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Die Gefährdungsbeurteilung „Psyche“ liegt vor – und jetzt?

Nutzen generieren (Teil 2)
Die Gefährdungsbeurteilung „Psyche” liegt vor – und jetzt?

Die Gefährdungsbeurteilung „Psyche" liegt vor – und jetzt?
Liegen die Ergebnisse der psychischen Gefährdungsbeurteilung vor, beginnt die eigentliche Arbeit. Foto: © cirquedesprit - stock.adobe.com
Die Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen ist kein Selb­stzweck: Erst die daraus abgeleit­eten Maß­nah­men entschei­den über Sinn und Nutzen der Erhe­bung. Dieser Beitrag zeigt anhand von drei konkreten Fall­beispie­len aus der Prax­is, wie die Ergeb­nisse der Gefährdungs­beurteilung umge­set­zt und somit konkrete Verbesserun­gen im Betrieb erzielt wer­den können.

Neben der Beurteilung der klas­sis­chen Risiko­fak­toren am Arbeit­splatz müssen seit dem Jahr 2013 auch die psy­chis­chen Belas­tun­gen bei der Arbeit erfasst und beurteilt wer­den. Mit welchen Meth­o­d­en diese Belas­tungs­for­men ver­lässlich erhoben wer­den kön­nen, haben wir in der let­zten Aus­gabe des Sicher­heits­beauf­tragten verdeut­licht. Mit der Ermit­tlung der psy­chis­chen Belas­tung allein ist es jedoch noch nicht getan: Ein Nutzen für Beschäftigte und Unternehmen entste­ht erst dann, wenn sin­nvolle Maß­nah­men folgen.

Liegen die Analy­seergeb­nisse auf dem Tisch, begin­nt die eigentliche Arbeit: Die Ergeb­nisse müssen inter­pretiert beziehungsweise beurteilt und Maß­nah­men pri­or­isiert sowie umge­set­zt wer­den. Das ist ein entschei­den­der Punkt, denn ohne Maß­nah­men wer­den keine Verbesserun­gen erzielt – der Nutzen für den Betrieb wäre dadurch ver­tan. Der Geset­zge­ber macht das in § 2 Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) deut­lich, in dem expliz­it Maß­nah­men zur „men­schen­gerecht­en Gestal­tung der Arbeit“ gefordert werden.

Gren­zw­erte, wie beispiel­sweise für Lärm, gibt es für psy­chis­che Belas­tung nicht. Es geht also zunächst darum, die Gründe für die fest­gestell­ten Belas­tun­gen zu erken­nen. Erst dann kön­nen, zusam­men mit den betrof­fe­nen Mitar­beit­ern, sin­nvolle Maß­nah­men fest­gelegt wer­den. Die Erfahrung zeigt, dass oft­mals schon ein­fache Dinge zu ein­er deut­lichen Ent­las­tung führen können.

Fallbeispiel 1: Monotonie durchbrochen

In der Abteilung End­kon­trolle eines Unternehmens, das Spezial­tex­tilien her­stellt, ergab sich für einige Beschäftigte bei der Gefährdungs­beurteilung eine hohe Belas­tung auf­grund von Monot­o­nie. Das Pro­dukt muss die Spez­i­fika­tion genau ein­hal­ten, sodass die Qual­itätssicherung von zen­traler Bedeu­tung ist. In der End­kon­trolle wird deshalb viel Zeit für die Über­prü­fung der fer­ti­gen Gewebe aufge­wandt. Dabei han­delt es sich um eine rel­a­tiv monot­o­ne Tätigkeit, die hohe Konzen­tra­tion und ein aus­geze­ich­netes Sehver­mö­gen erfordert. Als Folge trat­en im Laufe der Schicht Ermü­dungser­schei­n­un­gen bei den Beschäftigten auf. Nach der Diskus­sion ver­schieden­er Maß­nah­men­vorschläge wur­den der regelmäßige Wech­sel des Arbeit­splatzes und der Tätigkeit inner­halb der Abteilung als prak­tik­able und kosten­neu­trale Möglichkeit umgesetzt.

Fallbeispiel 2: Zeitdruck verringert

In einem anderen Unternehmen wurde im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung in zwei Abteilun­gen eine hohe Belas­tung durch Zeit­druck fest­gestellt. Schon während der Ermit­tlung wurde klar, dass Ersatzteile nicht direkt bestellt wer­den kon­nten. Die dafür zuständi­ge, über­ge­ord­nete Abteilung orderte diese jedoch oft falsch oder nicht rechtzeit­ig. Der dadurch verur­sachte Zeitver­lust führte zu Stress und Frust bei den Beschäftigten. In der nach­fol­gen­den Diskus­sion wurde deut­lich, dass es auf­grund des Aus­bleibens von Ersatzteil­liefer­un­gen zu mas­siv­en Ter­min­prob­le­men in der Instand­hal­tung kam. In Reak­tion auf diese Erken­nt­nisse wurde die Doku­men­ta­tion­spflicht in ein ein­heitlich­es Sys­tem über­führt und damit der Bestel­lvor­gang für Ersatzteile effizien­ter und trans­par­enter gestal­tet. Daraus ergab sich eine deut­liche Zeit­erspar­nis für bei­de Abteilun­gen, zudem entspan­nte sich das Ver­hält­nis untere­inan­der. Diese Maß­nahme zur Vere­in­fachung der Doku­men­ta­tion verbesserte die Sit­u­a­tion für die Beschäftigten spür­bar und nachhaltig.

