Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland werden Erwerbstätige länger arbeiten müssen. Viele von ihnen gehen jedoch einem Beruf nach, den sie schon jetzt aufgrund von Belastungen wahrscheinlich nicht bis zur Rente ausüben können. Vorrangig älteren Beschäftigten droht dadurch ein sozialer Abstieg durch Arbeitslosigkeit oder vorzeitige Verrentung.
Diese Entwicklung erfordert Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder zu fördern und die Verweildauer im erlernten Beruf zu verlängern. Hierzu gehört die präventive Arbeit der Unfallversicherungsträger: ergonomische Arbeitsgestaltung, angepasste Arbeitsorganisation, betrieblicher Gesundheitsschutz et cetera.
Berufe mit begrenzter Tätigkeitsdauer
Bei manchen Berufen reichen präventive Maßnahmen nicht aus. Die Statistiken zeigen, dass es sogenannte „Berufe mit begrenzter Tätigkeitsdauer“ gibt. Dies sind häufig Berufe, die physisch stark belastend sind, vorrangig im Bereich der Mineralgewinnung, der Metallbearbeitung, der Forst- und Landwirtschaft oder auf dem Bau.
Aber auch psychische Belastungen, zum Beispiel bedingt durch ungünstige Arbeitszeiten und Schichtarbeit, Arbeitsverdichtung und hohe Verantwortung, können zu einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Beruf führen. Beispielsweise weiß man von Beschäftigten in der stationären Krankenpflege, dass die durchschnittliche Verweildauer dort lediglich zehn Jahre beträgt. Entsprechend hat die demografische Entwicklung einen zunehmenden Mangel an Fachkräften zur Folge. Insbesondere kleine und mittelgroße Unternehmen spüren solche Engpässe, die sich in bestimmten Berufen und Regionen noch verschärfen können.
Ein neuer Beruf als Lösung
Eine interessante Alternative zum frühzeitigen Ausstieg aus dem Beruf könnte sein, dass betroffene Beschäftigte rechtzeitig einen neuen Beruf erlernen. Hier setzt das Projekt „Horizontaler Berufsumstieg: eine neue berufliche Chance für ältere Beschäftigte“ des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) an. Die Idee ist: Wenn sich die Beschäftigungsdauer im ursprünglichen Beruf durch präventive Maßnahmen nicht verlängern lässt, kann ein Wechsel in einen anderen Beruf, der weniger oder anders belastend ist, sinnvoll sein. Wie lässt sich ein für einen Wechsel geeigneter Beruf finden?
Das IAG hat hierfür einen digitalen Wegweiser entwickelt. Dieser ist in Form eines Portals für einzelne Beschäftigte sowie kleine und mittelgroße Unternehmen als Zielgruppen aufgebaut. Neben Verlinkungen auf Informationsmaterial zur Entwicklung von Bevölkerung und Branchen sowie Angebote regionaler Beratungsstellen umfasst der Wegweiser ein IT-Instrument zur Suche nach passenden Umstiegsberufen. Dieses IT-Instrument enthält eine Datenbank mit allen in Deutschland anerkannten Ausbildungsberufen.
Derzeit wird die Datenbank noch um Weiterbildungsberufe erweitert. Jeder Beruf wird in einem standardisierten Berufsprofil beschrieben. Das Profil umfasst eine Zuordnung zu Berufsgruppen, Berufsmerkmale wie Arbeitszeit und Arbeitsort, Qualifikationen und Kompetenzen, die für die Ausübung des Berufs erforderlich sind, sowie die Anforderungen und Belastungen des Berufs.
Suche mit dem „Wegweiser Berufsumstieg“
Sucht nun eine Person nach geeigneten Berufen für einen Umstieg, gibt sie im IT-Instrument ihr Personenprofil ein, das heißt sie macht Angaben zu ihren Qualifikationen und Kompetenzen sowie zu Beanspruchungsfolgen oder Einschränkungen. Dabei geht es auch um Kompetenzen, die die Person außerhalb ihres Berufslebens, zum Beispiel im Ehrenamt oder durch Hobbys, erworben hat. Zusätzlich wird nach ihren Vorlieben und Interessen gefragt, denn nicht jeder Beruf macht jedem Spaß. Das IT-Instrument gleicht die personenbezogenen Daten mit den Profilen aller in der Datenbank enthaltenen Berufe ab.
Ergebnisse der Berufssuche
Das IT-Instrument gibt die Ergebnisse in Form einer Liste von Berufen aus, die als geeignete Umstiegsberufe in Frage kommen. Diese Liste ist nach der Gesamtpassung sortiert, das heißt nach einem Gesamtwert für die Übereinstimmung in Kompetenzen, Vorlieben und Beanspruchung. Sie kann aber auch jeweils nach einem dieser Kriterien sortiert werden, sodass die Berufe an oberster Stelle stehen, die der Suchende am liebsten machen möchte, oder die, für die er am wenigsten umlernen muss, oder die, die für ihn am wenigsten belastend sind.
Darüber hinaus gibt das Instrument für jeden (neuen) Beruf den Vergleich zum aktuellen Beruf an. Es kann also zum Beispiel abgelesen werden, ob der neue Beruf den Vorlieben der suchenden Person eher entspricht als der alte. Insbesondere für den Bereich der Gesundheit ist es wichtig, sehen zu können, ob der neue Beruf tatsächlich geringere beziehungsweise passendere Belastungen aufweist.
Nutzen des Instruments
So ein digitales Instrument kann natürlich nur erste Informationen über mögliche Umstiegsberufe bereitstellen. Es dient vor allem dazu, den Nutzern Ideen für einen Berufswechsel zu geben oder sie zu motivieren, sich auch im fortgeschrittenen Alter noch mit der Frage nach einem Berufswechsel auseinanderzusetzen. Der Nutzung des IT-Instruments muss auf jeden Fall eine persönliche Beratung folgen. So kann es für den Einzelnen, aber auch für die Personalberatung oder für die Personalplanung und ‑entwicklung im Betrieb eine wertvolle Unterstützung bieten.
Für die Unfallversicherungsträger liegt der Nutzen des Instruments im Bereich des Reha-Managements. Es erleichtert eine erfolgreiche Berufshilfe von verunfallten Personen, die nicht in ihren ursprünglichen Beruf zurückkehren können. Auch hier gilt: Das IT-Instrument kann und soll das persönliche Beratungsgespräch nicht ersetzen. Als Ergänzung bedeutet sein Einsatz aber sowohl eine Verbesserung der Qualität des Reha-Managements als auch Zeit- und Geldersparnis.
Praxis-Tipps
- Wer mehr über das Instrument erfahren möchte, kann es sich direkt unter http://wegweiser-berufsumstieg.de anschauen.
- Umfassende Informationen zum Horizontalen Berufsumstieg enthält zudem die Broschüre „Wegweiser Berufsumstieg – Gesund bis zur Rente durch einen frühzeitigen Berufswechsel“. Sie steht in der Publikationsdatenbank der DGUV unter www.dguv.de/publikationen (Bestellnummer 12356) zum Download zur Verfügung.