Wesentliche Qualitätskriterien eines Schutzhelms sind sein Stoßdämpfungsvermögen und die Durchdringungsfestigkeit, dazu kommen die Beständigkeit gegen Flammen sowie ein fester Sitz am Kopf. Qualität und Schutzwirkung von Kopfschutz-PSA werden durch Normen standardisiert (siehe Kasten Seite 9). Der klassische Arbeitsschutzhelm wird hier als Industrieschutzhelm bezeichnet. Dies sollte aber nicht als Branchenzuordnung verstanden werden, Helme nach DIN EN 397 werden auch im Handwerk oder auf Baustellen getragen.
Auf dem Weg von klobigen Eisenhüten mittelalterlicher Rüstungen über preußische Pickelhauben zum modernen Arbeitsschutzhelm hat sich viel getan. Heutige Schutzhelme sind vergleichsweise leicht, bequem zu tragen und bieten dennoch eine hohe Schutzwirkung. Bei Kopfschutz geht es auf den ersten Blick um die Gefahr, dass etwas von oben herunterfällt. Doch ein hochwertiger Industrieschutzhelm bietet weit mehr Schutzfunktionen:
- mechanischen Schutz
- vor herabfallenden Gegenständen
- vor wegfliegenden Gegenständen
- vor pendelnden Lasten
- vor einem Anstoßen
- thermischen Schutz, zum Beispiel vor Strahlungswärme
- Schutz vor Flammen und Feuer
Je nach Ausstattung (siehe unten) schützt ein Helm zudem auch das Gesicht, Augen und Nacken.
Die Kennzeichnung richtig lesen
Ein Schutzhelm muss – wie jegliche PSA – über eine CE-Kennzeichnung verfügen, die gut sichtbar, dauerhaft und haltbar angebracht ist, zum Beispiel eingegossen oder eingeprägt. Weitere Pflichtangaben sind die zutreffende Norm, die Größe, die Typbezeichnung, eine Kurzbezeichnung des Helmmaterials, der Hersteller sowie Jahr und Quartal der Herstellung. Optional können Buchstabenkürzel hinzugefügt werden, die für zusätzliche Schutzanforderungen stehen:
- LD (lateral deformation): Festigkeit bei seitlicher Beanspruchung
- MM (molten metal): Schutz gegen flüssige Metallspritzer
- F (flame resistance): Flammenbeständigkeit (bei Anstoßkappen)
Bei Helmen für den Einsatz bei sehr niedrigen oder sehr hohen Temperaturen sind die Gradzahlen angegeben, z. B. –20 °C oder + 150 °C. Bei Helmen für forsttechnische Arbeiten kann das Gütesiegel „KfW-geprüft“ angebracht sein. Bei Feuerwehr, Rettungskräften und Katastrophenschützern informiert die Helmkennzeichnung meist – aber ohne einheitliche Vorgabe – über Dienstgrad oder Funktion des Trägers, etwa Gruppenführer, Zugführer oder Sanitäter.
Mehr als nur eine harte Schale
Ein Schutzhelm besteht aus einer harten Außenschale und einer Innenausstattung, deren Besonderheiten und (Zusatz-)Funktionen immer vielfältiger geworden sind:
- Eine Regenrinne am Helmrand schützt vor tropfender Nässe.
- Die Helmschale kann im Nackenbereich heruntergezogen sein.
- Seitliche Belüftungsöffnungen erhöhen den Tragekomfort bei Hitze.
- Ein verstellbarer Kinnriemen hält den Helm sicher am Kopf und in Position.
- Innenliegendes Gurtzeug mit längenverstellbaren Kopf- und Nackenbändern erlaubt Anpassungen an die individuelle Kopfform.
- Ein Stirnband mit Verstellmechanismus sorgt für angenehmen Sitz.
- Ein Schweißband oder Kopfbandpolster ist in der Regel auswechselbar und absorbiert überschüssigen Schweiß.
- Ein integriertes Visier kann weggeklappt beziehungsweise versenkt werden.
- Ein – meist abnehmbarer – Nackenschutz schützt vor Sonne oder Stäuben.
- Phosphoreszierende Substanzen können für einen Nachleucht-Effekt im Dunkeln sorgen.
- Seitliche Stecktaschen dienen dem Befestigen von Gehörschützern.
- Spezielle Halterungen für Kabel und weiteres Zubehör erlauben das Anbringen von Lampen oder Sprechfunkgeräten.
Nicht jeder Helm muss zwingend über sämtliche dieser Funktionen und Ausstattungsmerkmale verfügen. Entscheidend für eine effiziente Schutzwirkung ist vielmehr die Passung, und zwar in zweifacher Hinsicht: Der Helm muss zur Gefährdung passen, aber auch zum Kopf seines Trägers. Die Helmgröße passend zu wählen und den Helm am Kopf mit Kinnriemen und Gurtzeug individuell einzustellen ist Voraussetzung für einen guten, das heißt sicheren Sitz.
