Anzeige
Die Beförderung von Trockeneis, z. B. zu Kühlzwecken, kann durch das entstehende Kohlendioxid zur Erstickungsgefahr führen. Unter welchen Bedingungen es zu einer Gefährdung kommen kann und welche Mengen Kohlendioxid pro Zeit entstehen, wurde seitens der BG RCI ermittelt. Was bei der Beförderung von Trockeneis im Pkw zu beachten ist und was in Unterweisungen thematisiert werden sollte, wird im Folgenden beschrieben.
Trockeneis ist ein bewährtes Kühlmittel, das beispielsweise zur Kühlung von Versandstücken während der Beförderung eingesetzt wird. Da während der Kühlung große Mengen Kohlendioxid entstehen, ist die Bildung einer erstickenden Kohlendioxidatmosphäre möglich.
Tragisches Beispiel: Tod durch Ersticken
Im Juli 2013 ereignete sich in Wiesbaden ein Unfall, bei dem ein bekannter Gastronom bei der Beförderung von Trockeneis durch Ersticken ums Leben kam. Der 58-Jährige hat in seinem privaten Pkw sechs Behälter Trockeneis befördert. Die Fenster des Pkw waren verschlossen, die Klimaanlage war angeschaltet. Die Staatsanwaltschaft geht von einem tragischen Unglücksfall durch unsachgemäßen Umgang mit Trockeneis aus. [1]
Entsprechend der Durchführungsrichtlinien-Gefahrgut (RSEB) ist davon auszugehen, dass von Versandstücken, die Trockeneis als Kühlmittel enthalten, kein Risiko hinsichtlich der Erstickungsgefahr ausgeht. Dies widerspricht jedoch dem eingangs erwähnten Unfall. Es ist unzureichend bekannt, wie die Gefahr, die von Trockeneis bei der Beförderung ausgeht, einzuschätzen ist. Weiterhin ist unklar, was unter einer „ausreichenden“ Belüftung zu verstehen ist.
Die BG RCI hat ermittelt, unter welchen Bedingungen eine Erstickungsgefahr bei der Beförderung von Versandstücken mit Trockeneis entstehen kann. Im Fokus steht die Beförderung von Versandstücken mit Trockeneis im geschlossenen Pkw unabhängig davon, ob das Trockeneis als Kühlmittel eingesetzt wird.
Was ist Trockeneis? Welche Gefahren bestehen?
Trockeneis ist festes Kohlendioxid und wird als Kühlmittel beispielsweise in der Gastronomie und in der chemischen Industrie eingesetzt. Es sublimiert bei Atmosphärendruck bei –78,48 °C ohne zu schmelzen, das heißt, es tritt nicht im flüssigen Aggregatzustand auf. Die Sublimation erfolgt rückstandsfrei, sodass während der Kühlung große Mengen Kohlendioxid entstehen, das aufgrund seiner Eigenschaften nicht wahrgenommen (schmecken, riechen) wird. Kohlendioxid (CO2) ist ein farb- und geruchsloses, nicht brennbares Gas. Es hat im Vergleich zur Luft eine größere Dichte, d. h. es ist schwerer als Luft und sammelt sich bevorzugt am Boden an.
Beim Sublimieren von einem Kilogramm Trockeneis entstehen ca. 541 Liter gasförmiges Kohlendioxid. Beim Übergang vom festen (Trockeneis) in den gasförmigen Zustand erfolgt eine Volumenänderung um den Faktor 845.
Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für Kohlendioxid (8‑Stunden-Mittelwert) entspricht einer Konzentration von 0,5 Vol-%. [2] Die Auswirkungen verschiedener Kohlendioxidkonzentrationen (CO2-Konzentrationen) in der Atemluft sind in Tabelle 1 aufgeführt. [3]
Kohlendioxid kann den Sauerstoff der Luft verdrängen, sodass es theoretisch aufgrund des Sauerstoffmangels zu einer Gefährdung kommen kann. Experimentell wird festgestellt, dass die bei der Kühlung mit Trockeneis entstehenden Mengen Kohlendioxid zu höheren Auswirkungen im Vergleich zu den Auswirkungen durch Sauerstoffmangel führen.
