„Mens sana in corpore sano“ – dieser Sinnspruch hat heute mehr Bedeutung denn je. Schließlich wird der gesunde Geist – wissenschaftlich untermauert –immer häufiger auch für den Gesundheitszustand des Körpers verantwortlich gemacht. Sind wir seelisch belastet, weil wir uns um den Arbeitsplatz, die Schulsituation der Kinder oder die Finanzen Sorgen machen, ist das Immunsystem weit mehr in Alarmbereitschaft als in seelisch ausgeglichenen Zeiten. Warum wir mit unserer Seelenlage genauso sorgsam umgehen sollten wie mit unserer körperlichen Gesundheit, erfahren Sie hier.
Britta Surholt
Die Empfehlung: Achten Sie auf sich – lassen Sie es sich gut gehen – ist einfacher gesagt als getan. Denn nicht nur das Management einer Familie, sondern auch die Arbeit ist heute (mehr denn je) eine ausgeprägte psychosoziale Angelegenheit. Es geht im Alltag längst nicht mehr nur darum, sein Arbeitspensum zu erledigen. Parallel kümmern wir uns um ein ausgeglichenes Miteinander, organisieren Verabredungen, halten Telefonkontakt, gehen rasch noch zum Sport, achten darauf, dass Anerkennung und Wertschätzung nicht zu kurz kommen. Bemühen uns also redlich, Freizeit möglichst in einem guten Verhältnis zum stressigen Job stattfinden zu lassen.
Ein Strudel an Verpflichtungen
Stets alles im Blick zu behalten, dem Partner ebenso aufmerksam zu begegnen wie den Kindern, Kollegen und Freunden, ist nicht immer leicht. Die Gefahr, sich im Strudel der Verpflichtungen zu verausgaben, ist groß.
Aber gesund an Leib und Seele können wir nur bleiben, wenn wir uns Zeiten der Erholung gönnen. Diese Auszeiten sind kein Luxus, sondern lebensnotwendig.
„Pausenlos zu arbeiten ist ineffektiv und erzeugt Stress“, so Dr. Susanne Griem-Schlicht, Allgemeinmedizinerin aus Hamburg. Etwa im zweistündigen Turnus zeigt unsere Leistungskurve nach unten – und es ist Zeit, eine kurze Pause einzulegen. „Wenige Minuten reichen, um neue Energien zu mobilisieren. Wer viel am PC arbeitet und sich einfach nur vom Arbeitsplatz entfernt, um einmal durchzuatmen und sich abzulenken, hat schon viel für sich getan“, erklärt Ärztin Griem-Schlicht. Ist sogar mehr als das möglich – vielleicht ein kurzer Gang nach draußen, ein Plausch mit dem Kollegen oder ein ungestörter Blick in die Natur – ist das erst recht inspirierend und zielführend.
Denn mit den Pausen bei der Arbeit und im Alltag verhält es sich ähnlich wie mit den Pausen im Sport: Auf höchstem Niveau lässt sich nur trainieren, wenn auch Pausen ihren Platz im Trainingsplan haben. Nur wenn diese eingehalten werden, können schließlich im Wettkampf Höchstleistungen abgerufen werden.
Hilfe – ich kann nicht mehr
Ob Herzinfarkt, Rückenschmerz oder Neurodermitis-Schub – die Psyche hat einen immens großen Einfluss auf Erkrankungsrisiken und Heilungsverläufe. Besonders gut erforscht ist der „seelische Notruf“ im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei etwa vier von fünf Herzinfarkt-Patienten vermuten Experten den lebensgefährlichen Einfluss der Psyche. Vor allem Stress im Job oder auch familiäre Belastungen steigern das Risiko enorm. Das Herz blockiert sozusagen – und versagt seinen Dienst angesichts sich häufender Konflikte, zahlreicher Stressfaktoren oder besonderer Schicksalsschläge.
Optimismus und Zufriedenheit haben großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Auch die Lebenserwartung – so vermutet es die Wissenschaft – wird maßgeblich von diesen Eigenschaften beeinflusst. Wer griesgrämig und schlecht gelaunt durchs Leben geht, soll weniger widerstandsfähig sein, als ein grundoptimistischer, fröhlicher Mensch. Eine amerikanische Langzeitstudie über insgesamt acht Jahre mit 100.000 Frauen belegt dies sehr eindrucksvoll: Frauen, die typmäßig eher zynisch und feindselig eingestellt waren, hatten ein deutlich erhöhtes Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Auch chronische Entzündungen traten bei Frauen mit negativer Grundeinstellung weit häufiger auf.
