Ergonomie beginnt schon mit der Beleuchtung: Denn 80 Prozent aller Informationen nehmen wir über unsere Augen auf. E‑Mails lesen, Texte am Computer schreiben, Notizen auf Papier – die typischen Tätigkeiten des Büroalltags sind ohne Licht kaum denkbar.
Optimale Sehbedingungen
Licht im Büro passt sich idealerweise flexibel an wechselnde Arbeitsformen an und schafft für jede Situation optimale Sehbedingungen. Vorgaben für die Bürobeleuchtung liefert die Norm DIN EN 12464–1. Für Arbeitsbereiche sieht sie eine Beleuchtungsstärke von mindestens 500 Lux vor. Grundsätzlich gilt jedoch: Je schwieriger die Sehaufgabe, desto mehr Licht wird benötigt. Zur Beleuchtung von Büroräumen werden drei Beleuchtungskonzepte angewandt:
- Auf den Raum bezogene Beleuchtung schafft an allen Stellen im Raum gleichmäßige Sehbedingungen und bleibt damit flexibel, auch wenn Arbeitsbereiche umgestellt werden.
- Auf den Arbeitsbereich bezogene Beleuchtung ist ideal bei mehreren Arbeitsbereichen mit unterschiedlichen Sehaufgaben in einem Raum, die somit ein unterschiedliches Beleuchtungsniveau erfordern. Sie ermöglicht auch eine individuelle Anpassung an die jeweiligen Nutzer.
- Auf Teilflächen bezogene Beleuchtung erzeugt ein Beleuchtungsniveau auf bestimmten Teilflächen im Büro, zum Beispiel auf dem Schreibtisch. Das Beleuchtungsniveau ist der Sehaufgabe oder den individuellen Wünschen angepasst.
Zonierte Beleuchtung
In Büros erleichtert eine zonierte Beleuchtung die Orientierung und schafft Atmosphäre. Die Grundlage bildet häufig raumbezogenes Licht aus Pendelleuchten oder großflächigen Deckenleuchten. Arbeitsbereiche werden separat mit zusätzlichem Licht versorgt, etwa über Stehleuchten. Das ist vor allem für ältere Arbeitnehmer wichtig: Denn sie benötigen mehr Licht, also höhere Beleuchtungsstärken. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Blendungsempfindlichkeit, daher sollten gut entblendete Leuchten zum Einsatz kommen.
Digitales Licht
Viele Büros werden vom frühen Morgen bis zum späten Abend genutzt. Energiesparende Lichttechnik ist daher ein Muss und wird auch von staatlicher Seite, etwa mit der Energieeinsparverordnung (EnEV), zunehmend gefordert. Bei einem Neubau oder bei einer Gebäudesanierung sollte die Effizienz schon bei der Beleuchtungsplanung berücksichtigt werden, etwa indem Leuchtengruppen getrennt voneinander geschaltet oder gedimmt werden können. Sensoren aktivieren die Beleuchtung beispielsweise immer dann, wenn ein Raum auch tatsächlich genutzt wird, oder passen sie an das einfallende Tageslicht an. Mit Lichtmanagementsystemen können Leuchten einzeln oder in Gruppen geschaltet oder gedimmt werden. Lichtszenen werden gespeichert und bei Bedarf abgerufen, im Konferenzraum zum Beispiel für die Beleuchtung bei einer Diskussion, Beamer-Präsentation oder in der Pause.
Mit Lichtmanagement lassen sich nicht nur Sensordaten verarbeiten, sondern auch weitere Daten aufzeichnen: Beispielsweise kann die Raumnutzung erfasst und damit die Auslastung verbessert werden. In der Praxis muss jedoch die Speicherung von Daten stets den Vorgaben des Datenschutzbeauftragten entsprechen. Es ist also nicht alles erlaubt, was geht. Wartung 4.0: Mit den von der Lichtsteuerung erfassten Daten lässt sich vorhersagen, wann und wo eine Wartung der Leuchten nötig wird.
Human Centric Lighting
Seit einigen Jahren rückt eine weitere wichtige Dimension der Beleuchtung in den Mittelpunkt des Interesses: Licht ermöglicht nicht nur das Sehen und beeinflusst die Stimmung, es taktet auch unseren biologischen Rhythmus. Richtig geplant und eingesetzt, können die nichtvisuellen Lichtwirkungen Wohlbefinden, Stimmung und Gesundheit des Menschen fördern.
