Fehlbelastungen am Bildschirmarbeitsplatz lassen sich durch Bewegung, dynamisches Sitzen, flimmerfreie Monitore und Sitz-Steh-Arbeitsplätze vermeiden. Doch wer erinnert an mehr Bewegung? Wer kontrolliert, ob die Stühle und Monitore richtig eingestellt sind, wenn die Arbeitsplätze getauscht werden? Der Ergonomiebeauftragte ist dafür der Richtige.
Sonja K., Verwaltungsfachangestellte, ist nach ihrer Familienpause wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Hier hat sich einiges verändert. Die Büros wurden neu strukturiert und die Arbeitsplätze sind mit neuen Möbeln und PCs ausgestattet worden. Die Arbeitsaufgaben an sich haben sich kaum verändert und so nimmt Sonja K .am Schreibtisch Platz und startet voll Energie.
Nach vier Wochen merkt Sonja K., dass sie abends häufig einen verspannten Nacken hat. Außerdem hat sie drei Pfund zugenommen. Sie geht davon aus, dass sich das legen wird, wenn sie sich erst wieder an den Arbeitsrhythmus gewöhnt hat. Was sie nicht bedenkt: Nicht nur ihr Tagesablauf hat sich verändert, sondern viele weitere Faktoren rund um ihre Arbeit und ihre Gesundheit.
Beauftragte unterstützen beim Arbeits- und Gesundheitsschutz
Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist ein weites Feld. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der Arbeitgeber. Da sich aber ein Unternehmer, Bürgermeister oder Dienststellenleiter nur bedingt in diesem Bereich auskennt, unterstützt ihn eine Fachkraft für Arbeitssicherheit. Doch diese kann nicht immer und überall sein. Deshalb gibt es Mitarbeiter, die sich um Teilbereiche des Arbeits- und Gesundheitsschutzes kümmern wie zum Beispiel Sicherheitsbeauftragte, Ersthelfer, Umweltschutzbeauftragte oder Ergonomiebeauftragte. Sie alle übernehmen freiwillig Verantwortung für die Gesundheit und Sicherheit ihrer Kollegen. Sie lassen sich schulen und geben ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Sie prüfen in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich, ob alles den Vorschriften entspricht und sie beraten ihre Kollegen.
Warum es sinnvoll und notwendig ist, für die unterschiedlichen Bereiche freiwillig Engagierte zu beauftragen, lässt sich am Beispiel der Verwaltung gut zeigen. Im Mittelpunkt soll dabei der Ergonomiebeauftragte stehen, denn seine Aufgaben sind noch wenig bekannt und sein Einsatz in der Verwaltung ist für die Prävention sehr wichtig.
Jeder kümmert sich um seinen Themenbereich
Dienststellen einer Verwaltung sind unterschiedlich groß und können über das Stadtgebiet, den Landkreis oder das Land verteilt sein. Eine Dienststelle besteht meist aus mehreren Dienstzimmern, einem Empfang oder Sekretariat, einem Wartebereich, Toiletten, einer Teeküche, einem Drucker- und Kopiererraum und einem Raum für Material und Putzmittel. In jedem dieser Bereiche lauern auch Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit, ob Zugluft, Bakterien oder Gefahrstoffe. Diese muss man kennen, um sich und andere davor schützen zu können.
Der Sicherheitsbeauftragte kümmert sich vor allem um die Computer und Bürogeräte. Er schaut aber auch nach den Heißwasserbereitern und der Mikrowelle. Der Ersthelfer steht seinen Kollegen bei kleineren und größeren Arbeitsunfällen zur Seite. Er kann mit Pflaster und Verband umgehen, aber auch Bewusstlose richtig lagern oder im Notfall den Defibrillator handhaben. Der Umweltbeauftragte hat sich zur Aufgabe gemacht, in der Dienststelle zu schauen, wo und wie sich Energie, Büromaterial oder Wasser sparen lässt und wie die Abfallentsorgung organisiert werden könnte.
Dafür ist der Ergonomiebeauftragte der Richtige
Verwaltungsarbeit ist vor allem Bildschirmarbeit. Es gibt eine Menge Verordnungen und Empfehlungen, wie Bildschirmarbeitsplätze gesund zu gestalten sind. Die hohe Zahl an Krankmeldungen in den Büros zeigt allerdings, dass ergonomische Ausstattung und Schulungen, die es vielerorts schon gibt, nicht ausreichen. Ständig und dauerhaft muss darauf geachtet werden, dass der Bildschirm richtig eingestellt ist, die Bürostühle den Rücken stützen oder genügend Pausen gemacht werden. Dafür ist der Ergonomiebeauftragte genau der Richtige!
Beim Ergonomiebeauftragten handelt es sich um einen Kollegen. Denn als Kollege ist er nah dran, weiß, wie sich Bildschirmarbeit anfühlt. Als Verwaltungsmitarbeiter kennt er die Arbeitsabläufe, Arbeitsaufgaben und eingesetzten Arbeitsmittel sehr gut. Er sieht, wenn andere schlecht sitzen, zu selten aufstehen und er erfährt als einer der Ersten, wenn über alte Monitore geklagt wird. Denn er arbeitet im gleichen Büro oder direkt nebenan.
Der Ergonomieberater berät seine Kollegen auf Augenhöhe, wenn er sich einen Arbeitsplatz anschaut oder Verbesserungsvorschläge macht. Als Beauftragter ist er den Kollegen gegenüber nicht weisungsbefugt, er kann nur Empfehlungen aussprechen und informieren und selbst ein gutes Vorbild sein.
