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Substitution von Gefahrstoffen und Gefahrenabschätzung

Substitution Teil 3
Gefahrenabschätzung und Anwendungsbeispiele

Befassten sich die ersten bei­den Teile dieser Artikelserie mit rechtlichen Aspek­ten und all­ge­meinen Infor­ma­tio­nen sowie den Grund­la­gen der Sub­sti­tu­tion, ste­hen nun die Kri­te­rien der Gefahren­ab­schätzung im Mit­telpunkt. Außer­dem zeigen wir Beispiele für die Anwen­dung der Substitution.

Dr. Bir­git Stöffler

Kriterien zur Gefahrenabschätzung

Ziel der Sub­sti­tu­tion ist es, die Gefahren bzw. die Gefährdung zu reduzieren. Für die Gefahren bzw. die Gefährdung gibt es eine Vielzahl an Kri­te­rien, die im fol­gen­den Abschnitt näher beschrieben werden.

Leitkriterien der TRGS 600

Die TRGS 600 nen­nt zahlre­iche Leitkri­te­rien, um die Vorauswahl von Sub­sti­tu­tion­s­möglichkeit­en zu erle­ichtern und so die Gefahren beim Ein­satz von Gefahrstof­fen zu ver­ringern. Sie legt z.B. detail­liert fest, wie sich Gefährdun­gen auf­grund der gesund­heits­ge­fährlichen Eigen­schaften, der physikalisch-chemis­chen Eigen­schaften und dem Freiset­zungsver­hal­ten eines Stoffes durch Sub­sti­tu­tion reduzieren lassen.
 
Die Angaben aus der TRGS 600 wer­den hier zur besseren Über­sichtlichkeit in Form von Tabellen dargestellt. Gle­ichzeit­ig sind die Angaben an die neue Gefahrstof­fkennze­ich­nung nach CLP-Verord­nung angepasst.
 
Tabelle 1 zeigt am Beispiel der gesund­heits­ge­fährlichen Eigen­schaften die Leitkri­te­rien aus der TRGS 600.
 
Tabelle 2 zeigt am Beispiel des Freiset­zungspoten­zials die Leitkri­te­rien aus der TRGS 600.

Gesundheitsgefahren – akute und chronische

Beim Pik­togramm „Ätzwirkung“ ist eine Beson­der­heit zu beacht­en: Ätzwirkung ist nicht gle­ich Ätzwirkung.
 
Es gibt zwei Arten von Ätzwirkun­gen, die mit diesem einen Pik­togramm sym­bol­isiert werden:
Die bei­den unter­schiedlichen Arten von Ätzwirkun­gen sind in zwei ver­schiede­nen Rubriken des Spal­ten­mod­ells zu find­en. Tabelle 3 zeigt den entsprechen­den Auss­chnitt aus dem Spaltenmodell.
Die Met­al­lko­r­ro­sion wird nur der Gefahren­stufe „mit­tel“ zuge­ord­net, während die Ätzwirkun­gen auf Augen bzw. Haut den Gefahren­stufen „hoch“ bzw. „mit­tel“ zuzuord­nen sind. Das Pik­togramm „Ätzwirkung“ find­et sich also in zwei unter­schiedlichen Gefahren­stufen und Spal­ten wieder. Die H‑Sätze beze­ich­nen die Gefahren genauer und sind deshalb bei der Sub­sti­tu­tion­sprü­fung heranzuziehen.
 
Noch unter­schiedlich­er als beim Pik­togramm „Ätzwirkung“ sind die Gefahren­stufen beim Pik­togramm „Gesund­heits­ge­fahr“ verteilt. Im Spal­ten­mod­ell ist das Pik­togramm „Gesund­heits­ge­fahr“ ins­ge­samt bei vier ver­schiede­nen Gefahren­stufen (von „sehr hoch“ bis „ger­ing“) vorhan­den, wie Tabelle 4 zeigt. Die Höhe der Gefahren­stufe ist daher immer über die Gefahren­hin­weise (H‑Sätze) und nicht anhand des Gefahren­pik­togramms zu ermitteln.

Gefahren durch das Freisetzungsverhalten Aggregatzustand

Eine sehr hohe Gefahr geht grund­sät­zlich von
  • Gasen,
  • stauben­den Fest­stof­fen oder
  • Aerosolen
aus.
 
Bei Flüs­sigkeit­en ist das Freiset­zungsver­hal­ten und die damit ver­bun­dene Gefahr von der Höhe des Dampf­drucks abhängig, wie Tabelle 3 in Teil 1 dieser Artikelserie (Sicher­heitsin­ge­nieur 07/2015) bere­its gezeigt hat.

Dampfdruck

Ziel der Sub­sti­tu­tion ist es, bei der Gesamt­be­tra­ch­tung aller Leitkri­te­rien eine Ver­ringerung der Gefährdung zu erre­ichen. Im Rah­men der Sub­sti­tu­tion­sprü­fung kann es dabei dur­chaus vorkom­men, dass das Freiset­zungsver­hal­ten – hier also die Höhe des Dampf­drucks – im Einzelfall entschei­den­der ist als z.B. die Höhe der Gesundheitsgefahren.
 
Das gilt aber nur für die Gefahren­stufe „ver­nach­läs­sig­bar“ in der Spalte „Freiset­zungsver­hal­ten“, also für Flüs­sigkeit­en mit sehr geringem Dampf­druck oder aber bei einem beträchtlichen Unter­schied der Dampf­drücke von Stoff und möglichem Ersatzstoff.
 
TRGS 600: 4. Leitkri­te­rien für die Vorauswahl aus­sicht­sre­ich­er Substitutionsmöglichkeiten
(7) (…) So kann es z.B. im Einzelfall zu ein­er ins­ge­samt gerin­geren gesund­heitlichen Gefährdung führen, einen Stoff mit gefährlicheren Eigen­schaften einzuset­zen, der (…) einen sehr gerin­gen Dampf­druck besitzt, als einen Stoff mit weniger gefährlichen Eigen­schaften, der aber (…) einen beträchtlich höheren Dampf­druck besitzt.
 