Die Fähigkeit, kritische und stressige Situationen zu bewältigen, wird schon im Kindesalter erlernt. Schon früh erkennen Kinder, ob sie Vertrauen in die eigenen Stärke haben können und wie eine positive geistige Haltung den Alltag spürbar leichter macht. Dies schützt vor störenden Einflüssen. In der Fachsprache wird diese Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress und anderen (negativen) Erlebnissen Resilienz genannt. Sie bildet sich um so besser und stabiler aus, je häufiger wir in Situationen kommen, die uns herausfordern. Schlimme Situationen (wie etwa der Verlust eines geliebten Menschen) sind dabei ebenso lehrreich wie erfreuliche Erlebnisse, aus denen man quasi als Sieger oder Gewinner hervorgeht.
Bewältigungsstrategien müssen sowohl für das Schöne als auch für die unglücklichen Momente im Leben erlernt werden. Das ist eine Art „Anpassungsleistung“, für die man seine Gefühle orten und auch einsortieren muss. Bin ich maßlos enttäuscht oder nur traurig, weil etwas danebengegangen ist? Habe ich Wut im Bauch wegen des Partners oder hege ich schon Trennungsgedanken? Erst wenn wir uns dieser Gefühle wirklich bewusst sind, können wir Resilienz weiter ausbauen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Gestärkt wird die Resilienz durch Optimismus und Humor, aber auch durch die Fähigkeit, einen Sinn im Leben zu finden. Wer das Leben leicht nimmt und auch Tiefs nicht gleich als Riesenkatastrophe empfindet, kann sich weit besser motivieren und wieder nach vorne kämpfen. Diese Tipps können dabei helfen, sich (künftig einfach) mal lachend neu zu positionieren.
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- Humor hilft, verfahrene Situationen zu entkrampfen und einen neuen Zugang zu finden.
- Humor baut Angst und Stress ab, weil Endorphine freigesetzt werden.
- Humor erleichtert den Perspektivwechsel – man betrachtet sich selbst mal aus der Distanz.
- Humor steigert Kreativität und Effizienz.
- Humor hilft gegen das „Ich-bin-der-Nabel-der-Welt-Syndrom“.
- Humor verscheucht Perfektionismus, selbst Fehler lassen sich „weglachen“.
Wenn Stress schädlich wird
Sind wir im Stress, schüttet der Körper vor allem die Hormone Cortisol und Adrenalin aus. Das hat durchaus seinen Sinn, denn seit Urzeiten wird dadurch ein Programm abgespult: Es wird binnen Sekunden Energie zur Verfügung gestellt, Herzfrequenz und Blutdruck steigen. Damit sollen wir befähigt werden, einer drohenden Gefahr zu begegnen. „Flucht oder Angriff vorbereiten!“ – wird dem Gehirn, den Muskeln und auch dem Magen-Darm-Bereich gemeldet. Was folgt, ist eine blitzartige Mobilmachung aller Körperreserven, die Verdauungsarbeit wird eingestellt und die Schmerztoleranz kurzfristig erhöht. Eine echte Alarm-Reaktion, die im heutigen Alltag zwar ständig in Trab gesetzt, aber niemals wirklich benötigt wird. Denn der Stress, dem wir ausgeliefert sind, erfordert keine Flucht, die freigesetzten Energien bleiben folglich ungenutzt.
Schlimmstenfalls können sie sich gegen den eigenen Körper richten. Das Risiko dafür ist dann besonders groß, wenn über einen langen Zeitraum hohe Belastung empfunden wird. Da kann eine sehr anstrengende Phase im Beruf zu bewältigen sein oder der Tod eines engen Angehörigen stellt gerade das alte Leben auf den Kopf.
„Wenn wir uns überfordert und ausgeliefert fühlen, und mit der Situation so gar nicht umgehen können, lässt uns der Stress hilflos und mit negativen Gefühlen zurück“, erklärt Dr. Susanne Griem-Schlicht. „Aber ebenso gut kann uns eine Anstrengung auch herausfordern und ganz besondere Kräfte freisetzen. Um nicht gesundheitliche Einbußen zu erleiden, und auszubrennen, ist es wichtig zu ergründen: Wann fängt eine fordernde, spannende Situation an, uns zu überfordern? Genau an diesem Punkt sollten wir etwas gegen übermäßige Belastung tun.
Sport gegen Stress
Dass beim Sport Energien abgearbeitet werden können, die zuvor bei der Stress-Reaktion mobilisiert wurden, ist schon lange erwiesen. Wie wir uns aber sogar mit einer sportlichen Leistung aus einem seelischen Tief holen können, hat ein Forscher-Team rund um PD Dr. Freerk Baumann von der Deutschen Sporthochschule Köln herausgefunden.
