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Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten

Weniger Hindernisse – mehr Möglichkeiten
Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten

Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten
Foto: © Firma V – stock.adobe.com
Damit auch Beschäftigte mit Behin­derung ihre Tätigkeit­en ausüben kön­nen, sind in der Arbeitsstätte oft­mals Verän­derun­gen bezüglich der Bar­ri­ere­frei­heit erforder­lich – nicht nur, weil das Arbeitss­chutzrecht es vorschreibt. Vielmehr prof­i­tieren Arbeit­ge­ber genau­so davon wie die Mitar­bei­t­en­den, wenn die Inklu­sion gelingt. Eine wesentliche Basis ist dabei die Arbeitsstät­ten­regel (ASR) V3a.2 mit ihren laufend wach­senden Anhängen.

Eine kör­per­liche oder geistige Behin­derung bedeutet oft keineswegs, dass die davon betrof­fene Per­son arbeit­sun­fähig wäre. Vielmehr ist es in vie­len Fällen möglich, bes­timmte Tätigkeit­en auszuführen. Auch der Betrieb hat etwas davon, wenn die vorhan­de­nen fach­lichen Qual­i­fika­tio­nen genutzt wer­den kön­nen, beson­ders in Zeit­en des Fachkräfte­man­gels. Inklu­sion und Bar­ri­ere­frei­heit sind dabei Schlüs­sel­worte. Sind Arbeit­splätze entsprechend gestal­tet, ste­ht dem auch wortwörtlich nichts mehr im Wege.

Gesetzlicher Hintergrund

Arbeitsstät­ten sind so einzuricht­en und zu betreiben, dass auch die speziellen Belange der dort beschäftigten Men­schen mit Behin­derun­gen hin­sichtlich der Sicher­heit und des Gesund­heitss­chutzes berück­sichtigt wer­den. Dabei ist beson­ders zu bedenken, dass diese Per­so­n­en in bes­timmten Sit­u­a­tio­nen stärk­er gefährdet sein kön­nen als ihre Kol­le­gen und Kol­legin­nen ohne Ein­schränkun­gen. Der Begriff der Bar­ri­ere­frei­heit bedeutet also weitaus mehr als eine Umge­bung, die „frei von Hin­dernissen“ ist.

Rechtlich ist dies ganz klar ver­ankert, verpflichtet doch allein schon das Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) jeden Unternehmer dazu, eine sichere Umge­bung für alle Beschäftigten zu schaf­fen. Auch das Gesetz zur Gle­ich­stel­lung von Men­schen mit Behin­derun­gen (Behin­derten­gle­ich­stel­lungs­ge­setz – BGG) enthält in § 4 Vor­gaben zur bar­ri­ere­freien Gestal­tung der Arbeitsstätte; rel­e­vant ist zudem das Neunte Buch Sozialge­set­zbuch (SGB IX) mit seinen Vorschriften zur Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe von Men­schen mit Behin­derung in Deutschland.

Weil Let­ztere sich all­ge­mein auf die Gle­ich­stel­lung in allen Lebens­bere­ichen bezieht, sind speziell im Bere­ich Arbeitss­chutz noch weit­ere Vor­gaben zu beacht­en, beson­ders die der Arbeitsstät­ten­verord­nung (Arb­StättV) und der sie konkretisieren­den Arbeitsstät­ten­regeln (ASR) – hier wiederum vor allem die ASR V3a.2 „Bar­ri­ere­freie Gestal­tung von Arbeitsstät­ten“ und ihre Anhänge.

ASR V3a.2 sinnvoll nutzen

Diese Arbeitsstät­ten­regel ist anzuwen­den, wenn eine bar­ri­ere­freie Gestal­tung von Arbeitsstät­ten erforder­lich ist. Dies ist der Fall, sobald Men­schen mit Behin­derun­gen im Betrieb beschäftigt wer­den, deren Sicher­heit und Gesund­heit unter den vorhan­de­nen Voraus­set­zun­gen gefährdet wären. Alle Bere­iche der Arbeitsstätte, zu denen sie Zugang haben müssen, sind bar­ri­ere­frei zu gestalten.

