Im 13. Jahr der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)1 tritt am 1. Juni 2015 eine grundlegende Neufassung des „Grundgesetzes für den technischen Arbeitsschutz“ in Kraft. Was ist in der neuen BetrSichV ausführlicher geregelt und was ist wirklich neu? Dieser Beitrag gibt Antworten und geht dabei auf die Adressaten der Pflichten und Verantwortlichen, den Anwendungsbereich der BetrSichV, die Gefährdungsbeurteilung und vieles mehr ein.
Prof. Dr. Thomas Wilrich
I. Die Adressaten der Pflichten und Verantwortlichen
1. Die Grund-Adressaten aller Pflichten
Die BetrSichV gilt für:
- a) Arbeitgeber, die Beschäftigte Arbeitsmittel verwenden lassen. Beschäftige sind insbesondere Arbeitnehmer, Beamte, Arbeitnehmerähnliche, Auszubildende, Schüler und Studierende (§ 2 Abs. 4 BetrSichV und § 2 Abs. 2 ArbSchG).
- b) Unternehmer, die überwachungsbedürftige Anlagen „zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken verwenden“ – auch „ohne Arbeitgeber zu sein“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 1). Einerseits spricht die Verordnungsbegründung selbst von „Betrieb“, andererseits wurde der Begriff „Betreiber“ bewusst vermieden.2 Aber letztlich geht es um genau ihn: Der „Verwender“ wird mit Gerichtsurteilen zur „Inhaberstellung“ erläutert3, und diese Urteile werden in den LASI-Leitlinien bei der Betreiberdefinition erwähnt4.
2. Die konkret verantwortlichen
Personen im Unternehmen
Der Arbeitgeber bzw. Betreiber/Verwender hat die (Organisations-)Pflicht inne. Konkret – und automatisch aufgrund ihrer Position – verantwortlich sind gemäß § 13 ArbSchG:
- Unternehmensleiter, also Geschäftsführer bzw. Vorstände, und
- Betriebsleiter bzw. – im Öffentlichen Dienst – Dienststellenleiter5.
Sodann gibt es weitere „verantwortliche Personen“ – nämlich
- zuverlässige und fachkundige Personen, auf die Pflichten schriftlich delegiert worden sind6 und
- weitere Personen, die nach der BetrSichV (i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 ArbSchG) „verpflichtet“ werden. Die BetrSichV kennt „fachkundige Personen“ nach § 2 Abs. 5, „befähigte Personen“ nach § 2 Abs. 6 und Koordinatoren gemäß § 13 Abs. 3.
Alle genannten Personen mit Leitungsfunktion und die besonders Beauftragten sind „neben dem Arbeitgeber“ verantwortlich: „Die aus der (Dritt-)Beauftragung folgende Erweiterung der verwaltungsrechtlichen Verantwortlichkeit lässt die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Durchführung von Arbeitsschutzpflichten unberührt“ – und zwar völlig unverändert, so dass es insoweit um eine „Kumulation der Verantwortlichkeiten“ geht.7 Öffentlich-rechtlich sind Arbeitgeber und alle in § 13 ArbSchG aufgezählten verantwortlichen Personen gleichermaßen möglicher Adressat von Anordnungen bzw. Verwaltungsakten der Aufsichtsbehörden – selbst wenn sie ordnungsgemäß ihre Aufsichtspflichten wahrnehmen. Nur nach Strafrecht und zivilrechtlichem Schadensersatzrecht wandelt sich bei einer Organisation durch Pflichtendelegation die Durchführungspflicht in eine Aufsichtspflicht, insbesondere eine Kontroll- und Überwachungspflicht.8
3. Fachkundige Personen
