definitionen rund um smarte Bekleidung und PSA und erste Arbeitsentwürfe für einen Leitfaden zu smarter Bekleidung für den Schutz gegen Hitze und Flammen, worunter auch smarte Schutzkleidung für Feuerwehrleute fällt.
Einbindung der Praxis
Da der Markt für smarte PSA noch so jung ist, besteht eine sehr gute Gelegenheit, dass die Praxis, also die zukünftigen Anwender dieser Produkte, ihre Meinung, Wünsche, Hinweise und auch ihre Bedenken in den Entwicklungsprozess einbringen.
Wie schon beschrieben, wird jede Rückmeldung aus der Praxis den Bereich voranbringen. Bevor auf europäischer Ebene die Normung zu smarter Bekleidung zum Schutz gegen Hitze und Flammen startete, lud die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) die Praxis zum Gedankenaustausch ein. Aktive von Berufs‑, Werk- und freiwilligen Feuerwehren gemeinsam mit Unfallversicherern und Forschungsvertretern formulierten ihre Wünsche an smarte Schutzkleidungen.
Generelles Fazit des Workshops war die Forderung, dass die zusätzlichen Funktionen immer einen Zuwachs an Sicherheit bringen müssen. „Weniger ist mehr“ gilt für die Darstellung der Daten beim Träger. Es kann sonst schnell zu einer Überfrachtung mit Informationen kommen. Sowohl Spielereien als auch eine übermäßige oder unnötige Datensammlung müssen vermieden werden. So werden zum Beispiel heizbare Einlegesohlen angeboten, die gleichzeitig per GPS-Signal die Bewegungen des Tragenden überwachen lassen – dies ist sicherlich nicht immer im Sinne der Nutzer. Sehr nützlich können hingegen Daten zum Zustand der Schutzausrüstung nach dem Einsatz sein, die anzeigen, welche Reinigung nötig ist und ob das Schutzniveau noch gegeben ist.
Smarte PSA sind im Anmarsch und lassen einen erhöhten Schutz erhoffen. Durch die stetige Forschung und Entwicklung sowie die Erfahrungen bei der Nutzung haben sie großes Potenzial, Arbeitsplätze in Zukunft noch sicherer und gesünder zu machen.
Autor: Dr. Michael Thierbach
Kommission Arbeitsschutz
und Normung (KAN)
Checkliste für potenzielle Anwender und Sicherheitsbeauftragte
Smarte PSA sollten derzeit noch mit einer gesunden Skepsis betrachtet werden. Auch wenn es schon passende Produkte gibt, ist nicht alles smart, was sich so nennt. Darauf sollten Sie achten:
- Seien Sie informierte Nutzer!
- Legen Sie großen Wert auf eine ausführliche Benutzerinformation.
- Wie wurde das Produkt geprüft?
- Welches Prüfhaus führte die Baumusterprüfung durch?
- Wurde das Endprodukt als Kombination geprüft?
- Bewerten Sie das Produkt vor dem Einkauf:
- Sind die angebotenen Funktionen alle nötig?
- Stoßen sie bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Akzeptanz?
- Einkäufer können sich (noch) nicht an Normen orientieren. Bei Fragen hilft nur der Dialog mit dem Anbieter.
- Studieren Sie die Informationen über die Möglichkeiten und die Grenzen der Produkte.
- Beachten Sie die Hinweise zur Bedienung, Nutzung, Reinigung und Wartung.
- Verwenden Sie die smarte PSA nach den Herstellervorgaben.
- Schulen Sie die Anwender vor dem Gebrauch.
- Dokumentieren Sie Ihre Erfahrungen, um die Auswahl beim nächsten Einkauf zu erleichtern.
- Jede Rückmeldung aus der Praxis an den Hersteller wird den Bereich voranbringen.
Smarte PSA
Mit smarter PSA wird eine erhöhte Schutzwirkung und besserer Komfort versprochen – manchmal ist es einer dieser Punkte, manchmal kommt beides zusammen. Was festzuhalten ist: Das gesamte neue Produkt ist eine Persönliche Schutzausrüstung. Durch die neuen, smarten Elemente wird die Schutzwirkung gesteigert. Also sind die neuen Elemente eindeutig integraler Bestandteil der PSA und sowohl rechtlich als auch bei der Verwendung so zu bewerten.