Zu beacht­en ist dabei: Der Gel­tungs­bere­ich dieser ASR umfasst nicht nur schwer­be­hin­derte Beschäftigte im Betrieb, son­dern sämtliche Beschäftigte mit ein­er Behin­derung. Allerd­ings: Auch wenn es sich bei den Arbeitsstät­ten­regeln um Konkretisierun­gen der Arb­StättV han­delt, sind sie doch bekan­ntlich oft Ausle­gungssache. So enthält die ASR V3a.2 zum Beispiel keine klar definierten Prüfin­ter­valle für die bar­ri­ere­freie Gestal­tung von Arbeitsstät­ten. Im Zweifels­fall hil­ft dann eine Beratung weit­er, etwa bei der zuständi­gen Berufsgenossenschaft.

Behinderung berücksichtigen

Im Beruf­sleben ist laut der ASR V3a.2 eine Behin­derung zu berück­sichti­gen, wenn „die kör­per­liche Funk­tion, die geistige Fähigkeit oder die psy­chis­che Gesund­heit eines Men­schen mit hoher Wahrschein­lichkeit länger als sechs Monate von dem für das Leben­salter typ­is­chen Zus­tand abwe­icht und dadurch Ein­schränkun­gen am Arbeit­splatz beste­hen.“ Von ein­er Schwer­be­hin­derung spricht man, wenn der Grad der Behin­derung min­destens 50 beträgt.

Bei der ASR V3a.2 ver­hält es sich genau­so wie bei den anderen Arbeitsstät­ten­regeln: Sie konkretisiert die Vor­gaben der Arbeitsstät­ten­verord­nung und es greift dabei die soge­nan­nte Ver­mu­tungswirkung: Wenn sich der Arbeit­ge­ber an diese Tech­nis­che Regel hält, kann er davon aus­ge­hen, dass die Anforderun­gen der Arbeitsstät­ten­verord­nung erfüllt sind. Er kann auch eine andere Lösung wählen – jedoch nur, wenn damit min­destens die gle­iche Sicher­heit und der gle­iche Gesund­heitss­chutz für die Beschäftigten erre­icht werden.

Gefährdungsbeurteilung anpassen

Es sind also bere­its bei der Gefährdungs­beurteilung die Auswirkun­gen der jew­eili­gen Behin­derung und daraus resul­tierende, nötige Maß­nah­men für die bar­ri­ere­freie Gestal­tung der Arbeitsstätte zu berück­sichti­gen. Sobald sich die Ver­fas­sung eines oder ein­er Beschäftigten mit Behin­derung ändert – etwa, weil inzwis­chen statt eines Rol­la­tors ein Roll­stuhl erforder­lich ist – oder wenn weit­ere Beschäftigte mit Behin­derun­gen eingestellt wer­den, kann eine Anpas­sung der Gegeben­heit­en erforder­lich sein.

Vor­gaben hierzu gibt es unter anderem in der ASR V3 „Gefährdungs­beurteilung“, die auch Aspek­te der Bar­ri­ere­frei­heit enthält. Bei den Schutz­maß­nah­men gilt wie immer: Tech­nis­che Maß­nah­men haben stets ober­ste Pri­or­ität, gefol­gt von organ­isatorischen oder per­sön­lichen Maß­nah­men (TOP-Prinzip).

Mindestens zwei Sinne ansprechen

Die ASR V3a.2 beschreibt ein zen­trales The­ma bei der bar­ri­ere­freien Gestal­tung von Arbeit­splätzen: das Zwei-Sinne-Prinzip. Es grün­det auf der Tat­sache, dass der Men­sch alle Infor­ma­tio­nen aus der Umwelt über die Sinne aufn­immt. Fällt ein Sinn aus, muss ein ander­er Sinn für diesen ein­sprin­gen, indem er die jew­eili­gen Infor­ma­tio­nen ver­ar­beit­et. Deshalb müssen Infor­ma­tio­nen in Arbeitsstät­ten stets min­destens für zwei der drei Sinne (Hören, Sehen, Tas­ten) zugänglich sein.

Ein Beispiel ist die gle­ichzeit­ige optis­che und akustis­che Alarmierung im Falle ein­er Not­si­t­u­a­tion, sodass auch Men­schen mit ein­er Sehbe­hin­derung oder ein­er Schw­er­hörigkeit auf jeden Fall den Alarm wahrnehmen kön­nen. Aus diesem Prinzip ergeben sich ver­schiedene Möglichkeit­en ein­er Kennze­ich­nung bei bar­ri­ere­freien Arbeitsstät­ten durch visuelle, akustis­che und tak­tile (fühl- oder tast­bare) Zeichen. Let­ztere sind beispiel­sweise auch für die Kennze­ich­nung von Gefahrstof­fen erhältlich.

