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Sichern, schützen, unterstützen

Vielschichtige Anforderungen an den Arbeitsschutz beim regionalen Entsorger
Sichern, schützen, unterstützen

Im Arbeitss­chutz gilt: Augen, Ohren und Ver­stand müssen über­all sein. Die Begleitung ein­er Fachkraft für Arbeitssicher­heit bei einem regionalen Entsorg­er zeigt die Vielschichtigkeit der Anforderungen.

Bar­bara Ochs

Gegen den Geruch lässt sich nichts machen. So riecht es eben in einem Betrieb, in dem sich über das Jahr gerech­net 120.000 Ton­nen Haus‑, Sperr- und Gewerbe­müll zu hal­len­ho­hen Bergen tür­men, die mit Schaufel- und Sortierbag­gern hin und her geschoben und schließlich für die Sortier­maschi­nen zu kleinen Schnipseln zer­schred­dert werden.
Der Geruch von Mod­er, Gam­mel und Schlacke, der aus den Din­gen dringt, die rund 400.000 Ein­wohn­er des Rhein-Kreis­es Neuss wegge­wor­fen haben und die nun in der Rotte den Bak­te­rien anheim fall­en, ist nicht das Problem.
Das Prob­lem heißt: Staub! Es ist der Staub, der anfällt, wenn all dieser Müll, sorgsam sortiert nach Mate­r­i­al und Nutzen für die Weit­er­ver­w­er­tung als Brennstoff, zerklein­ert und schließlich zu Zen­time­ter großen Pel­lets gepresst wird.
Dieser Staub birgt Gefahren für die dort arbei­t­en­den Mitar­beit­er und die tech­nis­chen Bauteile der Anlage.
Was tun?
Für Rain­er Schef­fel, Betrieb­sleit­er der Wert­stoff­sorti­er- und Auf­bere­itungsan­lage (WSAA) der Entsorgungs­ge­sellschaft Nieder­rhein (EGN) in Neuss, ist es daher ein großer Gewinn, dass er einen Weg gefun­den hat, den Staub um bis zu 90 Prozent zu min­imieren. „Seit August 2009 wird nachgerüstet!“ Stolz hält Klaus Ger­hards, Mitar­beit­er der Krefelder Fir­ma Olberts, die Lösung für viele Staubprob­leme hoch: Ein pneu­ma­tis­ch­er Abstreifer aus gelbem, harten Gum­mi, der den kle­bri­gen Staub vom Förder­band pellt und so ver­hin­dert, dass er an der Unter­seite des Förder­bands weit­er­reisen kann, um dann irgend­wo und irgend­wann abgeschüt­telt zu wer­den. Der Abstreifer sorgt dafür, dass der Staub gezielt gesam­melt wird und möglichst nicht durch die Luft fliegt und von den 41 Mitar­beit­ern der Anlage ein-geat­met wird.
Arbeitss­chutz leben
Doch das ist nicht die einzige Gefahr, die in ein­er solchen Anlage mit Maschi­nen, Förder­bän­dern und Motoren lauert. Diese Gefahren zu ent­deck­en ist der Job von der extern angestell­ten Fachkraft für Arbeitssicher­heit Frank Bier­wirth. Seine Augen und Ohren sind geschult auf lose Klap­pen und Kabel, scharfe Kan­ten, Stolper­fall­en, gefährliche Eck­en, an denen jemand hän­gen bleiben kön­nte. Als Mitar­beit­er der Fir­ma HDS Arbeitss­chutz aus Neuss ist er regelmäßig in den Sorti­er- und Auf­bere­itungsan­la­gen der EGN zu Gast. Er berät, gibt Hin­weise zum The­ma Arbeitss­chutz und unter­stützt bei der Lösungs­find­ung. „Das The­ma Arbeitssicher­heit ist ein riesiges kom­plex­es Sys­tem, das gelebt wer­den muss“, bringt es Rain­er Schef­fel auf den Punkt. Der HDS Arbeitss­chutz berät und unter­stützt die EGN bere­its im fün­ften Jahr bei der Umset­zung der zahlre­ichen Arbeitss­chutzan­forderun­gen, die an ein Entsorgung­sun­ternehmen dieser Art gestellt wer­den. Trotz aller Regle­ments: Prax­is­nähe und Prak­tik­a­bil­ität ste­hen im Vorder­grund und passen sich in das hohe Sicher­heits­denken der EGN-Ver­ant­wort-lichen ein.
Aus der Praxis
Ein ein­samer Schuh reist auf dem Förder­band nach oben. Glitzern­des Mag­net­band zieht sich schein­bar end­los aus Videokas­set­ten her­aus. Stücke von Span­plat­ten, zer­ris­sene blaue und graue Tüten, Plas­tik­teile und ein zer­schlis­senes Stück Stoff treten gemein­sam ihre Reise an in den Schlund der Sortier­an­lage. Mit bis zu 20 Ton­nen Zugkraft arbeit­en die Förder­bän­der. Wer hier mit einem Zipfel seines Ärmel an der falschen Stellen hän­gen bleibt, braucht einen Schutzen­gel. Deswe­gen gibt es, neben den ganzen tech­nis­chen Schutz­maß­nah­men, zwis­chen all den Förder­bän­dern, Trep­pen, Sieb­trom­meln, Schächt­en, Trichtern und Zerkleiner­ern zusät­zliche Schilder, die mit­tels ein­fachen und ver­ständlichen Pik­togram­men auf mögliche Gefahren aufmerk­sam machen.
Frank Bier­wirth geht jede Ecke der Anlage ab, dumpf poltern die schw­eren Sicher­heitss­chuhe auf den gerippten Blech­stufen. Gespräche sind in diesem Raum kaum möglich – er darf nur mit Gehörschutz betreten wer­den. Auch eine Sache des Arbeitss­chutzes. Beim heuti­gen Rundgang sind Frank Bier­wirth nur Kleinigkeit­en aufge­fall­en. Die Anlage gilt als vor­bildlich bei den Prüf­be­hör­den und erfüllt mehr Anforderun­gen an den Arbeitss­chutz als sie von „Geset­zes wegen“ müsste.