Wie wird Trockeneis verpackt?
Trockeneis wird üblicherweise in isolierten Verpackungen (Kühlboxen) befördert. Diese dürfen nicht hermetisch verschlossen sein, sodass das entstehende Kohlendioxid entweichen kann. Die Verwendung von hermetisch verschlossenen Verpackungen kann zum Druckaufbau und folglich zum Bersten der Verpackung führen.
Unterliegt Trockeneis den Gefahrgutvorschriften?
Trockeneis (UN 1845) unterliegt nicht den Gefahrgutvorschriften für den Straßenverkehr – sofern es nicht als Kühlmittel verwendet wird. Wenn Produkte während der Beförderung mit Trockeneis gekühlt werden, ist die neue Sondervorschrift 5.5.3 ADR anzuwenden. Diese stellt Anforderungen an
- die Unterweisung der Mitarbeiter
- an Versandstücke (Verpackung und Kennzeichnung)
- an die Dokumentation sowie an die Fahrzeugkennzeichnung.
Die RSEB stellen klar, dass die Sondervorschrift 5.5.3 ADR nur angewendet werden soll, wenn eine tatsächliche Erstickungsgefahr besteht. Diese muss durch eine Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden.
Wie Gefährdungen vermeiden?
Die Beseitigung der Gefahrenquelle, das heißt Trockeneis durch andere Kühlmittel zu ersetzen, ist wünschenswert, jedoch in vielen Fällen nicht möglich. Die Verwendung von Fahrzeugen, deren Ladefläche oder Laderaum vom Führerhaus getrennt ist, ist sehr zu empfehlen.
Wie hoch ist die Erstickungsgefahr im Pkw („Worst-Case-Prinzip“)?
Zur Abschätzung des Gefährdungsfaktors Kohlendioxid bei der Beförderung von Trockeneis wurden verschiedene Versuche durchgeführt.
In einem geschlossenen Pkw mit einem Volumen von ca. 5 m³ wurde Trockeneis im Kofferraum (offen zum Fahrgastraum) verteilt (siehe Abb. 1). Über einen längeren Zeitraum wurden die Kohlendioxidkonzentrationen im Pkw unter verschiedenen Lüftungszuständen (ohne Lüftung, mit Umluft und mit Außenluftzufuhr) ermittelt. Das Trockeneis wurde unverpackt verwendet um den schlimmstmöglichen Fall zu simulieren.
Die Messgeräte wurden im Fußraum des Fahrersitzes, auf dem Fahrersitz sowie an der Kopfstütze positioniert (siehe Abbildungen 2 und 3).
Im Pkw bildete sich ohne Belüftung innerhalb weniger Minuten eine lebensgefährliche, erstickende Kohlendioxidatmosphäre. Bei Umluft-Lüftung ohne Außenluftzufuhr (Stufe 3 von 7, Richtung Fußraum, Kopf und Scheibe) wurden sofort erstickende Kohlendioxidkonzentrationen erreicht.
Die Messergebnisse des Versuchs mit Außenluftzufuhr-Lüftung (Stufe 3 von 7, Richtung Fußraum, Kopf und Scheibe) zeigt Abbildung 4. Die Kohlendioxidkonzentration ist gegen die Zeit aufgetragen. Die Kohlendioxidkonzentration sank zunächst an allen Messpositionen ab, da die einströmende Frischluft das Kohlendioxid verdrängte. Die Werte an der Kopfstütze lagen bereits zu Beginn unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwerts (AGW) und sind folglich unbedenklich. Ab Minute 75 stiegen die Kohlendioxidkonzentrationen an allen Messpositionen stark an und überschreiten innerhalb weniger Minuten den AGW. Der Hintergrund für dieses abrupte Steigen der Kohlendioxidkonzentration ist der Ausfall der Außenluftzufuhr-Lüftung durch die unbeabsichtigt vollständig entladene Autobatterie. An diesem nicht beabsichtigten Lüftungsausfall wird deutlich, dass ohne Frischluftzufuhr innerhalb weniger Minuten die Bildung einer lebensgefährlichen, erstickenden Kohlendioxidatmosphäre im Pkw erfolgt.

