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Betriebliches Eingliederungsmanagement

Rückkehr zur Normalität
Betriebliches Eingliederungsmanagement

Betriebliches Eingliederungsmanagement
Foto: © BG RCI/Bertram
Trotz umfassender Schutz­maß­nah­men kommt es vor, dass Beschäftigte durch einen Unfall oder eine Erkrankung länger­fristig aus­fall­en. Unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen müssen ihnen Arbeit­ge­ber dann ein BEM (Betrieblich­es Eingliederungs­man­age­ment) anbi­eten. Das wird jedoch nicht immer prak­tiziert – obwohl es oft eine Rück­kehr zur beru­flichen Nor­mal­ität ermöglicht.

Beim Betrieblichen Eingliederungs­man­age­ment han­delt es sich ein­er­seits um ein indi­vidu­elles Fall­man­age­ment, ander­er­seits ist es auch eine Team- und Organ­i­sa­tion­sen­twick­lung. BEM – teils auch als Return to Work (RTW) beze­ich­net – soll nach einem Unfall oder ein­er Erkrankung im beru­flichen wie auch im pri­vat­en Bere­ich dazu beitra­gen, eine beste­hende Arbeit­sun­fähigkeit zu über­winden und erneuter Arbeit­sun­fähigkeit vorzubeu­gen. Oben­drein dient es dazu, die Arbeits­fähigkeit langfristig zu erhal­ten und zu fördern.

Noch immer Nachholbedarf

Eine geset­zliche Regelung zum BEM wurde bere­its im Jahr 2004 erlassen, sie ist ver­ankert im Neun­ten Buch Sozialge­set­zbuch (SGB IX) § 167 „Präven­tion“. Sei­ther ist jed­er Arbeit­ge­ber, also auch ein Kle­in­st­be­trieb, dazu verpflichtet, Beschäftigten ein BEM anzu­bi­eten, sofern die jew­eilige Per­son in einem Jahr für min­destens sechs Wochen am Stück oder unter­brochen arbeit­sun­fähig war.

Unter­halb davon kann diese Möglichkeit auch frei­willig eröffnet wer­den. In jedem Fall gilt: Es ste­ht dem Mitar­beit­er oder der Mitar­bei­t­erin frei, das Ange­bot anzunehmen oder abzulehnen.

Mit BEM-Maß­nah­men den Job erhalten

BEM kann eine Menge bewirken, wie unter anderem einige Best Prac­tice-Beispiele zeigen. Nor­maler­weise prof­i­tieren bei­de Seit­en davon, wenn Arbeit­splätze beziehungsweise Fachkräfte erhal­ten wer­den kön­nen. Den­noch beste­ht noch immer Nachholbedarf.

Dies bestätigt die Erwerb­stäti­gen­be­fra­gung aus dem Jahr 2018, regelmäßig durchge­führt von der Bun­de­sanstalt für Arbeit und Arbeitsmedi­zin (BAuA) gemein­sam mit dem Bun­desin­sti­tut für Berufs­bil­dung (BIBB). Dem­nach erhiel­ten nur rund 40 Prozent der poten­ziell berechtigten Per­so­n­en ein BEM-Ange­bot. Von diesen wiederum nah­men nur etwas mehr als zwei Drit­tel (fast 70 Prozent) das Ange­bot an.

„In kleineren Betrieben, im Handw­erk und im Dien­stleis­tungs­bere­ich wird das BEM den berechtigten Beschäftigten im Schnitt sel­tener ange­boten“, stellte die BAuA bei der Auswer­tung fest. Weit­er ver­bre­it­et sei BEM hinge­gen in Betrieben mit betrieblich­er Gesund­heits­förderung, in denen anerken­nend und unter­stützend geführt werde und das kol­le­giale Ver­hal­ten aus­geprägter sei.