Der Sportwissenschaftler hat Patienten nach überstandener Krebserkrankung zu einer enormen sportlichen Herausforderung motiviert. Frauen, die Brustkrebs hatten, wanderten im Auftrag der Wissenschaft über den Jakobsweg; Männer, die gerade ihren Prostatakrebs besiegt hatten, überquerten ärztlich begleitet die Alpen. Dazu Dr. Freerk Baumann: „Die sportliche Herausforderung hat nicht nur das psychische, sondern auch das physische Wohlbefinden signifikant verbessert.“
Bevor es auf die kilometerlange Wanderung ging, fühlten sich die Patienten schwach und hatten Angst, die großen Strapazen womöglich nicht bestehen zu können. Während der Tour wurden dann aber schlummernde Potenziale geweckt: Die Betroffenen fühlten sich immer stärker und leistungsfähiger. Auch die Ergebnisse, die nach Blutuntersuchung und anderen Messungen zu Tage traten, sprechen für die sportliche Kettenreaktion: Psychische Stabilität, Stress-Niveau, körperliche Leistungsfähigkeit, Blutdruck und freie Radikale – bei allen Patienten waren diese Parameter vorbildlich.
In jedem Fall tut es auch psychisch gut, Sport zu treiben. Denn Sport ist ein Seelentröster. Immer öfter wird Bewegung daher in die medizinische Behandlung verschiedener Erkrankungen integriert: Ob Depressionen, Herzerkrankungen oder Diabetes – wer sich bewegt, ist glücklicher! Erforscht ist: Krebspatienten, die sich einer belastenden Chemotherapie unterziehen müssen, haben weniger unangenehme Begleiterscheinun-gen, wenn sie Sport treiben. Nicht nur die Übelkeit wird weniger schlimm empfunden, auch der Lebensmut und die Lebenslust lassen sich dank der sportlichen Betätigung steigern.
Besonders interessant: Die Immunabwehr ist erstaunlicherweise dann besonders groß, wenn man sportlich an seine Grenzen geht. Gleichzeitig wurde in solch einem Fall eine niedrige Infektionsschwelle festgestellt. Die Angst, Sport könne schädlich fürs Immunsystem sein, müssen also nicht einmal Patienten mit Vorerkrankung haben.
Der sogenannte Burnout – das Ausbrennen bzw. der Zustand totaler emotionaler Erschöpfung – ist in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet. Die Betroffenen fühlen sich über einen längeren Zeitraum am Ende ihrer Kräfte. Innere Leere und Freudlosigkeit werden so übermächtig, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, den Arbeitsalltag zu bewältigen. Die Arbeitsleistung nimmt spürbar ab, Momente der Freude und Erfolge können nicht mehr empfunden werden. Die Betroffenen „schotten“ sich spürbar ab von ihrem gesamten Umfeld – ob Kollegen oder Familie, zu allen Menschen im engeren Kreis wird auf Abstand gegangen. Um es nicht so weit kommen zu lassen, sollten einige Tipps zur Motivation und Regeneration beherzigt werden. Oberstes Gebot: Seien Sie aufmerksam gegenüber sich selbst und sorgen Sie – gerade in anstrengenden/belastenden/stressigen Zeiten gut für sich.
- Pflegen Sie Freundschaften: Denn nichts ist schöner als sich austauschen und aussprechen zu können. Natürlich kann auch Arbeit sehr erfüllend sein. Aber in der Arbeit kann man dennoch nie so viel Anerkennung bekommen, dass man dadurch ein schlechtes/unglückliches Privatleben kompensieren kann.
- Versuchen Sie, positiv zu denken: Positive Denkmuster ermöglichen lustvolleres Arbeiten und Leben. Wer ohne Angst ans Werk geht („Ich darf auch Fehler machen“) ist unvoreingenommener. Für mehr Leistungsstärke sorgen Überzeugungen wie „Aus schwierigen Aufgaben kann ich lernen“.
- Nehmen Sie Hilfe an: Ob im Büro oder privat – sich gegenseitig auszuhelfen, ist keine „Pleite“. Jeder steht in einer Notlage gern zur Verfügung.
- Tragen Sie Konflikte offen aus: Schwelender Streit, der nicht wirklich ausdiskutiert wurde, belastet. Derartigen Ballast muss man nicht mit sich tragen.
- Tun Sie sich etwas Gutes: Warum bloß gönnt man sich gerade in den stressigsten Phasen des Lebens nichts positiv Stimmendes? Ganz verkehrt. Genau dann muss doch die Seele ihren Genussmoment erleben dürfen. Lassen Sie die Seele baumeln, hängen Sie Ihren Gedanken nach. Geben Sie womöglich auch mal Langeweile eine Chance….
- Sagen Sie auch mal Nein: Je besser Sie sich und Ihre Ressourcen einschätzen können, desto besser gelingt das. Mit einem Nein schützen Sie sich bisweilen davor, sich immer zu viel aufzuhalsen.
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Sicherheitsbeauftrager 10|2015