Asbestose gilt schon seit 1937 als Berufskrankheit. Bis die Verwendung von Asbest endgültig verboten wurde, dauerte es jedoch bis 1993. „Es gibt Schätzungen, dass im Baubereich etwa 3.000 Produkten Asbest zugesetzt wurde.
Häufig entsteht der Eindruck, es sei ein Problem der Nachkriegsjahre, aber Asbest wurde auch schon früher genutzt – seit etwa 1880“, erklärt der Diplom-Ingenieur. Asbest gehe daher alle an.
In wenigen eindeutigen Fällen ließen sich Asbestbelastungen durch visuelle Prüfung identifizieren. Sonst gelte es, qualifiziert Proben zu nehmen und zu analysieren. „Bei der Probenahme dürfen keine Fasern freigesetzt werden. Es muss immer so gehandelt werden, als sei Asbest im Material vorhanden“, warnt der Experte.
Asbestose: weiterhin steigende Zahlen
Asbestose führt zu einer starken Einschränkung der Lungenfunktion und senkt deutlich die Lebensqualität und ‑erwartung. Ein weiterer Faktor sind unterschiedliche Krebserkrankungen, die in Zusammenhang mit Asbest stehen. „Wenig bekannt ist, dass diese Zahlen seit Jahren nicht rückläufig sind, wie viele nach dem Verbot in den 1990ern erwartet haben“, betont Kessel.
Stattdessen stiegen die Zahlen noch und es sei kurzfristig auch keine gegenteilige Entwicklung zu erwarten: „Wir bauen zu Dreivierteln im Bestand, und das heißt, wir arbeiten in vielen Gewerken in potenziell belasteten Bauwerken.“
In Deutschland gibt es laut dem VDI-Experten knapp 1.600 Asbesttote jedes Jahr. „Und hier sprechen wir nur von den Fällen, die als Berufskrankheit anerkannt wurden. Das heißt, die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher, schätzungsweise bei rund 15.000“, vermutet Kessel.
Er sieht insofern großen Handlungsbedarf für die Prävention in diesem Bereich, die aus seiner Sicht nicht angemessen betrieben wird. „Ich finde es unverständlich, dass wir wahnsinnig viel Geld in den Brandschutz stecken, obwohl durch Brandereignisse nur wenige hundert Tote im Jahr zu beklagen sind, und kaum etwas für das Bannen der Gefahren von Asbest tun, wenngleich in der EU jährlich 70.000 Menschen an deren Folgen sterben“.
Sein Appell an die Baubranche lautet: „Zuallererst: Informieren, informieren, informieren und ernst nehmen! In allen Gewerken!“ Es gehe darum, den Baubereich ordentlich zu erkunden, die Gefahren zu kennen und fachgerecht mit Asbest umzugehen. Das sei der einzige Weg, verantwortungsvoll mit diesem tödlichen Thema umzugehen.