Frau Siebeneich, welche Gefährdungen treten bei der Saisonarbeit typischerweise auf?
Belastend ist vor allem schweres Heben und Tragen von Lasten. Problematisch sind auch sich stets wiederholende Tätigkeiten und Arbeiten in ungünstigen Körperhaltungen. Gefährdungen entstehen oft durch unsachgemäßen Einsatz von Arbeitsmitteln und Maschinen.
Dazu zählt etwa das unsachgemäße Hantieren mit scharfen Gegenständen im Gemüseanbau oder in Sonderkulturen. Saisonarbeitskräfte sind außerdem häufig UV-Strahlung und starker Hitze, Kälte oder Nässe ausgesetzt.
Was sind typische Hindernisse bei der Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen?
Eines vorab: Fast alle Hindernisse lassen sich ausräumen, wenn Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam daran arbeiten, Arbeitsbedingungen sicher und gesund zu gestalten. Bei Sprachbarrieren schaffen zum Beispiel Unterweisungen und Informationsmaterialien in den Muttersprachen der Saisonarbeitskräfte Klarheit.
Gegebenenfalls müssen Personen eingebunden werden, die übersetzen. Symbole, Bilder und Piktogramme veranschaulichen Sicherheitsregeln.
Gibt es weitere Tipps, die Sie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern diesbezüglich geben können?
Saisonarbeitskräfte sind oft nur kurz in Deutschland. Sie haben kaum Zeit, sich zu orientieren, Sicherheitsunterweisungen kennen sie oft nicht. Das ist besonders problematisch, wenn sie erstmals auf einem landwirtschaftlichen Betrieb sind. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen klarstellen, dass Unterweisungen und Schulungen verpflichtend sind und dies dokumentieren.
Die Unterweisung sollte zeitnah nach der Ankunft stattfinden und regelmäßig wiederholt werden. Wirkungsvoll sind Erfolgskontrollen. Das kann zum Beispiel ein kleiner Test sein oder das Wiederholen der Regeln durch die Beschäftigten. Damit kulturelle Unterschiede nicht am sicheren Arbeiten hindern, ist es zudem wichtig, sich über die Kultur des Herkunftslandes zu informieren.
Wie können Gefährdungen unter diesen Rahmenbedingungen für Saisonarbeitskräfte entschärft werden?
Geeignet ist eine Mischung aus technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Ergonomische Arbeitsplätze reduzieren zum Beispiel körperliche Belastungen. Bei der Arbeit mit Maschinen ist es wichtig, dass alle Arbeitskräfte gut geschult sind und die Maschinen regelmäßig gewartet werden.
Für den Umgang mit scharfen Gegenständen empfiehlt es sich, entsprechende Schutzausrüstung, zum Beispiel schnitthemmende Handschuhe, bereitzustellen. Bestehende Betriebsroutinen sollten immer wieder hinterfragt und gegebenenfalls geändert werden.
Sinnvolle Fragestellungen wären zum Beispiel: Wie passe ich Arbeits- und Pausenzeiten an Hitzewellen an? Wie stelle ich Teams zusammen, die sich im Arbeits- und Gesundheitsschutz gegenseitig unterstützen? Welche Vorarbeiterin, welcher Vorarbeiter eignet sich für eine Weiterbildung zum Sicherheitsbeauftragten? Sicherheitsbeauftragte sind wichtige Multiplikatoren für den Arbeitsschutz innerhalb der Belegschaft.
Wie wecke ich die Aufmerksamkeit für Arbeitssicherheit?
Die Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter sollten sehr klar kommunizieren, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz Priorität haben. Alle Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Regelmäßige Schulungen, Unterweisungen und die Infomaterialien der SVLFG unterstützen den Prozess.
Wer Kontakt zu den Arbeitskräften sucht, zeigt damit, dass ihm ihre Sicherheit und Gesundheit wichtig sind. Geeignete Maßnahmen sind gemeinsame Freizeitveranstaltungen, das Aufstellen eines Kummerkastens oder Gespräche in kleineren Gruppen über Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz.
Wie erhöhe ich die Bereitschaft, sich im Arbeitsschutz einzubringen, Schutzausrüstung zu nutzen und Sicherheitsvorschriften einzuhalten?
Auch hier sind Kommunikation und vorbildliches Verhalten die Schlüssel. Saisonarbeitskräfte müssen gezielt angesprochen werden, damit sie die Anforderungen verstehen und umsetzen. Das braucht manchmal etwas Beharrlichkeit.
Die Beschäftigten müssen über die nötige Schutzausrüstung verfügen und über Vorschriften informiert sein. Regelmäßige Betriebsbegehungen durch den Sicherheitsbeauftragten und Gespräche über das persönliche Arbeitsschutzverhalten direkt am Arbeitsplatz helfen.
Wenn Sie sich eine Sache wünschen könnten, um die Saisonarbeit in Deutschland sicherer zu machen – was wäre das?
Ich wünsche mir eine umfassende und moderierte Kommunikation zwischen Arbeitgebenden und Saisonarbeitskräften. Eine gute Kommunikation ist entscheidend dafür, dass alle Beteiligten die Bedeutung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz verstehen und die erforderlichen Maßnahmen umsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!