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Vorsicht Fettnäpfchen

Änderung der Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter 2011
Vorsicht Fettnäpfchen

Die Vorschriften für den Trans­port gefährlich­er Güter wer­den rou­tinemäßig alle zwei Jahre geän­dert. 2011 ist es wieder so weit: Dann sind das Europäis­che Übereinkom­men über die inter­na­tionale Beförderung gefährlich­er Güter auf der Straße (ADR), die Gefahrgutverord­nung Straße/Eisenbahn/Binnenschiff (GGVSEB) und die Gefahrgut­beauf­tragten­verord­nung (GbV) an der Reihe.

I. ADR
1. Ent­lad­er
Es wird eine neue Rechts­fig­ur einge­führt, die es bis­lang noch nicht gab: der Ent­lad­er. Gefahrgut-Ent­lad­er ist das Unternehmen, das
  • 1. einen Con­tain­er, Tankcon­tain­er usw. mit gefährlichen Gütern von einem Fahrzeug abset­zt, oder
  • 2. ver­pack­te gefährliche Güter (Ver­sand­stücke) usw. aus oder von einem Fahrzeug ablädt, oder
  • 3. gefährliche Güter aus einem Tank usw. entleert (= Abschnitt 1.2.1 ADR 2011).
Der Ent­lad­er hat sich ins­beson­dere durch einen Vergleich
  • der entsprechen­den Infor­ma­tio­nen im Beförderungspapier
  • mit den Infor­ma­tio­nen auf dem Con­tain­er, Tankcon­tain­er, Ver­sand­stück oder Tank usw.
zu vergewis­sern, dass die richti­gen Güter ent­ge­laden wer­den (= Absatz 1.4.3.7.1 a) ADR 2011). Unternehmen, die Ent­lad­er sind, haben also sich­er zu stellen, dass dem betrof­fe­nen Per­son­al vor Ort das zur Ladung gehörende Beförderungspa­pi­er oder die rel­e­van­ten Dat­en zur Ver­fü­gung ste­hen. Das Beförderungspa­pi­er enthält u.a. die
  • UN-Num­mer
  • Nummer(n) des (der) Muster(s) des (der) Gefahrzettel(s),
z.B. im Fall von Methanol „UN 1230 3 (6.1)“. Diese Dat­en muss das Ent­lade­per­son­al mit der Kennze­ich­nung der Umschließungsmit­tel ver­gle­ichen. Die neue Pflicht (= § 23a (1) a) GGVSEB 2011) ist in der GGVSEB enthal­ten. Ein Ver­stoß stellt eine Ord­nungswidrigkeit dar (= § 37 Nr. 15a a) GGVSEB 2011), die mit einem Bußgeld geah­n­det wer­den kann. Denn es soll ver­mieden wer­den, dass gefährliche Güter „unbe­se­hen“ ent­laden werden.
Lei­der kommt es in der Prax­is vor, dass eine andere Ladung angeliefert wird als zuvor bestellt wurde. Ein Beispiel: Eine Gießerei benutzte zur Formhär­tung ein Reak­tion­s­gemisch aus in Alko­hol gelöstem Furan­harz und einem Härter (hier Para­tolu­ol­sul­fon­säure). Harz und Härter wur­den jew­eils in einem geson­derten Tank auf dem Betrieb­s­gelände nebeneinan­der gelagert. Die Gießerei bestellte eine Ladung Harz; angeliefert wurde aber eine Ladung Härter. Der Fracht­brief lautete auf Harz („UN 2810 6.1“), der Tankwa­gen war für Härter gekennze­ich­net („2584 8“). Den Angaben im Fracht­brief ver­trauend und ohne Abgle­ich mit der Tankwa­genkennze­ich­nung wurde der Härter aus dem Tankwa­gen in den sta­tionären Harz­tank umge­füllt. Nach­dem etwa eine Tonne umgepumpt war, kam es zu ein­er hefti­gen Explo­sion, bei der sechs Per­so­n­en ver­let­zt und Tank, Gebäude­wand und Fen­ster in der Umge­bung zer­stört wurden.
Offen­sichtlich ist es nicht über­all üblich, Anliefer­pa­piere mit Umschließungsmit­teln und ihrer Kennze­ich­nung zu ver­gle­ichen. Die neue Vorschrift ist nicht nur ordnungswidrigkeiten‑, son­dern auch straf- und zivil­rechtlich bedeut­sam. Sie löst für Unternehmen, die „Ent­lad­er“ sind, eine Organ­i­sa­tionsverpflich­tung aus. In Unternehmen, in denen papier­los ent­laden wird, muss dafür gesorgt wer­den, dass den ver­ant­wortlichen Mitar­beit­ern die zur Erfül­lung ihrer Pflicht benötigten Infor­ma­tio­nen (= UN-Nummer(n), Gefahrzettelmusternummer(n)) auf andere Weise (ins­beson­dere elek­tro­n­isch) zur Ver­fü­gung ste­hen. Die Pflicht ein­schließlich des Ver­hal­tens bei Abwe­ichun­gen ist in ein­er Arbeit­san­weisung zu doku­men­tieren (ins­beson­dere Decodierung der Gefahrzettelmusternummer(n) im Beförderungspa­pi­er in Abbil­dun­gen) und zu unter­weisen. Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
2. Gefährliche Güter in begren­zten Men­gen („lim­it­ed quantities“)
Beförderung­sein­heit­en mit einem höch­stzuläs­si­gen Gesamt­gewicht von mehr als zwölf Ton­nen, mit denen mehr als acht Ton­nen brut­to Ver­sand­stücke mit gefährlichen Gütern in begren­zten Men­gen befördert wer­den, müssen vorne und hin­ten gekennze­ich­net sein, und zwar
entwed­er mit
oder mit
Bei der ersten Kennze­ich­nung müssen die Buch­staben min­destens 6,5 cm hoch sein, das alter­na­tive zweite Kennze­ichen muss eine Kan­ten­länge von min­destens 25 x 25 cm haben (= Abschnitte 3.4.10–3.4.12 ADR 2009, 3.4.13–3.4.15 ADR 2011). Der Beförder­er hat das Fahrzeug mit den Kennze­ichen auszurüsten, der Fahrer muss sie anbrin­gen. Die Änderun­gen treten am 1. Jan­u­ar 2011 in Kraft.
3. Umwelt­ge­fährdende Stoffe
Bis­lang musste das Zusatzkennzeichen
nur bei haupt­ge­fährlich umwelt­ge­fährden­den Stof­fen (= UN 3077 umwelt­ge­fährdende Fest­stoffe und UN 3082 umwelt­ge­fährdende Flüs­sigkeit­en) ange­bracht wer­den. Nun müssen auch die Umschließungsmit­tel (Ver­pack­un­gen, Tanks usw.) nebenge­fährlich umwelt­ge­fährden­der Stoffe zusät­zlich mit diesem Kennze­ichen gekennze­ich­net wer­den (= Unter­ab­schnitt 5.2.1.8 und Abschnitt 5.3.6 ADR). Ein Beispiel: UN 1203 Benzin:
Die Änderun­gen treten am 1. Jan­u­ar 2011 in Kraft.
Außer­dem muss diese Eigen­schaft jet­zt auch im Beförderungspa­pi­er ver­merkt wer­den (= Absatz 5.4.1.1.18 ADR 2011). Ein Beispiel: „UN 1203 Ben­zin, 3, II, (D/E), umwelt­ge­fährdend“. Ver­ant­wortlich dafür ist der Absender. Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
4. Schriftliche Weisun­gen (Unfallmerk­blatt)
An den erst im Jahr 2009 neu for­matierten schriftlichen Weisun­gen wur­den zahlre­iche inhaltliche Änderun­gen vorgenom­men, die es erforder­lich machen, die alten gegen die neuen Unfallmerk­blät­ter auszu­tauschen (= Unter­ab­schnitt 5.4.3.4 ADR 2011). Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
II. GGVSEB
1. Pro­duk­tan­haf­tung an Verpackungen
Neu ist, dass der Ver­lad­er bei der Über­gabe ver­pack­ter gefährlich­er Güter oder ungere­inigter leer­er Ver­pack­un­gen zur Beförderung nicht nur zu prüfen hat, ob die Ver­pack­ung erkennbar unvoll­ständig (ins­beson­dere Fehlen des richti­gen Ver­schlusses) oder beschädigt ist, son­dern auch, ob ihr Pro­dukt anhaftet (= § 21 (1) Nr. 2 GGVSEB 2011). Der Regel­bußgeld­satz hier­für ist noch in der RSEB festzule­gen (= neue Nr. 66.3 der Anlage 7 der RSEB). Eine entsprechende Erweiterung der Pflicht­en des Fahrers (= § 28 Nr. 1 GGVSEB 2011) ist nicht geplant. Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
2. Pflicht zur Unterweisung
Im Zuge der Über­ar­beitung der GbV (siehe III.) wird der § 6 GbV gestrichen. § 6 GbV verpflichtete den Arbeit­ge­ber, Mitar­beit­er mit dem Sta­tus „beauf­tragte Per­son“ (= § 9 (2) Nr. 2 OWiG) wiederkehrend zu schulen oder schulen zu lassen. Über die Schu­lung war eine Bescheini­gung auszustellen, aus der Zeit­punkt, Dauer und Inhalt der Schu­lung her­vorge­hen musste. Diese Bescheini­gung war der zuständi­gen Überwachungs­be­hörde auf Ver­lan­gen zur Prü­fung vorzule­gen; eine Auf­be­wahrungs­frist war nicht bes­timmt. Kon­nte der Arbeit­ge­ber das nicht, war das eine Ord­nungswidrigkeit. Die Pflicht zur Unter­weisung wird nun aus der GbV in die GGVSEB über­führt (= § 34b GGVSEB 2011). Neu ist, dass die
  • Pflicht zur Unter­weisung auf alle Per­so­n­en, die an der Beförderung gefährlich­er Güter beteiligt sind, aus­gedehnt wird; sie bet­rifft also nicht mehr nur Mitar­beit­er mit dem Sta­tus „beauf­tragte Person“
  • Aufze­ich­nun­gen über die erhal­tene Unter­weisung vom Arbeit­ge­ber fünf Jahre auf­be­wahrt wer­den müssen.
Die genauen Inhalte der Unter­weisung ergeben sich aus dem ADR, ins­beson­dere aus Kapi­tel 1.3. Neu ist weit­er, dass alle mit der Hand­habung von begas­ten Güter­be­förderung­sein­heit­en befassten Per­so­n­en (= Fahrer, Ent­lad­er) unter­wiesen sein müssen. Das bet­rifft ins­beson­dere begaste Import­con­tain­er. Ein Ver­stoß ist eine Ord­nungswidrigkeit (= § 37 (1) Nr. 26b GGVSEB 2011). Der Regel­bußgeld­satz ist noch in der RSEB festzulegen.
Inkraft­treten: 1. Juli 2011.
3. Beauf­tragte Personen
Der neue Absatz 3 des § 37 der GGVSEB 2011 konkretisiert den § 9 (2) Nr. 2 des OWiG: Wer­den einem son­sti­gen Beauf­tragten Pflicht­en nach § 9 (2) Nr. 2 OWiG über­tra­gen, so
  • sind die Auf­gaben im Einzel­nen zu benen­nen und
  • die Über­tra­gung ist schriftlich zu dokumentieren.
