Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ist im Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) geregelt. Versichert sind dort neben Arbeitsunfällen auch Berufskrankheiten. Das sind Krankheiten, die versicherte Personen durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden und die in der einschlägigen Rechtsverordnung, nämlich der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), aufgeführt sind.
Was sind Berufskrankheiten?
In der BKV sind solche Erkrankungen als Berufskrankheiten bezeichnet, die nach medizinischen Erkenntnissen durch besondere – gesundheitsschädliche – Einwirkungen verursacht werden und denen bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. Derzeit gibt es 82 anerkennungsfähige Berufskrankheiten. Diese sind nach der Art ihrer Entstehung in Gruppen eingeteilt. Unterschieden werden
- durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten: Hierunter fallen beispielsweise Erkrankungen durch Metalle wie Blei, Gase oder chemische Stoffe wie Pestizide
- durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten: Hierzu zählen unter anderem mechanische Einwirkungen wie langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten, Lärm oder Strahlen
- Infektionskrankheiten
- Erkrankungen der Atemwege, der Lunge oder des Rippenfells etwa durch Stäube wie Asbest oder Quarzstaub
- Hautkrankheiten: Hierunter fällt zum Beispiel Hautkrebs durch Ruß, Teer oder auch natürliche UV-Strahlung
- sonstige Ursachen. Hier ist zuletzt noch das Augenzittern der Bergleute genannt.
Psychische Erkrankungen zählen bislang nicht zu den Berufskrankheiten. Allerdings hat das Bundessozialgericht kürzlich in einer wegweisenden Entscheidung erstmals eine psychische Erkrankung bei einem Rettungssanitäter als sogenannte Wie-Berufskrankheit anerkannt.
„Wie-Berufskrankheit“
Eine Erkrankung kann in Einzelfällen als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden, wenn eine versicherte Person sie durch ihre berufliche Tätigkeit erlitten hat, diese aber nicht zu den in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgezählten Berufskrankheiten gehört. Zudem müssen neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen, die belegen, dass die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. Der Zusammenhang einer Erkrankung mit einer beruflichen Tätigkeit allein reicht nicht aus, um eine Krankheit als Berufskrankheit anerkennen zu können.
Verdacht auf Berufskrankheit melden
Sowohl für Ärzte als auch für Arbeitgeber besteht eine gesetzliche Verpflichtung, den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse zu melden. Hierfür gibt es standardisierte Formulare. Auch Krankenkassen sind gehalten, entsprechende Hinweise an die Unfallversicherung weiterzugeben. Selbstverständlich können sich auch die Betroffenen selbst oder ihre Hinterbliebenen an den zuständigen Träger wenden.
Zur Mitwirkung verpflichtet
Geht beim Unfallversicherungsträger eine Verdachtsanzeige ein, ermittelt dieser den Sachverhalt von Amts wegen und prüft, ob tatsächlich eine Berufskrankheit im Sinne des Gesetzes vorliegt. Der Betroffene muss jedoch mitwirken. Die Schwierigkeit besteht oftmals darin, den Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung nachzuweisen. Denn bei einer Berufskrankheit vollzieht sich die schädigende Einwirkung in der Regel nicht plötzlich, sondern über Jahre hinweg.
Im Unterschied zum Arbeitsunfall besteht daher auch keine zeitliche Beschränkung der Einwirkungen auf eine Arbeitsschicht. Bei asbestbedingten Erkrankungen etwa liegen zwischen der gesundheitsschädlichen Exposition und dem Ausbruch der Krankheit meist Jahrzehnte. Nach so einer langen Latenzzeit ist es oftmals schwierig, die damaligen Verhältnisse noch aufzuklären, weil der Arbeitsplatz oder gar der ganze Betrieb womöglich nicht mehr vorhanden sind.
Vom Unfallversicherungsträger ermittelt werden zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen, zum anderen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen geht es um die Belastungen und Einwirkungen, denen die betroffene Person während ihres Arbeitslebens ausgesetzt war – also Beschäftigungszeiten, aber auch verrichtete Tätigkeiten mit Häufigkeit und Dauer von Arbeitsvorgängen und dabei aufgetretene gefährdende Einwirkungen.
