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Inklusion und Integration: Schneller aktiv werden

Interview mit Diana Scholl vom Bundesverband der Berufsförderungswerke
Inklusion und Integration: Schneller aktiv werden

Inklusion und Integration: Schneller aktiv werden
Foto: © BV BFW/
Christian Kruppa
Was bedeuten Inklu­sion und Inte­gra­tion in der betrieblichen Prax­is? Und wie kön­nen Arbeitss­chutza­k­teure dazu beitra­gen? Das erläutert Diana Scholl, Lei­t­erin des Bun­desver­bands der Berufs­förderungswerke (BFW) und ehre­namtlich­es Vor­standsmit­glied im Demogra­phie Net­zw­erk e. V. (ddn) im Interview.

Das Gespräch führte Chris­tine Lendt.



Frau Scholl, die Begriffe Inklu­sion und Inte­gra­tion wer­den nicht sel­ten syn­onym oder recht willkür­lich ver­wen­det. Lässt sich bei­des über­haupt voneinan­der trennen?

Im Grunde sind es dur­chaus zwei ver­schiedene Begriffe: Bei der Inklu­sion geht es darum, von vorn­here­in eine Umge­bung zu schaf­fen, die allen Men­schen eine gle­ich­berechtigte Teil­habe ermöglicht. Bei der Inte­gra­tion wiederum wird eine vorhan­dene Umge­bung so angepasst, dass beispiel­sweise Men­schen mit Beein­träch­ti­gun­gen sich genau­so zuge­hörig fühlen, sprich inte­gri­ert wer­den kön­nen – etwa an Arbeitsplätzen.

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Diana Scholl
Foto: © BV BFW/Christian Kruppa

Ide­al­er­weise wird also beispiel­sweise Bar­ri­ere­frei­heit schon bei der Pla­nung neuer Arbeitsstät­ten umge­set­zt, sodass Inklu­sions­be­triebe entste­hen. Oder es wer­den beste­hende Arbeitsstät­ten so umgerüstet, dass Men­schen mit Behin­derung im Nach­hinein dort inte­gri­ert wer­den können.

Genau. Ich denke aber, dass die Trennschärfe der Begriffe hier gar nicht der maßge­bliche Punkt ist. Viel wichtiger ist, dass Beein­träch­ti­gun­gen von Mitar­bei­t­en­den generell berück­sichtigt wer­den und die Betrof­fe­nen dies auch wahrnehmen. Aktuell beobacht­en wir bezüglich Inklu­sion beziehungsweise Inte­gra­tion immer noch ein großes Unwis­sen und eine große Unsicher­heit bei den Betrieben – sowohl seit­ens der Arbeit­ge­ber als auch bei den Mitar­bei­t­en­den, die oft gar nicht wis­sen, wie sie mit diesem The­ma umge­hen sollen.

Woran liegt dies nach Ihrer Einschätzung?

Ein Prob­lem ist, dass rund 95 Prozent der Beein­träch­ti­gun­gen für Außen­ste­hende gar nicht sicht­bar sind, beson­ders, wenn es sich um psy­chis­che Belas­tun­gen oder Erkrankun­gen han­delt. Viele wis­sen zum Beispiel gar nicht, dass auch solche Belas­tun­gen unter Umstän­den als Schwer­be­hin­derung eingestuft wer­den kön­nen, beispiel­sweise eine stark aus­geprägte Migräne. Diese Beein­träch­ti­gun­gen sind manch­mal, auch vom Arbeit­ge­ber, schw­er zu greifen und daher erleben wir zum Teil anfangs Unver­ständ­nis auf­grund von Unsicher­heit. Auch darüber wollen wir aufklären.

Welche Maß­nah­men kom­men zum Beispiel in Frage, wenn Men­schen aus solchen oder anderen gesund­heitlichen Grün­den ihren bish­eri­gen Job nicht mehr ausüben können?

Manch­mal reicht es schon aus, in dem jew­eili­gen Betrieb neue Auf­gaben zu find­en oder die Arbeit anders zu organ­isieren. In den Berufs­förderungswerken ermöglichen wir zudem in mehr als 250 Berufs­feldern Umschu­lun­gen, so dass die jew­eili­gen Per­so­n­en kom­plett neu qual­i­fiziert wer­den. Früher hat dies vor allem klas­sis­che Berufe und Ein­schränkun­gen des Bewe­gungsap­pa­rats wie etwa den Dachdeck­er mit Rück­en­prob­le­men betrof­fen. Inzwis­chen aber zeigt sich, dass wir auch immer mehr in die psy­chis­che Prob­lematik hinein­rutschen und auch davon betrof­fene Beschäftigte oft ganz neu in das Arbeit­sleben (re)integriert wer­den müssen.

Neu­ro­di­ver­sität in der Arbeitswelt

Die Berufs­förderungswerke haben bun­desweit 28 Haupt­stan­dorte mit eige­nen Betrieb­sstät­ten, in denen Aus­bil­dun­gen und Umschu­lun­gen für beein­trächtigte Men­schen ange­boten wer­den. Wo arbeit­en diese Men­schen anschließend?

