Die BG RCI erweitert zur A+A ihr Online-Angebot im Gefahrstoffinformationssystem GisChem. Nach dem GHS-Konverter wird nun mit dem Gemischrechner ein Softwaretool veröffentlicht, mit dem Unternehmen und Sicherheitsfachkräfte Gemische mit den neuen Regeln der CLP-Verordnung einstufen können. Als Ausgabedokumente werden verschiedene Etikettenformate und ein Auszug mit allen einstufungsrelevanten Passagen des Sicherheitsdatenblattes angeboten. Zu finden ist dieses kostenfrei nutzbare Angebot unter www.gischem.de oder direkt mit dem Kurzlink www.gemischrechner.de.
Dr. Thomas Martin
An die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffgemischen nach der Zubereitungsrichtline haben sich viele Verantwortliche sowohl in der Produkt- als auch der Arbeitssicherheit gewöhnt. Manche Formeln zur Berechnung sehen zwar in der Verordnung kompliziert aus, aber bei der Anwendung haben die geforderten Summenbildungen ihren Schrecken verloren – zumindest, wenn man sich regelmäßiger mit diesem Thema auseinandersetzen musste. Betroffen von dieser Thematik sind nicht nur Mitarbeiter der Produktsicherheit – die korrekte Einstufung ist auch für die Bewertung der Gefahren im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung unabdingbar. Zum einen stellen viele Betriebe für ihre Zwecke Anwendungslösungen oder andere Gemische von Chemikalien her (z.B. verdünnte Säuren und Laugen oder Maßlösungen). Zum anderen stellen sich gerade auch Sicherheitsfachkräfte bei der Gefährdungsbeurteilung die Frage, ob die Angaben eines Sicherheitsdatenblattes hinsichtlich der Einstufung korrekt sind – gerade dann, wenn z.B. bei den Inhaltsstoffen giftige Stoffe angegeben sind, die Zubereitung insgesamt aber nur als „Reizend“ gekennzeichnet war.
Wird es einfacher?
Was schon im alten Einstufungssystem der EU nicht immer einfach war und auch in der Vergangenheit zu entsprechenden Anfragen bei uns als Berufsgenossenschaft geführt hat, wird leider auch in der Zukunft nicht einfacher: das globale harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS-System), das bei uns mit der CLP-Verordnung eingeführt wurde, ist bei vielen Details noch komplexer geworden. Somit stehen viele kleine und mittlere Unternehmen und auch viele Sicherheitsfachkräfte vor der Herausforderung, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen.
Der GHS-Konverter im Gefahrstoffinformationssystem GisChem, der im Oktober 2008 veröffentlicht wurde, kann hier nur bedingt helfen: Zwar darf man ihn während der Übergangszeit bis zum 01.06.2015 auch für die Einstufung von Gemischen heranziehen. Das Ergebnis des Konverters kann jedoch die neuen Regeln von GHS noch nicht berücksichtigen – hier wird lediglich die Umwandlungstabelle (Anhang VII CLP-Verordnung) angewendet. Aus diesem Grund hat die BG RCI nun ihr Angebot entsprechend erweitert und bietet mit dem Gemischrechner die Möglichkeit, ganz gezielt die Einstufung und Kennzeichnungen von Gemischen mit allen Berechnungsverfahren der CLP-Verordnung zu ermitteln.
Bedienung des Gemischrechners
Um das Angebot nutzen zu können, ist zunächst eine kostenlose Registrierung notwendig. Anwender, die bereits das Software-Tool GisChem-Interaktiv für die Erstellung von Betriebsanweisungen benutzen, können direkt mit ihren Zugangsdaten einsteigen. Alle Eingaben werden SSL-verschlüsselt übertragen und auf dem BG-Server in den persönlichen Bereichen der Nutzer gespeichert.
Im ersten Schritt müssen die Stoffe einmalig angelegt werden, die in den verschiedenen Gemischen benutzt werden sollen. Neben der Einstufung werden hierbei auch ggf. Toxizitätswerte wie der LD50-Wert abgefragt, sofern der Stoff in die Gefahrenklasse „Akute Toxizität“ oder „Gewässergefährdend“ eingestuft ist. Auch spezifische Konzentrationsgrenzwerte (SCLs), die ein Hersteller nach Artikel 10 der CLP-Verordnung festlegt, können hier eingegeben werden. In der Datenbank sind für alle Stoffe, die in der Stoffliste der CLP-Verordnung (Anhang VI) aufgeführt sind, die dort angegebene Einstufung sowie die durch die EU festgelegten SCLs hinterlegt. Trotzdem muss der Nutzer auch diese Einstufungen überprüfen und ggf. ändern: Zum einen muss manche Mindesteinstufung der EU durch Hersteller aufgrund vorliegender Daten geändert werden, zum anderen können zusätzliche Einstufungen hinzukommen, die aus dem alten System nicht bekannt waren und damit nicht in der Stoffliste auftauchen (z.B. in die Gefahrenklasse „Korrosiv gegenüber Metallen“ wie z.B. bei Salzsäure).