Fallbeispiel 3: Kommunikation erleichtert

Das dritte Fall­beispiel verdeut­licht, wie die Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tung Anstoß für vielfältige Maß­nah­men zur Entwick­lung der Organ­i­sa­tion und Unternehmen­skul­tur sein kann. Aus­gangspunkt war eine hohe Belas­tung auf­grund von schlechter beziehungsweise fehlen­der Kom­mu­nika­tion. Zur weit­eren Ursachen­forschung beschloss der Steuerkreis, durch einen exter­nen Mod­er­a­tor Analy­se­work­shops durch­führen zu lassen. Diese Work­shops wur­den mit 10 bis 15 betrof­fe­nen Mitar­beit­ern ein­er Hier­ar­chieebene durchge­führt. Die Beschäftigten waren damit schon in der Ermit­tlungsphase aktiv am Prozess beteiligt. Als Ursache wurde eine ungün­stige und wenig aus­geprägte Kom­mu­nika­tion­skul­tur zwis­chen der unteren Führungsebene und den Beschäftigten iden­ti­fiziert. Zur weit­eren Unter­stützung erfol­gte die Ein­führung von kol­le­gialen Meis­ter-Run­den, um einen Aus­tausch der Führungskräfte untere­inan­der anzuregen.

Die Meis­ter-Run­den boten eine Möglichkeit, schwierige Führungssi­t­u­a­tio­nen offen anzus­prechen und gemein­sam mit anderen Meis­tern zu bear­beit­en und zu reflek­tieren. Die Führungskräfte fühlten sich durch diese Maß­nahme sicher­er in ihrer Auf­gabe. Damit verbesserte sich auch die Kom­mu­nika­tion der Mitar­beit­er mit ihren Führungskräften deut­lich. Im weit­eren Ver­lauf wur­den auch die Arbeits­gestal­tung und ‑organ­i­sa­tion über­prüft und teil­weise verbessert, so zum Beispiel durch die Erneuerung der Mon­ta­ge­sitze und die Über­ar­beitung von Prozess- und Ablauf­beschrei­bun­gen. Die Wirk­samkeit der Maß­nah­men zeigte sich bei der näch­sten Beurteilungsrunde im Prozess der Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tung: Die Belas­tun­gen fie­len nun­mehr geringer aus.

Von der Pflicht zur Kür

Diese Beispiele zeigen, dass die Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen (GB Psych) keine lästige Pflich­tauf­gabe darstellt, son­dern konkrete Verbesserun­gen bewirken kann. Voraus­set­zung für eine gute Wirk­samkeit sind eine fundierte Analyse und ein gut funk­tion­ieren­der Steuerkreis: Stimmt die Qual­ität, kön­nen auch die Ursachen der fest­gestell­ten Belas­tun­gen erkan­nt und durch ziel­gerichtete Maß­nah­men behoben wer­den. Die Vertreter von Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer sowie die Fachkräfte im Steuerkreis erar­beit­en Maß­nah­men­vorschläge und kon­trol­lieren deren Umset­zung. Dabei kön­nen sie auch auf pro­fes­sionelle Hil­fe von außen zurück­greifen: Externe Fach­ber­ater unter­stützen den Steuerkreis bei der Struk­turierung des Prozess­es und begleit­en die Umset­zung der GB Psych – beispiel­sweise durch die Ver­mit­tlung von Fach­wis­sen, durch Beratung bei der Ver­fahrenswahl oder Unter­stützung bei der Auswertung.


Praxis-Tipp

Empfehlun­gen für eine erfol­gre­iche und wirkungsvolle GB Psych:

  • Struk­turen schaf­fen: Die GB Psych ist ein Prozess und ein Gemein­schaftswerk. Darum sollte ein Arbeit­skreis mit Vertretern des Arbeit­ge­bers und der Arbeit­nehmer­seite etabliert werden.
  • Qual­ität sich­ern: Das Analy­sev­er­fahren muss die rel­e­van­ten The­men erfassen. Deshalb ist es rat­sam, für den Anfang externe Experten zu Rate zu ziehen.
  • Beschäftigte ein­binden: Verbesserungs­maß­nah­men liegen im Inter­esse des Arbeit­ge­bers und der Arbeitnehmer.
  • Das Wis­sen der Beschäftigten nutzen: Als Experten in eigen­er Sache kön­nen sie mit einem Mod­er­a­tor Lösungsvorschläge und Ideen erarbeiten.

Lesen Sie auch „Nutzen gener­ieren (Teil 1) — Psy­chis­che Belas­tun­gen richtig erfassen”

Lesen Sie mehr zum The­ma Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen hier:


Autoren:
Dr. Ralf Neuner

Sabine Neuner

Insti­tut für Gesundheitsmanagement

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