Gerade bei Auszubildenden und Berufsneulingen sollte man Schutzhelme nicht einfach nur aushändigen und auf die Kennzeichnungen zum Tragegebot hinweisen. Arbeitsschützer und Vorgesetzte sind gut beraten, die Helmfunktionen und das (vermeintlich simple) Auswählen, Aufsetzen, Einstellen und Tragen zu erläutern und einüben zu lassen. Denn wenn nicht jedem klar ist, wie ein Helm sicher und bequem, also in optimaler Passform, zu sitzen hat, geht dies auf Dauer zulasten der Trageakzeptanz.
Praxistipp: Begegnen Sie konsequent der Unsitte, den Kinnriemen gelockert zu tragen oder ganz nicht zu verwenden. Denn wenn man stolpert oder stürzt, nutzt das hochwertigste Helmmodell nichts, wenn man es noch vor dem Aufprallen des Kopfes verliert.
Genau hinschauen bei Mehrfachschutz
Muss ein Schutzhelm in Kombination mit weiteren PSA-Komponenten getragen werden, sollte man die herstellerseitig angebotenen Optionen nutzen. Wer blindlings zu Helm, Schutzbrille und Kapselgehörschützer greift, wird schnell merken, dass diese PSA-Komponenten nicht automatisch zusammenpassen. Dabei geht es nicht nur um Fragen des Tragekomforts, sondern auch um Sicherheitsaspekte. Denn gleichzeitig getragene PSA darf sich in ihrer Schutzwirkung auf keinen Fall gegenseitig beeinträchtigen.
Die Gefährdungsbeurteilung muss in solchen Fällen stets auch die Kompatibilität sämtlicher PSA-Elemente miteinander und ihre möglichen Wechselwirkungen erfassen. Die DGUV Regeln der 112er-Reihe zum Benutzen von Augenschutz (112–192), Gehörschutz (112–194), Atemschutz (112–190) oder PSA gegen Absturz (112–198) bieten in solchen Fällen weitere Orientierung. So muss beispielsweise bei Kombination von Helm mit PSAgA der Helm zwingend über einen Kinnriemen verfügen.
Hier sind Helme unverzichtbar
Entgegen der landläufigen Auffassung gibt es im Arbeitsschutzrecht keineswegs eine generelle Helmpflicht für alle Baustellen. Maßgeblich ist stets die Gefährdungsbeurteilung vor Ort.
Das Sachgebiet Kopfschutz der DGUV nennt jedoch folgende Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, bei denen Industrieschutzhelme getragen werden müssen:
- Hoch- und Tiefbau‑, Abbruch- und Umbauarbeiten
- Montagearbeiten im Stahl‑, Holz- und Maschinenbau
- Arbeiten im Bereich von Aufzügen, Hebezeugen, Kranen, Fördermitteln, Rammen
- Arbeiten mit Bolzenschubwerkzeugen oder Eintreibgeräten
- Arbeiten über Kopf
- Sprengarbeiten
Ebenfalls genannt werden Arbeiten in ortsfesten Betrieben, wie zum Beispiel Fertigteilwerke, Steinbrüche, Hütten- und Walzwerke, Gießereien, chemische Industrie.
Hochleistungs-Industrieschutzhelme nach DIN EN 14052 kommen zum Einsatz, wenn die Verletzungsgefahr (Hirnverletzungen, Schädelbrüche, Nackenschäden) besonders hoch ist und Helme nach DIN EN 397 an ihre Grenzen stoßen. Die Anforderungen an Stoßdämpfung, Durchdringungsfestigkeit und seitlichen Schutz sind bei Hochleistungshelmen noch höher, was den Helm allerdings auch schwerer macht.
Was die Helmfarben bedeuten
Arbeitsschutzhelme fallen auf, weil sie bunte und kräftig leuchtende Farben aufweisen. Die Verwendung der einzelnen Farbtöne ist jedoch nicht vorgeschrieben, es gibt kein offizielles oder rechtlich bindendes Farbschema. Gebräuchlich sind die Helmfarben Gelb für Maurer, Grün für Zimmerleute, Blau für Schlosser und Sanitärbranche, Orange für Stahlbetonbauer und Eisenflechter sowie Weiß für Architekten, Bauleiter und Besucher. Manchmal sind Vorarbeiter schon von Weitem an einem roten Helm erkennbar, aber auch dies ist keineswegs vorgeschrieben.
Oft wird angeboten, Schutzhelme mit dem Firmenlogo bedrucken zu lassen. Das ist grundsätzlich möglich, ein Helm darf aber auf keinen Fall willkürlich bedruckt, lackiert oder beklebt werden. Solche „Verschönerungen“ sollten nur durch oder in enger Absprache mit dem Hersteller erfolgen.
