Aufgrund des hohen Unfallgeschehens an Kanalballenpressen regten Arbeitsschutzvertreter 2006 an, für diese Maschinen eine Norm zu erarbeiten, die die Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie konkretisiert1. In einem vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) eingerichteten Projektkomitee werden nun für verschiedene Arten von Pressen drei Normen formuliert. Der Normentwurf zu horizontalen Ballenpressen wird bald in die öffentliche Umfrage gehen.
Mit Kanalballenpressen werden Wertstoffe oder Abfall zu Ballen gepresst, um die Lagerung und den weiteren Transport zu vereinfachen. Insbesondere bei der Störungsbeseitigung kommt es immer wieder zu schweren oder gar tödlichen Unfällen. Um die Sicherheit beim Arbeiten an solchen Pressen zu erhöhen, formulierte der berufsgenossenschaftliche Fachausschuss „Förder- und Lagertechnik“ einen Vorschlag für eine Maschinensicherheitsnorm. Hierin flossen umfangreiche Erfahrungen europäischer Arbeitsschutzinstitutionen, vor allem aus Großbritannien und Frankreich2. Anfang 2009 haben die CEN-Mitglieder den Normungsantrag angenommen. Mit der Erarbeitung der Norm beauftragte CEN das eigens gegründete Projektkomitee CEN/TC 397.
CEN/TC 397
Das Projektkomitee setzt sich aus Vertretern aus 15 Ländern zusammen. Bereits während der ersten Sitzung machten die Experten deutlich, dass neben den horizontalen Ballenpressen auch weitere Arten von Wertstoffpressen sehr unfallträchtig sind und in produktspezifischen Normen geregelt werden sollten: Ballenpressen, in denen der Pressstempel vertikal läuft, und so genannte Kompaktoren, mit denen das Material in einen angekoppelten Behälter hinein verdichtet wird. Da alle drei Maschinenarten spezifische Gefährdungen aufweisen, wurden drei Projektteams (PT) eingerichtet, um zu den verschiedenen Pressentypen jeweils eine eigene Norm zu erarbeiten.
Vertikale Ballenpressen – PT 1
Projektteam 1 bearbeitet vertikale Ballenpressen, die manuell oder maschinell beschickt werden. Die Ballen können entweder manuell oder automatisch gebunden werden. Die Experten orientieren sich an den Formulierungen des Arbeitsentwurfs für die horizontalen Ballenpressen und arbeiten in diesen die spezifischen Gefährdungen für vertikale Pressen ein. Es ist geplant, dass das Projektteam Anfang 2011 einen Normentwurf (prEN) für die öffentliche Umfrage vorlegt. Nach diesem Zeitplan wäre mit der Veröffentlichung einer Europäischen Norm Anfang 2013 zu rechnen.
Horizontale Ballenpressen – PT 2
Dieser Maschinentyp war die Grundlage für den Normungsantrag. Dementsprechend ist die Arbeit im Projektteam 2 schon weit fortgeschritten. Im Juli 2010 beschloss das CEN/TC 397 die Veröffentlichung des Normentwurfs zur öffentlichen Umfrage, die voraussichtlich bis Mai 2011 laufen wird. Die fertige Norm soll im Herbst 2012 veröffentlicht werden.
Die beteiligten Hersteller, Betreiber und Arbeitsschutzexperten sind sich einig, dass die Norm verglichen mit dem bisherigen Niveau einen deutlichen Zuwachs an Sicherheit für die Anwender bringt. An allen Zugangspunkten zu Gefährdungsbereichen werden trennende Schutzeinrichtungen gefordert. Besonderer Wert wurde darauf gelegt zu verhindern, dass Personen in den Pressraum gelangen. Dies war in der Vergangenheit oft der Auslöser für tödliche Unfälle.
Kompaktoren – PT 3
Projektteam 3 bearbeitet Pressen, die das Material in einen angekoppelten, auswechselbaren Behälter hinein verdichten. Bei Kompaktoren liegt ein besonderes Augenmerk auf der Gefahrenzone am Einfülltrichter. In der Praxis ereignen sich hier immer wieder Unfälle, wenn die Bediener versuchen, Verstopfungen aufzulösen. Wie bei den vertikalen Pressen stehen die Arbeiten für dieses Normungsprojekt erst am Anfang. Mit einem Entwurf für die öffentliche Umfrage wird Anfang 2011 gerechnet, mit der Veröffentlichung der Norm Ende 2012.
Erfahrungen und Mitarbeit gefragt
Alle drei Normentwürfe sind in einem Status, in dem sie noch beeinflusst werden können. Jeder, der sich mit diesen Maschinen auskennt, sollte die Möglichkeit nutzen, sein Wissen und seine Erfahrungen in den Normungsprozess einzubringen und den Normentext zu optimieren. Ansprechpartner hierfür ist das nationale Spiegelgremium des CEN/TC 397, in Deutschland der Arbeitsausschuss „Ballenpressen – Sicherheitsanforderungen“ im Normenausschuss Maschinenbau (NA 060–03–30 AA).
Autor
Dr. Michael Thierbach KAN — Kommission Arbeitsschutz und Normung thierbach@kan.de www.kan.de
- 1 siehe auch KANBrief 4/06
- 2 siehe auch KANBrief 3/08
Normung: Beteiligung aller interessierten Kreise gefragt
Normen sind ein wichtiges Instrument der Prävention, da sie die Grundlage für sichere Arbeitsmittel und Verfahren bilden. Das Ziel, qualitativ hochwertige Normen zu erarbeiten, kann jedoch nur erreicht werden, wenn sich alle Kreise aktiv an ihrer Erarbeitung beteiligen.
Der Zugang zur Normung und die Beteiligung an der Normerarbeitung werden auf normungspolitischer Ebene intensiv diskutiert. Angesichts sinkender personeller und finanzieller Ressourcen ist zu beobachten, dass sich Betreiber von Maschinen und Geräten, Behördenvertreter und teilweise auch Hersteller mehr und mehr aus der aktiven Normungsarbeit zurückziehen. Die zunehmende Internationalisierung der Normung verstärkt diesen Trend. Dabei ist gerade aus Sicht der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) die Mitarbeit aller interessierten Kreise in der Normung von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Vertreter des Arbeitsschutzes und für diejenigen, die mit den genormten Produkten und Verfahren tagtäglich umgehen müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Erfahrungen der Beteiligten in den Norminhalt einfließen und Aspekte wie z.B. Benutzbarkeit, Ergonomie oder Eignung für spezielle Situationen angemessen berücksichtigt werden.
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