Kehlkopfkrebs (Larynxkarzinom), der durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen hervorgerufen wird, wurde jüngst als Berufskrankheit anerkannt. Der „Sicherheitsbeauftragte“ sprach mit Dr. Daniela Pucknat von der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) über technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen.
Was sind schwefelsäurehaltige Aerosole und wo treten diese auf?
Pucknat: Schwefelsäurehaltige Aerosole sind fein verteilte Schwefelsäuretröpfchen in der Luft. Schwefelsäure wird in zahlreichen chemischen Syntheseprozessen eingesetzt, beispielsweise für die Oberflächenbehandlung von Metallen beim Beizen oder galvanischen Verfahren, als Batteriesäure oder in der Düngemittelproduktion, Papierherstellung und Seifenindustrie.
Mit welchen technischen Sicherheitsvorkehrungen kann man der Krankheit vorbeugen?
Pucknat: Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zunächst zu prüfen, ob Schwefelsäure durch andere Stoffe ersetzt werden kann. Ist dies nicht möglich, müssen technische Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die die Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) für Schwefelsäure in Höhe von 0,1 mg/m³ gewährleisten. Zu diesen Maßnahmen gehören zum Beispiel geschlossene Anlagen, das Einhausen von Arbeitsbereichen, das Abdecken von schwefelsäurehaltigen Becken und die Installation einer Absaugung.
Welche organisatorischen Maßnahmen lassen sich während der Arbeit zum Schutz anwenden?
Pucknat: Organisatorische Schutzmaßnahmen schließen unter anderem die Unterweisung der Mitarbeiter, das Aushängen der Betriebsanweisung oder auch Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Arbeitsbereichen ein.
Ist persönliche Schutzausrüstung zu empfehlen, die die Beschäftigten anlegen sollten?
Pucknat: Persönliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen säurefester Schutzkleidung, Handschuhe und Schutzbrillen sind aufgrund der ätzenden Wirkung der Säure notwendig, schützen aber nicht die Atemwege. Geeignete Atemschutzmasken müssen getragen werden, wenn der AGW für Schwefelsäure in der Luft überschritten wird. Diese sind jedoch nur für den zeitlich begrenzten Einsatz gedacht und nicht als Ersatz für technische Schutzmaßnahmen.
Wie hoch ist das Risiko, durch schwefelsäurehaltige Aerosole an Kehlkopfkrebs zu erkranken?
Pucknat: Ein bis zwei Prozent aller bösartigen Tumore in Deutschland sind im Bereich des Kehlkopfes lokalisiert. Als Ursache gelten vor allem das Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und bestimmte berufliche Schadstoffe wie Asbeststäube. Ein erhöhtes Risiko, an Kehlkopfkrebs durch schwefelsäurehaltige Aerosole zu erkranken, besteht laut wissenschaftlicher Begründung erst, wenn Mitarbeiter mehr als fünf Jahre diesen Nebeln in einer erhöhten Konzentration von mindestens 0,2 mg/m³ ausgesetzt sind. Bei Einhaltung des AGW ist eine Gefährdung nicht zu befürchten. Bei der BGHM wurden bisher zwei Larynxkarzinome als Berufserkrankung durch schwefelsäurehaltige Aerosole anerkannt.
Sollten sich besonders gefährdete Beschäftigte regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen unterziehen?
Pucknat: Eine spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge für Tätigkeiten mit Schwefelsäurekontakt ist in der ArbMedVV nicht geregelt. Bei Grenzwertüberschreitungen sollte nach BGI 504–23i eine Vorsorge nach dem Grundsatz G 23 erfolgen. Allerdings können die Mitarbeiter auch durch ihr Verhalten maßgeblich zu ihrem Schutz beitragen. So sollte darauf geachtet werden, dass die Absaugung immer eingeschaltet ist, dass keine unnötigen Schwefelsäureaerosole beispielsweise bei Reinigungsarbeiten erzeugt werden und dass sich der Atembereich nicht unmittelbar über deren Entstehungsstelle befindet.
Welche Unterstützung erfahren Erkrankte durch die Unfallversicherungsträger?
Pucknat: Besteht der Verdacht, dass die Erkrankung durch die berufliche Tätigkeit verursacht sein könnte, erfolgt eine Meldung an den zuständigen Unfallversicherungsträger. Dieser prüft, ob die medizinischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit gegeben sind. Ist dies der Fall, werden die Kosten für die medizinischen Behandlungen, Hilfsmittel und Medikamente übernommen. Je nach Schwere der Erkrankung sind auch Rentenzahlungen möglich.
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