Gefährdungsbeurteilungen (siehe III.), Instandhaltungsmaßnahmen (siehe XI.) und Maßnahmen zur Verhinderung von unzulässigen oder instabilen Betriebszuständen von Arbeitsmitteln (§ 11 BetrSichV) sind von „fachkundigen Personen“ durchzuführen. Das sind Personen, die für die konkrete Aufgabe „über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen“, wobei die Anforderungen abhängen von „Berufsausbildung, Berufserfahrung oder einer zeitnah ausgeübten entsprechenden beruflichen Tätigkeit“ (§ 2 Abs. 5). Die „sorgfältige Auswahl“ stellt ein allgemeines Prinzip jeder Delegation von Aufgaben dar.9
Der Arbeitgeber hat sich extern „fachkundig beraten zu lassen“, wenn er „nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse verfügt“ (§ 3 Abs. 3 Satz 4). Wenn sich aus Rechtsvorschriften nichts Gegenteiliges ergibt, ist immer eine externe Delegation möglich. Die BetrSichV geht bei fehlender eigener Kompetenz von einer Pflicht aus. Man sollte „die entsprechende Qualifikation der befähigten Person abfordern“.10
4. Befähigte Personen
Die BetrSichV verlangt „qualifizierte Prüfer“.11 Arbeitsmittel prüfen (hierzu XIII.) müssen daher „befähigte Personen“, die
- „durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe beruf- liche Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügen“ (§ 2 Abs. 6),
- „bei der Durchführung der Prüfungen keinen fachlichen Weisungen unter- liegen“ (§ 14 Abs. 6, Satz 1),
- „wegen ihrer Prüftätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen“ (§ 14 Abs. 6, Satz 2) und
- auch externe Dienstleister sein können, wenn sie die Anforderungen erfüllen.12
Der Arbeitgeber muss in der Gefährdungsbeurteilung entscheiden (siehe III.10.), „welche Voraussetzungen die zur Prüfung befähigten Personen erfüllen müssen, die von ihm mit den Prüfungen von Arbeitsmitteln zu beauftragen sind“ (§ 3 Abs. 6 Satz 6). Dabei hilft ihm die TRBS 1203 „Befähigte Personen“.
Die befähigten Personen für Krane und maschinentechnische Arbeitsmittel der Veranstaltungstechnik nennt die Verordnung „Prüfsachverständige“ und die Verordnungsbegründung „besonders befähigte Personen“13, die die zusätzlichen Voraussetzungen Anhang 3 Abschnitt 1 und 2, jeweils Nr. 2, erfüllen müssen (,die aber nicht selten auch von „normalen“ befähigten Personen erfüllt sein werden).
5. Koordinator
In § 13 Abs. 3 ist der Koordinator geregelt, der bei „Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber“ zu bestellen ist:
- „schriftlich“
- durch die „beteiligten Arbeitgeber“
- wenn „bei der Verwendung von Arbeitsmitteln eine erhöhte Gefährdung von Beschäftigten anderer Arbeitgeber“ besteht,
- mit dem Ziel der „Abstimmung der jeweils erforderlichen Schutzmaßnahmen durch die beteiligten Arbeitgeber“.
Wenn es schon einen Koordinator nach anderen Rechtsvorschriften gibt – insbesondere einen Koordinator nach den „Grundsätzen der Prävention“ gemäß § 6 DGUV Vorschrift 1 (früher BGV A1) oder einen Sicherheits- und Gesund- heitsschutzkoordinator (SiGeKO) gemäß Baustellenverordnung (BauStellV) –, kann er die Aufgaben nach BetrSichV mit „übernehmen“.
Der Koordinator „entbindet die Arbeitgeber nicht von ihren Pflichten nach BetrSichV“ – und auch die anderen Verantwortlichen im Unternehmen (siehe I.2.) verlieren ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht. Ob und inwieweit sich bei ihnen durch einen Koordinator die straf- und zivilrechtliche Verantwortung reduziert, hängt vom Unternehmensaufbau ab – insbesondere von den Befugnissen des Koordinators.