Im zweiten Schritt kann man dann die vorhandenen Stoffe in beliebigen Konzentrationen mischen – wobei keine chemische Reaktion stattfinden darf (in diesen Fällen müssen die Reaktionsprodukte direkt ausgewählt werden). Im Bereich der physikalischen Gefahren kann der Gemischrechner nur Hinweise auf mögliche und zu prüfenden Gefahrenklassen geben. Bei einer entzündbaren Flüssigkeit zum Beispiel kann der Flamm- und ggf. Siedepunkt nicht automatisch bestimmt werden. In diesem Fall muss der Nutzer die Ergebnisse der Prüfung direkt eingeben. Als Hinweise werden die entsprechenden Passagen der CLP-Verordnung und eine eventuell vorhandene Einstufung nach Gefahrgutrecht in Hilfefenstern angezeigt.
Für die Gesundheits- und Umweltgefahren gibt es unterschiedliche Rechenverfahren, die im Hintergrund vom Programm angewendet werden. Aber auch hier gibt es Fälle, in denen der Anwender Hinweise beachten oder Entscheidungen treffen muss. So gibt es zum Beispiel in der Gefahrenklasse „Ätzwirkung auf die Haut“ ein Additivitäts- und ein Nichtadditivitätsverfahren. Letzteres soll in der Regel bei Säuren, Laugen, anorganischen Salzen, Aldehyden, Phenolen und Tensiden angewendet werden. Hier muss der Nutzer selbst entscheiden, welches Verfahren für welchen Bestandteil angewendet werden soll. Auch hierzu erhält er in Hilfetexten nähere Informationen.
Ausgabemöglichkeiten
Der Gemischrechner bestimmt zunächst die Einstufung. Daraus kann die Kennzeichnung abgeleitet und direkt als Etikett gedruckt werden: entweder mit allen Pflichtinformationen nach CLP-Verordnung oder für innerbetriebliche Zwecke. Hierzu werden Etiketten in mehreren Größen, mit oder ohne P‑Sätze sowie im neuen Laborsystem der DGUV1 angeboten.
Als weiteres Dokument steht ein „Auszug für das Sicherheitsdatenblatt“ zur Verfügung. Dort werden alle für die Gemischeinstufung notwendigen Informationen in den entsprechenden Kapiteln dargestellt. Hierzu gehören sowohl die Informationen über die GHS-Einstufung der Inhaltsstoffe und des Gemisches, als auch berechnete ATE-Werte des Gemisches, die angewendeten Rechenverfahren und die vom Nutzer zur Einstufung bestimmten Werte wie der Flammpunkt.
Gemische aus Gemischen …
Möchte man – und dieser Fall ist in der Praxis auch oft anzutreffen – Gemische aus Gemischen einstufen, so gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: zum einen kann man, sofern die einzelnen Bestandteile und deren Konzentrationen im Gemisch bekannt sind, alle Einzelbestandteile des neuen Gemischs mit den berechneten Konzentrationen heranziehen und daraus die Einstufung bestimmen. Hierbei erhält man die am besten zutreffenden Ergebnisse der Einstufung. Oft sind die genauen Konzentrationen oder sogar die konkreten Bestandteile nicht bekannt. In diesem Fall muss das eingesetzte Gemisch wie ein Stoff behandelt und damit im Gemischrechner als Stoff angelegt werden.
Der Gemischrechner ist derzeit auf dem Stand der CLP-Verordnung von Februar 2011. Die Änderung durch die 2. Anpassungsverordnung (ATP) konnte bislang noch nicht berücksichtigt werden. Daher beginnen direkt nach Veröffentlichung des Gemischrechners die Arbeiten zur Anpassung – auch wenn die 2. ATP für Gemische erst zum 01.06.2015 rechtsverbindlich wird. Um den Gemischrechner anwenderfreundlicher zu machen, sind Anregungen für weitere Programmänderung willkommen. Diese können entweder mit dem Kontaktformular in GisChem oder direkt an die Kontaktdaten des Autors weitergegeben werden.
1 Vereinfachtes Kennzeichnungssystem der DGUV für Standflaschen in Laboratorien, www.laborrichtlinien.de, weitere Erläuterungen hierzu siehe auch BGI 5150 (Merkblatt M 060 der BG RCI): „Gefahrstoffe mit GHS-Kennzeichnung – Was ist zu tun“
Autor
Dr. Thomas Martin
BG RCI Prävention, Kompetenz-Center Wissenschaftliche Fachreferate www.bgrci.de www.gischem.de E‑mail: Thomas.Martin@bgrci.de
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