Hierzu werden Fragebögen an die Versicherten sowie an die Betriebe, bei denen sie beschäftigt waren, versandt. Zusätzlich können persönliche Befragungen sowie Untersuchungen am (ehemaligen) Arbeitsplatz stattfinden. Auch frühere Unterlagen, beispielsweise über Schadstoffe oder Luftmessungen am Arbeitsplatz, können herangezogen werden.
Gab es Vorerkrankungen?
Bei den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen wird nicht nur ermittelt, ob das für die fragliche Berufskrankheit typische Krankheitsbild vorliegt, sondern auch, ob bestimmte Vorerkrankungen der Versicherten bei der Bewertung des Ursachenzusammenhangs berücksichtigt werden müssen. In der Regel wird auch ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
Sind sowohl die arbeitsmedizinischen als auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt und liegt ein Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit am Arbeitsplatz, den Einwirkungen und der Krankheit vor, wird die Berufskrankheit förmlich anerkannt.
Nach der Anerkennung
Anerkannte Berufskrankheiten sind Versicherungsfälle im Sinne des SGB VII. Sie werden also grundsätzlich genauso entschädigt wie Arbeitsunfälle. Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen haben dann die Aufgabe, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen.
Hierfür müssen sie alle Maßnahmen treffen, durch die eine möglichst frühzeitig einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung gewährleistet wird. Dazu gehört erforderlichenfalls auch eine besondere Berufskrankheiten-Behandlung. Ein Durchgangsarztverfahren wie bei Arbeitsunfällen gibt es bei Berufskrankheiten übrigens nicht. Die Betroffenen haben freie Arztwahl.
Vielfältige Leistungen
Bei einer anerkannten Berufskrankheit stehen den Betroffenen vielfältige Leistungen zu, zum Beispiel Heilbehandlung, Verletztengeld oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ebenso wird den Versicherten eine Verletztenrente gewährt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen – insbesondere eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent.
Eine Besonderheit gibt es bei den Berufserkrankten, sie können auch sogenannte Übergangsleistungen erhalten: Gibt eine versicherte Person eine gefährdende berufliche Tätigkeit auf, weil anderenfalls die Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit besteht, so gleichen die Unfallversicherungsträger eine hierdurch verursachte Verdiensteinbuße oder andere wirtschaftliche Nachteile aus. Dieser Ausgleich kann in Form einer einmaligen Zahlung bis zur Höhe der Jahresvollrente erfolgen oder als monatliche Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente für maximal fünf Jahre.
Verdacht auf beruflich bedingte Hauterkrankungen
Was sollten Sicherheitsbeauftragte tun, wenn sie vermuten, dass ein Kollege oder eine Kollegin an einer beruflich bedingten Hauterkrankung leiden könnte? Konkrete Hilfestellung in diesem Fall bietet die neue DGUV Information 250–005 „Verfahrensablauf bei Verdacht auf beruflich bedingte Hauterkrankungen“.
Der Anteil an Hauterkrankungen bei den gemeldeten Erkrankungen wie auch bei den anerkannten Berufskrankheiten ist hoch. Die Information bringt Transparenz in dieses wichtige Themenfeld und zeigt dazu auf, welche Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten die verschiedenen Akteurinnen und Akteure – betroffene Person, Unternehmen, Betriebsarzt oder Betriebsärztin, Sicherheitsbeauftragte, Arbeitnehmervertretung, Hautarzt oder Hautärztin – in diesem Zusammenhang haben. Auf diese Weise soll eine Sensibilisierung der Beteiligten erreicht und der Umgang mit berufsbedingten Hauterkrankungen erleichtert werden. Ziel ist, die Gesundheit der Betroffenen zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen und ihren Verbleib im Beruf zu ermöglichen. Die neue Information steht in der Publikationsdatenbank zum Download zur Verfügung oder kann dort als gedruckte Version bestellt werden.