Welche Einzelfälle kön­nen dies sein? Zur Illus­tra­tion ein Stoff­beispiel – siehe Tabelle 5: Dimethyl­sul­fat ist auf­grund sein­er Kennze­ich­nung mit den Gefahren­hin­weisen H330 und H350 mit sehr hohen Gesund­heits­ge­fahren ver­bun­den. Der Dampf­druck von nur 0,35 hPa bei 20 °C ist der Gefahren­stufe ver­nach­läs­sig­bar zuzuordnen.
Bew­ertet man den Stoff nach dem Spal­ten­mod­ell, ergeben sich fol­gende Gefahren­stufen, wie Tabelle 6 zeigt.
 
Durch den gerin­gen Dampf­druck ist die Freiset­zungs­ge­fahr bezo­gen auf die „inhala­tive“ Expo­si­tion (Einat­men) nur noch sehr ger­ing. Damit rel­a­tiviert der niedrige Dampf­druck zwar den Gefahren­satz H330 „Lebens­ge­fahr bei Einat­men“, nicht aber den Gefahren­satz H350 „Kann Krebs erzeu­gen“. Dies gilt auch für die anderen Expo­si­tion­swege „oral“ (Ver­schluck­en, hier H301) oder „der­mal“ (Hautkon­takt, hier H317 und H314). Die Gesund­heits­ge­fahr bleibt damit weit­er­hin in der Gefahren­stufe „sehr hoch“ trotz des sehr niedri­gen Dampfdrucks.
 
Auch wenn z.B. von ein­er Flüs­sigkeit mit einem sehr gerin­gen Dampf­druck nur eine „ver­nach­läs­sig­bare“ Freiset­zungs­ge­fahr aus­ge­ht, soll­ten ins­beson­dere Gefahrstoffe mit sehr hohen bzw. hohen Gesund­heits­ge­fahren mit hoher Pri­or­ität sub­sti­tu­iert werden.

Gefährdungszahl bei Flüssigkeiten

Bei der Freiset­zungs­ge­fahr von Flüs­sigkeit­en ist neben der Dampf­druck­höhe auch die Höhe des Arbeit­splatz­gren­zw­ertes (AGW) entscheidend.
 
In Tabelle 1 wurde als erstes Leitkri­teri­um für Sub­sti­tu­tion­s­möglichkeit­en die Höhe des Arbeit­splatz­gren­zw­ertes genan­nt. Allerd­ings wird zwis­chen Flüs­sigkeit­en und Fest­stof­fen unter­schieden: Bei Flüs­sigkeit­en ist nicht der Arbeit­splatz­gren­zw­ert allein rel­e­vant, son­dern das Ver­hält­nis, in welchem er zum Dampf­druck steht.
 
Im Fol­gen­den wird dieses „Ver­hält­nis von Arbeit­splatz­gren­zw­ert zum Dampf­druck“ näher erk­lärt. Dazu wer­den die Arbeit­splatz­gren­zw­erte von drei Flüs­sigkeit­en, deren Dampf­drücke und die soge­nan­nten Gefährdungszahlen gegenübergestellt:
  • Ace­ton,
  • Dichlormethan
  • DBE (Diba­sis­che Ester: Gemis­che aus Dimethy­ladi­pat, Dimethyl­glu­tarat und Dimethylsuccinat)
Zuerst fol­gt der Ver­gle­ich der Arbeit­splatz­gren­zw­erte – siehe Tabelle 7.
Das „Zwischen“-Ergebnis nur (!) auf­grund des Ver­gle­ichs der „Höhe der Arbeit­splatz­gren­zw­erte“ lautet: Ace­ton und Dichlormethan sind „sicher­er“, da deren Gren­zw­erte um ein Vielfach­es höher liegen als der von DBE.
 
Eine weit­ere notwendi­ge Ken­ngröße zum Ver­gle­ich der inhala­tiv­en Gefährdung ist die Flüchtigkeit eines Stoffes, aus­ge­drückt durch den Dampf­druck. Wenn man nur die Dampf­drücke miteinan­der ver­gle­icht, zeigt Tabelle 8 ein anderes Zwischenergebnis.
 
Ace­ton hat zwar den höch­sten Arbeit­splatz­gren­zw­ert, aber auch einen rel­a­tiv hohen Dampf­druck. Dadurch wird der Arbeit­splatz­gren­zw­ert bei Ace­ton schneller erre­icht und gegebe­nen­falls über­schrit­ten. Das­selbe gilt für Dichlormethan (Alt­nau 2001b).
 
Diba­sis­che Ester mit einem zwar rel­a­tiv niedri­gen Arbeit­splatz­gren­zw­ert, aber gle­ichzeit­ig auch einem viel niedrigeren Dampf­druck sind daher als ein „weniger gefährlich­es“ Lösemit­tel anzuse­hen, weil sie viel langsamer ver­dun­sten und unter Nor­malbe­din­gun­gen ihren Gren­zw­ert eventuell gar nicht erre­ichen (Alt­nau 2001a).
 
Damit sollte klar sein:
Nur der Ver­gle­ich der Gren­zw­erte oder nur der Ver­gle­ich der Dampf­drücke reicht für die Ein­schätzung der Gefährdung (noch) nicht aus.
 
Erst wenn man das Ver­hält­nis von Arbeit­splatz­gren­zw­ert zu Dampf­druck betra­chtet, erhält man einen aus­sagekräfti­gen Ver­gle­ich der inhala­tiv­en Gefährdun­gen, aus­ge­drückt in der soge­nan­nten Gefährdungszahl.
 
Die Gefährdungszahl (GZ) berech­net sich wie folgt:
Dabei bedeutet eine hohe Gefährdungszahl eine hohe Gefährdung, eine niedrige Gefährdungszahl eine niedrigere Gefährdung (Alt­nau 2001b). Tabelle 9 zeigt die Gefährdungszahlen der drei Flüssigkeiten.
 
Was bedeutet dies nun für den Arbeit­splatz­gren­zw­ert bzw. dessen Ein­hal­tung? Dies wird in Abbil­dung 1 erk­lärt: Ace­ton hat eine Gefährdungszahl von 467. Das heißt, man muss einen mit Ace­ton gesät­tigten Kubik­me­ter Luft mit 467 m³ Frischluft verdün­nen, damit der Arbeit­splatz­gren­zw­ert einge­hal­ten wird. Bei DBE liegt dieser Wert bei nur 50 m³ (Alt­nau 2001b).
Die Gefährdungszahl ist ein sehr hil­fre­ich­es Instru­ment, um die inhala­tive Gefährdung bei der Freiset­zung von vie­len ver­schiede­nen Flüs­sigkeits­dämpfen an einem Arbeit­splatz miteinan­der zu vergleichen.
 