Im Gesetzentwurf des Sommers 2014 war der Koordinator automatisch „hinsichtlich der zu treffenden Schutzmaßnahmen weisungsbefugt“. Das ist mit den Argumenten gestrichen worden, es sei ein „Systembruch“ und „bei einer mehrfachen Weisungsbefugnis durch den jeweiligen Arbeitgeber und den Koordinator weniger eine Verbesserung des Arbeitsschutzes, sondern eher ein Abgrenzungsproblem in der Kompetenz zu erwarten“.14 Beides ist unzutreffend: Einerseits ist – gerade bei Fremdfirmenbeschäftigung – kaum eine Situation vorstellbar, in der nicht Weisungsbefugnisse mehrerer Personen zusammen kommen. Andererseits ist die Ausstattung des (Fremdfirmen-)Koordinators gemäß § 6 DGUV Vorschrift 1 mit Weisungsbefugnissen „zur Abwehr besonderer Gefahren“ sogar Pflicht. Und im Bereich der BauStellV wird spätestens in der Ausführungsphase die Weisungsbefugnis für den SiGeKo empfohlen.15 Denn die bauausführenden Unternehmen haben „die Hinweise des Koordinators und den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 BauStellV) – und das ist letztlich nur umsetzbar, wenn der Baustellenkoordinator im Ernstfall „durchgreifen“ darf. Daher wird sogar die Auffassung vertreten, dass der Baustellenkoordinator auch ohne ausdrückliche Regelung „in schlüssiger Vertragsauslegung“ weisungsbefugt ist.16
Trotzdem ist die Streichung der automatischen Weisungsbefugnis für den Koordinator richtig, denn die Entscheidung über seine Stellung und Wirkung sollte den Arbeitgebern vorbehalten sein. Aber es sollte dafür gesorgt werden, dass die Beteiligten die Hinweise des Koordinators berücksichtigen. Es wäre aber besser gewesen, den Koordinator übergreifend für alle Bereiche des Arbeitsschutzes im ArSchG zu regeln. Denn in den meisten Fällen werden sich auch die Koordinationsanforderungen nicht nur aus der Verwendung von Arbeitsmitteln ergeben, um die allein es in der BetrSichV geht. Arbeiten Beschäftigte mehrerer Unternehmen zusammen, muss eine Koordination auch in anderen Bereichen – etwa Gefahrstoffe – stattfinden.
II. Der Anwendungsbereich der BetrSichV
Die BetrSichV „gilt für die Verwendung von Arbeitsmitteln“ durch Beschäftigte (§ 1 Abs. 1).
1. Arbeitsmittel
Arbeitsmittel sind
- Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen und
- überwachungsbedürftige Anlagen.
Erfasst sind Arbeitsmittel aller Art – „vom Kugelschreiber bis zur großtechnischen Anlage“17 und vom „Hammer“ bis zu „verketteten Maschinen und komplexen Chemieanlagen“18. Das heißt nicht, dass immer alle Anforderungen der BetrSichV konkret für jedes Arbeitsmittel „abzuarbeiten“ sind. So kann man sich im Ausgangspunkt bei einfacheren Arbeits- mitteln auf den „vorgelagerten Arbeitsschutz“ durch die vom Hersteller durch Einhaltung des Produktsicherheitsrechts „mitgelieferte Sicherheit“ verlassen (siehe V.1.).
Erfasst sind alle Arbeitsmittel, die „für die Verrichtung einer Arbeitstätigkeit verwendet werden. Nicht erfasst werden typische Einrichtungsgegenstände wie Schränke; diese sind der Arbeitsstätte zuzurechnen“19. Es spricht nicht für die Kenntnis dieser Zusammenhänge, wenn das OLG Nürnberg die Unsicherheit einer Pappkartonstanze unzutreffend mit der ArbStättV begründet und die anwendbare BetrSichV nicht erwähnt.20 Und es spricht nicht für den Bekanntheitsgrad der BetrSichV, wenn das OLG Rostock bei einer Paketierungsanlage die mangelnde Sicherheit nur mit allgemeinen Begriffen wie „Organisationsverschulden“ begründet, obwohl es dort um die Überbrückung von trennenden Schutzeinrichtungen und eine unzureichende Betriebsanweisung ging21 und wenn das Amtsgericht Bad Kreuznach beim Freispruch des Geschäftsführers eines Backbetriebes trotz ausdrücklicher Feststellung „sicherheitstechnischer Mängel in nicht unerheblichem Ausmaß“ die BetrSichV nicht erwähnt22.