 

BEM-Gespräch: Nach längerer Ausfallzeit erleichtert ein Betriebliches Eingliederungsmanagement die Rückkehr an den Arbeitsplatz
Nach län­ger­er Aus­fal­lzeit erle­ichtert ein Betrieblich­es Eingliederungs­man­age­ment die Rück­kehr an den Arbeit­splatz.
Foto: © DGUV / Wolf­gang Bellwinkel

Systemische Vorgehensweise

Wie ein BEM zu organ­isieren ist, geht unter anderem aus Pub­lika­tio­nen der DGUV und BAuA her­vor. Laut BAuA erhält und fördert ein sys­temisch ori­en­tiertes BEM die Arbeits­fähigkeit auf ins­ge­samt vier Ebenen:

  • auf der medi­zinis­chen Ebene mit Blick auf den Erhalt der Leistungsfähigkeit,
  • auf der psy­chis­chen Ebene mit Blick auf die Moti­va­tion und Selbstwirksamkeit,
  • auf der sozialen Ebene mit Blick auf die Unter­stützung durch pro­fes­sionelle Helfer/innen, direk­te Vorge­set­zte und Kollegen,
  • auf der betrieblichen Ebene mit Blick auf die Entwick­lung von Unter­stützungsstruk­turen und die Gestal­tung von Arbeit­san­forderun­gen oder ‑bedin­gun­gen.

Bei einem auf diese Weise organ­isierten BEM-Prozess lassen sich Früherken­nung und Reha­bil­i­ta­tion wirk­sam miteinan­der verknüpfen.

Das Betriebliche Eingliederungs­man­age­ment ist eine Auf­gabe des Arbeit­ge­bers. Unter­stützt wird er dabei vom jew­eili­gen Unfal­lver­sicherungsträger. „Wir kön­nen unsere Mit­glied­sun­ternehmen bei der Ein­führung eines Betrieblichen Eingliederungs­man­age­ments berat­en“, sagt Frank West­phal, stel­lvertre­tender Leit­er der Abteilung Steuerung Reha­bil­i­ta­tion und Leis­tun­gen der BG BAU. Angesichts des zunehmenden Fachkräfte­man­gels sei es immer wichtiger, den jew­eili­gen Arbeit­splatz zu erhal­ten. Um dies zu erre­ichen, wür­den bei Ver­sicherungs­fällen durch das Reha-Man­age­ment der BG BAU umfassende Leis­tun­gen erbracht. „Für die Wiedere­ingliederung ste­hen wir in einem ständi­gen Aus­tausch mit dem Unternehmen.“ So hand­haben es auch die anderen Beruf­sgenossen­schaften und Unfallversicherungsträger.


Autorin: Chris­tine Lendt
Fachau­torin und freie Journalistin
 
Foto: © Simone Friese

Tobias Belz, DGUV-Sachgebietsleiter
Foto: © Dominik Buschardt
 

Interview mit Tobias Belz

„BEM ist etwas Gutes!“

Was soll­ten Arbeit­ge­ber und Arbeitss­chutza­k­teure über das The­ma Betriebliche Wiedere­ingliederung wis­sen? Dazu äußerte sich Tobias Belz, Leit­er des Sachge­bi­etes „Beschäf­ti­gungs­fähigkeit“ der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV).

Die Fra­gen stellte Chris­tine Lendt.

Herr Belz, woran liegt es, dass offen­bar immer noch viele Mitar­bei­t­ende skep­tisch gegenüber BEM sind?

Es liegt oft­mals schlichtweg an der Art der inter­nen Kom­mu­nika­tion. So wis­sen viele Beschäftigte immer noch nicht genau, worum es sich bei BEM han­delt, oder es läuft in dem Unternehmen so bürokratisch ab, dass es eher abschreck­end wirkt. Das kann schon bei der Wort­wahl in dem Schreiben anfan­gen, mit dem der Arbeit­ge­ber einem Mitar­beit­er oder ein­er Mitar­bei­t­erin das BEM-Ange­bot macht: „Wir bedauern, dass Sie sechs Wochen krank waren…“, heißt es darin dann zum Beispiel. Das klingt ziem­lich neg­a­tiv und hat den Beigeschmack für nicht mehr wirk­lich ein­satzfähig gehal­ten zu wer­den. Im Gegen­teil soll das BEM ihnen doch nützen und beim Wiedere­in­stieg helfen – Arbeit­ge­ber soll­ten es also ansprechend kom­mu­nizieren und ihre Worte behut­sam wählen.