Sie ist von der Tem­per­atur abhängig. Beim Ver­gle­ich von zwei Sub­stanzen muss deshalb darauf geachtet wer­den, dass jew­eils die Dampf­drücke bzw. die Gefährdungszahlen bei gle­ich­er Tem­per­atur ver­glichen wer­den. In vie­len Fällen wird eine Raumtem­per­atur von 20 °C zutreffen.
 
Oft ergeben sich durch unter­schiedliche Lit­er­at­u­rangaben zum Dampf­druck unter­schiedliche Werte für die Gefährdungszahl (z.B. Ace­ton: 467 oder 488). Entschei­dend für die Beurteilung der Gefährdung und die Auswahl von Schutz­maß­nah­men ist aber nicht der exak­te Wert, son­dern die Größenord­nung der Gefährdungszahl.
 
Tabelle 10 zeigt den Zusam­men­hang zwis­chen der Höhe der Gefährdungszahl und Maß­nah­men bei Gren­zw­ertüber­schre­itung. Dieser Sachver­halt stammt aus dem inzwis­chen zurück­ge­zo­ge­nen BG Merk­blatt M 051 „Gefährliche chemis­che Stoffe“, das aber nach wie vor für die (ver­gle­ichende) Gefährdungs­beurteilung von Flüs­sigkeit­en sehr hil­fre­ich ist. Für einige aus­gewählte Stoffe sind die Gefährdungszahlen in Abbil­dung 2 dia­gram­mar­tig dargestellt.
 
Lei­der wird in der Prax­is immer noch oft die Höhe der Arbeit­splatz­gren­zw­erte miteinan­der ver­glichen und nicht die Höhe der Gefährdungszahlen. Die Folge davon ist, dass unter Umstän­den über die Auswahl von Schutz­maß­nah­men falsch entsch­ieden wird: „Bei einem so hohen Gren­zw­ert brauchen wir keine Quel­len­ab­saugung“ (Alt­nau 2001b).
 
Eine Sub­sti­tu­tion ist dann zu empfehlen, wenn die Gefährdungszahl für den Ersatzstoff min­destens 5‑fach geringer ist als die des zu erset­zen­den Stoffes (Debia et al 2009).

Staubungsverhalten bei Feststoffen

Das Staubungsver­hal­ten von Fest­stof­fen kann bei ein­er Sub­sti­tu­tion­sprü­fung im Einzelfall sog­ar entschei­den­der sein als z.B. die Höhe der Gesund­heits­ge­fahren. Das gilt aber nur für die Gefahren­stufe „ver­nach­läs­sig­bar“ in der Spalte „Freiset­zungsver­hal­ten“, also bei Fest­stof­fen in nicht stauben­der Form.
 
TRGS 600: 4. Leitkri­te­rien für die Vorauswahl aus­sicht­sre­ich­er Substitutionsmöglichkeiten
(7) (…) So kann es z.B. im Einzelfall zu ein­er ins­ge­samt gerin­geren gesund­heitlichen Gefährdung führen, einen Stoff mit gefährlicheren Eigen­schaften einzuset­zen, der in ein­er nicht stauben­den Form erhältlich ist (…) als einen Stoff mit weniger gefährlichen Eigen­schaften, der aber nur in stauben­der Form am Markt ver­füg­bar ist (…).
 
Im Spal­ten­mod­ell der TRGS 600 wird die Gefährdung durch das Staubungsver­hal­ten nur sehr grob unter­schieden in „sehr hoch“ für staubende Fest­stoffe bzw. „ver­nach­läs­sig­bar“ für nicht staubende Fest­stoffe – siehe Tabelle 3 in Teil 1 dieser Artikelserie (Sicher­heitsin­ge­nieur 07/2015).
 
Genauere Angaben zum Staubungsver­hal­ten sind im „Ein­fachen Maß­nah­menkonzept für Gefahrstoffe“ (EMKG) genan­nt, das zumin­d­est drei Freiset­zungs­grup­pen unter­schei­det. Tabelle 11 beschreibt die drei Freiset­zungs­grup­pen für Fest­stoffe aus dem EMKG.
 
Fest­stoff­for­men, die weniger stauben, wer­den auch als emis­sion­sarm beze­ich­net. In der TRGS 400 wer­den sie beispiel­haft genannt:
 
TRGS 400: 6.2 Tätigkeit­en mit geringer Gefährdung
2. (…) Eine niedrige inhala­tive Expo­si­tion kann z.B. bei Fest­stof­fen unter Ein­satz emis­sion­sarmer Ver­wen­dungs­for­men wie Pas­ten, Wachse, Gran­u­late, Pel­lets oder Mas­ter­batch­es vorliegen.

Gefahren durch das Verfahren

Bei Ver­fahren gibt es wie bei Stof­fen unter­schiedlich großes Gefährdungspoten-zial. Entsprechend kön­nen auch Ver­fahren durch weniger gefährliche oder weniger risikobe­haftete Ver­fahren erset­zt wer­den. Beson­dere Bedeu­tung im Zusam­men­hang mit der Sub­sti­tu­tion­sprü­fung bzw. mit ein­er nicht möglichen Sub­sti­tu­tion hat das soge­nan­nte „geschlossene“ System:
 
Gef­Stof­fV: § 9 Zusät­zliche Schutzmaßnahmen
(2) Der Arbeit­ge­ber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe in einem geschlosse­nen Sys­tem hergestellt und ver­wen­det wer­den, wenn die Sub­sti­tu­tion (…), tech­nisch nicht möglich ist (…)
 
Eine offene Ver­ar­beitung ist im Spal­ten­mod­ell der Gefahren­stufe „sehr hoch“ zuge­ord­net – siehe Tabelle 4 in Teil 1 dieser Artikelserie (Sicher­heitsin­ge­nieur 07/2015). Eben­falls in Tabelle 4 wer­den offene bzw. geschlossene Ver­fahren in Verbindung mit dem soge­nan­nten „Ver­fahrensin­dex“ nach TRGS 500 „Schutz­maß­nah­men“ näher beschrieben. Der Ver­fahrensin­dex wird in der TRGS 500 so erk­lärt: Je höher der Ver­fahrensin­dex ist, umso „offen­er“ ist das Verfahren.
 