Die BetrSichV gilt auch,
- wenn die Arbeitsmittel gemietet, geleast oder geliehen23 sind und
- wenn sie von Beschäftigten mitgebracht werden, denn wer die „Verwendung billigt“, der muss auch „die Verantwortung für den Arbeitsschutz tragen“24.
2. Verwendung
Die neue BetrSichV spricht nicht mehr von „Benutzung“, sondern von „Verwendung“ – erfasst ist „jegliche Tätigkeit“ mit Arbeitsmitteln. Dazu gehört insbesondere „das Montieren und Installieren, Bedienen, An- oder Abschalten oder Einstellen, Gebrauchen, Betreiben, Instandhalten, Reinigen, Prüfen, Umbauen, Erproben, Demontieren, Transportieren und Über-wachen“ (§ 2 Nr. 2) – kurz: „alle Stadien des betrieblichen Alltags“25.
3. Erprobungen und Testphasen
Bei Erprobungen und Testphasen muss man unterscheiden zwischen solchen des Herstellers vor Inverkehrbringen und denen des Käufers/Betreibers vor Inbetriebnahme. „Erprobungen/Prüfungen vor Inverkehrbringen gehören nicht zum Betrieb“, denn „sie werden z.B. im Hinblick auf eine Konformitätsbewertung für das Inverkehrbringen durchgeführt und dienen z.B. der Feststellung und des Nachweises der Funktions-/Betriebsfähigkeit gegenüber dem Auftraggeber“26. Bis zum Ende der Montage hat der Auftragnehmer „den Hut auf“. Die BetrSichV setzt aber voraus, dass ein Arbeitsmittel des Arbeitgebers bzw. Betreibers vorhanden und es sich nicht noch unter der Obhut des Herstellers in der Errichtungsphase befindet.27 Die BetrSichV gilt zwar auch für die „Erprobung“ – aber eben nur durch den Käufer bzw. Betreiber: „Das Inverkehrbringen endet mit dem sogenannten haftungsmäßigen Gefahrübergang bei der Übergabe der Anlage. Nach dem Inverkehrbringen übernimmt i.d.R. der Betreiber (oder ein Generalauftragnehmer) die Verantwortung für die überwachungsbedürftige Anlage. Erprobungen (z.B. Einstellungen, Testläufe), die zu diesem Zeitpunkt erfolgen, werden von dem Begriff ‚Erprobung vor erstmaliger Inbetriebnahme‘ erfasst und fallen unter die BetrSichV“28.
4. Überwachungsbedürftige Anlagen
Überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 2 Nr. 30 ProdSG in Verbindung mit Anhang 2 BetrSichV sind Arbeitsmittel, weshalb die BetrSichV „ganz normal“ vollständig für sie gilt (siehe II.1.).
Verpflichtet ist aber auch, „wer, ohne Arbeitgeber zu sein, zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken eine überwachungsbedürftige Anlage verwendet“. Daher gilt die BetrSichV auch „für überwachungsbedürftige Anlagen, die von einem Unternehmer ohne Beschäftigte betrieben werden“29, beispielsweise Aufzüge „in Wohnhäusern, in denen zumindest eine Wohnung an einen Nicht-Eigentümer vermietet ist“30.
Geschützt bei überwachungsbedürftigen Anlagen sind nicht nur Beschäftigte, sondern auch „andere Personen im Gefahrenbereich, soweit diese aufgrund der Verwendung gefährdet werden können“. § 34 ProdSG nimmt diese „Dritten“ schon seit 2011 in Schutz. „Andere Personen“ sind alle Beschäftigten, die „sich im Gefahren-bereich einer überwachungsbedürftigen Anlage innerhalb oder außerhalb eines Betriebsgeländes befinden“ (§ 2 Abs. 15), aber „nicht die Allgemeinheit“, denn bezweckt ist „nicht der Schutz der Bevölkerung oder gar der Schutz der Umwelt“31. So tendierte das LG Detmold gegen die Einbeziehung der Besucherin eines Kurheims in den „Schutzbereich“ der BetrSichV, als diese nach einem Sturz aus einem Aufzug in der Schadensersatzklage gegen den Betreiber das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung monierte.32 Aber „in der Regel dienen die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten immer auch dem Schutz anderer Personen im Gefahrenbereich. Es gilt der Grundsatz: (Anlagen-) Sicherheit ist unteilbar“33.