Im logis­tis­chen Herzstück des Entsorgung­sun­ternehmens EGN, dem Fuhrpark, wurde im Zuge des Arbeitss­chutzes sog­ar ein spezieller Abset­zkip­per angeschafft, der es auch Mitar­beit­ern mit kör­per­lich­er Beein­träch­ti­gung erlaubt, die ton­nen­schw­eren Con­tain­er aufzunehmen und abzuset­zen, ohne auf der Lade­fläche herumk­let­tern und schwere Ket­ten heben zu müssen. Gle­ichzeit­ig wer­den die stren­gen Vor­gaben zur Ladungssicherung in vollem Umfang erfüllt. Dank spezieller Anhebetech­nik reicht ein Knopf­druck auf der Fernbe­di­enung, damit der Con­tain­er sich mit Hydraulik­sur­ren senkt, hebt oder kippt. „Bei den älteren Mod­ellen ist es dage­gen ver­boten, dass jemand bei solchen Manövern in der Fahrerk­abine sitzen bleibt, weil das Fahrzeug nach hin­ten umkip­pen kön­nte“, malt Frank Bier­wirth ein Worst-Case-Szenario, das manche Fir­men bere­its erleben mussten.
Kraftwerks­baustelle
Wie vielschichtig der Arbeitss­chutz für ein Unternehmen wie EGN sein kann, zeigt auch das Ein­satzge­bi­et der EGN-Fahrer auf dem Gelände der größten Kraftwerks­baustelle Europas, dem BoA 2 & 3 in Neu­rath. Die umfan­gre­ichen Sicher­heits­bes­tim­mungen der RWE sind für alle dort Täti­gen verpflich­t­end. Auf das Gelände kommt nur, wer zuvor einen Lehrfilm rund um den Arbeitss­chutz anschaut und anschließend alle Fra­gen kor­rekt beant­wortet. Besuch­er tra­gen weiße West­en und weiße Helme mit der Auf­schrift „Vis­i­tor“. Wed­er der Arbeitss­chutz­fach­mann Frank Bier­wirth noch Thorsten Mikosch, der als Kun­den­be­treuer der EGN die Abfall­samm­lung auf dem Baustel­len­gelände leit­et, sind da eine Ausnahme.
Bis zur Fer­tig­stel­lung der Kraftwerks­blöcke in 2011 wer­den bis zu 4000 Men­schen auf der Baustelle gear­beit­et haben – da sind Regeln zur Sicher­heit unab­d­ing­bar. Klar wird das jedem Arbeit­er, wenn er aus der Pause zurück an den Arbeit­splatz geht. Dann muss er vor­bei an einem mannshohen Stahlspiegel, auf dem geschrieben ste­ht: „Für Arbeitssicher­heit bist DU ver­ant­wortlich!“. Für die Sicher­heit gibt es zum einen offizielle Arbeit­san­weisun­gen, wie etwa die Reduzierung auf Tem­po 20 für das geschäftige Treiben auf den Zufahrten, die gegen die 170 Meter hohen Betonzylin­der der Kühltürme wie Ameisen­straßen wirken. Tem­porär gel­tende Baustel­len­mit­teilun­gen informieren alle Arbeit­er zum anderen darüber, wann wo beson­dere Gefahren dro­hen oder Bere­iche ges­per­rt sind, etwa wegen schweben­der Las­ten oder Kranarbeiten.
Für den Absatzkip­per­fahrer der EGN, der unun­ter­brochen damit beschäftigt ist, die Baustel­len­abfälle wegz­u­fahren, heißt Arbeitss­chutz aber auch: Vor dem Abtrans­port geht es mit dem Kip­per auf die Waage, um sich gegen Über­ladung zu schützen. Immer­hin 500 bis 600 t Abfall pro­duzieren die derzeit etwa 2800 Arbeit­er im Monat, weiß Thorsten Mikosch, der RWE und die Sub­un­ternehmer auf der Baustelle betreut.
Grüne Hügel
Ein Kon­trast­pro­gramm zur Mond­land­schaft auf der Kraftwerks­baustelle und dem Gewusel der Arbeit­er ist auf Bier­wirths Tour der Besuch auf den grü­nen Hügeln der EGN-Deponie. „Ver­graben und vergessen“ war gestern. Seit 2005 wird hier kein Haus­müll mehr unter die Erde gebracht, son­dern nur noch Erde auf den Haus­müll. Wenn sich der vor Jahrzehn­ten ver­grabene Müll mal an ein­er Stelle absenkt, wird mit Böden, Erden und min­er­alis­chen Rest­stof­fen aufge­füllt, sagt Deponiewart Har­ry Schütz. Mit seinem Bul­ly zuck­elt er über die grü­nen Wiesen, auf deren rena­turi­ertem Boden sich aller­lei Tiere tum­meln. Enten und Gänse, Kan­inchen und Schafe, Hasen, Fuchs und Habicht führen hier ein ruhiges Leben. Doch die Idylle täuscht, denn unter der leuch­t­end grü­nen Blu­men­wiese lauert das Methangas, pro­duziert durch das ver­rot­tende Mate­r­i­al. Damit wed­er Sauer­stoff noch Wass­er mit den Hin­ter­lassen­schaften der Zivil­i­sa­tion in Kon­takt kom­men, ist der Müll­berg rund­herum mit Folie und Ton­schicht­en abgedichtet. Gaswarngeräte überwachen dabei per­ma­nent die Konzen­tra­tion des Methans. Sick­er­wass­er sam­melt sich in einem Drainage-Ring rund um die Deponie und wird für die Auf­bere­itung abgepumpt. Die Wartung dieser Pumpen allerd­ings birgt die Gefahr, denn dafür müssen die Arbeit­er in 20 bis 25 Meter tiefe Schrägschächte bis unter die Deponie her­ab­steigen. In diesen Schächt­en kann sich das explo­sive Methangas sammeln.
Der Sicher­heits­stan­dard für diese Arbeit­en ist entsprechend hoch: Die Arbeit­er gehen immer zu dritt hin­unter, haben Funk und Gaswarngerät dabei und wer­den begleit­et von einem Wagen mit Atem­schutzgerät als Notret­ter, denn das geruchlose Gas kann zu Ohn­macht führen. Diese Stan­dards regelmäßig zu über­prüfen, auch das gehört zu den Auf­gaben von Frank Bierwirth.
Im hau­seige­nen Labor wird das abgepumpte Sick­er­wass­er der Deponie unter­sucht und gere­inigt. In dem peni­bel sauberen Raum hän­gen ster­ile Seife, Hand­lo­tion und Ver­band­skästen – auch das ist Arbeitsschutz.