Welche Infor­ma­tio­nen oder Nach­weise dür­fen Arbeit­ge­ber von den betrof­fe­nen Beschäftigten im Rah­men eines BEM verlangen?

Die Pflicht, ein BEM anzu­bi­eten, entste­ht bei ein­er Aus­fal­lzeit von sechs Wochen. Hier­für erhält der Arbeit­gebende häu­fig Arbeit­sun­fähigkeits­bescheini­gun­gen. Ganz wichtig: Der Arbeit­ge­ber hat kein Recht darauf, von der Diag­nose, also den Grün­den für die Arbeit­sun­fähigkeit zu erfahren. Diese geht aus der Bescheini­gung für den Arbeit­ge­ber auch nicht her­vor, nur die jew­eilige Krankenkasse erfährt davon. Wichtig für Arbeit­gebende ist, zu erfahren, welche etwaigen Ein­schränkun­gen Beschäftigte vorüberge­hend oder dauer­haft in Bezug auf ihre beru­fliche Tätigkeit haben. Hier­für gilt es dann nach Möglichkeit passende Maß­nah­men abzuleit­en und umzusetzen.

Wie ist beim BEM die Zusam­me­nar­beit mit den Unfal­lver­sicherungsträgern geregelt?

Nach einem Arbeit­sun­fall befind­et sich der oder die Beschäftigte immer in Obhut der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Wenn ein Arbeit­sun­fall zur Folge hat, dass diese Per­son für sechs Wochen aus­ge­fall­en ist und ihre ursprüngliche Tätigkeit auf­grund der Ver­let­zung nicht mehr ausüben kann, wird die beim jew­eili­gen Unfal­lver­sicherungsträger für das Reha-Man­age­ment zuständi­ge Per­son auf den Arbeit­ge­ber zuge­hen und sich erkundi­gen, ob ein BEM-Ange­bot gemacht wurde. Außer­dem wird gemein­sam mit dem Arbeit­ge­ber nach Lösun­gen und möglichen Beschäf­ti­gungsalter­na­tiv­en gesucht. Sofern es bei der Durch­führung der Maß­nah­men hapert, kön­nen die Unfal­lver­sicherungsträger auch unter­stützend ein­greifen. Kurz: Wir führen das BEM-Ver­fahren nicht durch, sor­gen aber dafür, dass der Arbeit­ge­ber sein­er Verpflich­tung nachkommt. Let­ztlich geht es immer darum, eine dauer­hafte oder wiederkehrende Arbeit­sun­fähigkeit – und somit eine krankheits­be­d­ingte Kündi­gung – zu vermeiden.

Welche BEM-Möglichkeit­en gibt es?

Im Grunde genom­men sehr viele, denn bezüglich der konkreten Gestal­tung des BEM macht das SGB IX keine konkreten geset­zlichen Vor­gaben. Was also genau passiert, nach­dem der jew­eilige Mitar­beit­er oder die Mitar­bei­t­erin das BEM-Ange­bot erhal­ten hat, unter­liegt dem Einzelfall. Es han­delt sich um eine Absprache zwis­chen Arbeit­nehmenden und Arbeit­geben­den. Nur wenn die BEM-berechtigte Per­son beschließt, noch weit­ere Per­so­n­en mit hinzuzuziehen, dann tra­gen auch diese dazu bei. BEM ist ein sys­tem­a­tis­ches Vorge­hen, das auch aus­führlich in der DGUV Infor­ma­tion 206–031 beschrieben ist, sowohl für Klein­be­triebe also auch mit zusät­zlichen Mod­ulen für Groß­be­triebe. BEM-Maß­nah­men wer­den aber jedes Mal anders aussehen.