TRGS 500: 6.2.1 Her­stel­lung und Ver­wen­dung im geschlosse­nen System
(4) Der Ver­fahrensin­dex charak­ter­isiert das durch die tech­nis­che Lösung verbleibende ver­fahrens­be­d­ingte Expo­si­tionspoten­zial und kann die Werte 0,25, 0,5, 1, 2 und 4 annehmen. Für ein geschlossenes Sys­tem muss der Ver­fahrensin­dex 0,25 (…) betragen.
 
In der TRGS 500 find­en sich Aus­führungs­beispiele für Bauteile, die den Ver­fahrensin­dex von 0,25 – also ein geschlossenes Sys­tem – ein­hal­ten, wenn z.B. eine Sub­sti­tu­tion tech­nisch nicht möglich ist. Für den Fall, dass mit dem genan­nten Aus­führungs­beispiel dieser niedrige Ver­fahrensin­dex von 0,25 nicht einge­hal­ten wer­den kann, nen­nt die TRGS Zusatz­maß­nah­men, um höhere Ver­fahrensin-dices entsprechend abzusenken. Da geschlossene Sys­teme (mit einem Ver­fahrensin­dex von 0,25) nicht immer real­isier­bar sind, wird in der betrieblichen Prax­is oft ein höher­er Ver­fahrensin­dex als 0,25 zu find­en sein.

Aerosole – aerosolfreie Verfahren

Zu den aerosol­bilden­den Ver­fahren zählt z.B. die Sprühdesin­fek­tion (BG-Empfehlung 1039). Aerosole entste­hen, wenn eine Flüs­sigkeit z.B. durch Anwen­dung ein­er Spray­dose mit Luft­druck oder Treib­gas durch eine Düse gepresst wird. Wenn diese kleinen Flüs­sigkeit­steilchen ver­sprüht wer­den, kön­nen sie tief in die Lunge eingeat­met wer­den oder sich auf der Haut nieder­schla­gen und so die Gesund­heit gefährden.
 
Eine gerin­gere Gesund­heits­ge­fahr ergibt sich durch den Ein­satz von Wis­chver­fahren anstatt von Sprühver­fahren, z.B. beim Ein­satz von Desin­fek­tion­s­mit­teln. In Abbil­dung 3 wird noch ein­mal verdeut­licht, dass die Entste­hung von Aerosolen bei der Sprühdesin­fek­tion – also z.B. durch die Anwen­dung von Sprüh­flaschen – so weit wie möglich ver­mieden wer­den sollte und daher Wis­chver­fahren bevorzugt einzuset­zen sind.
 
Dass von Aerosolen spez­i­fis­che Gefahren aus­ge­hen, zeigt sich auch daran, dass es für Aerosole eigene Gefahren­hin­weise gibt:
  • H222: Extrem entzünd­bares Aerosol
  • H223: Entzünd­bares Aerosol
Wenn sich also her­ausstellt, dass z.B. nicht auf ein bes­timmtes Desin­fek­tion­s­mit­tel verzichtet wer­den kann, gibt es immer noch Möglichkeit­en, durch Ver­fahren­sän­derun­gen die Gefährdung zu reduzieren.
 
TRGS 525: 7.1.2 Ersatzstoff­prü­fung und Prü­fung alter­na­tiv­er Verfahren
(2) Im Rah­men der chemis­chen Desin­fek­tion ist zu prüfen, ob Gefährdun­gen durch Ver­fahren­sän­derung (z.B. Ein­satz maschineller Ver­fahren in der Instru­menten­desin­fek­tion, Verzicht auf Aus­bringungsver­fahren mit Aerosol­bil­dung bei der Flächen­desin­fek­tion) ver­ringert wer­den können.

Substitution – Beispiele

Ver­wen­dungszweck: Methanol – Ethanol
Kann „giftiges“ Methanol in allen Fällen durch „nicht giftiges“ Ethanol erset­zt wer­den, wie oft behauptet wird? Tabelle 12 stellt die Stof­feigen­schaften von Methanol und Ethanol gegenüber.
Abbil­dung 4 zeigt die Anwen­dung des Spal­ten­mod­ells für Methanol und Ethanol im Rah­men der Substitutionsprüfung.
 
Der Ersatzstoff Ethanol schnei­det im Ver­gle­ich zum einge­set­zten Stoff Methanol in der Spalte Gesund­heit um zwei Stufen bess­er ab. In kein­er weit­eren Spalte ergibt sich eine Erhöhung der Gefahr. Fol­glich sollte doch Methanol immer durch Ethanol erset­zt wer­den, weil sich dadurch eine deut­lich gerin­gere Gesund­heits­ge­fahr ergibt.
Aber: Es muss auch immer der Ver­wen­dungszweck des Stoffes berück­sichtigt wer­den. Tabelle 13 zeigt unter­schiedliche Ver­wen­dungszwecke am Beispiel Methanol.
Soll z.B. aus Rap­söl und Methanol durch eine soge­nan­nte „Umesterung“ Rap­söl-Methylester (Biodiesel) entste­hen, dann funk­tion­iert diese Reak­tion nur mit Methanol, nicht aber mit Ethanol, denn dann würde „Eth­yl­ester“ – also ein anderes chemis­ches Pro­dukt – entste­hen. In diesem Fall muss fol­glich auf die Sub­sti­tu­tion verzichtet wer­den mit der Begrün­dung, dass der Ersatzstoff Ethanol „tech­nisch nicht geeignet“ ist: Mit Ethanol entste­ht nicht das gewün­schte Pro­dukt – der Methylester (Barn­husen 2014).

Labor

Auch im Labor wird eine Sub­sti­tu­tion­sprü­fung für Stoffe und Ver­fahren vorgeschrieben. In der DGUV Infor­ma­tion 213–850 wer­den einige Beispiele für Ersatzstoffe mit gerin­geren Gefährdun­gen aufgeführt.
 
DGUV Infor­ma­tion 213–850:
  • 3.6 Sub­sti­tu­tion von Gefahrstoffen
  • Ersatzstoffe und Ersatzverfahren
 
Im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung ist zu prüfen, ob eine Sub­sti­tu­tion von Gefahrstof­fen oder Ver­fahren eine Ver­ringerung der Gefährdun­gen ermöglicht. Bei der Entschei­dung der Sub­sti­tu­tion ist stets die resul­tierende Gesamt­ge­fährdung zu beurteilen, die sich aus den Stof­feigen­schaften, dem Ver­fahren und der Expo­si­tion­s­möglichkeit ergibt. Siehe auch TRGS 600.
 