Abb. 4: Messergebnisse des Versuchs mit Außenluftzufuhr-Lüftung (Stufe 3 von 7, Richtung Fußraum, Kopf und Scheibe)
Während der Versuche herrschten sommerlichen Temperaturen. Aus diesem Grund und da Trockeneis üblicherweise nicht unverpackt befördert wird, sind dies Betrachtungen des schlimmstmöglichen Falls.
Nun stellt sich die Frage, wie viel Kohlendioxid aus einem korrekt verpackten, isolierten Versandstück entweicht. Hierzu wurde ein weiterer Versuch durchgeführt.
Wie viel Kohlendioxid entsteht pro Zeit?
Die Menge an Kohlendioxid, die pro Zeit aus einem isolierten Versandstück entweicht, wurde durch den Verlust der Masse des Trockeneises ermittelt. In eine Verpackung mit 6,9 L Innenvolumen und einer ca. 4,8 cm starken Styroporisolierung wurde 4,35 kg Trockeneis (Blockware) eingefüllt. Die Masse der verschlossenen Verpackung wurde in größeren Zeitabständen gemessen. In Abbildung 5 ist die Nettomasse gegen die Zeit aufgetragen.
Die gute Isolierwirkung der Verpackung wurde bestätigt, da Temperatur-Schwankungen im Wechsel Tag-Nacht nicht zu einem unregelmäßigen Sublimieren des Kohlendioxids führten.
Pro Stunde sublimierten durchschnittlich 60 g Trockeneis aus der Verpackung. Dabei wurden ca. 32,4 Liter gasförmiges Kohlendioxid aus der Verpackung freigesetzt. Diese Menge entspricht etwa dem Anteil an Kohlendioxid der natürlichen menschlichen Atemluft, der in einer Stunde ausgeatmet wird.
Befindet sich ein solches Versandstück für die Dauer einer Stunde in einem Pkw (ca. 5 m³ Innenvolumen) ohne Belüftung, ist die Entwicklung einer Kohlendioxidkonzentration von 0,65 Vol-% möglich. Bei kleineren Pkw kann die Konzentration nach einer Stunde sogar höher liegen. Diese Konzentration überschreitet bereits den Arbeitsplatzgrenzwert von 0,5 Vol-%.
Generell sollten Versandstücke mit Trockeneis erst kurz vor Fahrtantritt in den Pkw verladen werden, um eine Anreicherung von Kohlendioxid zu verhindern.
Die beispielhafte Verpackung ist vergleichsweise klein. In der Praxis werden häufig größere oder mehrere kleine Versandstücke befördert. Es muss berücksichtigt werden, dass bei der Beförderung von größeren Mengen Trockeneis folglich mehr Kohlendioxid freigesetzt wird. Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass mehrere oder größere Versandstücke einen großen Teil des Innenvolumens des Pkw verdrängen. Folglich führt mehr entstehendes Kohlendioxid aufgrund des geringeren Innenvolumens schneller zu höheren Kohlendioxidkonzentrationen.
Eine Verpackung von guter Qualität und Isolierwirkung ist für die Beförderung von Trockeneis erforderlich, da bei einer guten Isolierung weniger Trockeneis mit der Zeit sublimiert als bei unverpacktem Trockeneis.