III. Gefährdungsbeurteilung
Die Pflichten beginnen in § 3 BetrSichV mit der Gefährdungsbeurteilung als „zentralem Element für die Festlegung von Schutzmaßnahmen“34.
- 1. Es gibt gemäß § 5 ArbSchG eine„zusammenzuführende ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung“35 und § 3 BetrSichV konkretisiert sie für die
- 2. Die Gefährdungsbeurteilung ist letztlich für jedes Arbeitsmittel (siehe II.1.) durchzuführen. Aber „bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung einer Tätigkeit ausreichend“ (§ 5 Abs. 2 Satz 2 ArbSchG). Außerdem kannErgebnis der Gefährdungsbeurteilung sein, dass „Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten ohne weitere Maßnahmen gewährleistet sind“36.
- 3. Auch für überwachungsbedürftige Anlagen (siehe II.1.) ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen37, denn sie sind Arbeitsmittel (§ 2 Abs. 1). Sie ist sogar durchzuführen bei jeder gewerblichen Verwendung, auch wenn es keine Beschäftigten gibt (siehe II.4.), mit Ausnahme der Aufzüge (vgl. §3 Abs. 1 Satz 3).
- 4. Die Gefährdungsbeurteilung bezieht sich auf „Zustand und Handhabung des Arbeitsmittels“38. Zustand meint Rechtskonformität (Produktsicherheit) und Handhabung meint sichere Verwendbarkeit in den vorgesehenen Einsatzbedingungen (siehe V.).
- 5. Auch für CE-gekennzeichnete Arbeitsmittel ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen (§ 3 Abs. 1 Satz 2). Bei ordnungsgemäßer CE-Kennzeichnung bezieht sie sich im Ausgangspunkt nur noch auf die
- 6. Durchgeführt werden
- 7. Es sind
- 8. Es geht um
- 9. Insbesondere sind zu berücksichtigen die „Gebrauchstauglichkeit von Arbeitsmitteln, einschließlich der ergonomischen, alters- und alternsgerechten Gestaltung“, die „sicherheitsrelevanten, einschließlich der ergonomischen Zusammenhänge“, die „physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten“ und „vorhersehbare Betriebsstörungen und die Gefährdung bei Maßnahmen zu deren Beseitigung“.
- 10. Zu ermitteln und festzulegen sind auch „Art und Umfang erforderlicher Prüfungen von Arbeitsmitteln sowie die Fristen von wiederkehrenden Prüfungen“, die befähigten Personen, die dann prüfen (siehe XIII.), und ob Änderungen von Arbeitsmitteln oder ihre Instandsetzung Einfluss auf die Sicherheit haben (siehe XI. und XII.).
- 11. Die Gefährdungsbeurteilung muss „regelmäßig überprüft“ werden und sie muss „aktualisiert“ werden bei „sicherheitsrelevanten Veränderungen“ oder Erkenntnissen etwa aus der Wirksamkeitsprüfung oder dem Unfallgeschehen.
- 12. Vorarbeiten des Herstellers können „geringeren Aufwand bei der Gefährdungsbeurteilung und deren Dokumentation“ bedeuten43:
- 13. a) Richtigkeitsvermutung: Der Arbeitgeber „darf davon ausgehen, dass die vom Hersteller mitgelieferten Informationen zutreffend sind, es sei denn, dass er über andere Erkenntnisse verfügt“ (§ 3 Abs. 4) – gemeint sind insbesondere die „Betriebs- bzw. Gebrauchsanleitung“, die zwingend beigefügt werden muss44 und die Risikobeurteilung, auf die der Käufer keinen Anspruch hat45, die er aber im Kaufvertrag fordern kann.
b) Übernahmevereinfachung: Der Arbeitgeber darf diese Informationen „übernehmen“; „Anleitungen“ – so § 3 Abs. 5 – kann sich der Arbeitgeber „nach einer Plausibilitätsprüfung zu eigen machen und seine Gefährdungsbeurteilung darauf aufbauen“46; aber es muss auch „die durch den Hersteller durchgeführte Risikobeurteilung für das Arbeitsmittel nicht wiederholt“ werden.47
IV. Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
§ 3 Abs. 8 fordert die Dokumentation des „Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung“
- „vor der erstmaligen Verwendung der Arbeitsmittel“,
- „auch in elektronischer Form“.