Beispiele für den Ersatz von gefährlicheren Stof­fen durch weniger gefährliche sind die Ver­wen­dung von Cyclo­hexan oder Tolu­ol anstelle von Ben­zol zum Auss­chlep­pen von Wass­er oder von tert.-Butylmethylether, der nicht zur Bil­dung von Per­ox­i­den neigt, anstelle von Diethylether, oder von Ace­ton durch Butanon‑2 oder von n‑Hexan durch Cyclo­hexan, Hep­tan oder Octan.
 
Auch zu möglichen Ersatzver­fahren für das Labor nen­nt die DGUV Infor­ma­tion 213–850 einige Beispiele:
DGUV Infor­ma­tion 213–850:
  • 3.6 Sub­sti­tu­tion von Gefahrstoffen
Auch in der Ana­lytik sind Sub­sti­tu­tio­nen möglich, beispiel­sweise lässt sich das pho­tometrische Ver­fahren zur Bes­tim­mung von Formalde­hyd mit Pararosanilin vorteil­haft durch ein HPLC-Ver­fahren ersetzen.
 
Die zu Lehrzweck­en gerne durchge­führte Syn­these von Kristal­lvi­o­lett lässt sich durch die Syn­these von Eth­yl­vi­o­lett erset­zen, die das kreb­serzeu­gende Mich­lers Keton vermeidet.
 
Auch bei den Reini­gungsmit­teln lassen sich Alter­na­tiv­en finden.
 
Auch Ver­fahren kön­nen sub­sti­tu­iert wer­den. So kann die Ver­wen­dung von Phos­gen aus Druck­gas­flaschen ger­ade beim Ver­wen­den von kleinen Men­gen durch die gut steuer­bare und jed­erzeit zu unter­brechende Phos­ge­nen­twick­lung aus Di- oder Triphos­gen erset­zt werden.

Desinfektionsmittel

Desin­fek­tion­s­mit­tel töten Mikroor­gan­is­men ab oder inak­tivieren diese und enthal­ten deshalb oft Inhaltsstoffe, die irre­versible Gesund­heitss­chä­den verur­sa-chen, z.B. kreb­serzeu­gende, erbgutverän-dernde oder sen­si­bil­isieren de Stoffe. Deshalb soll­ten diese bevorzugt auf mögliche Ersatzstoffe über­prüft wer­den (Eick­mann et al 2007).
 
Bei den fol­gen­den Inhaltsstof­fen von Desin­fek­tion­s­mit­teln sind in der Tabelle 14 die H‑Sätze, die diese irre­versiblen Gesund­heitss­chä­den beschreiben, rot hin­ter­legt. Es soll­ten – sofern möglich – Desin­fek­tion­s­mit­tel ohne die oben genan­nten irre­versiblen Gesund­heitss­chä­den einge­set­zt wer­den, voraus­ge­set­zt, sie erfüllen die benötigte desin­fizierende Funktion.
 
Formalde­hyd: Kennze­ich­nung als krebserzeugend
Formalde­hyd ist in der 6. Änderungsverord­nung (Verord­nung (EU) Nr. 605/2014, soge­nan­nte „6. ATP“) zur CLP-Verord­nung mit ein­er verän­derten Kennze­ich­nung gelis­tet (siehe Tabelle 15, rot hin­ter­legt): Auf­grund der Verord­nung (EU) Nr. 491/2015 hat sich der Umset­zung­ster­min für die neue Kennze­ich­nung von Formalde­hyd vom 1.4.2015 auf den 1.1.2016 verschoben.
 
Im Spal­ten­mod­ell ergibt sich dann für Formalde­hyd die Gefahren­stufe „sehr hoch“ hin­sichtlich der Gesund­heits­ge­fahren, wie in Abbil­dung 5 gezeigt wird.
Formalde­hyd wird u.a. zur Ster­il­i­sa­tion und Raumdesin­fek­tion einge­set­zt. Für diese Tätigkeit­en gibt es die Tech­nis­chen Regeln:
  • TRGS 513: Tätigkeit­en an Ster­il­isatoren mit Eth­ylenox­id und Formaldehyd
  • TRGS 522: Raumdesin­fek­tio­nen mit Formaldehyd
Eine Ersatzstoff-TRGS aus der 600-er Rei­he für die oben genan­nten Tätigkeit­en gibt es bish­er (noch) nicht. Daher wird eine Sub­sti­tu­tion in vie­len Fällen – zumin­d­est kurzfristig – nicht mach­bar sein.
Aber schon jet­zt ist der Ein­satz von Formalde­hyd mit einem hohen Aufwand ver­bun­den. Bere­its in der Gefahrstof­fverord­nung find­en sich für seinen Ein­satz zur Raumdesin­fek­tion und als Bega­sungsmit­tel zahlre­iche Anforderun­gen (siehe Gef­Stof­fV Anhang I Num­mer 4 Bega­sun­gen), z.B.:
  • Ver­wen­dungs­beschränkun­gen (Nr. 4.2)
  • Erteilung von Erlaub­nis und Befähi­gungss­chein (Nr. 4.3)
  • Schriftliche Anzeige an die zuständi­ge Behörde (Nr. 4.3.2) oder
  • Doku­men­ta­tion­spflicht zu durchge­führten Bega­sun­gen (Nr. 4.3.3).
Auch in den Tech­nis­chen Regeln 513 und 522, in denen Tätigkeit­en mit Formalde­hyd beschrieben wer­den, find­et sich der Hin­weis auf Sub­sti­tu­tion – ins­beson­dere auf die Beurteilung der tech­nis­chen Eig­nung ein­er Sub­sti­tu­tion­s­möglichkeit im Sinne der TRGS 600 Nr. 5.1 Abs. 2.
 
TRGS 513: 5.4.2 Stand der Technik
(2) Soweit Niedertem­per­atur-Ster­il­i­sa­tionsver­fahren mit anderen biozi­den Wirk­stof­fen oder Strahlen­ster­il­i­sa­tionsver­fahren alter­na­tiv angewen­det wer­den, sind die Leitkri­te­rien Patien­ten­schutz, Arbeits- und Umweltschutz gle­ichrangig zu beacht­en. Auf die TRGS 600 Num­mer 5.1 Abs. 2 wird hingewiesen.
 