Schlussfolgerung
Bei unverpacktem Trockeneis im Pkw ohne Frischluftzufuhr ist innerhalb weniger Minuten die Entwicklung einer lebensgefährlichen, erstickenden Kohlendioxidatmosphäre zu erwarten. Ein Aufenthalt im Pkw mit unverpacktem Trockeneis ohne Außenluftzufuhr ist zu verhindern. Wenn die Lüftung im Pkw funktionsfähig und auf Außenluftzufuhr (mittlere Stufe) eingestellt ist, wird selbst bei der Beförderung von unverpacktem Trockeneis der Arbeitsplatzgrenzwert von Kohlendioxid unterschritten. Die Beförderungsdauer ist in diesem Fall nicht relevant. Bei einer Beförderung von ordnungsgemäß verpackten Versandstücken mit guter Isolierwirkung werden erheblich kleinere Kohlendioxidkonzentrationen erreicht, sodass der AGW nicht erreicht wird. Folglich liegt eine „gute“ oder „ausreichende“ Belüftung vor, wenn die Lüftung funktionsfähig und auf Außenluftzufuhr, mittlere Stufe, eingestellt ist.
Während der Beförderung können zeitweilige Aufenthalte erfolgen, z. B. aufgrund eines Verkehrsstaus. Wenn die Zündung – und damit einhergehend auch die Lüftung – ausgeschaltet wird, ist die Bildung einer erstickenden Kohlendioxidatmosphäre möglich. Dies kann durch das Zuführen von Frischluft, beispielsweise durch das frühzeitige Öffnen der Fenster, verhindert werden.
Werden Versandstücke in einen Pkw geladen und die Fahrt nicht sofort angetreten, muss der Pkw vor Fahrtantritt z. B. durch das Öffnen mehrerer Türen für einige Zeit gut belüftet werden.
Einige moderne Pkw verfügen über eine Klimaautomatik, die automatisch unter bestimmten Bedingungen von Außenluftzufuhr auf Umluft-Lüftung schaltet, z. B. bei erhöhter Schadstoffkonzentration, beim Einlegen des Rückwärtsgangs und/oder bei Aktivierung der Scheibenreinigung. In diesem Fall muss die Klimaautomatik vor Antritt der Fahrt deaktiviert werden.
Hinsichtlich einer möglichen Erstickungsgefahr durch Trockeneis müssen regelmäßige Unterweisungen erfolgen, um das Gefahrenbewusstsein der Beschäftigten zu schulen und ein sicherheitsgerechtes Verhalten zu fördern.
Wird die Beförderung von Versandstücken mit Trockeneis zur Routine, kann das Verantwortungsbewusstsein schwinden, da die Gefahr nicht wahrnehmbar ist. Auch Zeitdruck durch eine hohe Arbeitsbelastung und Stress können sich negativ auf das Gefahrenbewusstsein auswirken. Um dem vorzubeugen, sind regelmäßige Unterweisungen durchzuführen, die das Sicherheits- und Verantwortungsbewusstsein der Beschäftigten fördern.
Checkliste für Unterweisungen
- Wird erst kurz vor Fahrtantritt beladen?
- Ist die Ladung ausreichend gesichert?
- Ist die Lüftung auf Außenluftzufuhr und mindestens auf mittlere Stufe gestellt?
- Verfügt der Pkw über eine Klimaautomatik, die automatisch auf Umluft-Lüftung schaltet? Wenn ja, Klimaautomatik deaktivieren!
- Werden nach Fahrtpausen, in denen der Pkw verlassen wird, vor der Weiterfahrt die Türen geöffnet und einige Zeit abgewartet?
- Läuft bei längerem Halt, z. B. im Verkehrsstau, die Lüftung mit Außenluftzufuhr weiter, oder werden alternativ die Fenster geöffnet um eine gute Belüftung sicherzustellen?
- Wird nach Erreichen des Zielortes unverzüglich entladen?
Literatur
- 1. www.welt.de/vermischtes/prominente/article117839645/Der-mysterioese-Trockeneis-Tod-des-Star-Gastronoms.htmlwww.wiesbadener-kurier.de/region/wiesbaden/meldungen/13246424.htm
- 2. TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte, Ausgabe: Januar 2006; zuletzt geändert und ergänzt: GMBl 2013 S. 363–364 v. 4.4.2013
- 3. BG-Regel: Errichtung und Betrieb von Getränkeschankanlagen (BGR/GUV‑R 228), Juli 2010
Autorin
Dipl.-Chem. Mirja Telgmann Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie
Fachbereich Technische Ausschüsse
Heidelberg
Teilen: