Die Frau arbeitete am Service-Point des Fernbahnhofs am Frankfurter Flughafen. Während ihrer Tätigkeit übergab ihr die Bahnsteigaufsicht einen gefundenen Rucksack, dessen Inhalt sie im Beisein eines Kollegen dokumentierte. Später fehlten Geld, Schmuck und eine Festplatte aus der Fundsache. Weil sie die Gegenstände aus dem Gepäckstück genommen haben soll, nahmen Beamte der Bundespolizei die 44-jährige Frau mit auf das Polizeirevier. Dort musste sie sich komplett entkleiden und eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Infolge dieser unnötigen und entwürdigenden Maßnahme entwickelte sich bei der Frau eine psychische Erkrankung.
Psychische Erkrankung als Folge der Leibesvisitation
Die Unfallversicherung wollte das nicht als Arbeitsunfall anerkennen. Die Polizeikontrolle sei eine private Verrichtung gewesen, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterbrochen habe. Das sah das Gericht jedoch anders und verurteilte die Unfallversicherung, die polizeiliche Maßnahme als Arbeitsunfall anzuerkennen. Auslöser und Ursache der Leibesvisitation sei allein die berufliche Tätigkeit der Bahn-Mitarbeiterin gewesen. Dieser Tätigkeit sei sie ordnungsgemäß und den dienstlichen Vorschriften entsprechend nachgegangen. Eine privat veranlasste Handlung sei für die Kontrolle nicht ursächlich gewesen.
Gefühle des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit
Laut Gesetz ist Voraussetzung für einen Arbeitsunfall, dass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu einem Gesundheitsschaden führt. Bei einer solchen polizeilichen Maßnahme handele es sich um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, für das allein die berufliche Tätigkeit der Frau ursächlich gewesen sei. Die Leibesvisitation der Polizei hätte bei der Frau unmittelbar zu Gefühlen des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und Ohnmacht geführt, sodass auch ein Gesundheitserstschaden vorliege.
Der Fall sei anders zu beurteilen, als wenn beispielsweise ein alkoholisierter Arbeitnehmer bei einer Verkehrskontrolle versuche, sich der Blutentnahme zu entziehen, oder ein Versicherter auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle bei einer Fahrkartenkontrolle seinen Ausweis nicht vorzeigen wolle und es dann bei der polizeilichen Festnahme zu einer Verletzung komme.
In diesen Fällen bestehe kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, erklärten die Richter unter Bezugnahme auf andere gerichtliche Entscheidungen.
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.10.2017, Az. L 3 U 70/14