Die Anhänge der ASR V3a.2

Auch um nicht aus­re­ichend vorhan­dene motorische Fähigkeit­en auszu­gle­ichen, sind bar­ri­ere­frei gestal­tete Maß­nah­men zu ergreifen. Um etwa das mech­a­nis­che Öff­nen ein­er Tür mit Tür­grif­f­en zu erset­zen, kann ein elek­tro­mech­anis­ches Öff­nen mit Tastern oder durch Näherungss­chal­ter eine Lösung sein. Bei Trep­pen­stufen ist eine Rampe oder ein Aufzug als Alter­na­tive für Roll­stuhlfahrer erforder­lich, und so weiter.

Arbeitsstät­ten bein­hal­ten viele Fak­toren hin­sichtlich der Gestal­tung; deswe­gen gibt es so viele ver­schiedene Arbeitsstät­ten­regeln. Zwar enthält die ASR V3a.2 selb­st bere­its etliche Vor­gaben zur Bar­ri­ere­frei­heit, doch aus guten Grün­den wurde und wird diese Arbeitsstät­ten­regel um Anhänge erweit­ert, die sich wiederum auf andere ASRn beziehen. Es liegt auf der Hand: Ein Betrieb ist nur dann wirk­lich als bar­ri­ere­frei zu beze­ich­nen, wenn sämtliche rel­e­van­ten Bere­iche und Ein­flussfak­toren mit ein­be­zo­gen wer­den wie etwa Verkehr­swege, Türen und Tore oder Fluchtwege und Notausgänge.

Deswe­gen wer­den für die Arbeitsstät­ten­regeln, die sich mit Fak­toren wie diesen befassen, auch jew­eils spezielle Anforderun­gen zur bar­ri­ere­freien Gestal­tung beschrieben. Diese wiederum sind zu find­en in den Anhän­gen der ASR V3a.2, die Ergänzun­gen zur jew­eili­gen (eigen­ständi­gen) Arbeitsstät­ten­regel enthal­ten. Viele solch­er Anhänge sind bere­its erschienen, einige weit­ere sind noch in Planung.

Aktuelles zu ASR-V3a.2‑Anhängen

Abge­se­hen davon, dass diese Anhänge in den ver­gan­genen Jahren laufend Zuwachs beka­men, gab es noch weit­ere Änderun­gen: Im August und Dezem­ber 2021 wur­den for­male Änderun­gen zur Anpas­sung an das 2020 geän­derte Sozialge­set­zbuch SGB IX vorgenom­men. Es bet­rifft ins­beson­dere die Neu­fas­sung der Begriffe „Behin­derung“ und „bar­ri­ere­freie Gestal­tung der Arbeitsstätte“. Im März 2022 wur­den Inhalte aus dem gestrich­enen Anhang A3.4/7 „Ergänzende Anforderun­gen zur ASR A3.4/7 ‚Sicher­heits­beleuch­tung, optis­che Sicher­heit­sleit­sys­teme‘“ in den Anhang A2.3 „Ergänzende Anforderun­gen zur ASR A2.3 ‚Fluchtwege und Notaus­gänge‘“ über­führt, weil die ASR A3.4/7 selb­st eben­falls kom­plett aufge­hoben wurde bzw. ihre Inhalte nun in der ASR A2.3 zu find­en sind.


Autorin: Chris­tine Lendt
Freie Jour­nal­istin und Autorin
Recherche + Text
 
Foto: © Simone Friese

 


Anhänge zur ASR V3a.2

Eine aktuelle Über­sicht über die bereits
veröf­fentlicht­en und noch geplanten Anhänge zur ASR V3a.2 gibt es auf der Home­page der Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und
Arbeitsmedi­zin (BAuA) unter Ange­bote > Recht­s­texte und Tech­nis­che ‧Regeln > Tech­nis­ch­er Arbeitss­chutz > ASR V3a.2 Bar­ri­ere­freie Gestal­tung von ‧Arbeitsstät­ten.
www.baua.de

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