Die BFW sind Experten für die Rück­kehr ins Beruf­sleben. Das bedeutet, wir bilden nicht für unseren eige­nen Bedarf aus, son­dern mit dem Ziel, dass kör­per­lich oder psy­chisch beein­trächtigte Men­schen anschließend wieder auf dem ersten, also reg­ulären Arbeits­markt tätig wer­den kön­nen – ide­al­er­weise sog­ar in ihrem ursprünglichen Betrieb. Daher kooperieren wir mit Unternehmen wie zum Beispiel Siemens: Wir bilden die Leute für die dor­ti­gen Arbeit­splätze aus, dafür stellen uns die Unternehmen zum Teil entsprechende Geräte oder Arbeitsmit­tel zur Ver­fü­gung. So kön­nen die Betrof­fe­nen dann tat­säch­lich oft auch wieder über­nom­men wer­den. Ein großer Teil unser­er Reha­bil­i­tanden ist natür­lich auch im Mit­tel­stand tätig. Auch auf bre­it­er Ebene tut sich einiges. So beschäfti­gen wir uns bere­its seit eini­gen Jahren mit KI-Sys­te­men zur Unter­stützung der (Arbeits-)Inklusion, gefördert vom Bundesarbeitsministerium.

Wie kön­nen die BFW inter­essierte Unternehmen und ihre Arbeitss­chutza­k­teure noch unterstützen?

Wir bieten unter anderem auch eine Präven­tions­ber­atung an, bei der sich klären lässt, wie ein Arbeit­splatz erhal­ten wer­den kann. Hier kön­nen wir aus einem großen Erfahrungss­chatz schöpfen, weil wir zum Beispiel wis­sen, welche Arbeit­splätze frühzeit­ig zu Beein­träch­ti­gun­gen bei den dort täti­gen Men­schen führen kön­nen – auch bezüglich psy­chis­ch­er Aspek­te, Beispiel Migräne. Außer­dem bieten die BFW berufsvor­bere­i­t­ende Maß­nah­men wie etwa Assess­ments an. Dabei kön­nen Betrof­fene unter anderem her­aus­find­en, was alles noch mach­bar ist mit den Fähigkeit­en, die sie aktuell haben und wo ihre Stärken liegen. Das Ange­bot reicht bis zu kom­plet­ten Umqual­i­fizierun­gen mit einem gän­zlich neuen Abschluss. Es geht also nicht nur um die Rück­kehr und BEM-Maß­nah­men, son­dern unsere Ziel­gruppe sind auch Men­schen, die noch im Beruf sind, aber damit auf­grund ihrer Ein­schränkun­gen ger­ade nicht mehr klarkommen.

Inklu­sion und Arbeit

Wie kön­nen Sicher­heitsver­ant­wortliche und Sicher­heits­beauf­tragte her­aus­find­en, ob es Mitar­bei­t­ende mit solchen Prob­le­men gibt? Ger­ade die psy­chis­chen Belas­tun­gen sind den Leuten oft gar nicht anzumerken.

Die Zahl der Kranken­t­age kann schon rel­a­tiv auf­schlussre­ich sein, die soll­ten Arbeit­ge­ber also immer im Blick haben. Bei Auf­fäl­ligkeit­en ist es rat­sam, das Gespräch mit den jew­eili­gen Mitar­bei­t­en­den zu suchen, um gemein­sam zu guck­en: Woran liegt es, und was kön­nen wir machen, damit es Ihnen wieder bess­er geht? Dies kann ganz niedrigschwellig anfan­gen mit beispiel­sweise BGM-Maß­nah­men. Kurz: Viele warten zu lange, bis sie aktiv wer­den. Dazu beitra­gen kön­nen übri­gens auch die Ange­höri­gen. Deswe­gen haben wir bei den BFW nun auch das Beratungsange­bot: „wir.Neustarter“. Es richtet sich ganz konkret an die von Ein­schränkun­gen betrof­fe­nen Beschäftigten selb­st, aber auch an ihre Fam­i­lien. Denn oft ist es so, dass die Ange­höri­gen schon etwas mit­bekom­men, während der Arbeit­ge­ber noch ahnungs­los ist.

Neben Ihrem Haup­tjob bei den BFW engagieren Sie sich ehre­namtlich im Vor­stand von Das Demogra­phie Net­zw­erk e.V. (ddn). Wie hil­ft dieser Ver­band weiter?

Stich­wort ist vor allem das „Net­zw­erk“. Weil wir ger­ade bei den Betrieben immer wieder erleben, wie entschei­dend es ist, wech­sel­seit­ig aus Erfahrun­gen schöpfen zu kön­nen. Deswe­gen haben wir auch eigene For­mate zum unternehmerischen Aus­tausch ins Leben gerufen. Diese Ange­bote sind auf unser­er Home­page zu find­en. Wir ver­linken uns gegen­seit­ig und erar­beit­en gemein­same For­mate, um das The­ma Inte­gra­tion bei Beruf­sun­fähigkeit in die Öffentlichkeit zu tra­gen. Unser Auf­trag ist – sowohl bei den Berufs­förderungswerken als auch beim ddn –, rel­e­vante Aspek­te für die Unternehmen aufzu­bere­it­en mit dem Ziel, die Men­schen in die Arbeit zu brin­gen. Und das klappt auch ganz gut: Unsere Rein­te­gra­tionsquoten liegen bei rund 80 Prozent.


Chris­tine Lendt
Fachau­torin und freie Journalistin
 
Foto: © Simone Friese

 

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