Dadurch soll erre­icht wer­den, dass
  • sich Per­so­n­en, die gemäß § 9 (2) Nr. 2 OWiG beauf­tragt wer­den, über Art und Umfang der von ihnen zu erfül­len­den Pflicht­en im Klaren sind
  • im ord­nungswidrigkeit­en­rechtlichen Anhörungsver­fahren auch nur die „richti­gen“ Per­so­n­en ange­hört wer­den. Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
4. Handw­erk­er­regelung
Bei der soge­nan­nten Handw­erk­er­regelung wird die Freimenge für Gegen­stände mit Explo­sivstoff der Unterk­lasse 1.4 (in Analo­gie zu der Regelung für Pri­vat­per­so­n­en) von 20 auf 50 kg brutto/Beförderungseinheit her­auf geset­zt. Davon betrof­fen sind z.B. „UN 0323 Kar­tuschen für tech­nis­che Zwecke“ (für Bolzen­schußgeräte). Die Änderun­gen treten am 1. Juli 2011 in Kraft.
III. GbV
1. Gefahrgut­beauf­tragter Luftverkehr
Unternehmen, die gefährliche Güter per Flugzeug versenden, benöti­gen keinen Gefahrgut­beauf­tragten mehr. Das Netz der Schu­lun­gen und Kon­trollen im Luftverkehr wird als so eng geknüpft erachtet, dass eine beson­dere Auf­sichtsper­son wie der Gefahrgut­beauf­tragte im Luftverkehr ent­behrlich erscheint. Die Änderun­gen treten am 1. Jan­u­ar 2011 in Kraft.
2. Auf­gaben des Gefahrgutbeauftragten
Der Gefahrgut­beauf­tragte muss die, von ihm bei seinen Überwachun­gen fest­gestell­ten Män­gel dem Unternehmer nicht mehr unverzüglich anzeigen. Dafür muss er nun über­prüfen, ob ein Sicherungs­plan vorhan­den ist, wenn dieser auf Grund der gehand­habten Stoffe und Men­gen vorhan­den sein muss. Neu ist weit­er, dass Ver­stöße gegen alle seine Pflicht­en einen Ord­nungswidrigkeit­en­tatbe­stand darstellen, der mit einem Bußgeld geah­n­det wer­den kann. Bis­lang galt das nur für wenige Ver­stöße. Neu ist auch, dass Gefahrgut­beauf­tragte im öffentlichen Dienst mit einem Bußgeld belangt wer­den kön­nen, wenn sie ihre Auf­gaben nicht ord­nungs­gemäß erfüllen. Das war bis­lang aus­geschlossen. Die Änderun­gen treten am 1. Jan­u­ar 2011 in Kraft.
Bußgeld und Punk­te: Bis­lang geht bei der Ladungssicherung nur „entweder/oder“:
  • Wird eine Ladung nicht­ge­fährlich­er Güter nicht vorschriftsmäßig gesichert, wird der Ver­stoß gemäß StVO ver­fol­gt: Fahrer und Ver­lad­er bekom­men jew­eils 50 Euro Bußgeld und 1 Punkt. Falls Dritte nicht gefährdet wur­den, bzw. 75 Euro Bußgeld und 3 Punk­te, falls Dritte gefährdet wurden.
  • Wird eine Ladung gefährlich­er Güter nicht vorschriftsmäßig gesichert, wird der Ver­stoß bis­lang nur gemäß GGVSEB geah­n­det: Der Fahrer bekommt 300 Euro und der Ver­lad­er 500 Euro Bußgeld. Beab­sichtigt ist durch eine Änderung des Straßen­verkehrs­ge­set­zes, dass zusät­zlich 1 Punkt bzw. 3 Punk­te einge­tra­gen wer­den kön­nen. Davon ver­spricht man sich eine größere Diszi­plin­ierung der Beteiligten bei der Sicherung von Gefahrgutladung.
Faz­it
Für Unternehmen und deren Mitar­beit­er, die nur gele­gentlich mit Gefahrgütern zu tun haben, wird es immer unver­mei­dlich­er, in eines der zahlre­ichen vom Geset­zge­ber aufgestell­ten Fet­tnäpfchen zu treten. Ob immer mehr Vorschriften und Sank­tio­nen wirk­lich zu mehr Sicher­heit führen, darf bezweifelt werden.
Autor
Dr. Nor­bert Müller öffentlich bestell­ter und verei­digter Sachver­ständi­ger für Gefahrgut­trans­port und ‑lagerung, Duisburg
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