Die TRGS 522 hat sog­ar ein eigenes Kapi­tel zum The­ma Sub­sti­tu­tion­sprü­fung: Geht von einem für die Raumdesin­fek­tion zuge­lasse­nen Biozid­pro­dukt eine gerin­gere Gefährdung aus als von Formalde-hyd, ist eine Sub­sti­tu­tion vorzunehmen.
 
TRGS 522: 5.2 Substitutionsprüfung
(2) Im Rah­men der Sub­sti­tu­tion­sprü­fung sind fol­gende Grund­sätze zu beachten: (…)
Ist für eine Raumdesin­fek­tion ein Ver­fahren mit einem zuge­lasse­nen Biozid­pro­dukt möglich, von dem für Beschäftigte und andere Per­so­n­en bei ihren Tätigkeit­en eine gerin­gere Gefährdung aus­ge­ht als bei Formalde­hyd, ist eine Sub­sti­tu­tion vorzunehmen.
 
Der Verzicht auf eine Sub­sti­tu­tion ist gemäß Num­mer 6 der TRGS 600 „Sub­sti­tu­tion“ zu dokumentieren.
 
Es gab und gibt also bere­its zahlre­iche Bestre­bun­gen, Formalde­hyd zu erset­zen. Sicher­lich wer­den diese Bemühun­gen durch die neue Kennze­ich­nung von Formalde­hyd noch weit­er vorangetrieben.
Wenn am Arbeit­splatz ein Verzicht auf Formalde­hyd nicht möglich ist, sollte die Wirk­samkeit der Schutz­maß­nah­men mit dem in der TRGS 513 genan­nten Konzen­tra­tionswert von 0,37 mg/m³ über­prüft werden.
 
TRGS 513: 5.6 Wirk­samkeit­skon­trolle und messtech­nis­che Überwachung
(3) Als Bew­er­tungs­maßstab der Wirk­samkeit tech­nis­ch­er Schutz­maß­nah­men sind fol­gende Konzen­tra­tionswerte in der Luft am Arbeit­splatz zu ver­wen­den: für Formalde­hyd der von der MAK-Kom­mis­sion emp­foh­lene Wert von 0,37 mg/m³, (…)
 
Dieser Empfehlungswert der MAK-Kom­mis­sion sollte als Beurteilungs­grund­lage für die Wirk­samkeit­skon­trolle von Schutz­maß­nah­men bei Tätigkeit­en mit Formalde­hyd herange­zo­gen wer­den. Seit März 2015 liegt auch wieder ein rechtsverbindlich­er Arbeit­splatz­gren­zw­ert in der TRGS 900 vor mit dem gle­ichen Wert 0,37 mg/m³.
 
Sub­sti­tu­tion mit chemisch ähn­lichen Verbindungen:
  • N‑Methylpyrrolidon (NMP) – N‑Ethylpyrrolidon (NEP)
Die Sub­sti­tu­tion eines Stoffes durch einen chemisch ähn­lichen Stoff – und damit ver­bun­den ähn­lichen Eigen­schaften und Gefahren – mag auf den ersten Blick sin­nvoll sein. Den­noch ist Vor­sicht geboten, wenn beim möglichen Ersatzstoff die Daten­lage noch nicht so gut ist wie beim einge­set­zten Stoff.
Im Laufe der Jahre kann sich her­ausstellen, dass der ver­meintlich weniger gefährliche Ersatzstoff doch (wieder) min­destens genau­so gefährlich ist wie der ursprünglich einge­set­zte Stoff.
 
Ein Beispiel in diesem Zusam­men­hang ist N‑Methyl-2-pyrroli­don (NMP), welch­es in der Ver­gan­gen­heit oft durch das ver­meintlich weniger gefährliche N‑Ethyl-2-pyrroli­don (NEP)
erset­zt wurde.
Die höch­ste Gesund­heits­ge­fahr bei NMP ist seine fruchtschädi­gende Wirkung (Kennze­ich­nung mit H360D).
In Tabelle 16 ist die Kennze­ich­nung von N‑Methyl-2-pyrroli­don aufge­führt. H360D ergibt im Spal­ten­mod­ell die Gefahren­stufe „hoch“.
 
Der mit NMP ver­wandte Stoff NEP galt 2013 noch als „nur poten­ziell repro­duk­tion­stox­is­ch­er Stoff“. Es verdichteten sich aber schon damals die Hin­weise, dass die „schädlichen Wirkun­gen von NEP denen von NMP in nichts nach­ste­hen“ und der Stoff nur noch nicht hin­re­ichend unter­sucht wor­den war. Inzwis­chen gibt es Betriebe, die von NEP gän­zlich wieder abgerückt sind und für diesen Stoff wiederum Ersatzstoffe gefun­den haben (Carl 2013).
 
Inzwis­chen ist N‑Ethyl-2-pyrroli­don in der 5. Änderungsverord­nung zur CLP-Verord­nung (Verord­nung (EU) Nr. 944/2013) gelis­tet. Dort wird er als Rein­stoff in die gle­iche CMR-Kat­e­gorie wie N‑Methylpyrrolidon eingestuft und muss spätestens ab dem 1.12.2014 auch mit dem H‑Satz H360D gekennze­ich­net wer­den, wie Tabelle 17 zeigt.
 
Bei diesem Beispiel hat sich durch die verbesserte Daten­lage im Nach­hinein her­ausstellt, dass der „ver­meintlich weniger gefährliche“ Ersatzstoff NEP auf­grund der fruchtschädi­gen­den Wirkung eben­so mit ein­er „hohen“ Gesund­heits­ge­fahr ver­bun­den ist. Das ist jedoch kein Grund, grund­sät­zlich von ein­er Sub­sti­tu­tion abzu­rat­en. Beurteilungsergeb­nisse zu möglicher­weise geeigneten Ersatzstof­fen kön­nen sich im Laufe der Zeit verän­dern. Das Ergeb­nis der Sub­sti­tu­tion­sprü­fung ist dann der neuen Daten­lage entsprechend anzupassen.
 
