1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Sicherheitsbeauftragter »

Was, wenn kein Helm passt?

Interview
Was, wenn kein Helm passt?

Die Auswahl an Indus­tri­eschutzhel­men ist groß. Trotz­dem ist es für manche schwierig, einen passenden Helm zu find­en, etwa für Men­schen nach ein­er Kopfver­let­zung, ein­er Oper­a­tion oder Träger eines Cochlea-Implan­tats. Dipl.-Ing. Peter Fren­er, Leit­er des Sachge­bi­ets Kopf­schutz der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV) und Leit­er des Sachge­bi­ets Ergonomie bei der Beruf­sgenossen­schaft Holz und Met­all (BGHM), erk­lärt im Inter­view, welche Lösun­gen es zurzeit gibt und wie sie einge­set­zt wer­den können.

Das Inter­view führte Ver­e­na Manek.

Herr Fren­er, gibt es für Men­schen nach Kopfver­let­zun­gen oder mit einem Cochlea-Implan­tat spezielle Ange­bote an Industrieschutzhelmen?

Im Moment ist diese Auswahl sehr eingeschränkt. Mir ist nur ein Mod­ell eines deutschen Her­stellers bekan­nt. Es ist eine Son­der­lö­sung, bei der die harte Helm­schale mit Schaum­stoff aus­ges­tat­tet ist. An den Stellen, an denen der Nutzer Prob­leme hat, wird dann aus dem Kun­st­stoff ein Stück aus­geschnit­ten. Dann kann er den Helm tra­gen, auch wenn er eine druck­empfind­liche Stelle am Kopf hat. So hat er zumin­d­est einen eingeschränk­ten Schutz.

Gibt es Vor­gaben, wie die Pol­sterung beschnit­ten wer­den darf?

Die Vor­gaben sind min­i­mal. Man kann eigentlich her­auss­chnei­den, was man will. Möglich ist das, weil die Schaum­stoff­pol­sterung dieses Helms etwa die Hälfte der in der Norm für Indus­tri­eschutzhelme, der DIN EN 397, vorgegebe­nen Stoßkräfte aufnehmen kann. Dieser Helm gilt außer­dem nicht als Per­sön­liche Schutzaus­rüs­tung (PSA), da für ihn keine Kon­for­mität­serk­lärung vorliegt.

Also darf er dort, wo Indus­tri­eschutzhelme vorgeschrieben sind, nicht ver­wen­det werden?

Als der Helm vor vie­len Jahren entwick­elt wurde, gab es noch nicht diese konkreten Vor­gaben in der PSA-Benutzungsverord­nung wie heute. Damals war man der Auf­fas­sung, dass der Helm bess­er als nichts ist. Heute ist das anders: Sind auf­grund der generellen Gefährdungs­beurteilung Bere­iche definiert, in denen die Gefahr beste­ht, dass einem beispiel­sweise ein schw­er­erer Gegen­stand auf den Kopf fall­en kann, dann darf ein Beschäftigter, der einen soge­nan­nten Versehrten­helm trägt, dort nicht mehr einge­set­zt wer­den. Dies wäre zum Beispiel auf Baustellen der Fall, wo auf mehreren Ebe­nen Tätigkeit­en gle­ichzeit­ig aus­ge­führt wer­den, oder in Hallen mit Kran­be­trieb. Der Versehrten­helm würde dort zwar dur­chaus nützen, aber da er nicht als Indus­tri­eschutzhelm zuge­lassen ist, sind die entsprechen­den Gefahren­bere­iche für diese Helmträger tabu.
Allerd­ings muss man auch sehen, dass der Schutz durch PSA immer begren­zt ist. Und bei diesem Helm ist die Gren­ze der Schutzwirkung eben früher erreicht.

Wird der Helm denn in der Prax­is über­haupt getragen?

Ja. Wenn es einen Bere­ich gibt, in dem offiziell keine Helm­tragepflicht beste­ht, der Unternehmer aber die Vor­gabe macht, dass die Mitar­beit­er dort einen Helm tra­gen sollen. Es wer­den also Zusatzbere­iche definiert, in denen dann dieser Helm einge­set­zt wer­den kann. Dazu muss der Unternehmer durch eine beson­dere Gefährdungs­beurteilung fes­tle­gen, in welchen Bere­ichen der betr­e­f­fende Mitar­beit­er mit diesem Helm arbeit­en darf. Der Helm gilt dann aber nicht als PSA, son­dern als Hil­f­s­mit­tel für zusät­zliche Sicherung. Dies muss in der Gefährdungs­beurteilung auch so fest­gelegt sein.