Die Dokumentation hat folgende Mindestinhalte:
- Gefährdungen, wobei es „bei gleichartigen Arbeitsmitteln und Gefährdungen“ (siehe III.2.) ausreichend ist, „wenn die Dokumentation zusammengefasste Angaben enthält“48,
- Schutzmaßnahmen (zu ihnen siehe V.2.),
- Maßnahmen zur Erfüllung der BetrSichV bei Abweichung von Technischen Regeln (siehe IX.4.a.),
- Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen sowie Fristen der wiederkehrenden Prüfungen (siehe XIII.),
- das Ergebnis der Wirksamkeitsüberprüfung (siehe II.11.) – auch wenn „keine Aktualisierung erforderlich ist, so hat der Arbeitgeber dies unter Angabe des Datums der Überprüfung in der Dokumentation zu vermerken“.
Im nächsten Teil dieses Beitrags geht es unter anderem um Anforderungen an Arbeitsmittel und deren Verwendung und Prüfung, Bestandsschutz und Schutzmaßnahmen bei Instandhaltungsmaßnahmen und Änderungen.
- 1 Zur Fassung 2002 siehe Thomas Wilrich, Prüfung Betrieb und Überwachung von Arbeitsmitteln und Anlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung, in: Der Betrieb (DB) 2002, S. 1553 und 2165.
- 2 Vgl. BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 71 und 77.
- 3 Für eine Abfallbeseitigungsanlage VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 15.12.1987 – Az. 10 S 240/86.
- 4 LASI-Leitlinien zur BetrSichV (LV 35), 3. Aufl. 2008, B 12.1.
- 5 Denn § 2 Abs. 5 ArbSchG sagt: „Als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes gelten für den Bereich des öffentlichen Dienstes die Dienststellen“.
- 6 Hierzu können die Formblätter in der DGUV Information 211–001 (bisher BGI 528/GUV‑I 528–1) oder in DGUV Regel 100–001 „Grundsätze der Prävention“ (dort in Nr. 2.12 auf Seite 52) verwendet werden. Siehe hierzu die Fallbesprechung „Der ‚haftungsscheue‘ Professor – Pflichtenübertragung durch Weisung auch gegen den Willen? Urteil des VG Augsburg vom 20.12.2012 zur Delegation von Arbeitsschutzpflichten im Öffentlichen Dienst“ von Thomas Wilrich, in: sicher ist sicher (sis) Heft 4/2014.
- 7 BAG, Urteil v. 30.9.2014 – 1 ABR 106/12.
- 8 Vgl. ausführlich Thomas Wilrich, Verantwortlichkeit und Pflichtenübertragung im Arbeitsschutzrecht, in: Der Betrieb (DB) 2009, 1294.
- 9 So die Formulierung in § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).
- 10 LASI-Leitlinien zur BetrSichV (LV 35), 3. Aufl. 2008, A 3.3.
- 11 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 78.
- 12 LASI-Leitlinien zur BetrSichV (LV 35), 3. Aufl. 2008, A 10.2.
- 13 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 90.
- 14 BR-Drs. 400/14 (Beschluss) v. 28.11.2014, S. 10.
- 15 So z.B. Norbert Kollmer, BauStellV, 2. Aufl. 2004, § 3 Rn. 59; Jürgen Schliephacke, Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, in: Voss (Hrsg.), Handbuch Arbeitsschutz 2004, S. 125, 132; Rainer Tepasse, Handbuch Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen, 3. Aufl., 3.4, S. 187.