Wer trägt nach einem Arbeit­sun­fall die Kosten für die BEM-Maßnahmen?

Nach Arbeit­sun­fällen etwaige erforder­liche Umgestal­tun­gen von Arbeit­splätzen gehen kosten­mäßig zu Las­ten des zuständi­gen Unfal­lver­sicherungsträgers. So gibt es etwa in der Reha­bil­i­ta­tion­s­abteilung der Ver­wal­tungs-Beruf­sgenossen­schaft (VBG) Beispiele aus dem ÖPNV-Bere­ich wie etwa die Umgestal­tung ein­er Loko­mo­tive für einen Beschäftigten, der nach einem Arbeit­sun­fall teil­weise gelähmt war, oder nach Arbeit­sun­fällen erforder­liche Anpas­sun­gen von Maschi­nen für Beschäftigte beispiel­sweise in der Glas-Keramik-Branche. Generell sind aber solche aufwändi­gen BEM-Maß­nah­men sel­tener als zum Beispiel Umgestal­tun­gen ein­er Büro-Ausstat­tung oder Anpas­sun­gen in der Arbeit­sor­gan­i­sa­tion. Oft lässt sich schon mit wenig Aufwand eine Menge bewirken – nicht sel­ten sog­ar kostenneutral.

Welche Tipps kön­nen Sie Arbeit­ge­bern und ihren Akteuren im Arbeitss­chutz geben?

Die Ansprech­stellen für Reha und Teil­habe bei den Unfal­lver­sicherungsträgern ste­hen gern mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hin­aus kön­nen zum Beispiel Sicher­heits­beauf­tragte den zuständi­gen Unfal­lver­sicherungsträger kon­tak­tieren und nach Unter­stützungsange­boten fra­gen. Die Ange­bote sind jew­eils unter­schiedlich. Eine erste Über­sicht find­et sich auf www.dguv.de nach Eingabe von web­code d1085784. Einige Beruf­sgenossen­schaften bieten beispiel­sweise spezielle Sem­i­nare zu BEM an oder berat­en zur sys­tem­a­tis­chen Umset­zung. Und generell sollte das BEM fest im Betrieb ver­ankert und auf pos­i­tive Weise kom­mu­niziert wer­den. Das The­ma lässt sich auch in eine Unter­weisung ein­bauen oder zum Beispiel über das Intranet beziehungsweise Extranet, per Aushang oder in ein­er Betrieb­sver­samm­lung bekan­nt machen. Ziel sollte sein, dass alle Mitar­bei­t­en­den wis­sen: Wir haben ein BEM, der Anspruch darauf ist geset­zlich vorgeschrieben und BEM ist etwas Gutes.


Informationen und Handlungshilfen

Die Bun­de­sar­beits­ge­mein­schaft für Reha­bil­i­ta­tion e.V. (BAR) bietet eine gute Lot­sen­funk­tion im Infor­ma­tions­d­schun­gel zum The­ma BEM:

  • Der dig­i­tale BEM-Kom­pass enthält Infor­ma­tio­nen für Arbeit­ge­ber und Beschäftigte (Muster­schreiben, Check­lis­ten und Info-Fly­er zum Down­load etc.); www.bar-frankfurt.de/bem-kompass
  • Die neu über­ar­beit­ete „Arbeit­shil­fe Stufen­weise Wiedere­ingliederung“ und das dazuge­hörige Fact Sheet mit den wichtig­sten Infos auf einen Blick erläutern Ziele, Vorzüge und Aus­gestal­tung der Wiedereingliederung;
    www.bar-frankfurt.de/publikationen
  • Weit­ere Infor­ma­tio­nen, For­mu­la­re, FAQ und prak­tis­che Fall­beispiele find­en sich unter www.bar-frankfurt.de/themen/arbeitsleben
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