Das moderne Beleuchtungskonzept Human Centric Lighting (HCL) orientiert sich am Vorbild der Natur und bringt „sonnenlichtähnliche“ Atmosphäre in Innenräume. Warum das funktioniert, ist in der Entwicklungsgeschichte des Menschen begründet: Über viele Tausend Jahre hinweg hat sich der menschliche Körper an die natürliche Abfolge von Tag und Nacht angepasst. Dieser Wechsel setzt einen komplizierten biochemischen Mechanismus in Gang (siehe Kasten). Er bestimmt mit darüber, ob wir uns wach und fit fühlen oder nach Ruhe und Entspannung sehnen.
Für klassische Bürotätigkeiten ist per Norm nur eine Beleuchtungsstärke von 500 Lux vorgesehen. Ein bewölkter Tag liefert im Freien aber schon rund 10.000 Lux. Biologisch gesehen erleben wir also trotz künstlicher Beleuchtung immer noch Dunkelheit. Der Grund: Lichtempfindliche Zellen im Auge sind auf die speziellen Eigenschaften des Tageslichts eingestellt, zum Beispiel hohe Beleuchtungsstärken und flächige Abstrahlung vom Himmel. Zudem ist Tageslicht dynamisch; es wechselt Intensität, Lichtfarbe und Einfallswinkel im Tagesverlauf.
Natürliche Bedürfnisse im Fokus
Human Centric Lighting berücksichtigt die natürlichen Bedürfnisse der Menschen und gibt der inneren Uhr die richtigen Impulse. So schafft etwa tageslichtweißes Licht mit Farbtemperaturen ab 5.300 Kelvin und hohen Luxzahlen morgens eine anregende Atmosphäre. Warmweißes Licht bis 3.300 Kelvin und niedrigere Beleuchtungsstärken sorgen abends für Entspannung.
Das menschliche Auge ist an eine flächige Beleuchtung von vorne und oben angepasst. Für einen biologisch wirksamen Lichteinfall am frühen Tag sind daher flächige Leuchten besonders gut geeignet. Sie können zu großzügigen Lichtdecken kombiniert werden. Ein ähnlicher Effekt lässt sich mit aufgehellten Wand- und Deckenflächen erzielen.
Dr. Jürgen Waldorf
Licht taktet die innere Uhr
Licht stimuliert den circadianen Rhythmus des Menschen und reguliert so etwa Herzfrequenz, Blutdruck und Hormonspiegel. Hormone sind die Botenstoffe der inneren Uhr: Am Morgen wird der Müdemacher Melatonin gestoppt, das stimmungsaufhellende Serotonin freigesetzt, und das stoffwechselanregende Cortisol schaltet den Körper auf Betriebsmodus. Am Abend kommt es bei entsprechender Dunkelheit zur Umkehr dieser Effekte.
Empfehlungen aus Sicht des Arbeitsschutzes
Im Bereich der nichtvisuellen Wirkungen von Licht sind Belange des betrieblichen Arbeitsschutzes betroffen, wie die KAN-Geschäftsstelle in der aktuell überarbeiteten Fassung ihres Positionspapiers zum Thema „Künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung und Normung“ festhält. Kritisch gesehen werden vor allem Beleuchtungskonzepte für die Nachtarbeit in Produktionsstätten, die unerwünschte biologische Wirkungen hervorrufen können. Laut Empfehlung des Ausschusses für Arbeitsstätten (ASTA) sollte am späten Abend und in der Nacht von einer dauernden Beleuchtung durch kalte Lichtfarben hoher Beleuchtungsstärke abgesehen werden. Diese führen zu einer Aktivierung und können damit nachhaltig die innere Uhr des Menschen stören.
Weitere Informationen zur Planung künstlicher Beleuchtung finden Sie hier:
- „Empfehlung des Ausschusses für Arbeitsstätten (ASTA) – Künstliche biologisch wirksame Beleuchtung in Arbeitsstätten“; www.baua.de Aufgaben Geschäftsführung von Ausschüssen Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA)
- DGUV Information 215 –220 „Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen; https://publikationen.dguv.de
- KAN-Literaturstudie „Gesicherte arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse über die nichtvisuelle Wirkung von Licht auf den Menschen“; www.kan.de
Fünf Tipps zum Thema Licht
- Schwierige Sehaufgaben erfordern mehr Licht
- Blendung vermeiden
- Mehr Licht für ältere Beschäftigte
- Tageslicht tanken: 30 Minuten Spaziergang in der Pause
- Winter-Blues vermeiden: Lichttherapiegeräte für empfindliche Mitarbeiter
Weitere Infos
Auf dem Portal „licht.de“ finden sich Informationen, Planungshilfen und Tipps zum Thema Licht und Leuchten, darunter:
- Schriftenreihe „licht.wissen 04: Licht im Büro, motivierend und effizient“
- Schriftenreihe „licht.wissen 19: Wirkung des Lichts auf den Menschen“
- Video: Human Centric Lighting
www.licht.de/lichtwissen
www.licht.de/de/service/aktuelles/videos