- 16 So Norbert Kollmer, BauStellV, 2. Aufl. 2004, § 3 Rn. 60; unklar Beck, in: Rainer Tepasse, Handbuch Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen, 3. Aufl., der einerseits – in 4.4.1, S. 216 – automatische Weisungsbefugnisse annimmt, und anderseits – in 4.6.2, S. 219 – eine Vertragsregelung fordert.
- 17 BR-Drs. 301/02 v. 11.4.2002, S. 82 zur alten BetrSichV.
- 18 Hans-Peter Raths, Die neue Betriebssicherheitsverordnung 2015, in: Sicherheitsingenieur Heft 2/2015, S. 8, 10.
- 19 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 77.
- 20 Zum Urteil des OLG Nürnberg vom 17. Juni 2014 vgl. die Fallbesprechung von Thomas Wilrich, „Der Unfall an der Pappkartonstanze“, in: BPUVZ Heft 3/2015.
- 21 Zum Urteil des OLG Rostock vom 8. Juli 2011 vgl. die Fallbesprechung von Thomas Wilrich: „Der Unfall bei der Reinigung des Rollengangs Praxisfall zu den Organisations- und Aufsichtspflichten bei Fremdfirmenbeauftragung“, in: sicher ist sicher (sis) Heft 9/2013.
- 22 Zum Urteil des AG Bad Kreuznach aus September 2012 vgl. die Fallbesprechung von Thomas Wilrich: „Unser täglich Brötchen“ gib uns heute – und verschone uns vor Brandblasen, gib uns Schutzhandschuhe und unterweise uns“, in: BPUVZ Heft 3/2013.
- 23 LASI-Leitlinien zur BetrSichV (LV 35), 3. Aufl. 2008, A 7.5.
- 24 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 83.
- 25 Thorsten Neumann, Organisation der Prüfung von Arbeitsmitteln, 2007, Punkt 7.5.2, S. 95.
- 26 LASI-Leitlinien, BetrSichV, B 2.3.
- 27 Daher hatte die BetrSichV im Urteil des VG Regensburg vom 31.3.2011 (Az. RN 5 K 09.2518) keine Rolle gespielt. Vgl. die Fallbesprechung von Thomas Wilrich, „Hersteller oder Betreiber? Wer ist für was verantwortlich bei einem Unfall während der Inbetriebnahme einer Anlage?“, in: sicher ist sicher (sis) Heft 3/2013.
- 28 LASI-Leitlinien, BetrSichV, (LV35), 3. Aufl. 2008, B 2.3 zum alten § 2 Abs. 3 BetrSichV, der auch die „Erprobung“ erwähnte.
- 29 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 71.
- 30 VG München, Beschluss v. 18.1.2011 – Az. M 16 S 10.6109.
- 31 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 75.
- 32 LG Detmold, Urteil v. 4.8.2014 – 1 O 228/13.
- 33 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 75.
- 34 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 69.
- 35 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 69 und 80.
- 36 So TRBS 1111 „Gefährdungsbeurteilung“ Nr. 3.3.4
- 37 Vgl. Bernd Wiebauer, Die neue Betriebssicherheitsverordnung 2015, in sicher ist sicher (sis) Heft 3/2015, S. 145, 147.
- 38 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 80.
- 39 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 90.
- 40 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 79.
- 41 Die fehlende Konkretheit einer Gefährdungsbeurteilung hatte das OLG Nürnberg in einem Urteil vom 17. Juni 2014 kritisiert, vgl. die Fallbesprechung „Der Unfall an der Pappkartonstanze“ von Thomas Wilrich, in: BPUVZ Heft 3/2015.
- 42 So § 3 Abs. 1 Satz 2 der früheren BetrSichV.
- 43 So BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 73.
- 44 Vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1 c) EG-Maschinenrichtlinie 2006/42.
- 45 Vgl. Europäische Kommission, Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, 2. Aufl. 2010, § 393.
- 46 BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 81.
- 47 So BR-Drs. 400/14 v. 28.8.2014, S. 81.
- 48 TRBS 1111 Gefährdungsbeurteilung Nr. 3.3.8.
Autor
Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Wilrich,
Hochschule München, Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen, zuständig für Wirtschafts‑, Arbeits‑, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht
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