EIN richtiger Entschei­dungsweg (wann sollte man sub­sti­tu­ieren und wann nicht?) für ALLE Fälle von Sub­sti­tu­tio­nen in Abhängigkeit der Daten­lage kann hier lei­der nicht genan­nt wer­den. Der einzige Tipp, der an dieser Stelle gegeben wer­den kann, ist: Bleiben Sie am Ball und sprin­gen Sie nicht gle­ich auf jeden Sub­sti­tu­tion­szug auf. Wenn sich neue Hin­weise auf kri­tis­che Eigen­schaften „häufen“ oder „ver­stärken“, ist die Sub­sti­tu­tion­sentschei­dung erneut zu über­prüfen und gegebe­nen­falls zu ändern.
 
Tetrahy­dro­fu­ran – 2‑Methyl­te­trahy­dro-furan
Die Kennze­ich­nung von Tetrahy­dro­fu­ran (THF) als „ver­mut­lich kreb­serzeu­gend“ in der 3. Anpas­sungsverord­nung zur CLP-Verord­nung (Verord­nung (EU) Nr. 618/2012) führte in vie­len Betrieben zur Sub­sti­tu­tion mit der chemisch ähn­lichen Verbindung 2‑Methyl­te­trahy­dro-furan (2‑MeTHF).
 
Tabelle 18 stellt die Struk­tur­formeln der chemisch ähn­lichen Verbindun­gen gegenüber. Tabelle 19 zeigt die „verbindliche“ Kennze­ich­nung von THF aus Anhang VI der CLP-Verordnung.
Für 2‑Methyltetrahydrofuran gibt es noch keine „verbindliche“ Kennze­ich­nung aus Anhang VI der CLP-Verord­nung. Das bedeutet, dass je nach Her­steller unter­schiedliche Kennze­ich­nun­gen in Sicher­heits­daten­blät­tern zu find­en sind.
 
Abge­se­hen von der unter­schiedlichen Kennze­ich­nung durch die Her­steller beste­ht auch die Möglichkeit, dass 2‑Methyltetrahydrofuran zukün­ftig noch genauer unter­sucht wird und dann mit weit­eren H‑Sätzen eingestuft und gekennze­ich­net wer­den muss, wenn entsprechende Prüfer­geb­nisse vorliegen.
 
Es ist daher nicht unbe­d­ingt sin­nvoll, einen Stoff mit bekan­nten gefährlichen Eigen­schaften – in diesem Fall Tetrahy­dro­fu­ran mit der Kennze­ich­nung „H351: Kann ver­mut­lich Krebs erzeu­gen“ – durch einen anderen Stoff mit (evtl. noch) unbekan­nten Gefahren – hier 2‑Methyltetrahydrofuran – zu ersetzen.
 
EMKG: 0.2 Substitutionsprüfung
(…) Darüber hin­aus ist es aber nicht sin­nvoll, Gefahrstoffe mit bekan­nten gefährlichen Eigen­schaften durch Pro­duk­te mit unbekan­nten Gefahren zu ersetzen.
 
Tetrahy­dro­fu­ran hat zudem den „Vorteil“, dass eine Über­prü­fung der Wirk­samkeit der Schutz­maß­nah­men auf­grund des in der TRGS 900 vorhan­de­nen Arbeit­splatz­gren­zw­ertes von 150 mg/m³ (50 ppm) ein­fach möglich ist.
 
