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Die vermeidbare Katastrophe

Vision Zero umsetzen
Die vermeidbare Katastrophe

Mitte Jan­u­ar ken­terte die Cos­ta Con­cor­dia und riss 30 Men­schen in den Tod. Das tragis­che Unglück zeigt, welche Ver­ant­wor­tung Führungskräfte im Hin­blick auf Sicher­heit und Gesund­heit tra­gen. Es unter­stre­icht auch, dass die Ausweitung der Vision Zero auf den Verkehrsträger Schiff notwendig ist.

Men­schlich­es Fehlver­hal­ten und Organ­i­sa­tion­s­män­gel waren die Ursachen für die Havarie der Cos­ta Con­cor­dia vor der ital­ienis­chen Küste Giglio: Zum einen führte der von dem Kreuz­fahrtschiff anges­teuerte Kurs viel zu nah ans Küstenge­bi­et, zum anderen wur­den die notwendi­gen Evakuierungs­maß­nah­men zu spät und zu unko­or­diniert eingeleitet.
Anfang März begann im toskanis­chen Gros­se­to das Beweis­sicherungsver­fahren. Gegen den Kapitän Francesco Schet­ti­no wird unter anderem wegen mehrfach­er fahrläs­siger Tötung, Havarie und Ver­lassen des Schiffes während der Evakuierung ermit­telt. Auch gegen acht weit­ere Per­so­n­en – darunter Offiziere der Cos­ta Con­cor­dia sowie Mitar­beit­er und Man­ag­er der Cos­ta-Reed­erei – laufen Ermit­tlun­gen. Das Augen­merk der Öffentlichkeit darf sich nun nicht nur auf die schw­eren Anschuldigun­gen gegen Kapitän Schet­ti­no richt­en. Wichtig ist die Beant­wor­tung der Frage, welche Lehren aus dem Unglück zu ziehen sind.
Cos­ta Con­cor­dia ist überall
Da ist zunächst die Ein­sicht, dass die Cos­ta Con­cor­dia über­all ist. Der Ozean­riese war natür­lich in erster Lin­ie ein schwim­mendes Urlaub­s­dom­izil für die rund 3.700 Pas­sagiere an Bord. Das Schiff war aber auch ein Arbeit­splatz für die aus etwa 1.100 Per­so­n­en beste­hende Besatzung. Im Prinzip funk­tion­ierte die Cos­ta Con­cor­dia wie ein Unternehmen – mit inter­na­tion­al beset­zten Arbeit­steams, Fremd­firmenein­satz und Pub­likumsverkehr. Zum Glück sind in Deutsch­land so zen­trale The­men wie Sicher­heit, Gesund­heit, aber auch Haf­tung und Ver­ant­wor­tung ein­deutig geregelt. Der Unternehmer ist für die Arbeitssicher­heit und den Gesund­heitss­chutz der Beschäftigten ver­ant­wortlich. Er muss auch seine Führungskräfte über deren Ver­ant­wor­tung aus­re­ichend und regelmäßig informieren. Diese wiederum haben ihre Bere­iche so zu organ­isieren, dass gesun­des und sicheres Arbeit­en möglich ist. Ein wesentlich­er Teil der Organ­i­sa­tions- und Auf­sichtsver­ant­wor­tung ist die Auswahlver­ant­wor­tung des Unternehmers: Er hat geeignetes Per­son­al zu rekru­tieren, das diesen anspruchsvollen Auf­gaben fach­lich und men­schlich gewach­sen ist. Bei vie­len dieser Auf­gaben kann der Unternehmer auf sicher­heit­stech­nis­che Experten zurück­greifen: Sie kön­nen ihn als Man­ag­er für Sicher­heit und Gesund­heit kom­pe­tent berat­en und unterstützen.
Sicher­heit­sregeln kön­nen Leben retten
Die Ereignisse auf der Cos­ta Con­cor­dia führen uns außer­dem deut­lich vor Augen, wie wichtig die Ein­hal­tung von Sicher­heit­sregeln ist: Sie fassen Erfahrun­gen zusam­men, die andere Men­schen in ver­gle­ich­baren Sit­u­a­tio­nen bere­its gemacht haben. Ihre Anwen­dung ist also Aus­druck ein­er anerkan­nten und ein­deutig ver­ankerten Ver­ant­wor­tung. Ger­ade in kri­tis­chen Sit­u­a­tio­nen wie bei der Evakuierung ein­er großen Anzahl von Men­schen geben diese Regeln wichtige Ver­hal­tensleit­planken vor und kön­nen Leben ret­ten. Das gilt am Arbeit­splatz eben­so wie auf dem Kreuzfahrtschiff.
Vision Zero auf den Verkehrsträger Schiff ausweiten
Das Unglück auf der Cos­ta Con­cor­dia unter­stre­icht darüber hin­aus, wie notwendig eine umfassende Sicher­heit­sphiloso­phie wie die Vision Zero ist. Diese rückt den Human Fac­tor, also den Risiko­fak­tor Men­sch im tech­nis­chen Umfeld, in den Mit­telpunkt der Präven­tion­sar­beit. Die Vision Zero geht davon aus, dass alle Men­schen Fehler machen kön­nen; das Ziel muss daher sein, Mobil­ität so zu gestal­ten, dass trotz­dem möglichst keine Ver­let­zten oder sog­ar Tote zu bekla­gen sind.
Bis­lang ist die Vision Zero in Deutsch­land vor allem im Zusam­men­hang mit der Sicher­heit im Straßen­verkehr betra­chtet wor­den. Eine Ausweitung auf den Verkehrsträger Schiff ist aber ange­bracht: Experten gehen davon aus, dass zwis­chen 70 und 90 Prozent aller Schiff­sunglücke auf den Human Fac­tor zurück­zuführen sind.1 Als Ursachen wer­den unter anderem Über­mü­dung, ein unzure­ichen­des Sicher­heits­man­age­ment, der steigende Zeit- und Wet­tbe­werb­s­druck sowie zu wenig und unzure­ichend geschultes Per­son­al genan­nt. In diesem Zusam­men­hang sollte auch sys­tem­a­tisch unter­sucht wer­den, ob durch den ver­stärk­ten Ein­satz mod­ern­er Tech­nik in der Schiff­fahrt eine sig­nifikante Reduzierung der Anzahl der Besatzungsmit­glieder fest­stell­bar ist. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass eine immer klein­er wer­dende Mannschaft auf immer größer wer­den­den Schif­f­en immer kom­plexere Auf­gaben zu erfüllen hat. Darin beste­hen große Sicher­heit­srisiken für Men­sch und Umwelt.
Der Unter­gang der Cos­ta Con­cor­dia war kein unver­mei­d­bares Schick­sal, son­dern eine Abfolge von sicher­heit­srel­e­van­ten Defiziten. Ursachen und Ver­lauf des Schiff­sunglücks müssen nun genau unter­sucht wer­den, damit Rückschlüsse auf die Präven­tion­sar­beit gezo­gen wer­den kön­nen. Wir müssen mehr über die Rolle des men­schlichen Fak­tors ken­nen, um gegebe­nen­falls die Organ­i­sa­tion­sstruk­tur und Sicher­heit­skul­tur an Bord verbessern zu können.
Lit­er­atur:
  • 1. Allianz Glob­al Cor­po­rate & Spe­cial­i­ty (Hrsg.): Safe­ty and Ship­ping 1912 – 2012. From Titan­ic to Cos­ta Con­cor­dia. An insurer´s per­spec­tive from Allianz Glob­al Cor­po­rate & Spe­cial­ty. München, Lon­don 2012.
  • 2. Info – Nachricht­en für See- und Hafen­lot­sen. Her­aus­gegeben vom Bun­desver­band der See- und Hafen­lot­sen. Nr. 40 vom Mai 2002.
  • 3. Schröder, Jens-Uwe: Daten­er­fas­sung bei Unfal­lur­sachen und begün­sti­gen­den Fak­toren für Unfälle in der Seeschiff­fahrt. Erschienen als Son­der­schrift S 81 in der Schriften­rei­he der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin. Dort­mund, Berlin, Dres­den 2004.
Autor
Prof. Dr. Rain­er von Kiparski
Vor­standsvor­sitzen­der des Ver­ban­des Deutsch­er Sicher­heitsin­ge­nieure (VDSI). Rain­er von Kipars­ki nimmt im Rah­men ein­er Hon­o­rarpro­fes­sur Lehrauf­gaben am Insti­tut für Arbeitswis­senschaft und Betrieb­sorgan­i­sa­tion des Karl­sruher Insti­tuts für Tech­nolo­gie (KIT) wahr.
1 Vgl. hierzu Info – Nachricht­en für See- und Hafen­lot­sen, S. 4. Diese Zahlen wer­den durch eine kür­zlich pub­lizierte Studie der Allianz Glob­al Cor­po­rate & Spe­cial­i­ty (AGCS) erhärtet. Darin wer­den die neuen Risiken der Seeschiff­fahrt – also zum Beispiel der Trend zu immer größeren Schif­f­en, der steigende Zeit- und Kos­ten­druck sowie die Rekru­tierung von wenig aus­ge­bilde­tem Per­son­al aus Schwellen­län­dern – beleuchtet. Die Experten des Ver­sicherungskonz­erns kom­men zu dem Schluss, dass 75 Prozent aller Unfälle im Seev­erkehr auf den Human Fac­tor zurück­zuführen sind. Zu der grund­sät­zlichen Prob­lematik der Unfal­lur­sachen­analyse in der Seeschiff­fahrt unter beson­der­er Berück­sich­ti­gung des Human Fac­tors vgl. auch die Dis­ser­ta­tion von Jens-Uwe Schröder aus dem Jahr 2004, Anm. d. Verf.
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