Erkennt er Mängel oder erfährt er von Schwachstellen hat er als Beauftragter aber auch einen direkten Draht zu Vorgesetzten, Arbeitsmedizinern, der Sicherheitsfachkraft und zum Personalrat.
Wer kann Ergonomiebeauftragter werden?
Generell kann jeder Mitarbeiter ohne spezielle Voraussetzungen Ergonomiebeauftragter werden. Allerdings sollte man Überzeugungskraft, Offenheit gegenüber den Sorgen von Kollegen sowie Organisationstalent mitbringen und von den Kollegen akzeptiert werden. Von Vorteil ist zudem eine längere Zugehörigkeit in der Verwaltung.
Das Engagement für die Kollegen erfolgt übrigens neben dem Dienst. Es gibt keine Freistellung.
Aus- und Weiterbildung
Ergonomiebeauftragter im Büro ist eine Aufgabe mit Zukunft, denn im Büro finden stetig Veränderungen statt. Vom Röhrenmonitor zum Flachbildschirm dauerte es nur wenige Jahrzehnte. Manche Büros setzen heute auf Notebooks. Die Entwicklung der Tablet-PCs ist rasant und zugleich kaum einzuschätzen. Vielleicht gibt es übermorgen schon wieder neue Technologie in Sachen Computer. Auch die Möglichkeiten des Internets verändern sich weiterhin und die Nutzer müssen sich immer wieder auf Neuerungen einstellen. Mit der Technik verändern sich aber auch der Arbeitsplatz an sich, die Ausstattung und die Arbeitsorganisation.
Zu den Grundkenntnissen, die Ergonomiebeauftragte in der Aus- und Weiterbildung vermittelt bekommen, zählen mit Berücksichtigung der spezifischen Situation in der Verwaltung vor allem:
- Rechtsgrundlagen
- Bildschirmarbeitsplatzverordnung
- Grundlagen der Ergonomie
- Anforderungen an Geräte-Technik
- Einstellen von Bürostühlen und dynamisches Sitzen
- Anpassung und Erweiterungsmöglichkeiten von Schreibtischsystemen
- Steharbeitsplatz
- Beleuchtung und Blendschutz
- Flächennutzung
- Raumklima
- Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung für Bildschirm-Arbeitsplätze
- Gesundes Sehen am Bildschirm sowie
- Stressbewältigung, Bewegung und Ernährung.
Darum kümmert sich der Ergonomiebeauftragte
Der Ergonomiebeauftragte berät seine Kollegen bei Bedarf oder führt gegebenenfalls Unterweisungen durch, die auf die individuelle Arbeitssituation im Büro – also den Bildschirmarbeitsplatz – zugeschnitten sind, etwa zu Themen wie
- ergonomisches Sitzen oder
- Neigungswinkel des Monitors.
Er steht mit Rat und Tat beim Einrichten der Büro- beziehungsweise Bildschirmarbeitsplätze zur Seite, gibt Tipps zum richtigen Umgang mit den Arbeitsmitteln und informiert über ergonomische Grundsätze und gesunde Arbeitsweisen. Er kümmert sich um seine Kollegen vor allem bei Neueinstellung, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder Technologien oder bei Veränderungen im Aufgabenbereich. Denn in solchen Situationen ist die Bereitschaft groß, das eigene Verhalten zu überdenken. Nach ein paar Wochen hakt er nach, ob alles verstanden und umgesetzt wurde oder ob sich Fragen ergeben haben.
Außerdem unterstützt der Ergonomieberater die verantwortlichen Führungskräfte etwa
- bei Beschaffungsentscheidungen sowie
- bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung.
Man spricht beim Ergonomieberater gerne auch vom kollegialen „Kümmerer“. Im Fall der Verwaltungsangestellte Sonja K. hätte ein Ergonomiebeauftragter wahrscheinlich manche qualvolle Stunde verhindern können. Er hätte den Wiedereinstieg mit seinem Wissen kollegial begleitet. Er hätte mit Sonja K. zum Beispiel den Stuhl passend für ihre Körpermaße eingestellt, kontrolliert ob ihr Bildschirm richtig positioniert und eingestellt ist und sie vielleicht auch einmal zu einer gemeinsamen Pause abgeholt.
Wie ein Ergonomiebeauftragter seine Arbeit organisiert und wann er sich engagiert, hängt vom Bedarf der jeweiligen Dienststelle ab. Manchmal empfiehlt sich eine jährliche Begehung, im anderen Fall ist eine bedarfsorientierte Beratung sinnvoller. Auch projektbezogen kann der Ergonomiebeauftragte seine Aufgabe erfüllen. Auf alle Fälle sollte er in die Arbeitsgruppe Gesundheitsmanagement der Dienststelle eingebunden sein.
Weitere Informationen finden Sie in …
„Über die Schulter geschaut – Kollegiale Hilfe durch betriebliche Ergonomieberater“, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Bettina Brucker
Was ist Ergonomie?
Ergonomie meint so viel wie die Gesetzmäßigkeit der Arbeit. Ziel der Ergonomie als Wissenschaft ist es, Arbeit so zu gestalten, dass der arbeitende Mensch möglichst wenig ermüdet oder gar geschädigt wird, auch wenn er seine Arbeit über Jahre hinweg ausübt. Zu den einzelnen Gestaltungsfaktoren zählen die Arbeitsbedingungen, der Arbeitsablauf, aber auch die Anordnung von Arbeitsmitteln und Arbeitsgeräten. Der Arbeitsplatz, seine Ausstattung und die Arbeitsorganisation sollten so optimal sein, dass die Arbeitsaufgaben gesund, sicher und wirtschaftlich erfolgreich ausgeführt werden können.
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