 
Lit­er­atur
  • Alt­nau G (2001a). MAK-Wert allein reicht nicht – Risikopoten­ziale von Lösemit­teln umfassend bew­erten. CHEMIE TECHNIK, 30: 60–62, www.pharma-food.de/ai/resources/2ee21ed3463.pdf (Stand: 3/2015)
  • Alt­nau G (2001b). Warum Gesund­heits- und Umwelt­ge­fährdun­gen akzep­tieren? GIT Sicher­heit + Man­age­ment 8: 59–62
  • Barn­husen MF (2014). Sub­sti­tu­tion­sprü­fung nach Gefahrstof­fverord­nung – einige Hin­weise zur Durch­führung, www.brd.nrw.de/lerntreffs/chemie/pages/gefahrstoff/downloads/substitutionspruefung.pdf (Stand: 3/2015)
  • Carl C (2013) Sub­sti­tu­tion­sprü­fung bei Tätigkeit­en mit Gefahrstof­fen – Pflicht, Aufwand und Nutzen. Sicher­heitsin­ge­nieur 9: 34–39
  • Debia M, Bégin D, Gérin M (2009). Com­par­a­tive Eval­u­a­tion of Over­ex­po­sure Poten­tial Indices used in Sol­vent Sub­sti­tu­tion. Ann. Occup. Hyg. 53: 391–401: http://annhyg.oxfordjournals.org/content/53/4/391.full.pdf (Stand: 3/2015)
  • Eick­mann U, Türk J, Knauff-Eick­mann R, Kefen­baum K, Seitz M (2007). Desin­fek­tion­s­mit­tel im Gesund­heits­di­enst – Infor­ma­tio­nen für eine Gefährdungs­beurteilung. Gefahrstoffe – Rein­hal­tung der Luft 67: 17–25, www.dguv.de/medien/ifa/de/pub/grl/pdf/2007_004.pdf (Stand: 3/2015)
  • Rühl R, Köh­ler U, Stein­ert W (2013). Umgang mit Gefahrstof­fen in KMU – Kon­se­quen­zen ziehen. Sicher­heitsin­ge­nieur 11: 26–30: www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/Praeventionsmaterialien/Praeventionsdateien/Umgang_mit_Gefahrstoffen.pdf (Stand: 3/2015)
  • Pür­gy R, Stock­er E, Wim­mer M, Holovsky EHM (2014). Stof­fzu­las­sung nach REACH – erste Erfahrun­gen aus Öster­re­ich. Gefahrstoffe – Rein­hal­tung der Luft 74: 7–13
Verord­nun­gen
  • CLP-Verord­nung. Verord­nung (EG) Nr. 1272/2008 über die Ein­stu­fung, Kennze­ich­nung und Ver­pack­ung von Stof­fen und Gemis­chen, zur Änderung und Aufhe­bung der Richtlin­ien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verord­nung (EG) Nr. 1907/2006 inklu­sive Änderungsverord­nun­gen. Aktuelle Fas­sung einzuse­hen unter: www.reach-clp-biozid-helpdesk.de → Recht­s­texte und Leitlin­ien (Stand 3/2015)
  • Gef­Stof­fV. Gefahrstof­fverord­nung – Verord­nung zum Schutz vor Gefahrstof­fen, vom 26.11.2010 (BGBl. I S. 1643). Aktuelle Fas­sung einzuse­hen unter: www.baua.de → The­men von A‑Z → Gefahrstoffe → Recht­s­texte Gefahrstoffe → Gefahrstof­fverord­nung: www.baua.de/de/Themen-von-A‑Z/Gefahrstoffe/Rechtstexte/Gefahrstoffverordnung.html (Stand 3/2015)
  • REACH-Verord­nung. Verord­nung (EG) Nr. 1907/2006 zur Reg­istrierung, Bew­er­tung, Zulas­sung und Beschränkung chemis­ch­er Stoffe (REACH), zur Schaf­fung ein­er Europäis­chen Chemikalien­agen­tur, vom 18.12.2006 (ABl. L 396 S. 1). Aktuelle Fas­sung einzuse­hen unter: www.reach-clp-biozid-helpdesk.de → Recht­s­texte und Leitlin­ien (Stand 3/2015)
Tech­nis­che Regeln und Bekan­nt­machun­gen zu Gefahrstoffen
(Down­load mit jew­eils aktuellem Stand unter www.baua.de/TRGS
(Stand 3/2015)
  • TRGS 400 Gefährdungs­beurteilung für Tätigkeit­en mit Gefahrstof­fen, 12/2010
  • TRGS 460 Hand­lungsempfehlung zur Ermit­tlung des Standes der Tech­nik, inklu­sive Prax­is­beispiele, 10/2013
  • TRGS 500 Schutz­maß­nah­men 1/2008
  • TRGS 513 Tätigkeit­en an Ster­il­isatoren mit Eth­ylenox­id und Formalde­hyd, 10/2011
  • TRGS 522 Raumdesin­fek­tion mit Formalde­hyd, 1/2013
  • TRGS 525 Gefahrstoffe in Ein­rich­tun­gen der medi­zinis­chen Ver­sorgung, 9/2014
  • TRGS 600 Sub­sti­tu­tion, 8/2008
  • TRGS 900 Arbeit­splatz­gren­zw­erte, 1/2006
  • TRGS 910 Risikobe­zo­genes Maß­nah­menkonzept für Tätigkeit­en mit kreb­serzeu­gen­den Gefahrstof­fen, 2/2014
BG- bzw. DGUV-Schriften
(weit­ere Infor­ma­tio­nen und teil­weis­er Down­load unter http://publikationen.dguv.de → Regelwerk)
  • BG-Empfehlung 1039. BG/BIA-Empfehlun­gen zur Überwachung von Arbeits­bere­ichen – Flächen­desin­fek­tio­nen in Kranken­haussta­tio­nen, Mai 2011, Stand: Juli 2002. www.dguv.de/ifa → Prax­ishil­fen → Gefahrstoffe → Empfehlun­gen Gefährdungser­mit­tlung der Unfal­lver­sicherungsträger (EGU) → Alle EGU und BG/B­GIA-Empfehlun­gen (…) in alpha­betis­ch­er Rei­hen­folge: www.dguv.de/medien/ifa/de/pra/bg_bgia_empfehlungen/bg_bia_1039.pdf (Stand 3/2015)
  • BG Merk­blatt M 051 (ehe­mals auch BGI 536) Gefährliche chemis­che Stoffe, 2/1997, zurück­ge­zo­gen 2008
  • DGUV Infor­ma­tion 213–850 (ehe­mals BGI 850–0) Sicheres Arbeit­en in Lab­o­ra­to­rien, 03/2014, http://bgi850–0.vur.jedermann.de/index.jsp (Stand 3/2015)

Weit­ere Literatur

  • C&L‑Datenbank. Daten­bank des C&L‑Verzeichnisses, www.echa.europa.eu/de Infor­ma­tio­nen über Chemikalien → C&L‑Inventory Daten­bank des C&L‑Verzeichnisses durch­suchen (Stand 3/2015)
  • EMKG (2012) Ein­fach­es Maß­nah­menkonzept Gefahrstoffe, Ver­sion 2.2, www.baua.de: Start­seite → Infor­ma­tio­nen für die Prax­is → Hand­lung­shil­fen und Prax­is­beispiele → Ein­fach­es Maß­nah­menkonzept Gefahrstoffe: www.baua.de/de/Themen-von-A‑Z/Gefahrstoffe/EMKG/EMKG.html (Stand 3/2015)
  • GESTIS-Stoff­daten­bank. Gefahrstoffin­for­ma­tion­ssys­tem der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung, www.dguv.de/dguv/ifa → Gefahrstoff­daten­banken (Stand 3/2015)
  • Begriff­s­glos­sar zu den Regel­w­erken der Betrieb­sicher­heitsverord­nung, der Biostof­fverord­nung und der Gefahrstof­fverord­nung, www.baua/de → The­men von A‑Z → Gefahrstoffe → Tech­nis­che Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) → Begriff­s­glos­sar: www.baua.de/de/Themen-von-A‑Z/Gefahrstoffe/Glossar/Glossar.html (Stand 3/2015)
  • GZFA. Gesellschaft für Zah­nge­sund­heit, Funk­tion und Ästhetik, www.gzfa.de → Ser­vice und Beratung → Patien­ten­in­for­ma­tion → Sprech­stun­den → Karies: www.gzfa.de/ser­vice-beratung/­pa­tien­ten­in­for­ma­tion/sprech­stun­den/karies/ (Stand 3/2015)
  • IFA-GHS (2014). Das GHS-Spal­ten­mod­ell 2014 – Eine Hil­festel­lung zur Sub­sti­tu-tion­sprü­fung nach Gefahrstof­fverord­nung“, www.dguv.de/ifa → Prax­ishil­fen → GHS-Spal­ten­mod­ell zur Suche nach Ersatzstof­fen: http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/ghs_spaltenmodell.pdf?x=y (Stand 3/2015)
  • REACH-CLP-Biozid-Helpdesk nationale Auskun­ftsstelle des Bun­des für REACH, CLP und Biozide, www.reach-clp-biozid-helpdesk.de (Stand 3/2015)
 
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Sub­sti­tu­tion von Gefahrstof­fen“ von B. Stöf­fler, erschienen bei ecomed Sicher­heit, ISBN 978–3–609–69181–7, 194 Seit­en: www.ecomed-storck.de
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