Mit einem Luftanteil von bis zu 99,8 % ist Aerogel der wohl leichteste Feststoff der Welt. Das aufgrund seiner optischen und physikalischen Eigenschaften auch als „gefrorener Rauch“ bezeichnete Material hat eine außerordentlich geringe Wärmeleitfähigkeit, die andere Isolierungen um ein Vielfaches übertrifft. Die NASA nutzt Aerogel daher bereits seit vielen Jahren für Raumfahrt-Projekte. Dennoch ist es in der rund 90-jährigen Geschichte des Werkstoffs bisher nicht gelungen, ihn in hoher Konzentration an Textilien zu binden und eine unkomplizierte Weiterverarbeitung zu ermöglichen.
Nun wurde ein neuartiges Verfahren entwickelt, mit dem sich große Mengen Aerogel dauerhaft an unterschiedliche Träger wie Vliesstoffe, Filze und Verbundmaterialien heften lassen. Deren ursprüngliche Eigenschaften bleiben dabei erhalten, sodass sie sich in herkömmlichen Fertigungsprozessen problemlos weiterverarbeiten lassen. Das Besondere daran: Die unter dem Namen Aersulate vertriebenen Textilien sind nur 1 bis 3 mm dick und erreichen sehr hohe Isolationswerte, die selbst unter Druck und Feuchtigkeit weitestgehend erhalten bleiben. Trotz ihrer hohen Leistungsfähigkeit sind sie weich und bieten sich für Schuhe, Bekleidung und Arbeitsschutzprodukte an, aber auch für Schlafsäcke oder technische Anwendungen. Das von der Outlast Technologies GmbH aus Heidenheim entwickelte Verfahren ist bereits zum Patent angemeldet.
Bereits bei der NASA in Gebrauch
„Aufgrund der außerordentlichen physikalischen Eigenschaften nutzt die NASA Aerogel bereits seit vielen Jahren“, weiß Volker Schuster, Leiter Forschung und Entwicklung bei Outlast, „zum Beispiel zur Isolierung bei ihren Mars-Rovern oder zum Einfangen von Staub aus dem Schweif eines Kometen bei der Stardust-Mission.“
Seit der Entwicklung von Aerogel durch den US-amerikanischen Wissenschaftler und Chemieingenieur Samuel Stephens Kistler im Jahr 1931 war es trotz intensiver Forschung allerdings niemandem gelungen, den vielseitigen Werkstoff in größeren Mengen auf Textilien aufzubringen, ohne deren ursprüngliche Eigenschaften zu verändern. Damit waren die Produkte nicht nur häufig sehr starr, sondern machten durch ihren großen Staubabrieb auch eine Verarbeitung in herkömmlichen Produktionsprozessen unmöglich. Mit der im Juni 2022 erstmals vorgestellten Aersulate-Technologie von Outlast ist jetzt eine einfache Weiterverarbeitung in üblichen Produktionsprozessen möglich.
Hohe Isolationsleistung
„Die Konsistenz von Aerogel lässt sich am besten als flüssige Staubkörner beschreiben, die sich aufgrund ihrer geringen Dichte innerhalb von Sekunden unkontrollierbar im Raum verteilen“, erklärt Schuster. „Daher ist die Verarbeitung eine große Herausforderung.“ Ungeachtet dieser Schwierigkeiten ist es Outlast Technologies nach einer etwa fünfjährigen Entwicklungszeit gelungen, ein neuartiges Verfahren zur Marktreife zu bringen, bei dem Aerogel zwischen mehreren Stofflagen eingeklebt wird.
Je nach Anwendungsbereich können Vliesstoffe, Filze oder unterschiedliche Verbundmaterialien als Träger genutzt werden. Das Besondere ist dabei, dass die Eigenschaften der jeweiligen Textilien durch die Aersulate-Technologie nicht beeinträchtigt werden, sodass sie sich – trotz ihrer zugewonnenen thermischen Eigenschaften – problemlos in herkömmlichen Prozessen und unter industriellen Bedingungen weiterverarbeiten lassen.
Als Feststoff auf Silicatbasis wird Aerogel aus natürlichem Quarzsand gewonnen, verfügt jedoch über eine 1000-mal geringere Dichte als aus demselben Rohstoff hergestellte Gläser. Die Isolierungsleistung verdankt das Material seiner extrem porigen Struktur, die einen Luftanteil von bis zu 99,8 % ermöglicht. „Ein Liter Aerogel wiegt gerade einmal 50 g“, erläutert Schuster. „Schon 10 g davon verfügen allerdings über die Oberfläche eines Fußballfeldes.“
Tests der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF) mithilfe des Alambeta-Verfahrens haben ergeben, dass sich der Wärmedurchgangswiderstand eines Aersulate-Vlieses im Vergleich zu einem herkömmlichen Vlies mit identischer Dicke mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass die Isolierungsleistung von Aersulate-Produkten trotz Druck und Nässe hoch bleibt, während sie bei anderen gebräuchlichen Stoffen wie Filzen oder Polyurethan-Schäumen (PU) unter diesen Bedingungen massiv abnimmt.
Prädestiniert für den Arbeitsschutz
Dank des textilen Trägers eignen sich die dünnen Aersulate-Produkte besonders für die Schuh- und Bekleidungsindustrie sowie sämtliche Bereiche des Arbeitsschutzes. Je nach Einsatzzweck kommen dem Anwender die unterschiedlichen Eigenschaften zugute: „Mit einem Handschuh aus nur 1 mm dickem Aersulate kann man zum Beispiel problemlos in kochendes Wasser greifen, ohne sich zu verbrühen“, erklärt Schuster. „Hier spielen uns die extrem hydrophoben Eigenschaften wortwörtlich in die Hände.“ Bei dem Kniebesatz von Arbeits- sowie Funktionshosen oder bei Schuhen bzw. Sohlen werden dagegen auch die Materialeigenschaften bei Kompression relevant. Denn die Isolierungsleistung anderer Stoffe würde einerseits durch die Feuchtigkeit – von außen sowie als Schweiß von innen – und andererseits durch die permanente Einwirkung des Körpergewichts nach und nach abnehmen.
Abgesehen vom eigenen Körper lassen sich mit Aersulate auch Gepäck oder technische Geräte vor extremen Temperaturen sowie Witterungseinflüssen schützen. So können beispielsweise entsprechende Handy- oder Equipmenttaschen in Kleidungsstücke eingenäht werden, um die Akkulaufzeit auch bei sehr kalten Außentemperaturen zu erhalten oder die Geräte bei starker Wärmeeinwirkung vor Überhitzen zu bewahren. „Mit der breiten Palette an möglichen textilen Trägermaterialien eignet sich Aersulate für alle Anwendungen, die einerseits eine hohe Isolierungsleistung erfordern, bei denen andererseits aber nur wenig Platz vorhanden und mit Kompression sowie Feuchtigkeit zu rechnen ist“, resümiert Schuster.