Infokasten Arbeitsschutz
Der preußis­che König Friedrich Wil­helm III war der erste Regent, der Bes­tim­mungen zum Schutz der Arbeit­er erließ. Durch die Arbeit von Kindes­beinen an waren die Rekruten für sein Herr in einem schlecht­en gesund­heitlichen Zus­tand, weshalb er die Arbeit­ge­ber ab 1839 verpflichtete, Maß­nah­men zum Schutz ihrer Arbeit­er zu ergreifen.
Zum Ende des 19. Jahrhun­derts hin wur­den Schritt für Schritt auch die Angestell­ten und Beamten durch geset­zliche Regelun­gen vor arbeits­be­d­ingten Gefahren geschützt. Aus dem „Arbeit­er­schutz“ wurde der „Arbeitss­chutz“. 1974 trat das Gesetz über Betrieb­särzte, Sicher­heitsin­ge­nieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicher­heit (Arbeitssicher­heits­ge­setz) in Kraft. Der all­ge­meine Arbeitss­chutz soll Leben und Gesund­heit der Arbeit­nehmer schützen. Aus wirtschaftlich­er Sicht ist er allerd­ings mehr als nur ein Instru­ment zur Ver­mei­dung von Arbeit­sun­fällen und Beruf­skrankheit­en. Durch seine Effek­te ins­beson­dere auf die per­son­ellen und imma­teriellen Poten­ziale hil­ft unter anderem durch erhöhte Zufrieden­heit, Verbesserung des Betrieb­skli­mas und der Koop­er­a­tions­bere­itschaft den betrieblichen Erfolg zu sichern.
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