Wird es in Zukun­ft entsprechende Helme geben, die auch als Indus­tri­eschutzhelme zuge­lassen sind?

Zurzeit entwick­eln die Beruf­sgenossen­schaften zusam­men mit einem deutschen Her­steller den ange­bote­nen Helm weit­er. Entsprechende Pro­to­typen testet ger­ade das Insti­tut für Arbeitss­chutz (IFA) in St. Augustin – das Prüfin­sti­tut der DGUV. Es sind auch schon Tragev­er­suche in der Prax­is geplant. Ich bin zuver­sichtlich, dass bis Ende des Jahres ein Helm entwick­elt wird, für den eine Kon­for­mitäts­bescheini­gung aus­gestellt wer­den kann.

Wie sieht es bei Men­schen mit beson­deren Kopf­größen oder ‑for­men aus? Find­en sie passende Helme?

Die im Han­del erhältlichen Helme ori­en­tieren sich haupt­säch­lich an den Ergonomie-Nor­men für Kör­per­abmes­sun­gen. Sie sind für mehr als 90 Prozent der Bevölkerung passend. Wie bei allen Nor­men gibt es aber auch hier­bei Aus­nah­men. Das sind zum Beispiel Men­schen mit einem sehr großen Kop­fum­fang, einem sehr lan­gen oder bre­it­en Kopf. Sie find­en im Moment keinen passenden Helm. Die Bedarf­szahlen sind hier­für jedoch min­i­mal, deshalb lohnt sich für die Her­steller die Pro­duk­tion nicht. Hinzu kommt, dass ther­mo­plas­tis­che Helme ab Her­stell­da­tum nur vier Jahre getra­gen wer­den dür­fen. Ab dann beste­ht die Gefahr der Ver­sprö­dung. Der Her­steller und der Han­del kön­nen diese Helme fol­glich nicht lange Zeit auf Lager halten.

Gibt es für diese Men­schen keine Lösung?

Aktuell wird eine Lösung dafür ins Auge gefasst. Die DGUV-Regel 112–193 „Kopf­schutz“ wird zurzeit über­ar­beit­et. Wir wür­den gerne erre­ichen, dass dort der Indus­tri­eschutzhelm nicht als einzige Möglichkeit des Kopf­schutzes genan­nt wird, wenn es um Baustellen oder Kran­be­trieb geht. Stattdessen soll nur eine aus­re­ichende Schutz­funk­tion von Hel­men ver­langt wer­den. So würde der Unternehmer dann in der Gefährdungs­beurteilung auf­grund der denkbaren Gefährdun­gen einen Helm nach dessen Schutz­funk­tion auswählen. Dann kön­nten auch zum Beispiel klas­sis­che Berg­steiger­helme ver­wen­det wer­den, die nach der DIN EN 12492 „Berg­steiger­helme“ zer­ti­fiziert sind. Sie sind in größeren Größen und unter­schiedlichen For­men erhältlich. Wenn die DGUV-Regel im kom­menden Früh­jahr über­ar­beit­et wor­den ist, muss sie aber noch durch ver­schiedene, auch staatliche, Gremien. Ob diese zus­tim­men wer­den, kann ich nicht vorhersagen.


Weit­ere Infor­ma­tio­nen gibt es beim DGUV-Fach­bere­ich PSA, Fachge­bi­et Kopf­schutz, in ein­er FAQ-Liste. Die vor­let­zte Frage darin dreht sich um den Versehrten-Helm.


Die Konformitätserklärung

Gemäß § 2 der PSA-Benutzungsverord­nung dür­fen nur solche Indus­tri­eschutzhelme aus­gewählt und zur Ver­fü­gung gestellt wer­den, welche die erforder­liche CE-Kennze­ich­nung tra­gen und für die eine Kon­for­mität­serk­lärung vor­liegt. Mit der CE-Kennze­ich­nung und der Kon­for­mität­serk­lärung bescheinigt der Her­steller nach erfol­gre­ichem EG-Bau­muster­prüfver­fahren, dass sein Pro­dukt die Anforderun­gen der PSA-Her­steller-Richtlin­ie (EG-Richtlin­ie 89/686/EWG) erfüllt. Das EG-Bau­muster­prüfver­fahren wird von zuge­lasse­nen Prüf­stellen auf der Grund­lage der o.g. Richtlin­ie und der DIN EN 397 „Indus­tri­eschutzhelme“ durchgeführt.

(Quelle: DGUV, Sachge­bi­et Kopfschutz)

Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de