Es muss sichergestellt sein, dass die aufgebrachten Farben, Klebstoffe von Etiketten usw. auf keinen Fall die Helmmaterialien angreifen. Aus dem gleichen Grund sollten auch das Reinigen und das Aufbewahren von Helmen geregelt sein. Denn aggressive Reinigungsmittel, Lösemitteldämpfe und auch der UV-Anteil des Sonnenlichts können die Kunststoffe angreifen.
Auch Helme verschleißen
Hilfreich bei der Gefährdungsbeurteilung von Tätigkeiten mit Risiken für Kopfverletzungen ist die DGUV Regel 112–193 „Benutzung von Kopfschutz“. Sie geht auf die Gefährdungen, die Auswahl von Kopfschutz, die Benutzung und Unterweisung ein und äußert sich auch zur Haltbarkeit von Helmen. Danach gelten als Faustregeln für die maximale Gebrauchsdauer:
- Vier Jahre für Industrieschutzhelme aus thermoplastischen Kunststoffen (ABS, HDPE, PC-GF, PE, PP, PP-GF)
- Acht Jahre für Industrieschutzhelme aus duroplastischen Kunststoffen (PF-SF, UP-GF)
- Nach starken Belastungen, bei Beschädigungen oder sichtbaren Mängeln sollte der Helm aussortiert und ersetzt werden. Unabhängig davon empfiehlt die DGUV den sogenannten Knacktest (siehe Kasten), um von außen nicht erkennbare Beschädigungen und Materialverschleiß aufzuspüren.
Wenn der Schutzhelm intelligent wird
Im 4.0‑Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung und Vernetzung wundert es wenig, dass auch Schutzhelme intelligent werden sollen, beispielsweise:
- Helme, welche die Umgebungsbedingungen erfassen und frühzeitig Gefahren erkennen
- Helme mit Bewegungssensoren, die bei einem Sturz automatisch eine Notfall-SMS senden
- Helme, welche die Vitalfunktionen wie Puls oder Atmung ihres Trägers überwachen
- Helme, die nach einem Unfall Rettungssanitäter und Notarzt per NFC über Blutgruppe, Allergien und Vorerkrankungen informieren
- Helme mit Frontkamera und integrierten Lautsprechern, die vor Ort gezielt Anweisungen geben, etwa bei Montage- und Instandhaltungsarbeiten
Welche dieser Funktionen sich durchsetzen werden, ist kaum abzuschätzen, aber die Entwicklung bleibt spannend.
Wann genügt eine Anstoßkappe?
Zum Kopfschutz gehören auch die sogenannten Industrie-Anstoßkappen. Um als vollwertige PSA zu gelten, muss es sich jedoch um Kappen gemäß DIN EN 812 mit einer festen Schale (meist aus Polyethylen) handeln. Eine textile Baseballkappe hat mit PSA nichts zu tun, auch wenn sie ganz ähnlich aussehen kann wie eine echte Anstoßkappe.
Eine Anstoßkappe bietet Schutz, wenn der Kopf durch Anstoßen an harte, feststehende oder hervorstehende Gegenstände verletzt werden kann. Genügt dieser Schutz, etwa für Arbeiten in einem Lager oder wenn es über Kopf beim Arbeiten sehr eng ist, kann das Tragen einer Anstoßkappe sinnvoll sein. Sie schützt aber nicht in gleicher Weise wie ein Industrieschutzhelm vor herabfallenden, pendelnden, umfallenden oder wegfliegenden Gegenständen.
Eine Anstoßkappe darf daher nicht allein aus Bequemlichkeit anstelle eines Schutzhelms getragen werden, wenn die Gefährdungsbeurteilung eine Helmpflicht ergeben hat.
Die wichtigsten Normen für Kopfschutz-PSA
- DIN EN 397 für Industrieschutzhelme
- DIN EN 443 für Feuerwehrhelme
- DIN EN 812 für Industrie-Anstoßkappen
- DIN EN 50365 für elektrisch isolierende Helme für Arbeiten an Niederspannungsanlagen
- DIN EN 12492 für Bergsteigerhelme / Kletterhelme
- DIN EN 14052 für Hochleistungs-Industrieschutzhelme
Helm-Check per Knacktest
Die Kunststoffe der Helmschale verspröden mit der Zeit. Ob ein Helm übermäßig gealtert ist, kann der sogenannte Knacktest zeigen. Dabei drückt man den Helm so mit den Händen, dass der Schirm sich leicht verbiegt. Gleichzeitig hält man den Helm ans Ohr. Ist dabei ein Knacken oder Knistern zu hören, sollte der Helm aussortiert werden.
Denn das Knacken weist darauf hin, dass das Material der Helmschale spröde geworden ist. Bei mit Glas- oder Textilfaser verstärkten Modellen ist der Knacktest jedoch nicht anwendbar, da die brechenden Fasern beim Biegen ähnliche Geräusche erzeugen.